Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Johann Ludwig Runeberg (1804-1877)
finnisch-schwedischer Dichter


Die Liebe

Scheltend sprach die Mutter zu der Tochter:
"Habe vor der Liebe dich gewarnet,
Finde nun, ich warnte dich vergebens."
Sprach die Tochter: "Sei nicht böse, Mutter:
Schloß ich ein mich, um ihn nicht zu treffen,
Flog er ein mit jedem Sonnenstäubchen;
Ging ich wieder aus, ihm zu entfliehen,
Hört' in jedem Wind ich seine Seufzer;
Schloß ich beides, Augen zu und Ohren,
Sprang er schelmisch mir in's eigne Herze.
(S. 112-113)
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Des Mädchens Jahreszeiten

Sprach an einem Wintermorgen
Im bereiften Hain das Mädchen
Zur verblich'nen Rose also:
Klage nicht, du arme Blume,
Daß dein Frühling schon geschwunden!
Hast gelebet, hast genossen,
Hattest deinen Lenz und Freude,
Eh' des Winters Frost dich faßte.
Schlimmer meines Herzens Schicksal,
Hier zugleich herrscht Lenz und Winter;
Meines Liebsten Aug' ist Frühling,
Meiner Mutter Auge Winter.
(S. 113)
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Zu der Quelle sprach der Knabe zornig:
Quell, des Angers Auge, böse Quelle!
Tausend Mal in deinem blauen Busen
Hat mein Lieb sein Antlitz schon gespiegelt;
Doch du achtest nicht das holde Bildniß,
Du bewahrest nicht der Liebsten Antlitz.
Geht sie fort, so fliehet auch ihr Bildniß
Und ich suche es vergebens wieder.
Soll ich strafen dich, du böse Quelle,
Trüben deine Wellen, ab dich leiten,
Und dein blum'ges Ufer niedertreten?
Doch die Quelle flehend sprach und sagte:
Knabe, warum wolltest du mich strafen,
Trüben meine Wellen, ab mich leiten,
Und mein Blumenufer niedertreten?
Bin ja nur des Wassers kühle Tochter,
Habe Blut nicht, und nicht warme Pulse,
Liebe nicht und werde nicht geliebet.
Schlimmer, daß in deinem eignen Herzen,
Ja in deines Herzens warmer Quelle
Selten nur ihr Bildniß länger dauert,
Als in ihrem Reiz sie vor dir stehet.
(S. 114)
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Unter frischen Blumen durch den Garten
Ging ein liebes Mädchen ganz alleine,
Brach 'ne jüngst geborne Ros' und sagte:
Schöne Blume, wenn du Flügel hättest,
Würd' ich dich zu meinem Liebling senden,
Heftete zuvor zwei leichte Grüße
Dir je rechts und links auf deine Flügel:
Einen: daß er dich doch küssen möchte,
Und den andern: daß er heim dich send'te.
(S. 116)
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Wenn der schöne Mai mit Veilchen kommen,
Kränzen Mädchen ihre braunen Locken,
Eilen hin zum Tanze um den Maibaum.
Und im Tanz sind alle glücklich - selig.
Glücklich, die im reichen Schmuck sich zeiget,
Glücklich, deren Kranz im Haar der schönste,
Glücklich, der die Wange höher glühet.
Fragst du, wer die Glücklichste von Allen:
Die den Bräut'gam mit im Tanze siehet.
(S. 117)
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"Schnell flieht der Frühling,
Schneller der Sommer,
Lang weilt der Herbst schon,
Länger der Winter.
Schnell auch ihr Wangen
Werdet verbleichen,
Nimmermehr blühen."
Drauf sagt der Knabe:
"Heg' noch im Herbste
Frühlings-Gedanken,
Und Sommers Ernte
Reicht durch den Winter.
Flieht drum der Lenz bald,
Bleicht bald die Wange,
Laßt uns drum jetzt nur
Lieben und küssen!"
(S. 117-118)
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Minna pflücket Rosen
Sich in ihren Schooß,
Flicht zum Kranz die losen
Auf der Bank von Moos.
Sank die Thräne leise,
Da den Kranz sie flicht,
Und in dieser Weise
Sie zum Kranze spricht:
"Liebster, schön bekränze
Meinen Jüngling, du,
Nur von Lieb' und Lenze
Flüstr' ihm duftend zu.
Sollt' er dich verschmähen
Seinem Haar, o Kranz!
Dann, dann laß ihn sehen
Meiner Thräne Glanz."
(S. 118)
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Der lange Tag

Erst, als mein Freund noch hier,
War kurz des Sommers Tag.
Nun, seit er nicht mehr hier,
Ist lang des Herbstes Tag.
"Ach! was die Stunden fliehn!"
So Andrer Litanei.
Ich: "Was sie langsam ziehn!
O, wären sie vorbei!
Kommt bald der Abend nicht?
Bringt Ruh die Nacht mir nicht?"
(S. 119)
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Vom Wolkenrande blickt des Sterns Gefunkel,
Ein Mädchen fragt ihn aus des Waldes Dunkel:
Sag', Abendstern, was sie im Himmel denken,
Wenn hier der Liebe ersten Kuß wir schenken?
Und nieder hört der Liebe Stern man sagen:
Zur Erde blicken lichte Engelschaaren,
Und sehn ihr eigen Glück da wiederscheinen,
Und nur der Tod hebt sich hinweg zum Weinen.
(S. 119)
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Der Vogel

Auf ist meines Mädchens Fenster;
Wär' ein unbekannter Vogel
Ich, würd' gleich hinein ich fliegen.
In ihr Bau'r würd' sie mich setzen,
Füllte mir das Glas mit Wasser,
Füllte mir den Trog mit Hanfsaat.
Doch ich würde zu ihr sprechen:
Mädchen, laß den Hanf, das Wasser!
Wisse nur, dein kleiner Vogel
Trinket nichts, als Liebesthränen,
Lebt von nichts, als Schmeichelküssen.
(S. 120)
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Fünfzehn Jahre ward ein Bub' - und glaubte
Noch nicht, daß es Lieb' auf Erden gäbe;
Lebte fünfe noch dazu - und glaubte
Auch noch da nicht, daß es Liebe gäbe.
Kam nun unvermerkt ein schönes Mädchen,
Und belehrte ihn in wen'gen Stunden,
Was er zwanzig Jahr' lang nicht begriffen.
(S. 120)
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Das Lächeln

Lächeln war ausquartiert,
Irrte betrübt umher,
Kam zu des Hohen Mund:
"Ist für mich Wohnung hier?"
Stolz hat hier schon Quartier.

Lächeln war ausquartiert,
Irrte betrübt umher,
Kam zu Professors Mund:
"Ist für mich Wohnung hier?"
Ernst hat hier schon Quartier.

Lächeln war ausquartiert,
Irrte betrübt umher,
Kam zu des Mädchens Mund:
"Ist für mich Wohnung hier?"
Liebe hat hier Quartier,
Jüngst zog der Kuß herein,
Fehltest nur du allein.
(S. 124-125)
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Trübe nicht des Mädchens Herz!

Mädchen saß an Baches Rand,
Netzte sich die Füßchen da;
Sang ein Vogel über ihr:
"Mädchen, trübest du den Bach,
Scheint der Himmel nicht mehr d'rein."
Mädchen schlug sein Auge auf,
Sprach zu ihm mit feuchtem Blick:
"Sorge um die Quelle nicht,
Quelle klärt bald wieder sich.
Siehst vielleicht du einmal mich
An des Jünglings Seite hier,
Ja dann rufe du ihm zu:
Trübe nicht des Mädchens Herz,
Nimmer klärt es wieder sich,
Nimmer scheint der Himmel d'rein."
(S. 126)
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Die einzige Stunde

Ich war allein,
Er kam allein auch,
Sein Weg führte
An meinem vorüber;
Blieb nicht stehen,
Ob er schon wollte,
Sprach kein Wort, doch
Es sprach das Auge. -
Du Unbekannter,
Du Wohlbekannter!
Ein Tag verschwindet,
Ein Jahr verfließet,
Eine Erinnerung
Jaget die and're;
Doch jene Stunde
Bleibt bei mir ewig,
Die bitt're Stunde,
Die süße Stunde.
(S. 127)
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Die Primel

Primel, Frühlings-Erstgebor'ne,
Soll ich brechen, soll ich senden,
Der Geliebten dich, der kalten!
Bräch' ich dich, müßt' ich dich senden,
Send' ich dich, so müßt' ich sagen:
"An des Schnees Rand, o Mädchen,
Wuchs des Lenzes Erstlingsblume,
Wie am Eise deines Herzens
Sproßte meine treue Liebe;
Zitternd vor der Winterkälte,
Doch noch nicht von ihr gebrochen."
(S. 128)
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Der Rosenstrauch

Rosenstrauch, du mir Verwandter!
Jetzt in Schnee gehüllt verschmähet,
Jetzt in Dornen haßt man dich.
Doch ich denke: Kommt der Frühling,
Treibest Blätter du und Rosen:
Dann giebt's kein Gewächs auf Erden,
Reizend und geliebt wie du. -
O, wie manches Rosensträuchlein
Stehet in der Welt nicht dürre,
Das der Liebe nur bedürfte,
Eines Herzens Sonnenblick's
Um in Rosen sich zu kleiden,
Aller Augen süßer Trost.
(S. 129)
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Der seltsame Vogel

Als er Abends zu der Hütte eintrat,
Schmählte ihren Sohn die alte Mutter:
"Sohn, du gehst tagtäglich zu den Schlingen,
Und tagtäglich kehrst du leer zurücke,
Achtlos bist du oder unverständig,
Da doch And're fangen, und du niemals."
Und zu ihr der ungebänd'ge Knabe:
"Wie soll uns dasselbe Glück denn werden,
Da wir nicht dieselben Vögel locken!
Ueber'm See, dort, in dem kleinen Dorfe,
Wohnt ein seltsam Vogel, liebe Mutter.
Hab' im Herbste schon auf ihn gelauert,
Hab' im Winter ihn jetzt eingefangen,
Und im Frühling bring' ich ihn nach Hause.
Wundersam ist der; er hat nicht Flügel,
Doch an deren Statt zwei runde Arme,
Federn nicht, doch seidenweiche Locken,
keinen Schnabel, doch zwei rothe Lippen."
(S. 130)
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Das Begegnen

Mägdlein schaut am Sommerabend
Sich im Spiegel einer Quelle:
"O, wie bin ich schön, beim Himmel!
Doch was fruchtet meine Schönheit,
Da der Jüngling, den ich liebe,
Nimmer sieht mich, nimmer hört mich?
Rose hier an meiner Seite
Nimm du meiner Lippen Glühen!
Purpurfarb'ne Wolk' am Himmel
Nimm du meiner Wangen Purpur!
Bleicher Stern, hoch über Wolken,
Nimm du meiner Augen Klarheit!
Grab, nimm du zuletzt, was übrig!"
Solches hört der schelm'sche Knabe,
Der im nächsten Busche lauschet,
Und er springt hervor zum Mädchen,
Die er just gesucht, gefunden.
Und er küßt sie auf die Lippen:
"Jetzo nahm ihr Glühn die Rose."
Schmieget seine Wang' an ihre:
"Nahm den Purpur jetzt die Wolke."
Und er sah ihr in die Augen:
"Nahm der Stern jetzt ihre Klarheit."
Und er schlang sie in die Arme:
"Nahm das Grab jetzt, was noch übrig."
Denn dies ist das Grab, o Mädchen,
Dem nie Eine mehr entrinnet.
(S. 131-132)
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Die Nachtigall

Wie athm' ich wieder frei und leicht im Thal,
Nicht wirft die Sonne mehr den heißen Strahl,
Der Sommertag zu seiner Ruhe sinkt,
Nur noch der Schein vom West durch Bäume blinkt,
Und auch des Windes Hauch, schon kühl und matt,
Sucht auf den Blumen sich die Schlummerstatt.

Nur du, des Abends Freundin, Nachtigall,
Wachst noch, da Alles schweigt im stillen Thal;
Vom glüh'nden Tag und von der Nacht so mild
Leihst du die Farben zu der Dichtung Bild,
Singst deiner Treue unvergänglich Lied,
Verstummest nicht, als bis der Lenz entflieht.

Dir ward, wie mir, ein treues liebend Herz,
Das deiner Freude lauscht und deinem Schmerz,
Doch ward mir nicht, wie dir, der Stimme Klang,
Nicht so des Herzens Sprache im Gesang.
Ach! liebt' ich Nachtigall so zart, wie du,
Und flüsterte mein Herz mir Worte zu!

Drum will ich lauschen dir im Dämmerlicht,
Bis durch den Hain der letzte Purpur bricht,
Die Nacht gezündet ihren bleichen Schein.
Es harrt im Hüttchen ja die Liebste mein.
Erzähl' ihr dann von deinem Lied den Sinn -
Da braucht's nicht Worte, Küsse reichen hin.
(S. 156-157)
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An das Verlangen

Süßes Verlangen, weile, ach weile noch,
Von keiner Freude, wäre sie noch so reich,
Von keinem Vollgenuß gesättigt,
Lechze nach reicheren Wonne ewig!

Jüngst war dein Wunsch nur einzig ein Liebesblick
Aus ihrem Auge - jetzt, da er dir geschenkt,
Steig höher und begehr den ersten
Himmlischen Kuß und ein süß' Verschmachten.

Und blüht auf holdem Mund keine Rose mehr,
Aus deren Kelche nicht du den Honig sogst,
So eil' und fordre neue Opfer
Von der wallenden Gluth des Busens.

Holdes Verlangen, herrsche mit Doppelkraft
In meinen Adern: denke bei jedem Kranz,
Den du eroberst, daß ein andrer,
Edlerer noch dir winkt in der Ferne.

Es mag der blöde Schwächling vertauschen dich
Um ruh'ges Todtsein, welches er Friede nennt,
In seiner Schale, wie die Schnecke,
Kriechen am Weltstrand kalt und dürftig.

Ich liebe dich - wer war es denn, wenn nicht du,
Der mich hinaus ins offne Meer gejagt,
Mit seinen Wogen, seinen Stürmen,
Jubelnd im Kampf um des Lebens Freuden!

Ja, bleibe bei mir, bleibe mein Schutzgeist du,
Lehr mich genießen ganz meines Lebens Tag,
Und endigt er, sollst du vom Schlummer
Auch meines Grabes mich erwecken,

Sollst über Sonnen, über der Sterne Bahn
Getreu mir folgen - Sollst in Wallhalla selbst
Beim Trank des vollgefüllten Methhorns
Schöneres noch mich träumen lehren.
(S. 157-159)
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Das Schiffermädchen

Winde blasen auf in Hast,
Segel füllen Stang und Mast,
Schiffer steur't zum fernen Strande.
Kehrt er je zum Heimathlande?

Schiffer, wirfst den letzen Blick
Auch noch einmal mir zurück?
Sieh' mein Auge dich wohl grüßte,
Wenn es nur nicht weinen müßte.

Ach! daß ich ein Vogel wär',
Hätte Flügel, wollt' nichts mehr,
Folgte dir auf feuchten Pfaden
Hin zu fernesten Gestaden.

Käme stets mit dir ans Land,
Wendete, wo du gewandt,
Schwebte leicht auf meiner Schwinge,
Deinen Blick im Flug' ich finge.

Doch des armen Mädchens Loos
Ist ein kurzer Abschied blos,
Streckt die unbeschwingten Arme,
Bleibt zurück mit ihrem Harme.

Kann nicht folgen, darf nicht weilen,
Muß zurück zur Hütte eilen,
Ehe noch die Nacht gekommen,
Eh' das Segel noch verschwommen.

Muß verbannen aus der Brust
Ihrer Sehnsucht stille Lust,
Selbst die Thräne von den Wangen,
Daß man nicht bemerkt ihr Bangen.
(S. 164-165)
_____



An den Abendstern

Milder Stern der Abendruh,
Sage wohin blickest du?
Schauest du aus lichter Höh
Wohl mehr Freude oder Weh?

Ach! vielleicht auf stürmschem Meer
Hebt vom Wellengrab umher
Bang der Segler seinen Blick,
Daß du wendest sein Geschick.

Oder in entleg'nem Thal,
Einsam nur mit seiner Qual,
Suchet ein verwundet Herz
Trost bei dir für seinen Schmerz.

Oder auch zu dir vielleicht
Eine Maid ihr Auge neigt,
Ob des Liebsten Blicke wohl
Sie bei dir begegnen soll.

Schaust in Angst den Segler du,
Leit' ihn seinem Hafen zu.
Schaust du die verborg'ne Qual,
Send' ihr deines Trostes Strahl.

Doch hast du mein Lieb geschaut,
Grüße du von mir sie traut,
Frage sie auch mit dem Gruß,
Ob ich lang noch warten muß?
(S. 172-173)
_____



Die Schöne

Was ich thun mag, was begehren -
Immer reizend ist's zu seh'n.
Immer lassen sie mich hören:
Nein, wie bist du schön!

Wuchs und Auge, wie sie sagen,
Machen mich zur schönsten Frau'n!
Darf ich nicht den Spiegel fragen,
Nicht mir selbst mehr traun?

Prüf' ich dort mein Bildniß treuer,
Schau' ich's doch viel anders an,
Als der Schwarm der losen Freier
Mir nur sagen kann.

Wohl ist's süß, dem Lob zu hangen;
Doch ein fader Scherz nur ist,
Wenn man um das Roth der Wangen
Ganz das Herz vergißt.

Und doch bleibt es bei den Scherzen.
Meine Wangen rühmt man hoch,
Ein vertraulich Wort zum Herzen
Sprach mir Keiner noch. -
(S. 173-174)
_____



Die Braut

Ja, ich sah dich, habe dich schon lange
Um die Birkenklippe steuern sehn!
Sah ein Segel erst, und von der Stange
Dann dein rothes Tuch als Flagge wehn!

Und nun bringst du mir die holden Grüße, -
In den Kahn warf sie die Schwester dir -
Und nun bringst du mir der Mutter Küsse,
Und das Jawort deines Vaters mir!

Warum länger denn das Glück verschieben?
Jahre überdauert wohl das Gold;
Liebe hat der Blume Art. Dem Lieben
Wie der Blume ist der Lenz nur hold.

Sieh! es grünt das Thal, es glänzt der Gipfel,
Hier blüht nicht das Glück des Vogels blos.
Selbst in dieser Erle morschem Wipfel
Lebte ich mit dir ein glücklich Loos.
(S. 175)
_____



Des Mädchens Klage

Herz, o Herz! ach! könnt' ich in's Aug' dir blicken,
Oder hätt', unruhiges Ding, auf dem Schooß dich:
O! es sollten bald meine treuen Sorgen
Ruhe dir bringen.

Wie die Mutter ihr Kind, würd' ich dich wiegen,
Trüg' mit flüsterndem Sang dich hin und wieder,
Bis dein Weinen verstummt, und deine Klagen
Sänken in Schlummer.

Doch du wohnst verschlossen im tiefen Busen,
Jedem tröstenden Zuspruch unzugänglich;
Nur dem Einen offen, der unaufhörlich
Stört deine Ruhe.
(S. 183)
_____



Die Sehnsucht

Kein Baum, kein Strauch allüberall,
Der grün in Blättern steht,
Längst floh der Sommer dieses Thal,
Und nur der Winter weht.

Ja, ringsum Winter in dem Feld
Und Winter auch in mir,
Und ging ich bis an's End' der Welt,
Blieb doch der Winter hier.

Schmückt auch die Sonne auf's Neu den Wald,
Bringt Lenz auch neue Lust:
In meinem Busen bleibt es kalt,
Und Winter in der Brust.

Die meiner Augen Frühling war,
Die seh' ich nimmermehr,
Und meines Herzens Sonne, ach,
Kehrt nicht vom Grabe her.

Mein Herz war dein, mein Alles dein,
Dein Leben Leben mir,
Jetzt ist die Sehnsucht nur noch mein:
Das Andre ging mit dir.

Drum geb' ich an des Lebens Rand,
Erinn'rung nur Gehör,
Bis ganz die Flamme ausgebrannt,
Und keine Scheite mehr.
(S. 184-185)
_____



Der Gruß

Endlich doch der schwarze Flor verflieget,
Lässet Raum der Abendsonne Schein,
Auf der Bucht, vom Wellentanz gewieget,
Schwankt nur noch der Sturm und schlummert ein.

Du, die mein geharrt so manche Tage,
Und kein Nachen zeigte sich im Meer,
Stehst vielleicht auch jetzt mit stummer Klage,
Blickst in Thränen von dem Ufer her.

Doch will noch kein Wind das Segel blähen,
Wollt' ich rudern, ach! es glitte nicht;
Fern und kaum so weit die Augen spähen,
Schimmert von dem Strand das traute Licht.

Schwalbe, schneller als des Windes Wehen,
Flieg' zu ihr mit raschem Flügel du,
Und auf ihrer Schulter ungesehen
Flüst're ihr des Trostes Worte zu:

"Hast um deinen Freund in Angst geschwebet,
Höre seinen treuen Gruß durch mich,
Nächsten Morgen, wenn der Wind sich hebet;
Lichtet er den Kahn und suchet dich.

Sieh, die Bucht ist weit, der Sturm schnob lange;
Ohne Wind durchfurcht er nicht den Sund,
Doch, wie still es ist, schwebt sein Gedanke
Leicht, wie ich, hierher zu jeder Stund.

Nur der Vögel Sang, des Tages Lächeln,
Nur der Quelle sanfter Fall ins Meer,
Ja, der Mücken weiche Flügel fächeln
Ihn mit Blitzes Schnelle zu dir her."
(S. 186-187)
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Das war da!

Höher zum Sande
Brauset der wilde See;
Kein Baum am Strande
Strecket sein Grün zur Höh'.
Erde deckt tiefer Schnee.

Einst, ach, o Schöne
Ließest du Thal und mich!
Riefe die Thräne
Einmal nur wieder dich,
Dann wollte sprechen ich:

Wirf deine Blicke
Ringsum doch einmal nur.
Schön wie im Glücke
Strahlt' einst im Lenz die Flur;
Kaum noch davon die Spur!

Ohne Befangen
Würdest du sagen da:
Auch deine Wangen
Blühten einst schöner ja:
Doch das war da - ja da!
(S. 189-190)

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Übersetzt von Ferdinand Otto von Nordenflycht (1816-1901)

Aus: Schwedische Lieder der Neuzeit
Eine Sammlung Gedichte von Geijer, Stagnelius, Runeberg,
von Braun und Strandberg
Deutsch von Ferdinand Otto Freiherrn von Nordenflycht
Berlin 1861 Verlag der Königlichen Geheimen
Ober-Hofbuchdruckerei (R. Decker)


 



 

 


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