Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Torquato Tasso (1544-1595)
italienischer Dichter



Liebeszauber
(Sonett)

Der Welten Seel' ist Lieb' und Lieb' ihr Sinnen,
Sie treibt die Sonn' am hohen Himmelsbogen,
Sie lehrt zur Himmelslei'r die Sterne wogen
Um Tänze, schnell und langsam, zu beginnen.

Kraft muß Luft, Wasser, Erd' und Feu'r gewinnen
Durch sie, von der das Weltall ward erzogen,
Von ihr wird in uns Wunsch, Furcht, Zorn bewogen,
Ihr wohnen Hoffnung, Lust und Schmerzen innen.

Doch ob sie Alles schaff' und Alles führe
Und über's All erglänz' und Alles helle,
Will ihre Macht zumeist in uns doch walten.

Als wären's Kreis' im himmlischen Reviere,
Wählt sie zum Pallast Eurer Augen Helle
Und hat Eu'r Herz zum Tempel sich gestalten. -
(S. 408)
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Verherrlichung der Geliebten
(Sonett)

Es war in meines Lenzes frohen Tagen,
Die Seele prangte noch mit junger Freude,
Nach Schönheit suchend, an der sie sich weide,
Und schwamm in Lust und heiterem Behagen;

Da ward vor'n Blick ein Frauenbild getragen,
Dem Engel gleich an Stimm' und Strahlenkleide,
Mit Flügeln nicht; doch scheint es, als ob beide
Mein Wort ergreifen, hohen Flug zu wagen.

O neues Wunder! Sie leiht meinem Dichten,
Ich ihrem Namen stolz bewegte Schwingen,
Eins will für's Andre seinen Flug ermessen.

Sie war es, deren Strahlen mich durchlichten,
Durch die allein mir Sang und Klang' gelingen;
Die erste Gluth bethaute sanft Vergessen. -
(S. 409)
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Drohung
(Madrigal)

In eines Baches Wellen
Neara sich beschauet,
Als Tyrsis weinend klagt:
Wie meine Thränen quellen,
Grausames hartes Mädchen,
Hoff' ich, ein Zährenbach zu werden;
Dann magst du erst in meinem Spiegel lesen,
Wie schön und doch wie grausam du gewesen.
(S. 411)
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Liebesahnung
(Madrigal)

Welcher Thau und welche Zähren
Träufeln von der Nacht Gewand
Und der Sterne heiterm Antlitz?
Warum sä't in frischen Grases
Schoße einen reinen Bogen
Tropfenden Kristalls die weiße Wand?
Warum seufzt in finstern Lüften
Bis zum Tag ringsum der Windhauch?
Waren's Zeichen deines Scheidens,
Leben meines Lebens? -
(S. 411)
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Liebeslust
(Sonett)

Hör' Phyllis, wie es donnert! Wie gefroren
Die Dünste niederwärts von oben fallen,
Was kümmert Sturm uns in des Jovis Hallen?
Hier werd' uns Lust, wie's oben mag rumoren!

Im Freudenglück sei nächt'ge Lust geboren
Von Neuem aus der süßen Gluthen Wellen.
Blitz schrecke Pöbel nur! Mit Feuerknallen
Such' Glück und Zufall heim nur and're Ohren!

Ein Thor ist und sich feindlich selbst entgegen
Wer hofft und bangt, daß Leid ihm nahen werde,
Und es bekämpfend, seinen Fall beeilet.

Geh', Welt, in Trümmern! Nichts ist d'ran gelegen,
Mich reizt allein was Freud' und Lust ertheilet,
Daß, muß ich Erde sein, ich war auch Erde.
(S. 412)
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Aus: Handbuch der Geschichte der
Italiänischen Litteratur
Erläutert durch eine
Sammlung übersetzter Musterstücke
Herausgegeben von Dr. Fr. W. Genthe
Zweite Abtheilung: Die Italiänischen Dichter
Magdeburg Verlag von Ferdinand Rubach 1834
[Übersetzer sind nicht explizit genannt]

 

 


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