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Spanisches Liederbuch
(In der Übertragung von Paul Heyse und Emanuel
Geibel)
Teil 1
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Klinge, klinge, mein Pandero
(Alvaro Fernandez de Almeida vor 1511)
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Von dem Rosenbusch, o Mutter (Gil
Vicente 1465-1536)
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Wohl dem, der erfunden (Pedro de
Padilla 1540 - nach 1599)
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Trübe geht der Wasser Lauf (Anonym)
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O wie lieblich ist das Mädchen (Gil
Vicente 1465-1536)
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Wehe der, die mir verstrickte (Gil
Vicente 1465-1536)
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Schäumend floß der Bach und spritzte
(Anonym)
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Hier hilft dir nichts (Cristobal de
Castillejo 1490-1550)
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Alle gingen, Herz, zur Ruh (Anonym)
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Bedeckt mich mit Blumen (Anonym)
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Blindes Schauen, dunkle Leuchte
(Rodrigo Cota gest. 1497)
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Liebe sät' ich weit und breit
(Anonym)
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Tief im Herzen trag' ich Pein (Luis
de Camoes 1525-1580)
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Weint nicht, ihr Aeuglein! (Lope de
Vega 1562-1635)
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In dem Garten sprießt die Rose (Gil
Vicente 1465-1536)
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Wie wär' ein Mädchen (Gil Vicente
1465-1536)
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Wenn ich dreierlei besäße (Baltasar
de Alcazar 1540-1606)
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Meine Seel' in Schmerz befangen
(Don Juan Manuel)
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Und schläfst du, mein Mädchen (Gil
Vicente 1465-1536)
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In dem Schatten meiner Locken
(Anonym)
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Auf dem Gipfel, Mutter (Anonym)
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Daß du stehst in Liebesglut
(Anonym)
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Nelken wind' ich und Jasmin (Don
Manuel del Rio)
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Ach, so stolz ist allezeit (Torres
Rabarro)
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Flutenreicher Ebro (Anonym)
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Ob auch finstre Blicke glitten
(Anonym)
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Holde, schattenreiche Bäume (Aus
der Celestina um 1500)
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Wohl aus hartem Felsgestein
(Anonym)
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Auf dem grünen Balcon mein Mädchen
(Anonym)
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Blaue Augen hat das Mädchen (Juan
de la Enzina 1468-1529)
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Unter den Bäumen, unter den Bäumen
(Antonio de Villegas ca 1522-ca 1551)
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Da nur Leid und Leidenschaft
(Anonym)
Aus: Weltliche
Lieder
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I.
Tango vos, el mi pandero
Alvaro
Fernandez de Almeida (vor 1511)
übersetzt von Emanuel Geibel
Klinge, klinge, mein Pandero,
Doch an andres denkt mein Herz.
Wenn du, muntres Ding, verständest
Meine Qual und sie empfändest,
Jeder Ton, den du entsendest,
Würde klagen meinen Schmerz.
Bei es Tanzes Drehn und Neigen
Schlag' ich wild den Takt zum Reigen,
Daß nur die Gedanken schweigen,
Die mich mahnen an den Schmerz.
Ach, ihr Herrn, dann will im Schwingen
Oftmals mir die Brust zerspringen,
Und zum Angstgeschrei wird mein Singen,
Denn an andres denkt mein Herz.
(S. 27)
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II.
Del
rosal vengo, mi madre
Gil
Vicente (1465-1536)
übersetzt von Emanuel Geibel
Von dem Rosenbusch, o Mutter,
Von den Rosen komm' ich.
An den Ufern jenes Wassers
Sah ich Rosen stehn in Knospen;
Von den Rosen komm' ich.
An den Ufern jenes Flusses
Sah ich Rosen stehn in Blüthe;
Von den Rosen komm' ich.
Sah die Rosen stehn in Blüthe,
Brach mit Seufzen mir die Rosen;
Von dem Rosenbusch, o Mutter,
Von den Rosen komm' ich.
(S. 28)
_____________
*
IV.
Bien
haya quien hizo
Pedro
de Padilla
(1540 - nach
1599)
übersetzt von Paul Heyse
Wohl dem, der erfunden
Die Kettlein, die Ketten,
Wohl dem, der erfunden
Die Ketten der Liebe!
Im Dorf ist so Manche,
Die denkt, sie gefalle,
Doch ach, Marinilla
Ist hübscher als Alle.
Wohl dem, der erfunden
Die Ketten der Liebe!
Es thät sie ein Bursche
Ins Herze fassen,
Nun kann er sein Lebtag
Vom Lieben nicht lassen.
Wohl dem, der erfunden
Die Ketten der Liebe!
(S. 30)
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V.
Turbias van las aguas, madre
Anonym
übersetzt von Paul Heyse
Trübe geht der Wasser Lauf,
Liebe Mutter,
Doch sie hellen wohl sich auf.
Wenn der Augen bange Fluth
Meiner Freuden Quell vertrübt,
Und an meinem Herzen übt
Eifersucht die ganze Wuth,
Sind es Schatten, die die Gluth
Holder Liebe scheucht zuhauf.
Trübe geht der Wasser Lauf,
Liebe Mutter,
Doch sie hellen wohl sich auf.
Oft ermatten die Gedanken,
Oft verstört ist meine Brust,
Denk' ich der vergangnen Lust,
Und wie nun die Sterne sanken,
Aber wenn im Winde schwanken
Meine Seufzer ab und auf,
Trübe geht der Wasser Lauf,
Liebe Mutter,
Doch sie hellen wohl sich auf.
(S. 31)
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VII.
Muy
graciosa es la doncella
Gil
Vicente (1465-1536)
übersetzt von Emanuel Geibel
O wie lieblich ist das Mädchen,
Wie so schön und voll von Anmuth!
Sag mir an, du wackrer Seemann,
Der du lebst auf deinem Schiffe,
Ob das Schiff und seine Segel,
Ob die Sterne wohl so schön sind?
Sag mir an, du stolzer Ritter,
Der du gehst im blanken Harnisch,
Ob das Roß und ob die Rüstung,
Ob die Schlachten wohl so schön sind?
Sag mir an, du Hirtenknabe,
Der du deine Heerde weidest,
Ob die Lämmer, ob die Matten,
Ob die Berge wohl so schön sind?
(S. 34)
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VIII.
Mal
haya, quien los envuelve
Gil
Vicente (1465-1536)
übersetzt von Paul Heyse
Wehe der, die mir verstrickte
Meinen Geliebten!
Wehe der, die ihn verstrickte!
Ach, der Erste, den ich liebte,
Ward gefangen in Sevilla.
Mein Vielgeliebter,
Wehe der, die ihn verstrickte!
Ward gefangen in Sevilla
Mit der Fessel meiner Locken.
Mein Vielgeliebter,
Wehe der, die ihn verstrickte!
(S. 35)
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IX.
Bullicioso era el arroyuelo
Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel
Schäumend floß der Bach und spritzte
Mich mit seiner Flut.
Seid nicht bange, liebe Mutter,
Daß er's wieder thut.
Leise rann der Bach im Fliehn,
Der Verräther, wie im Traume,
Unter Blumen, unterm Schaume,
Daß er fast lebendig schien;
Überschreiten wollt' ich ihn,
Da bespritzte mich die Flut.
Seid nicht bange, liebe Mutter,
Daß er's wieder thut.
Wo er zwischen Kieseln sprang,
Macht' er tausend Fäll' und Kreise,
Recht, als wollt' er leise, leise
Schmeicheln mir mit seinem Klang.
Und ich glaubt' ihm was er sang;
Da bespritzte mich die Flut.
Seid nicht bange, liebe Mutter,
Daß er's wieder thut.
Meine Schürze fein und weiß
Hat er ganz und gar benetzet,
Und sich lachend drob ergetzet
Mit den Blumen dort im Kreis.
Künftig bleib' ich heim; ich weiß,
Er bespritzt mich mit der Flut.
Seid nicht bange, liebe Mutter,
Daß er's wieder thut.
(S. 36-37)
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XI.
Aqui
no hay
Cristobal de Castillejo (1490-1550)
übersetzt von Paul Heyse
Hier hilft dir nichts,
Mußt sehen und sehnen,
Mußt gar vergehen
Vor Liebesthränen.
Ach Mutter, beim Rundtanz
War da ein Ritter;
Bei jeder Schwenkung
Mit Augen winkt' er.
Ich, weil ich gescheidt bin,
Blinzelt' ich wieder.
Ach, Mutter, ein Knappe
War da beim Tanze;
Bei jeder Schwenkung
Zupft' er am Arm mich.
Ich, weil ich gescheidt bin,
Achtet' es gar nicht.
(S. 39)
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*
XIII.
Todos duermen, corazon
Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel
Alle gingen, Herz, zur Ruh,
Alle schlafen, nur nicht du.
Denn der hoffnungslose Kummer
Scheucht von deinem Bett den Schlummer,
Und dein Sinnen schweift in stummer
Sorge seiner Liebe zu.
(S. 42)
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XIV.
Cubridme de flores
Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel
Bedeckt mich mit Blumen,
Ich sterbe vor Liebe.
Daß die Luft mit leisem Wehen
Nicht den süßen Duft entführe,
Bedeckt mich!
Ist ja alles doch dasselbe,
Liebesodem oder Düfte
Von Blumen.
Von Jasmin und weißen Lilien
Sollt ihr hier mein Grab bereiten,
Ich sterbe.
Und befragt ihr mich: Woran?
Sag' ich: Unter süßen Qualen
Vor Liebe.
(S. 43)
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*
XV.
Vista ciega, luz oscura
Rodrigo
Cota (gest. 1497)
übersetzt von Paul Heyse
Blindes Schauen, dunkle Leuchte,
Ruhm voll Weh, erstorbnes Leben,
Unheil, das ein Heil mir däuchte,
Freud'ges Weinen, Lust voll Beben,
Süße Galle, durst'ge Feuchte,
Krieg in Frieden allerwegen,
Liebe, falsch versprachst du Segen,
Da dein Fluch den Schlaf mir scheuchte.
(S. 44)
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XVI.
Sembre el amor de mi mano
Anonym
übersetzt von Paul Heyse
Liebe sät' ich weit und breit,
Hoffte still auf Erntesegen.
Aus den Körnlein allerwegen
Sproß in Aehren auf das Leid.
Meiner Sehnsucht frischen Keim
Sät' ich auf der Hoffnung Auen,
Sät' ihn aus so voll Vertrauen,
Einst die Frucht zu bringen heim.
Aber nun zur Sommerzeit –
Nichts von frohem Erntesegen:
Aus den Körnlein allerwegen
Sproß in Aehren auf das Leid.
Mühen hatt' ich auszustehn,
Um zu jäten meinen Garten,
Ort und Stunden abzuwarten
Und den Mond, um ihn zu mäh'n.
Doch mein Herbst ist ewig weit,
Fruchtlos all mein emsig Regen!
Aus den Körnlein allerwegen
Sproß in Aehren auf das Leid.
Mit den Thränen, die mir flossen,
Wässert' ich das Gärtlein gut,
Reutete mit festem Muth
Tausend Disteln unverdrossen.
Ach und bin voll Traurigkeit,
Allem Schnitterbrauch entgegen:
Aus den Körnlein allerwegen
Sproß in Aehren auf das Leid!
(S. 45-46)
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*
XVII.
De
dentro tengo mi mal
Luis de
Camoes (1525-1580)
übersetzt von Emanuel Geibel
Tief im Herzen trag' ich Pein,
Muß nach außen stille sein.
Den geliebten Schmerz verhehle
Tief ich vor der Welt Gesicht;
Und es fühlt ihn nur die Seele,
Denn der Leib verdient ihn nicht.
Wie der Funke frei und licht
Sich verbirgt im Kieselstein,
Trag' ich innen tief die Pein.
(S. 47)
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*
XVIII.
No
lloreis, ojuelos
Lope de
Vega (1562-1635)
übersetzt von Paul Heyse
Weint nicht, ihr Aeuglein!
Wie kann so trübe
Weinen vor Eifersucht,
Wer tödtet durch Liebe?
Wer selbst Tod bringt,
Der sollt' ihn ersehnen?
Sein Lächeln bezwingt
Was trotzt seinen Thränen
Weint nicht, ihr Aeuglein!
Wie kann so trübe
Weinen vor Eifersucht,
Wer tödtet durch Liebe?
(S. 48)
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*
XIX.
En
la huerta nace la rosa
Gil
Vicente (1465-1536)
übersetzt von Emaneul Geibel
In dem Garten sprießt die Rose,
Dorthin will ich,
Will die Nachtigall belauschen,
Wie sie singet.
An den Ufern jenes Flusses
Pflückt Limonen sich die Jungfrau.
Dorthin will ich,
Will die Nachtigall belauschen,
Wie sie singet.
Pflückt Limonen sich die Jungfrau,
Ihrem Freund sie zu bescheren.
Dorthin will ich,
Will die Nachtigall belauschen,
Wie sie singet.
Ihrem Freund sie zu bescheren
Mit dem Sommerhut von Seide.
Dorthin will ich,
Will die Nachtigall belauschen,
Wie sie singet.
(S. 49-50)
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*
XX.
Cual
es la nina
Gil
Vicente (1465-1536)
übersetzt von Paul Heyse
Wie wär' ein Mädchen,
Das Blumen pflückte,
Noch nicht verliebt!
Im Garten das Mädchen
Hat Rosen entwendet.
Der Gärtner, er hätte
Sie wohl gepfändet,
Doch denkt er: Sie liebt!
(S. 51)
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*
XXII.
Tres
cosas me tienen preso
Baltasar de Alcazar
(1540-1606)
übersetzt von Paul Heyse
Wenn ich dreierlei besäße,
Würd' ich schier in Glück versinken:
Dich, o schöne Ines, Schinken,
Liebesäpfelchen mit Käse.
Diese Ines ist's fürwahr,
Die mir raubte den Verstand,
Daß ich gar abscheulich fand
Alles, was nicht Ines war.
Und in düsterer Ascese
Wollte mir kein Sternlein blinken,
Bis ich jüngst gerieth an Schinken,
Liebesäpfelchen und Käse.
Ines freilich hat gesiegt,
Doch bald hab' ich zweifeln müssen,
Was von diesen drei Genüssen
Mir zumeist am Herzen liegt.
So verlockt mich nun der Böse
Jetzt zur Rechten – jetzt zur Linken,
Bald zu Ines, bald zu Schinken,
Bald zu Äpfelchen mit Käse.
Wenn die Maid von Reizen spricht,
Lobt der Schinken sich geschwind;
Käs' und Liebesäpflein sind
Ein urheimatlich Gericht.
Nicht die feinste Hypothese
Macht der Wage Zünglein sinken:
Gleich an Werth sind Ines, Schinken,
Liebesäpfelchen und Käse.
Aber so viel bringt mir ein
Diese neue Leidenschaft:
Ines darf so launenhaft
Und so spröde nimmer sein.
Denn der Trost, den ich erlese,
Thut sie nicht nach meinen Winken,
Ist ein herzhaft Stückchen Schinken,
Liebesäpfelchen und Käse.
(S. 53-54)
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*
XXIII.
Mi
alma mala se para
Don
Juan Manuel
übersetzt von Emanuel Geibel
Meine Seel' in Schmerz befangen
Muß im Zwist noch untergehn,
Wenn sich so entgegenstehn
Schamerröthen auf den Wangen
Und im Herzen das Verlangen.
Liebe treibt mich, daß ich's sage,
Scham hält mich zurück am Kleide;
Liebe treibt mich, daß ich wage,
Scham will, daß ich schweig' und leide;
So daß, wenn dies enge Bangen
Keck nicht endet ein Entschluß,
Rettungslos mich tödten muß
Schamerröthen auf den Wangen
Und im Herzen das Verlangen.
(S. 55)
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*
XXIV.
Si
dormis, doncella
Gil Vicente (1465-1536)
übersetzt von Emanuel Geibel
Und schläfst du, mein Mädchen,
Auf, öffne du mir;
Denn die Stund' ist gekommen,
Da wir wandern von hier.
Und bist ohne Sohlen,
Leg' keine dir an;
Durch reißende Wasser
Geht unsrere Bahn.
Durch die tief tiefen Wasser
Des Quadalquivir;
Denn die Stund' ist gekommen,
Da wir wandern von hier.
(S. 56)
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*
XXV.
A la
sombra de mis cabellos
Anonym
übersetzt von Paul Heyse
In dem Schatten meiner Locken
Schlief mir mein Geliebter ein.
Weck' ich ihn nun auf? – Ach nein!
Sorglich strählt' ich meine krausen
Locken täglich in der Frühe,
Doch umsonst ist meine Mühe,
Weil die Winde sie zerzausen.
Lockenschatten, Windessausen
Schläferten den Liebsten ein.
Weck' ich ihn nun auf? – Ach nein!
Hören muß ich, wie ihn gräme,
Daß er schmachtet schon so lange,
Daß ihm Leben geb' und nehme
Diese meine braune Wange.
Und er nennt mich seine Schlange,
Und doch schlief er bei mir ein.
Weck' ich ihn nun auf? – Ach nein!
(S. 57)
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*
XXVI.
En
la cumbre, madre
Anonym
übersetzt von Paul Heyse
Auf dem Gipfel, Mutter,
Haucht' ein Lüftchen so,
Daß die alte Liebe
Wie ein Hauch entfloh.
Mutter, auf dem Gipfel
Aller Lieblichkeiten
Sah ich eine Schönheit
Mir vorüberschreiten,
Deren Glanz von weiten
Blendete mich so,
Daß die alte Liebe
Wie ein Hauch entfloh.
Spottet nicht ein Unstern
Meines heißen Strebens?
Tobt' ich nicht in Ketten
Todeswund vergebens?
Doch ein Hauch des Lebens
Wandelte mich so,
Daß die alte Liebe
Wie ein Hauch entfloh.
Du mein süßer Ferner,
Geh' nicht fort so weit,
Laß dein Herz erweichen
Meine Traurigkeit!
Büßt' ich doch in Leid
Ein Verirren so,
Daß die alte Liebe
Wie ein Hauch entfloh!
(S. 58-59)
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*
XXIX.
Ser
de amor esa pasion
Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel
Daß du stehst in Liebesglut,
Ines, läßt sich leicht gewahren;
Denn die Wangen offenbaren,
Was geheim im Herzen ruht.
Stets an Seufzern sich zu weiden,
Stets zu weinen statt zu singen,
Wach die Nächte hinzubringen
Und den süßen Schlaf zu meiden:
Das sind Zeichen jener Glut,
Die dein Antlitz läßt gewahren;
Denn die Wangen offenbaren,
Was geheim im Herzen ruht.
Liebe, Geld und Kummer halt' ich
Für am schwersten zu verhehlen;
Denn auch bei den strengsten Seelen
Drängen sie sich vor gewaltig.
Jener unruhvolle Muth
Läßt zu deutlich sie gewahren,
Und die Wangen offenbaren,
Was geheim im Herzen ruht.
(S. 64)
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*
XXXI.
Cojo
jazmin y clavel
Don
Manuel del Rio
übersetzt von Emanuel Geibel
Nelken wind' ich und Jasmin,
Und es denkt mein Herz an ihn.
Nelken all, ihr flammenrothen,
Die der Morgen mir beschert,
Zu ihm send' ich euch als Boten
Jener Glut, die mich verzehrt;
Und ihr weißen Blüthen werth,
Sanft mit Düften grüßet ihn,
Sagt ihm, daß ich bleich vor Sehnen,
Daß ich auf ihn harr' in Thränen –
Nelken wind' ich und Jasmin.
Tausend Blumen thauumflossen
Find' ich neu im Thal erwacht,
Alle sind erst heut entsprossen;
Aber hin ist ihre Pracht,
Wenn der nächste Morgen lacht.
Sprich, du duftiger Jasmin,
Sprecht, ihr flammenrothen Nelken,
Kann so schnell auch Liebe welken? –
Ach, es denkt mein Herz an ihn!
(S. 66)
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*
XXXII.
Tan
ufano esta el querer
Torres
Rabarro
übersetzt von Paul Heyse
Ach, so stolz ist allezeit
Lieb' auf ihren bittern Schmerz,
Daß zum Wahnsinn bringt das Herz
Seligkeit,
Die erblüht aus solchem Leid.
Denn so zärtlich hegt die Seele
Diese Qual, drin sie muß schweben,
Daß voll Eifersucht das Leben
Sinnt, wie es hinweg sich stehle;
Ist zu scheiden schon bereit:
Doch Euch kümmert nicht sein Schmerz,
Und zum Wahnsinn bringt das Herz
Seligkeit,
Die erblüht aus solchem Leid.
(S. 67)
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*
XXXV.
Ebro
caudaloso
Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel
Flutenreicher Ebro,
Blühendes Ufer,
All ihr grünen Matten,
Schatten des Waldes,
Fraget die Geliebte,
Die unter euch ruhet,
Ob in ihrem Glücke
Sie meiner gedenket!
Und ihr thauigen Perlen,
Die ihr im Frühroth
Den grünenden Rasen
Bunt mit Farben sticket,
Fraget die Geliebte,
Wenn sie Kühlung athmet,
Ob in ihrem Glücke
Sie meiner gedenket!
Ihr laubigen Pappeln,
Schimmernde Pfade,
Wo leichten Fußes
Mein Mädchen wandelt,
Wenn sie euch begegnet,
Fraget sie, fragt sie,
Ob in ihrem Glücke
Sie meiner gedenket!
Ihr schwärmenden Vögel,
Die den Sonnenaufgang
Singend ihr begrüßet
Mit Flötenstimmen,
Fraget die Geliebte,
Dieses Ufers Blume,
Ob in ihrem Glücke
Sie meiner gedenket!
(S. 70-71)
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*
XXXVI.
Aunque con semblante airado
Anonym
übersetzt von Paul Heyse
Ob auch finstre Blicke glitten,
Schöner Augenstern, aus dir,
Wird mir doch nicht abgestritten,
Daß du hast geblickt nach mir.
Wie sich auch der Strahl bemühte,
Zu verwunden meine Brust,
Giebt's ein Leiden, das die Lust,
Dich zu schaun, nicht reich vergüte?
Und so tödtlich mein Gemüthe
Unter deinem Zorn gelitten,
Wird mir doch nicht abgestritten,
Daß du hast geblickt nach mir.
(S. 72)
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*
XXXVII.
Dulces arboles sombrosos
Aus der
Celestina (um 1500)
übersetzt von Paul Heyse
Holde, schattenreiche Bäume,
Neiget, neigt die Zweige dicht,
Naht das liebliche Gesicht,
Das mir folgt in meine Träume.
Ihr Gestirne, deren Licht
Vorverkündet Tagesschimmer,
Warum weckt ihr ihn denn nicht,
Schläft mein süßer Freund noch immer?
Nachtigall und Lerche du,
Die ihr singt zur frühen Stunde,
Bringet meinem Schatz die Kunde,
Seiner harrt' ich ohne Ruh.
Leise tagt es in der Runde –
Ach, indessen
Hat er wohl an schönerm Munde
Mich vergessen!
(S. 73)
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*
XXXVIII.
De
piedra pueden decir
Anonym
übersetzt von Emanuel Geibel
Wohl aus hartem Felsgestein
Sind geschaffen unsre Herzen,
Meins, das aushält so viel Schmerzen,
Deins, das kalt bei meiner Pein.
Denn, wenn sie von Stein nicht wären,
Wären längst gestorben wir,
Du aus Mitleid schon mit mir,
Ich vor Qual und vor Begehren.
Doch hartnäckig bei uns Zwei'n
Bleibt das Leben in den Herzen,
Meins erduldend tausend Schmerzen,
Deines kalt bei meiner Pein.
(S. 74)
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*
XL.
Mirandome esta mi nina
Anonym
übersetzt von Paul Heyse
Auf dem grünen Balcon mein Mädchen
Schaut nach mir durchs Gitterlein.
Mit den Augen blinzelt sie freundlich,
Mit dem Finger sagt sie mir: Nein!
Glück, das nimmer ohne Wanken
Junger Liebe folgt hienieden,
Hat mir Eine Lust beschieden,
Und auch da noch muß ich schwanken.
Schmeicheln hör' ich ohne Zanken,
Komm' ich an ihr Fensterlädchen.
Immer nach dem Brauch der Mädchen
Träuft ins Glück ein bißchen Pein:
Mit den Augen blinzelt sie freundlich,
Mit dem Finger sagt sie mir: Nein!
Wie sich nur in ihr vertragen
Ihre Kälte, meine Glut?
Weil in ihr mein Himmel ruht,
Seh' ich Trüb und Hell sich jagen.
In den Wind gehen meine Klagen,
Daß noch nie die süße Kleine
Ihre Arme schlang um meine;
Doch sie hält mich hin so fein, -
Mit den Augen blinzelt sie freundlich
Mit dem Finger sagt sie mir: Nein!
(S. 77-78)
_____________
*
XLI.
Ojos
garzos ha la nina
Juan de
la Enzina
(1468-1529)
übersetzt von Emanuel Geibel
Blaue Augen hat das Mädchen,
Wer verliebte sich nicht drein!
Sind so reizend zum Entzücken,
Daß sie jedes Herz bestricken,
Wissen doch so stolz zu blicken,
Daß sie schaffen eitel Pein;
Machen Ruh und Wohlbefinden,
Sinnen und Erinnrung schwinden,
Wissen stets zu überwinden
Mit dem spielend süßen Schein;
Mit dem spielend süßen Scheine
Fesseln sie die Treu' alleine,
Schaffen, daß in Kummer weine,
Wer da fröhlich pflag zu sein.
Keiner, der geschaut ihr Prangen,
Ist noch ihrem Netz entgangen,
Alle Welt begehrt zu hangen
Tag und Nacht an ihrem Schein.
Blaue Augen hat das Mädchen,
Wer verliebte sich nicht drein!
(S. 79-80)
_____________
*
XLII.
En
la pena, suso la pena
Antonio
de Villegas (ca 1522-ca 1551)
übersetzt von Emanuel Geibel
Unter den Bäumen, unter den Bäumen
Ruht das Mädchen tief in Träumen.
Voll von liebendem Verlangen
Träumt sie von der Liebe golden,
Träumt sie sich zu ihrem Holden,
Träumet, doch nicht schlafbefangen.
Denn ein Mädchen voll Verlangen
Unter den Bäumen
Schlummert nicht bei Liebesträumen.
Ihre Brust wallt in die Höhe
Bei dem süßen Traumgesicht;
Sieht sie, was sie träumt, auch nicht,
Träumt sie doch, was gern sie sähe.
Ach, es ist ein schlimmes Wehe,
Unter den Bäumen
Nie zu sehen, was wir träumen!
Traum ist, Liebe, was du schickest,
Wenn du uns entziehst den Schlummer,
Da du uns für echten Kummer
Mit erlogner Lust erquickest.
Wen du Tags im Durst erstickest,
Läßt du Nachts Gelage träumen
Unter den Bäumen.
(S. 81-82)
_____________
*
XLIII.
Pues
que no me sabeis dar
Anonym
übersetzt von Paul Heyse
Da nur Leid und Leidenschaft
Mich bestürmt in deiner Haft,
Biet' ich jetzt mein Herz zu Kauf.
Sagt, hat einer Lust darauf?
Soll ich sagen, wie ich's schätze,
Sind drei Batzen nicht zuviel.
Nimmer war's des Windes Spiel,
Eigensinnig blieb's im Netze.
Aber weil mich drängt die Noth
Biet' ich jetzt mein Herz zu Kauf,
Schlag' es los zum Meistgebot –
Sagt, hat einer Lust darauf?
Taglich kränkt es mich im Stillen
Und erfreut mich nimmermehr.
Nun wer bietet? – wer giebt mehr?
Fort mit ihm und seinen Grillen!
Daß sie schlimm sind, leuchtet ein,
Biet' ich doch mein Herz zu Kauf.
Wär' es froh, behielt' ich's fein –
Sagt, hat einer Lust darauf?
Kauft ihr's, leb' ich ohne Grämen.
Mag es haben, wem's beliebt!
Nun wer kauft? wer will es nehmen?
Sag' ein Jeder, was er giebt.
Noch einmal vorm Hammerschlag
Biet' ich jetzt mein Herz zu Kauf,
Daß man sich entscheiden mag –
Sagt, hat einer Lust darauf?
Nun zum ersten – und zum zweiten –
Und beim dritten schlag' ich's zu!
Gut denn! Mag dir's Glück bereiten:
Nimm es, meine Liebste du!
Brenn' ihm mit dem glüh'nden Erz
Gleich das Sklavenzeichen auf;
Denn ich schenke dir mein Herz,
Hast du auch nicht Lust zum Kauf. (S. 83-84)
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Aus:
Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
Teil 2
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