Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Esaias Tegnér (1782-1846)
schwedischer Dichter




Die Augen

Ich weiß zwei Augen lieblich immer,
Am schönsten doch, sehn sie auf mich
Mit süßer Liebeshoffnung Schimmer,
Und - träumend leis dann senken sich!

Die Herzen müssen sich entzünden,
Mund ruht an Mund und Brust an Brust,
Und Erd' und Himmel rings verschwinden
In unnennbarer, sel'ger Lust!

Sie öffnen dann sich schüchtern wieder,
So feucht, so matt? - nein, tageslicht!
Es weint der Himmel Thränen nieder
Sanft auf ein blau Vergißmeinnicht.

Ein Himmel ist dies Aug', das blaue,
Zwiefach, und Engel seh' ich dort.
Komm her, daß ich sie wieder schaue
Und bleib' im Himmel immerfort!
(S. 273)
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In ihrem Heim

Hier flossen Dir der Kindheit Stunden,
Hast hier der Unschuld Traum geträumt,
Hier hat Dein Geist das Licht gefunden,
Wie eine Ros', vom Dorn umsäumt!
Hier tönte Dir Gesang vom Thale,
Hier hat die Lilie Dir genickt,
Der See gespiegelt tausend Male
Die Züge, die mein Herz entzückt!

Wie selig war mir dieses Plätzchen,
Und ist es noch, wenn Du dort weilst!
Ach, was ich fühlt', Du weißt es, Schätzchen,
Wenn Du im Geist zur Heimat eilst!
Hier sollte reifen, nicht blos keimen
Die reinste Seligkeit und Lust,
Hier wirklich sein, nach Hoffensträumen,
Der Himmel selbst an Deiner Brust!

Man tadelt uns, man will uns trennen,
Der Haufe will sein Opfer stets,
Doch, Lilie bleich, das muß ich kennen,
Acht' nicht sein Wort, dann bald verweht's.
Glaub' nicht, daß er versteh' die Herzen,
Wie Du das meine einst so gut,
Nicht Freude giebt es ohne Schmerzen,
Und keine Liebe ohne Muth!

Laß Sonnen, die am Himmel wallen,
Verlöschen, meine Lieb' glüht fort,
Die Sterne laß vom Himmel fallen,
Stets bleibet fest mein Liebeswort!
Geh', such' im Norden, such' im Süden
Das Beste, was die Schöpfung giebt:
Du findest nimmermehr hienieden
Ein Herz, das so wie meins Dich liebt!
(S. 274-275)
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Lebewohl

Es trennen Feld und Berg und Bäche
Mich bald von Dir, wenn ich nun fort,
Ob ich zu Dir auch zärtlich spreche,
Du sagst zur Antwort mir kein Wort.
Du selbst mir, wenn der Abend dunkelt,
Wo sonst mich Deine Näh entzückt'!
Und ach, wenn früh der Morgen funkelt -
Wo bleibt Dein Gruß, der mich beglückt'?

Sag' nicht, ich könne Dich vergessen,
Das Wort - Du glaubst es selber nicht!
Wohl tausendmal hast Du ermessen,
Was mich durchdringt, was aus mir spricht.
Tand ließ ich, Leichtsinn, Lust der Sinne,
Seit Du zogst in mein Herz hinein:
Mir lebt die Welt in unsrer Minne,
Sie ist mir blos Dein Wiederschein!

Dein Bild scheint mir, wo Sonnen lohen,
Dein Wort des Baches Murmeln sacht,
Am Firmament, dem hehren, hohen,
Deut'st Du mir Räthsel in der Nacht.
Was Erd' und Himmel nur zu eigen
An Herrlichem, ich seh's in Dir,
Dein Aug' glänzt mir wie Sternenreigen,
Gleich Lilien scheint Dein Busen mir!

Und trennt uns auch des Raumes Weite,
Wir bleiben uns doch ewig nah,
Du sitzt zwar nicht an meiner Seite,
Doch in ihr bist Du ewig da.
Ja, in der Linken, dort erglühet
Ein Herz und in ihm wohnest Du:
Wo solches hehre Glück erblühet,
Schließt man das Thor den Andern zu.

Wie dringen Deine edlen, bleichen,
Geliebten Züge in mein Herz!
Die Lust muß Himmelsfreuden gleichen,
Doch - irdisch ist der Trennung Schmerz!
In meinem Ohr erklingt's von süßen
Gesängen, die Dein Odem haucht,
Noch einmal laß mich jetzt Dich küssen:
Ein Kuß in Weh und Glut getaucht!

Leb' wohl! Bleib' treu! Wie jäh Verderben
Packt's mich, daß Du nicht ewig treu!
Bleib' treu! Die Stunde müßt' ich sterben,
Wo andre Lieb' Du fühltest neu!
Du Morgenstern in meinem Leben,
Mein bessres Ich, mein süß Idol,
Du höchstes Ziel für heißes Streben!
Geliebtes Weib, leb' wohl, leb' wohl!
(S. 276-277)
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Aus der Frtihjofs Sage

VII.
Frithjofs Glück

"Sucht Ihr nur, König Bele's Erben,
Ringsum der Schwerter, doch um meins
Sollt Ihr vergeblich immer werben,
Mein Wahlplatz ist die Welt des Hains!
Wo Baldur weilt, will ich vergessen
Der Rache Qual, der Erde Pein,
Will Ingeborg ans Herz mir pressen,
Und glücklich wie die Götter sein!

So lang die Sonne übergießet
Mit Purpurgluth die Blumenschaar,
Dem Schleier gleich, der rosig fließet
Um der Geliebten Augenpaar,
So lange irre ich am Strande,
Von heißer Sehnsucht fast verzehrt,
Und schreibe seufzend in dem Sande
Den lieben Namen mit der Schwert!

Wie langsam schleichst du, träge Stunde?
Sag an, o Tag, was säumst du heut?
Hat nicht dein Aug' an Berg und Sunde
Und Hain und Meer sich oft erfreut?
Sag' ob im Westen nicht, mit Sehnen,
Ein Mädchen seufzet heiß nach dir,
Und fliegt an deine Brust mit Thränen
Der Freude, wenn du nahst von hier?

Doch, müde von des Tags Beschwerde
Sinkst jetzt du an des Westens Brust.
Das Abendroth sinkt auf die Erde,
Ein Vorhang vor der Götter Lust.
Von Liebe flüstern rings die Meere,
Die Ströme und der Wälder Pracht,
Willkommen, Göttinmutter, hehre,
Im Perlenhochzeitsschmuck, o Nacht!

Wie still die hohen Sterne schreiten,
Gleich Buhlen mit verstohl'nem Schritt!
Nun soll mein Schiff hinübergleiten
Zu ihr, helft blaue Wellen mit!
Dort breiten sich die Friedenshaine,
Zu guten Göttern steuern wir,
In Baldurs Tempel weilet Eine,
Die selbst der Liebe Göttin mir.

Wie froh betrat ich dies Gestade,
O Erd', ich möchte küssen dich,
Auch euch ihr Blumen an dem Pfade,
Der durch die Haine schlängelt sich.
Der Mond, der rings den Tempel säumet
Und auch den Hain, mit goldnem Strahl,
Schwebt dort am Himmel still und träumet
Der Saga gleich im Hochzeitssaal!

Bach, der mit Blumen flüstert, sage,
Singst du von meiner Sehnsucht Qual?
Du stahlst aus meiner Brust die Klage,
Du, unsres Nordens Nachtigall.
Sieh, Elfen malen mit den Farben
Des Abendroths auf Blau ihr Bild,
Doch schnell die Züge wieder starben,
Denn Freia sieht sie, neiderfüllt.

Den Liebestod soll ich empfahen,
Denn, treu wie die Erinnerung
Der Jugend, seh' ich selbst sie nahen,
Wie Hoffnung schön und ewigjung.
Nun mög' ihr Bildniß gern zerfließen,
Mir wird ja, süßes Weib, die Lust,
Dich selbst in meinen Arm zu schließen,
Dich ruhn zu sehn an meiner Brust!

Du bist so schlank, wie Lilienstengel,
Voll, wie die reife Rose steht,
Wie Götterwille, ohne Mängel,
Warm, wie des Liebenden Gebet!
Umfang mich, bis der Liebe Wogen
Mit gleicher Gluth durchströmen dich,
Der Erde Rund, des Himmels Bogen
Entschwinden, wenn du küssest mich!

Sei ohne Furcht, nichts darf dich schrecken,
Am Waldesrand wacht eine Schaar,
Björn, unser Freund, mit seinen Recken,
Der trotzet Welten voll Gefahr.
Und wär' umsonst auch unser Ringen,
Stürb' ich für dich, Geliebte mein,
Froh würd' ich mich gen Himmel schwingen,
Könnt'st du mir nur Walkyre sein!

Daß Baldur zürnt, meinst du voll Zagen?
Der weiße Gott kennt keinen Zorn,
Dem betend unsre Herzen schlagen,
Als aller echten Liebe Born!
Von Sonnenglanz die Stirn umwunden,
Mit ew'ger Treu die Brust erfüllt
Hat er die Liebe auch empfunden
Zu Nanna, deinem Ebenbild.

Dort steht sein Bild, er ist uns nahe,
Er sieht mich an mit mildem Blick.
Ein Opfer jetzt von mir empfahe,
Ein Herz, voll süßem Liebesglück.
O knie mit mir, wir sind zwei Herzen,
Die ew'ger Treue Schwur verband,
Sag, ob von Freuden, ob von Schmerzen
Je Baldur schön'res Opfer fand?

Glaub' nicht, daß meine Lieb' entstamme
Der Erde, o verschmäh' sie nicht,
Der Himmel selbst war ihre Amme,
Sie sehnt sich wieder nach dem Licht!
O wer doch, rein, wer schon dort oben -
Könnt' ich doch sterben jetzt mit dir,
Zu Göttern, diesem Staub enthoben,
Schwebt' ich und führte dich mit mir!

Ob täglich auch die Kampfschaar reite
Durchs Silberthor zu lust'gem Krieg,
Ich blieb' daheim an deiner Seite,
Ein treuer Freund, und schaut' auf dich.
Und wenn beim Mahl die Hörner blinken,
Die Maid schenkt Meth mit Schaum von Gold,
Auf dein Wohl würde Frithjof trinken,
Und flüstern Liebesworte hold!

Aus Zweigen baut' ich eine Hütte
Auf freiem Riff an blauer Bucht,
Dort ruhten wir in Waldesmitte
Am Garten mit der goldnen Frucht;
Ging Morgens auf mit seinen Flammen
Walhalla's Licht mit seltner Pracht,
Mit Göttern führt's uns zwar zusammen,
Doch wünschen wir zurück die Nacht!

Mit Sternen wollt' ich dir bekränzen
Die Stirn, die Lockenfülle reich,
In Freia's Saal, bei munt'ren Tänzen,
Lacht rosenroth die Lilie bleich.
Dann würd' ich dich vom Tanze bringen
Zum Liebeshain, zum Friedensport,
Der greise Braga sollte singen
Dein Brautlied Abends fort und fort!

Wie schallt der Drossel Schlag im Haine,
Der Sang kommt von Walhalla's Strand!
Wie blinkt der Sund im Mondenscheine,
Der herstrahlt aus der Sel'gen Land!
Dies Alles kommt aus lichten Auen,
Wo Liebe blühet ohne Leid,
O könnt ich die Gefilde schauen,
Mit Ingeborg, der süßen Maid!

Du weinst? Das Blut strömt noch lebendig
Durch meine Adern, weine nicht,
Es steigt des Mannes Traum beständig,
Gleich seiner Liebe, auf zum Licht!
Doch, wenn du Holde mich umschlingest,
Dein Auge lächelnd ruht auf mir,
Von Götterträumen schnell dann bringest
Den Schwärmer du zurück zu dir!

Still, war's die Lerche? Nein, die Taube
Klagt ob verschwundner Liebeslust!
Die Lerche schläft, den Schlaf nicht raube,
Sie schläft ja an des Gatten Brust!
O glücklich, die der Tag nicht scheidet,
Nur zu erneuten Freuden ruft!
Wenn sie ihr Flug, von mir beneidet,
Emporhebt in die blaue Luft!

Es graut der Tag! Nein, das sind Flammen
Von einer fernen Kriegerwacht!
Noch können plaudern wir mitsammen,
Noch schloß sich nicht der Liebe Nacht!
O zög're, Morgenstern, mit Kummer
Seh ich im Geist dich nahen lang'
Ich möcht' dir wünschen einen Schlummer
Bis zu des Weltalls Untergang!

Solch Hoffen wird sich nicht erfüllen,
Schon weht ein kühler Morgenwind,
Im Osten seh' ich Rosen quillen,
Die gleich der Liebsten Wangen sind!
Die Sängerschaar, mit leichtem Flügel,
Siehst singend du gen Himmel zieh'n,
Es blaut das Meer, es grünt der Hügel,
Die Schatten und dein Buhle - flieh'n!

Da kommt mit ihrem goldnen Prangen,
Ein Gott, die Sonne stolz und hehr,
Vergieb mein kindisch Unterfangen,
Nun hab' ich solchen Wunsch nicht mehr!
Nun möcht' ich wünschen, ach, zu schreiten,
Gewaltig, voll erhab'ner Ruh,
Um Licht und Leben zu verbreiten,
Und rings zu siegen, so wie du!

Mögst gnädig nun herniederschauen:
In deiner Hut sei wohl beschützt
Dein Ebenbild auf grünen Auen,
Das Schönste was der Nord besitzt!
Ihr Herz ist rein, wie deine Strahlen,
Ihr Aug' ist, wie der Himmel, klar,
Das Gold, das deine Blicke malen,
Trägt sie in ihrem Lockenhaar!

Leb wohl, mein Lied, und laß das Weinen!
Auf Stirn und Lippe noch ein Kuß!
Die Nacht soll wieder das vereinen,
Was hart der Tag nun trennen muß!
Leb wohl, in deinem Traum erscheine
Mein Bild dir hold, schlaf sanft, schlaf wohl,
Glüh deine Seele, wie die meine,
Vor Sehnsucht, Ingeborg, leb wohl!
(S. 74-80)
_____


Übersetzt von Edmund Lobedanz (1820-1882)

Aus: Esaias Tegner's Ausgewählte Werke
Aus dem Schwedischen von Edmund Lobedanz
Leipzig Verlagsbuchhandlung von Carl S. Lorck 1862



 

 


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