Johann Ludwig Runeberg (1804-1877)
(In der Übersetzung von Edmund Lobedanz)
Trübe nicht des Mädchens Seele
In des Baches Wasser netzte
Einst ein Mägdlein sich die Füßchen,
Da sang ihr ein Vöglein zu:
"Mach' den Bach nicht trübe, Mädchen,
Denn nicht mehr kann er dann spiegeln
Mir des Himmels Bild zurück."
Da schlug sie empor das Auge,
Trüb von Thränen war der Blick:
"Sorge nicht, du kleiner Sänger,
Denn der Bach wird bald sich klären;
Als du einst mich hier erblicktest
An der Seite eines Burschen,
Hättest du ihm singen sollen:
Trübe nicht des Mägdleins Seele!
Froh und klar wird sie nie wieder,
Spiegelt nie den Himmel mehr!"
(S. 208)
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Rosenstrauch
Rose, meine Schwesterpflanze,
Eingehüllt in Wintereis,
Wirst von Allen du verschmähet,
Doch, mit spitzem Dorn bewehret,
Wirst von Allen Du gehaßt.
Aber, naht der sel'ge Frühling,
Schmücken Blätter dich und Blüthen,
Dann hat keine Flur wohl Blumen
Lieblich und geliebt wie du!
Ach, wie mancher Strauch mit Dornen
Stehet nackt in Waldes Gründen,
Welcher Liebe blos bedürfte,
Eines Herzens Sonnenblick,
Um zu jedes Wesens Freude
Sich mit Rosen schön zu schmücken!
(S. 208-209)
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Glück im Unglück
In des Bräut'gams Armen weint' ein Mädchen
Und beklagte laut sein hartes Schicksal:
"In der letzten Nacht, o mein Geliebter,
Brannte meine Hütte, meine Heerden,
Alles, was ich auf der Welt besessen!"
Froh im Herzen ward der Bursch und dachte:
Ist verbrannt des treuen Mädchens Hütte -
Doppelt soll sie lieben dann die meine,
Sind verbrannt auch ihre vielen Heerden,
Doppelt soll sie meiner sich erfreuen.
Büßt' sie Alles ein auf dieser Erde,
Doppelt, doppelt wird sie mich dann lieben!
(S. 209)
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Der erste Kuß
Der Abendstern saß neben Wolken schweigend,
Vom Waldbrand sprach das Mädchen, sich verneigend,
"Sag Abendstern, was man im Himmel denket,
Wenn man den ersten Kuß dem Liebsten schenket?"
Der holde Stern sprach sanft mit Worten klaren:
"Zur Erde blicken lichte Engelschaaren,
Weil ihnen eignes Glück aufs Neu erscheinet,
Der Tod allein sich wendet ab und weinet."
(S. 209)
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Die Begegnung
Mägdlein saß am Sommerabend
Spiegelnd sich in einer Quelle:
Guter Gott, wie bin ich reizend!
Doch was hilft mir meine Schönheit,
Da der Jüngling, den ich liebe,
Mich nicht sieht und mich nicht höret!
Rose, blühend mir zur Seiten,
Nimm Du meiner Lippen Röthe,
Purpurwolke an dem Himmel,
Nimm Du meiner Wangen Purpur!
Bleicher Stern, Du, über Wolken,
Nimm Du meiner Augen Klarheit!
Und Du, Grab, nimm dann, was übrig.
Dieses hört' der schelmsche Bursche,
Welcher steckt im nächsten Busche
Und er eilte hin zum Mägdlein,
Dem gesuchten, dem gefund'nen,
Und er küßte ihre Lippen:
"Röschen nahm der Lippen Röthe!"
Drückt die Wange an des Mägdleins:
"Wolke nahm der Wangen Purpur!"
Und er blickt in ihre Augen:
"Stern nahm Deiner Augen Klarheit!"
Schlang um sie dann seine Arme:
"Grab umfing, was nun noch übrig,
Denn, das ist das Grab, o Mägdlein,
Welchem Keiner mehr entwischet."
(S. 213)
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Finnische Bilder
I.
Mägdlein kam zurück vom Liebeskosen.
Kam mit roten Händen. - Sprach die Mutter:
"Wie so roth sind Deine Hände, Mädchen?"
Mägdlein sprach: "Ei, nun, ich pflückte Rosen,
An den Dornen stach ich meine Hände."
Abermals kam sie vom Liebeskosen,
Kam mit roten Lippen. - Sprach die Mutter:
"Wie so roth sind Deine Lippen, Mädchen?"
Sprach das Mädchen: "ei, ich speiste Beeren,
Färbte mit dem Safte meine Lippen!"
Kam noch einmal dann vom Liebeskosen
Und mit bleichen Wangen. - Sprach die Mutter:
"Wovon bleichen Deine Wangen, Mädchen?"
Sprach das Mädchen: "Mach' ein Grab mir, Mutter,
Senk' hinein mich, setz' ein Kreuz darüber,
Auf das Kreuz dann schreibe, was ich sage:
"Einmal kam sie heim mit rothen Händen,
Ach, geröthet zwischen Jünglingshänden;
Und dann kam sie heim mit rothen Lippen,
Ach, geröthet an des Jünglings Lippen;
Kam zuletzt dann heim mit bleichen Wangen,
Vor des Jünglings Untreu sie erbleichten!"
(S. 214)
II.
Edward redete zum Morgensterne:
"Holde Sternenmaid, Du Himmelstochter!
Was doch macht Amanda, wenn sie aufsteht,
Und den Schleier wirft um ihre Schulter?"
Und die Sternenmaid versetzte lächelnd:
"Guter Jüngling, wenn Amanda aufsteht,
Um die Schulter wirft den Schleier, geht sie
An ihr Fenster, sieht mich an, und weinet.
Später richtet sie den Blick nach Westen."
Wieder redet Edward zu der Hohen:
"Gut ist's, wenn sie schaut zum hehren Himmel,
Das beweiset ihres Herzens Reinheit;
Besser ist's doch, wenn sie schaut nach Westen,
Denn im Westen lieget Edwards Hütte."
(S. 214-215)
VI.
Fluchend ihrer Tochter, sprach die Mutter:
"Hab Dich, Mädchen, vor der Lieb gewarnet,
Und ich finde, daß dies war vergebens!"
Sprach die Tochter: "Sei nicht unsanft, Mutter!
Wenn ich mich verbarg ihm zu entgehen,
Flog er zu mir mit den Sonnenstrahlen;
Ging ich wieder aus im weiten Raume,
Hört ich ihn in jedem Windhauch seufzen;
Schloß ich meine Augen, meine Ohren,
Sprang er schelmisch grade in mein Herze."
(S. 218)
VII.
Als er Abends eintrat in das Zimmer,
Fluchte ihrem Sohn die alte Mutter:
Sohn, zu Deinen Schlingen gehst Du täglich
Und kommst wieder doch mit leeren Händen;
Bist nachlässig oder unverständig,
Andre fangen Vögel, doch Du niemals.
Ihr entgegnet zornig drauf der Bursche:
"Ei, ich denk', dies Glück ist wohl verschieden,
Da wir nicht auf gleiche Vögel denken! -
In dem Dorfe drunten, um die Ecke,
Wohnt, o Mütterchen ein selt'ner Vogel,
Hab' im Herbste stets auf den gelauert
Und im Winter hab' ich ihn gefangen,
Doch zum Lenz erst bring ich ihn nach Hause,
Seltsam ist der Vogel, er besitzet
Keine Flügel, aber einen Busen,
Keine Federn, sondern seid'ne Dunen,
Keinen Schnabel, doch zwei rothe Lippen."
(S. 219)
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Hüte dich, es naht der Gott
Schöne Dirne, wilde Dirne,
Laß den Lenz noch zweimal kommen,
Wolken trägt dann deine Stirne,
Wilde Glut - sie ist verglommen.
Vierzehn Jahr sind ohne Kummer,
Eins noch laß und zwei verfließen,
Dann erwacht der Gott vom Schlummer,
Neue Welt wird er erschließen.
Seiner Fackel leicht entflogen,
Weckt ein einz'ger Funke Gluten,
Nur ein Pfeil von seinem Bogen
Und das frische Herz muß bluten.
Friede, Lust und Selbstvertrauen
Fliehen plötzlich aus dem Herzen,
Aus des Auges Spiegel schauen
Feucht hervor der Sehnsucht Schmerzen.
Lache, spiel im Sonnenschimmer
Sorglos vor des Gottes Pfeilen,
Denn er naht den Knospen nimmer,
Die noch in der Hülle weilen.
Doch, wenn Unruh scheucht dein Lachen,
Sehnsucht deinen Busen wieget,
Dann, dann wird der Gott erwachen,
Hüte dich, er naht und sieget!
(S. 223-224)
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übersetzt von Edmund Lobedanz (1820-1882)
Aus: Album Schwedisch-Finnischer Dichtung
Deutsch und mit biographisch-literathistorischen Notizen
von Edmund Lobedanz
Mit Tegniers Portrait, gestochen von Weger
Leipzig Albert Fritsch 1868