Gheorghe Sion (1822-1892)
rumänischer Dichter
Gesang
Was wol möcht' aus dieser Erden,
Aus dem schäum'gen Bächlein werden,
Wäre nicht der Sonnenschein?
Stürben sie nicht Liebste mein?
Sag' mir liebenswürd'ge Kleine,
Was tät wol die Ros' alleine
Wär' der Tau ihr nicht verlieh'n?
O nicht wahr, sie müßt' verblüh'n?
Und die Nacht am Himmelsbogen,
Nur von Schauern still durchzogen,
Wenn der Mond erglänzte nie:
Gott! wie schaurig wäre sie!
Und die Nachtigal so heiter,
Könnte singen sie noch weiter,
Wär' kein Lenz in Feld und Wald?
Ach die Arme stürbe bald!
Selbst die Sele, die befangen
Nur in Leid und Sehnsuchtsbangen,
Wenn die Hoffnung ihr nicht blieb,
Glaubst du, daß sie lebte Lieb'?
Und ich, der die Vers und Reime
Freudig schenkt und gold'ne Träume,
Wenn du Kind mich liebtest nicht:
Stürb' ich Teure, stürb ich nicht?
(S. 134-135)
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An ein Mädchen
Was mein Kind, möchst du wol sagen,
Wenn ich dir geständ' mein Glück,
Auf dein Mündchen still zu tragen,
Auf dein Lächeln meinen Blick?
Du die bis zu dieser Stunde
Nie genoß des Liebesglück's,
Du, die auch noch keine Kunde
Hat vom Scherz profanen Blick's;
Wenn ich dich möcht' also fragen,
Würdest du mir Antwort sagen?
Was möchst sagen du, empfinden,
Sagt' ich dir, daß dir verlieh'n:
Eines Menschen Glück zu gründen,
Unglücklich zu machen ihn?
Du, die nur verfolgt der Tugend
Sonnenhelle Himmelsspur
Und gelernt seit früher Jugend
Taten, die zum Guten nur;
Wenn ich dich möcht' also fragen,
Würdest du mir Antwort sagen?
Was möchst du wol sagen, denken,
Bät' ein Jüngling frisch und rot
Dich, nur Mitleid ihm zu schenken,
Mitleid ihm und seiner Not?
Du, die mir die höchsten Freuden
Spenden könnte auf der Welt,
Du, die nicht der Sele Leiden
Kennt noch unter'm Himmelszelt;
Wenn ich dich möcht' also fragen,
Würdest du mir Antwort sagen?
Was auch möchtest du wol sagen,
Wenn ich deiner Gunst gewiß,
Zu den Füßen dir wollt' tragen
All mein Sein so schön und süß?
Du die nicht kennt dieses eil'gen
Lebens Not und Erdenleid,
Du die nicht kennt einer heil'gen
Himmelsgabe Süßigkeit;
Wenn ich dich möcht' also fragen,
Würdest du mir Antwort sagen?
Was wol würdest du noch sagen,
Hätt' zu zeigen ich die Macht,
Daß, von mildem Schlaf getragen,
Muse durch dein Wort erwacht?
Du, die du des Mann's Gefühle
Jetzt aus Überzeugung ehrst,
Die in Traum, in süßer Stille
Holder Musen Sänge hörst;
Wenn ich dich möcht' also fragen,
Würdest du mir Antwort sagen?
Doch du zitterst holdes Kindchen,
Neigst zur Erde deinen Blick;
Nicht mehr lacht dein holdes Mündchen . . .
Und kein Wort sprichst du zurück . . .
Ach dein Herzchen hör' ich schlagen . . .
Deine Blicke schweifen irr';
Ja du willst mir etwas sagen
Aber Worte fehlen dir!
Liebst du mich? sag' "ja" allein!
Willst mich nicht? so sag' nur "Nein!"
(S. 135-137)
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Tränen
Auf dein Seufzen war mein Weinen
Antwort, wie du's selbst geseh'n;
Auch ich sah an meinem Herzen
Dich in Tränen oft vergeh'n.
Beide weinten wir zusammen
Wie in Leiden aufgelös't,
Liebe und Verzweiflung schienen
Uns're Selen ausgelöscht.
Aber weißt du süßer Engel,
Den ich stets so heiß geliebt,
Daß es zwischen unsern Tränen
Einen Unterschied doch gibt?
Wie ein milder Tau auf Blumen
Deine Träne mir erscheint
Und der Tau gleicht einer Träne,
Die das Morgenrot geweint;
Einer Träne, die das zarte
Blumenleben mild durchdringt,
So daß die vergilbte Pflanze
Sich verjüngt vom Boden schwingt.
Deine Träne gleicht dem Tau auch,
Weil sie oft sich niedersenkt,
Ohne daß sich deine Sele
Tief, ja bis zu Tode kränkt;
Schon ein Wunsch, schon 'ne Kaprizze,
Ohne zu betrüben dich,
Sind im Stande zu erpressen
Tränen dir, so fürchterlich!
Meine Träne, o Geliebte,
Ist fürwahr von and'rer Art,
Niemals wie der Tau sich senkend,
Wortlos mir die Träne ward.
In der Brust tief eingeschlossen
Sie sich selbst im Herzen hält,
Wie das Harz, das seine Wohnung
In der Tanne sich gewählt;
Durch die Rinde schwirr das Eisen,
Schwirrt die Beile licht und hell,
Und erst dann entquillt dem Baume
Rasch sein Harz gleich einem Quell.
So muß erst in meinem Innern
Wühlen namenloser Schmerz,
Bis die reiche Zahl der Tränen
Sendet mein gebeugtes Herz.
Morgen schon liebst einen andern
Du geliebte Frauenzier . . .
Denn so ist der Gang auf Erden
Und du lebst ja doch auf ihr!
Aber wenn du einstens wandelst
Zum Ezacheu*
den Blick gewandt,
Zu den Tannen, die dem Himmel
Reichen ihre ries'ge Hand:
Dann erinn're dich Geliebte,
Daß ein Mann, der einst dein Freund
Und dem du einst Treu geschworen,
Tränen hat für dich geweint!
(S. 139-141)
* Ezacheu - ein Berg in Romanien
_____
An Sie
Entfernt von meiner Minne
Glaub' ich vergessen mich.
Geh' ich im stillen Sinne
Des Nachts durch die Ruine
So wüst und schauerlich;
Hör' ich die Winde sagen:
"Helene denkt nicht dein!"
Da fühl' ich bitter schlagen
Mein Herz und muß ertragen
Die allerherbste Pein!
"Die Treue sollt' vergessen
Dein Herz so tugendhaft?
Vergessen auf sein Wesen,
Was er versprach, nicht lösen
Der Gott, der Himmel schafft? -
Nie werd' ich's glauben können:
Mein Kind, du denkst nicht mein!
Denn nicht von Treue trennen
Kann sich ein Herz voll Sehnen,
Soll es zum Himmel ein!"
Ich sag's und Sterne sagen,
Daß gut dein Herz mir ist;
Hör' dann in leisen Klagen
Die Nachtigall ich schlagen,
Glaub' ich, daß du es bist!
Ich weiß, mit Wunsch und Willen
Kannst du mir falsch nicht sein;
Doch hat dein Herz im Stillen
Ein and'res zartes Fühlen,
So weißt du das allein!
(S. 141-142)
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Warum ich trübe bin
Du fragst, warum ich trüb'? - wie soll ich's sagen dir,
Wenn ich dir sagen muß, daß Leiden nur mit mir?
Ich Liebste, wenn ich fühl', fühl' ich vom Herzensgrund
Und trag' wie and're nicht, die Lieb' nur auf dem Mund.
Ich bin wie and're nicht, die lachend Lieb' gesteh'n,
Denn ich fühl' etwas mehr, als manche, die da geh'n.
Auch ist mein Schicksal trüb; ich könnte leben recht
In and'rer Freuden-Art, wenn ich nicht fühlen möcht';
Doch sterben müßt' ich bald, wär' nicht die Liebe mein:
Ich weiß nicht, was ich wär', wär' mein Gefühl nur klein!
Du fragst, warum ich trüb'? - wie soll ich's sagen dir,
Wenn ich dir sagen muß, daß Leiden nur mit mir?
Wenn ich den Blumenduft dich Teure trinken seh'
Weißt du, daß ich auch dann schon fühl' ein tiefes Weh?
Ich will nicht, daß wie and're mich lieben, du mich liebst
Und ford're, daß nur Haß dem Blumenduft du gibst.
Tanz'st du im Kontretanz ein Solo himmlisch schön
Dann fühl' mit allen ich Helene zum Vergeh'n,
Daß ich dich lieb und selbst noch sterbend glauben soll,
Daß du mit Faltern sehnst zu spielen liebevoll!
Du fragst, warum ich trüb'? - wie soll ich's sagen dir,
Wenn ich dir sagen muß, daß Leiden nur mit mir?
Ein Herz, das an dem Kelch der Leiden ward getränkt,
Kann niemals scheiden recht, was es am tiefsten kränkt.
Soll ich nicht traurig sein, wenn ich dich lächeln seh'?
Ich glaub, daß lächelnd du nicht kannst bewahr'n ein Weh
Und ein Gefühl dem gleich, das meinen Busen schwellt,
Denn eine Sele wird von Liebe erst beselt.
Ich will, daß du mich liebst, wenn ich auch trübe bin
Und daß du weißt: mein Leid entspringt dem treusten Sinn!
(S. 142-143)
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Herz und Hoffnung
Die Hoffnung
Süßes Herz, o sage
Warum du trüb' erscheinst?
Welcher Kummer quält dich,
Weil du bitter weinst?
Willst zu mir nicht kommen?
Warum fliehst du mich?
Einen Tag entglommen,
Sind wir du und ich!
Das Herz
Ach, wozu die Frage,
Was den Mut mir bricht?
Herb sind meine Schmerzen,
Lindern kannst sie nicht!
Soll ich dich nicht meiden,
Da du mich nur trügst
Und in keine Freuden
Meine Sele wiegst!
Die Hoffnung
Soll ich dich
betrügen?
Ich, der Engel dein?
Ich, die dir nur Gutes
Wünscht wie Gott allein!
Herz dich zu beglücken,
Komm ich an Freuden reich,
Dich an mich zu drücken
Einer Schwester gleich!
Das Herz
Gleich dem Tau so
fallst du
Auf das Blümchen hin,
Wenn die Nächte heiter,
Bis die Stern' verglüh'n.
Doch zeigt sich die Sonne,
Kommt ein Lüftchen lind . . .
Dann entfliehst du Wonne
Schnelle wie der Wind!
Die Hoffnung
Blümchen, süßes
Blümchen,
Möchtest du verblüh'n,
Wenn ich nicht erschiene
Nach der Sonne Glüh'n?
Wenn von dir ich gehe
Kehr' ich doch zu dir!
Will nicht, daß in Wehe
Stürb' mein Blümchen mir!
Das Herz
Gib mir d'rum
Geliebte
Liebesträume schön,
Ruh', die ich verloren,
Sonst muß ich vergeh'n.
Singe mir mit Freuden
Lieder wonnevoll,
Daß von schweren Leiden
Ich gesunden soll!
Die Hoffnung
Herz, ich will dir
bringen
Liebesträume zart,
Schwester, will dir singen
Lieder schönster Art.
Bleib' an meiner Seite
O du Herzchen mein!
Was dich je erfreute
Soll dein Eigen sein!
(S. 145-147)
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Die Blume der Liebe
Einsam im Garten zog ich dahin.
Meine Geliebte lag mir im Sinn.
Ob sie wol fühlte zur selben Stund',
Was ich empfunden im Herzensgrund?
Blümchen, sonst heiter und froh zu seh'n,
Duftlos schienen sie da zu steh'n.
Nachtigal, sonst so reich an Gesang,
Schien mir so ärgerlich, trüb' und bang,
Grille, die sonst mich mit Freuden erfüllt,
Schien mir in tiefe Trauer gehüllt.
Stille zu stehen schien die Quelle traut,
Auch nicht ein Murmeln ertönte laut.
"O Gärtner im Garten,
Mich grämt's, daß nicht erwarten
Mich Blumen am Platz;
Ich würde dir geben,
Für die, die noch leben,
Den besten Schatz.
O Nachtigal liebe,
So ernst und so trübe,
Was ist dir gescheh'n?
Hast du verloren
Das Glück kaum geboren,
Willst sterben du geh'n?
Wann klingt o Grille
Dein Lied durch die Stille
Im alten Klang?
Begeistert dich heute
Nicht eine Freude
Zu deinem Gesang.
O Quelle erquicke
Im Augenblicke
Mein ganzes Sein!
Fast stirbt schon der Garten,
Die Blumen dich erwarten
In ihrer Pein!"
Ein junges Mädchen, das mich geseh'n,
Sah mitleidsvoll vor mir ich steh'n.
Es gab eine Rose mir in die Hand
Und sprach die Worte zu mir gewandt:
"Nimm hin die Blume, des Gartens Zier,
Der Falter allein, der naschte an ihr.
Die Blume der Lieb ist's, aus Licht und Luft,
Verführerisch schön, doch voll Gift ihr Duft.
Nur einen Duft sog ich voll Lust,
Da brannte die Liebe in meiner Brust.
Und alle, die ich nur lieben mag,
Die bleiben mir treu bis zum jüngsten Tag.
Behalt sie und gib sie dem Mädchen hin,
Willst du ihre Liebe in treuem Sinn.
Die Blume der Lieb' ist's, voll Licht und Luft!
Verführerisch schön, doch voll Gift ihr Duft!" -
Ich nahm die Rose und dachte dabei,
Sie ihr zu geben, der ich stets treu.
Die ganze Natur schien plötzlich beselt,
Ich fühlte mein Herz von Jugend geschwellt.
Die Blumen erhielten den alten Duft
Und badeten lüstern in Licht und Luft.
Süß tönte der Nachtigal heller Schlag
Und erfreute mein Herz den ganzen Tag.
Die Grille lustig zu zirpen begann,
Das kleine Ding auf Freuden sann.
Die Quelle floß so munter dahin . . .
Bezaubert war ich im tiefsten Sinn!
(S. 155-157)
_____
übersetzt von Ludwig Adolf
Simiginowicz-Staufe (1832-1897)
Aus: Romanische Poeten
In ihren originalen Formen und metrisch übersetzt
von Ludwig Adolf Staufe
Zweite Auflage Wien 1868
Druck & Verlag von A. Pichler's Witwe & Sohn