Percy Bysshe Shelley (1792-1822)
englischer Dichter
Philosophie der Liebe
Quelle eint sich mit dem Strome,
Daß der Strom ins Meer vertauche;
Wind und Wind am blauen Dome
Mischen sich mit sanftem Hauche.
Nichts auf weiter Welt ist einsam,
Jedes folgt und weiht sich hier
Einem Andern allgemeinsam -
Warum denn nicht wir?
Sieh den Berg gen Himmel streben,
Well' in Welle sieh zerfließen;
Keiner Blume wird vergeben,
Wollte sie den Kelch verschließen.
Und der Himmel küßt die Erd',
Und das Mondenlicht den Fluß -
Was sind all' die Küsse werth,
Weigerst du den Kuß?
übersetzt von Adolf Strodtmann (1829-1879)
Aus: Percy Bysshe Shelley's Ausgewählte Dichtungen
Deutsch von Adolf Strodtmann
Hildburghausen Verlag des Bibliographischen Instituts 1866 (S. 154-155)
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Worte zu einer indischen Melodie
Ich erwach' aus Träumen von dir
Im ersten Schlummer der Nacht,
Wenn die Winde flüstern im Laub,
Und die Sterne schimmern voll Pracht.
Ich erwach' aus Träumen von dir,
Und ein magischer Zauber trieb
Meine Schritte mit stürmender Hast
Zu deinem Fenster, mein Lieb.
Die Lüfte schweigen so bang
Auf dem stillen und dunklen Strom;
Wie ein lieblicher Traum verweht
Der Champakblüthen Arom;
Der Nachtigall Klagelied
Erstirbt in ihrer Brust,
Wie ich in dir vergeh',
Du mein Leben, meine Lust!
O, hebe mich empor!
Ich sterb', ich verschmachte hier!
Auf Lippen und Augen laß
Deine Küsse regnen mir!
Meine Wang' ist bleich und kalt,
Wildstürmisch pocht die Brust!
O, schließ mein Herz an deins,
Wo es brechen wird vor Lust!
übersetzt von Adolf Strodtmann (1829-1879)
Aus: Percy Bysshe Shelley's Ausgewählte Dichtungen
Deutsch von Adolf Strodtmann
Hildburghausen Verlag des Bibliographischen Instituts 1866 (S. 186-187)
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Elegie
Wenn die Lampe zerschmettert,
Ist ihr Licht im Staube verglüht;
Wenn die Ros' entblättert,
Ist ihr Duft im Winde versprüht;
Wenn die Laute zerbrochen,
Ist ihr lieblicher Klang verhallt;
Wenn die Lippen gesprochen,
Ist ihr Wort vergessen, wie bald!
So wie Klang und Schimmer
Nicht Lampe und Laut' überlebt:
Stummer Seel' auch nimmer
Sich wieder ein Lied enthebt, -
Nur ein trübes Träumen,
Wie der Wind durch Trümmer streift,
Wie der Woge Schäumen
Dem Schiffer sein Grablied pfeift.
Liebten sich zwei Herzen:
Bald flieht, ach! die Lieb' aus dem Nest;
Das schwächre hält in Schmerzen
An seiner Liebe noch fest.
O Lieb', die alle Wesen
Der Schwäche du zeihst so arg,
Was hast du dir erlesen
Den Schwächsten zur Wieg' und zum Sarg?
Sein Sehnen wird dich wiegen,
Wie der Sturm die Raben wiegt;
Vernunft wird Ruh' dir lügen,
Wie die Sonn' im Winter lügt.
Dein Nest wird ganz zerfallen,
Deines Adlerhorstes beraubt,
Wirst du ein Spott sein Allen,
Wenn der Herbst die Flur entlaubt.
übersetzt von Adolf Strodtmann (1829-1879)
Aus: Percy Bysshe Shelley's Ausgewählte Dichtungen
Deutsch von Adolf Strodtmann
Hildburghausen Verlag des Bibliographischen Instituts 1866 (S. 187-188)
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Hymne an die geistige Schönheit
Der hehre Schatten unsichtbarer Macht
Umwebet uns, ob ungesehen auch;
So unbeständig, wie des Sommers Hauch
Von Blume schwebt zu Blume leis und sacht.
Dem bleichen Mondstrahl gleich, vom Föhrenberg versteckt,
Glänzt er mit unbeständigem Licht
Auf Menschenherz und Angesicht;
Wie Licht und Ton vom Abendschein erweckt,
Wie Wolken im Sternenschimmer, wie
Erinnerung verklungner Melodie,
Wie Etwas, wegen seiner Schön' uns lieb,
Und lieber noch, weil es Geheimniß blieb.
O Geist der Schönheit, der du heiligest
Mit deinen Gluthen, drauf dein Schimmer fällt,
Wohin entflohst du aus der Menschenwelt?
Warum entschwandest du und warum läßt
Du dieses düstre Thal der Thränen leer und öd?
Frag, warum nicht die Sonne Regenbogen
Für ewig webt um seines Bergstroms Wogen;
Frag, warum Etwas, was schon ist, vergeht;
Warum Geburt und Tod und Furcht und Traum
Ausgießen auf der Erde hellen Raum
Solch Graun; warum der Mensch so viel kann tragen
Von Liebe, Haß, von Hoffnung und Verzagen.
Kein Mund aus höhrer Welt hat je gegeben
Antwort darauf dem Dichter oder Weisen:
So sind, was Himmel, Dämon, Geist wir heißen,
Denkmale nur von also eitlem Streben
Nur schwaches Zauberwort, das nimmermehr ist mächtig
Von Allem, was wir sehn und kennen
Veränderung, Zweifel und Geschick zu trennen.
Dein Licht nur, gleich dem Tone, den ein nächtig
Windhauchen wecket in verklungnen Saiten,
Gleich Nebel, windgetrieben über Haiden,
Gleich Mondlicht auf des dunklen Stromes Wellen
Mit Wahrheit kann und Reiz des Lebens Traum erhellen.
Lieb', Hoffnung und Selbstachtung gehn und kommen,
Wie Wolken, schweifend unstet hin und her.
Der Mensch unsterblich und allmächtig wär',
Wenn, Unbekannter, Hehrer! du genommen
Für ewig deinen Sitz in seines Herzens Schrein.
Du, dem die wechselnden Gefühl' entstammen,
Die in dem Auge Liebender aufflammen,
Der, wie die Nacht verglühender Flamme Schein
Die menschlichen Gedanken nährt mit Licht,
Schnell, wie dein Schatten kam, entfliehe nicht,
Daß nicht das Grab sei, so wie Leid
Und Leben, eine düstre Wirklichkeit.
Der Mittag schwand, und ruhiger, klarer ward
Der Tag; im Herbst ein stiller Friede ruht,
In seinen Lüften eine Glanzesfluth,
Wie Sommer nie dem Auge offenbart,
Als wär er nimmer so gewesen, könnt's nie sein.
Mög' Deine Macht, die meiner Jugend Schlaf
Gleich der Natur Wahrheit erweckend traf
Auch ihren Frieden ferner mir verleih'n,
Mir, der dich ehrt und jeglich Wesen
Das du zu deinem Thron erlesen,
Der du mich lehrtest, mir allein zu bangen
Und alle Menschen liebend zu umfangen.
übersetzt von Julius Seybt
(gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844
(S. 270)
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Als Constanze sang
So hinzusinken und so verhauchen
Wär dies der Tod? - Constanze, eine Macht
Dem Licht gleich ruht in deinen dunklen Augen,
Als ob umhüllte dort des Schlafes Nacht
Die Töne, die in deinem Mund erglühn.
In deinem Hauch, auf deinem Haar ruht's noch wie süßer Duft,
Du rührst mich an, und Gluthen mich durchziehn.
Selbst jetzt die heißen Wangen Thränen nässen -
Daß das zerrissene Herz kann bluten, nicht vergessen!
Betäubend Staunen, wie im schnellen
Wechsel der Träum', gefühlt; doch nicht gesehn,
Hör ich aus deiner Töne Wirbeln schwellen,
Verwirrend, wundersam, unsagbar schön.
Des Himmels Wölbung scheint zerrissen
Von deines Liedes Zauberklang;
Aus meinen Schultern Schwingen sprießen,
Zu folgen dem erhabnen Sang
Dahin, wo an dem letzten Rand
Der Welt die Riesenmonde bleichen
Und in der Ferne Grau zurück die Grenzen weichen.
Die Töne über meiner Seele schweben,
Einlullend sie mit ihrer Fittige Schatten,
Und der schneeweißen Finger Blut und Leben
Mit deiner Harfe Zauberkräfte gatten.
Mein Athem fliegt, mein Hirn wird irr -
In meinen Adern lauscht das Blut,
Und Schatten drängen schnell und wirr
Sich durch den Schleier der Thränenfluth;
Mein Herz gleich einer Flamme zittert;
Wie Morgenthau, der in des Tages Strahl
Erstirbt, lös mich auf in solcher Wonne Qual.
Ich hab kein Leben außer dir mehr, während
Wie weltumgebende Luft, entströmt dein Sang,
Das All mit seinen Harmonien nährend.
Jetzt ist dein Bild wie wilden Sturmes Drang,
Der mich, als wäre ich, verzückt
Im Traume, worden wonneselig,
Ueber Felsen, über's Meer entrückt'
Wie eine Morgenwolke fröhlich;
Der Sommerhauch jetzt, der mit müden
Schwingen auf sternbestreutem Meere schwebt
Um duft- und blumenreiche Hesperiden
Und um der Seele Flug, den hohen, Ketten webt.
übersetzt von Julius Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 279)
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Philosophie der Liebe
Die Quellen mit dem Fluß sich mischen,
Mit dem Meer eint sich der Fluß;
Des Himmels Winde einen sich
Stets mit süßem Kuß.
Nichts steht in der Welt allein:
Jedes, Gottes Wille spricht,
Sich mit anderm Wesen eine -
Warum ich mit deinem nicht?
Daß sich Berg und Himmel küssen,
Well' und Welle, kannst du sehn;
Keiner Schwesterblüth' verziehn
Wird's, den Bruder zu verschmähn.
Der Sonnenschein die Erd' umarmt,
Die Woge küßt des Mondes Licht. -
Was ist all das Küssen werth,
Wenn du mich willst küssen nicht?
übersetzt von Julius
Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 324)
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Worte zu einer indischen Melodie
Ich erwach' aus Träumen von dir
In dem ersten Schlummer der Nacht,
Wenn der Zephyr haucht durch den Wald,
Und der Himmel von Sternen lacht.
Ich erwach' aus Träumen von dir,
Und in meinen Füßen mich trieb
Geheimen Zaubers Gewalt
Zu deinen Füßen, o Lieb!
Die Lüfte schweigen bang
Auf dem stillen, dunkeln Strom;
Wie süßes Traumgebild
Vergeht des Champaks Arom;
Der Nachtigall Klaggesang
Vergeht in tiefem Leid,
Wie ich von dir erfüllt
Vergeh', geliebte Maid!
Ich sinke hin vor dir!
O, hebe mich vom Gras!
Auf Mund und Augenlid
Deine Küsse regnen laß.
Meine Wange ist bleich und kalt,
Wild schlägt das Herz in mir!
Zu deinem hin mich's zieht,
Wo es wird zerbrechen bald.
übersetzt von Julius
Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 339)
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Nach dem Arabischen
Meine Seel' ruht' in deiner Augen Gluth,
Der hellen, Geliebte,
Ich sehnte nach dir mich, wie Mittags das Reh
Nach den Quellen, Geliebte.
Dein Roß, noch schneller als Sturmesfluth,
Trug dich weit von mir;
Mein Herz, denn mein Fuß war müd' eh',
War Gefährte dir.
Ach, schneller als schnellster Sturm und das Roß
Und der Tod, den sie bringen,
Ist das Herz, das Liebesgedanken bekleiden
Mit der Sehnsucht Schwingen.
In Kampf und in Nacht, und in Tod als Genoß
Soll mein's dich umschweben;
Und kein Lächeln fodern, wenn ich dir in Leiden
Trost kann geben.
übersetzt von Julius
Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 344)
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An - -
Ich stand, im Aug' erstickte Thränen; -
Ich war gefaßt, du warst es nicht; -
Ich fühlte Bangen und doch Sehnen
Zu schauen dir in's Angesicht -
O, wußt' ich, daß inbrünstiglich
Es tröstend wollte schaun auf mich.
Der Seele stumme Wuth zu zügeln,
Die einsam an sich selber nagt;
Dem Leben fluchen, dem Verließ,
Drin nicht der Schmerz zu weinen wagt;
Inmitt' achtloser Meng' allein
Mit stolzem Haupt zu tragen Pein:
Indeß du, damals unbeachtet
( ) du wärst
allein,
Zu schmachten Jahre, und belohnt
Wie du mich lohntest, dann zu sein;
O! für dies kurze Glück erwacht'
Ich aus den Qualen langer Nacht.
Wie Thau auf halbverwelkte Blüthen
Erquickend deines Worts Getön,
Umfing mich; deine Lippen glühten
Auf meinen bang. Mit sanftem Flehn
Traf mein Herz deines Auges Strahl
Wegzaubernd seinen Traum der Qual.
Wir sind nicht glücklich! Unser Leben
Ist voll von Zweifeln, Furcht und Wahn;
Der sanften Worte brauchen wir;
Mög' unserm heiligen Bund nie nahn
Verleumdung, Kälte; trostesleer
Dann unser beider Leben wär'.
Ja, du bist gut und sanft; nicht leben
Kann ich, wenn du dich anders giebst,
Als du bist, oder wenn du wendest
Dein Herz von mir ab, oder liebst,
Sei's auch nur, deine Lieb' zu hehlen,
Des Stolzes Maske zu erwählen.
übersetzt von Julius Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 344)
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Eine Klage
Schneller viel als Sommerspracht
Schneller als der der Jugend Wonnen,
Schneller viel als sel'ge Nacht,
Kamst und flohst du mich.
Wie die Erd' in Wintersfrieden,
Wie die Nacht, wenn Schlaf verronnen,
Wie das Herz, von Freud' gemieden,
Bin verlassen ich.
Die Eule Nacht wird wieder nahn,
Die Schwalbe Sommer kehrt zurück,
Doch die Jugend, der wilde Schwan,
Flöh' mit dir, an Trug dir gleich.
Jeden Tag sehn' ich den Morgen,
Leid wird selbst des Schlummers Glück,
Gerne möcht' mein Winter borgen
Sonnig Laub von jedem Zweig.
Lilien weiß dem Brautbett weiht,
Der Matron' der Rosen Gabe,
Veilchen einer todten Maid,
Und Vergißmeinnicht will ich.
Weiht sie ohne Thränenspende
Dieses Leid's lebendigem Grabe,
Selbst der theuerste Freund verschwende
Hoffnung nicht, noch Furcht an mich.
übersetzt von Julius Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 347)
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An E - V -
Madonna, warum hast du mir geschickt
Basilien und Vergißmeinnicht?
Bild der Gesundheit und der Lieb', erblickt
Von mir in einem Kranz noch nicht.
Ach, feucht bethaut sie sind!
Sind's deine Küsse, deine Thränen glüh?
Denn Thau noch Regen nie
So süßen Duft gewinnt
Von Pflanz' und Blum' - schon daß ich deß gedenke,
Macht meinen immerneuen
Schmerz theurer mir, die Seufzer, die ich schenke,
Die Thränen, die ich um dich wein'.
übersetzt von Julius Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 347)
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Gute Nacht
Gute Nacht? ach, bös ist die Zeit, die, was
Sie einen sollte, scheiden macht;
Noch im Verein uns bleiben lass',
Dann ist es gute Nacht.
Kann ich die Einsame wohl gut
Nennen, ob auch dein Wunsch drauf ruht!
Sei's nicht gesagt, und nicht gedacht,
Dann ist es gute Nacht.
Für Herzen, die von Abend immer
Vereint sind, bis der Morgen tagt,
Ist gut die Nacht, denn, Liebe, nimmer
Sie sagen, gute Nacht.
übersetzt von Julius
Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 348)
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An - -
Klänge, wenn die Lippen schweigen,
Noch in der Erinnerung beben,
Düfte, wenn die Veilchen bleichen,
Im Sinn, den sie erquickt, fortleben.
Welker Rosen Blätter streu'n
Sie um des Geliebten Ruh;
So auf den Gedanken mein,
Ruh' die Liebe, schiedest du.
übersetzt von Julius Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 349)
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An - -
Die Sternlein hell erglühn,
Und der Mond ist lieblich erschienen
Unter ihnen.
Es tönt die Mandolin',
Doch nicht hold ihre Kläng', eh' sie einen
Sich mit deinen.
Wie der Sterne kalten Schein
Der Mondschimmer, lieblich und mild,
Verhüllt,
So flößt deine Stimme ein,
Den Saiten, die ohne Seele
Deine Seele.
Die Sterne sich werden erheben,
Ob der Mond auch erst später erwacht
Heut Nacht!
Kein einziges Blatt wird erbeben,
Während der Thau deiner Töne verbreiten
Wird Freuden.
Ob betäubend der Klang mich befällt;
Doch sing', bis mir zeige dein Sang
Einen Klang
Einer fernen, gar fernen Welt
Wo Eines Mondschimmer und Saitenspiel
Und Gefühl.
übersetzt von Julius
Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 354-355)
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Lied
Wenn die Leuchte zerschmettert,
Das Licht im Staube verglüht;
Wenn die Wolk' sich entwettert,
Der Regenbogen verblüht;
Wenn die Laute zerbrochen,
Der theure Ton achtlos verhallt;
Wenn die Lippen gesprochen,
Wird die Stimme vergessen bald.
So wie Glanz und Musik
Nicht Leuchte und Laut' überleben,
Auch des Herzens Echo's zurück
Kein Lied, wenn der Geist stumm ist, geben;
Nur ein Lied, wie durch Trümmer
Der Nachtwind klagend hingleitet,
Wie der Welle Gewimmer,
Die den Schiffer zu Grabe läutet.
Wenn geliebt sich zwei Herzen,
Die Lieb' erst dem Stärksten entflieht;
Das Schwächere in Schmerzen
Des Einsamseins langsam verglüht.
O Lieb'! die du klagst
Der Schwäche der irdischen Wesen,
Warum die Schwächsten du magst
Dir als Wiege, Haus, Grab wohl erlesen?
Seine Leidenschaft wird dich wiegen,
Wie die Raben des Sturmes Getümmel;
Der helle Verstand wird dich trügen,
Gleich der Sonne am Winterhimmel.
Dein Nest wird verrotten;
Du Adler wirst blos dastehen
Vor der Menschen giftigem Spotten,
Wenn das Laub fällt, die Eiswinde wehen.
übersetzt von Julius
Seybt (gest. 1871)
Aus: Percy Bysshe Shelley's poetische Werke
in einem Bande
Aus dem Englischen übertragen
von Julius Seybt
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1844 (S. 355)
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