Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Der Frühling - Wandmalerei aus Stabiae


 

Albius Tibullus (Tibull) (54-19 v. Chr.)
römischer Dichter




Liebes-Elegien

1. Buch 1. Elegie


Genügsamkeit


Mög' ein anderer reich an funkelndem Golde sich sammeln,

Werd' ihm ein grosses Gebiet fruchtbarer Äcker bestellt:

Welchen beständiger Frohn in der Näh' abängstet des Feindes,

Welchem den Schlaf Kriegsruf schmetternder Hörner entscheucht!

Mich führ' arme Genüge zum Pfad' unthätiges Lebens,

Nur dass ein Feuerchen mir helle den eigenen Heerd!

Pflanz' ich selbst, wann grade die Zeit will, kindliche Reben,

Bäuerlich; propf' ich geschickt edleres Obst mit der Hand!

Nie auch teusche die Hofnung; gehäuft stets biete sie Feldfrucht,

Biete sie voll von süsskleibrigem Most das Geschirr!

Denn ich verehr', ob selten besucht auf dem Acker ein Holdbild,

Ob an der Wegscheid' alt prange mit Blumen ein Stein.

Und was immer das Jahr von heurigem Obste mir aufzieht,

Gleich vor des Anbaus Gott stell' ich die Erstlinge dar.

Dir, blondlockige Ceres, geweiht, hang' unseres Feldes

Ährengeflecht an der Thür deiner Kapelle herab.

Auch im Garten das Obst mit furchtbarer Hippe bewachend,

Stehe der rothe Priap allem Gevögel ein Schreck.

Ihr, des gesegneten einst, nun dürftigen Feldes Berather,

Ihr, o Laren, auch sollt euere Gaben empfahn.

Damals blutet' ein Kalb zur Sühn' unzählbaren Rindern;

Nun ist der winzigen Flur feierlich Opfer ein Lamm.

Euch soll fallen das Lamm, und ringsum ländliche Jugend

Rufen: Io! gebt Korn, gebt uns gedeihenden Wein!

Jezo doch, jezo vermag ich, mit wenigem fröhlich zu leben,

Und nicht stets in der Fern' eifrig die Welt zu durchziehn;

Sondern des flammenden Hunds Aufgang zu vermeiden im dunkeln

Schatten des Baums, am vorbeiirrenden Bache gestreckt.

Doch misfalle mir nicht, auch den Karst einmal zu versuchen,

Oder dem trägen Stier laut mit dem Stachel zu drohn.

Gern auch ein Lamm von der Weid', und gern ein verlassenes Zicklein,

Wann es die Mutter vergass, trag' ich im Busen zurück.

Aber verschont, ihr Diebe, verschont mir, Wölfe, des Viehes

Kleinliche Trift, und wählt grössere Heerden zum Raub!

Hier gewähr' ich dem Hirten der Reinigung jährliche Feier,

Hier bespreng' ich dein Bild, friedliche Pales, mit Milch.

Kommt, o Götter, zum Mahl, und verschmäht nicht unseres Tisches

Armes Geschenk, nicht dies reinliche irdne Geschirr.

Irdnes Geschirr hat zuerst der Vorwelt Bauer gebildet,

Und aus geschmeidigem Thon Becher zum Trunke gehöhlt.

Nicht habseliger Väter Besiz, noch die Nuzung verlang' ich,

Welche dem Urahnherrn lastende Speicher gezollt.

Wenige Saat ist genug; o genug, wenn ich ruhn auf dem Lager

Darf, und kehren bei Tisch zu dem gewöhnlichen Pfühl.

O wie behagts, die Tumulte der Wind' anhören im Bette,

Weil sich ein Liebchen vertraut an den umarmenden schmiegt;

Oder, wenn frostigen Wintererguss ausschüttet der Auster,

Sorglos folgen dem Schlaf, welchen der Regen versüsst!

Mir sei solches vergönnt! Reich werde mit Recht, wer des Meeres

Wut, und zu tragen vermag finstres Hyadengestirn!

O mit dem Golde vielmehr und allem Smaragd' in den Abgrund,

Eh um unseren Zug irgend ein Mädchen sich härmt!

Dir, Messala, geziemt, Landkrieg zu verwalten und Seekrieg,

Dass mit eroberten Feldrüstungen prange dein Haus.

Mich hier hält wie in Ketten das rosige Mädchen gefesselt,

Und als Pförtner des Hofs siz' ich am grausamen Thor.

Nicht mir steht nach Ruhme das Herz! Dir, Delia, dir nur

Sei ich gesellt; gern dann nennet mich träg' und verzagt!

Dich soll schauen mein Blick, wann die endende Stunde genaht ist,

Dich soll halten mit absterbendem Drucke die Hand.

Weinen mir, Delia, wirst du am bald auflodernden Lager,

Reichen mir wirst du betrübt Küsse mit Thränen gemischt.

Ja du weinst! Nicht ist von gehärtetem Stahle die Brust dir

Rings umstarrt, noch stockt drinnen ein Herz dir von Stein.

Keiner der Jünglinge kehrt von jenem Leichenbegängnis,

Keine der Jungfraun kehrt trockenes Auges zurück.

Doch nicht kränke den Geist des Erblichenen! Schone, du Mägdlein,

Deines entrollenden Haars, schone der Wängelein doch!

Sein wir indess, da das Schicksal vergönnt, durch Liebe vereinigt!

Bald wird nahn, um das Haupt finstere Nebel, der Tod.

Bald schleicht trägeres Alter daher; nicht Liebe geziemt dann,

Nicht bei greisendem Haupt schmeichelndes Reden und Thun.

Jezo der schwärmenden Venus gedient, da Thüren zu schmettern

Nicht missteht, da Zank noch zu beginnen erfreut!

Hier bin Ich Heerführer und Held! Doch Fahnen und Hörner,

Fern mir hinweg! und bringt Wunden dem gierigen Volk!

Bringt ihm auch Gut! Ich hier, sorglos bei gesammeltem Vorrath,

Blick' auf den Reichen hinab, und auf den Bettler hinab!
(S. 3-9)


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1. Buch 2. Elegie


Klage beim Wein


Lautren hinzu, und mit Wein die befremdenden Schmerzen gebändigt;

Dass dem Verwachten den Blick fessele siegend der Schlaf.

Keiner ermuntere mich vom Taumelgeiste des Bacchus

Trunkenen, während die Lieb', ach die bekümmerte, ruht.

Denn feindselige Hut ist gestellt vor unserem Mägdlein,

Und im grausamen Schloss haftet die Thüre gesperrt.

Dich, hartherzige Thüre der Herscherin, geissle der Regen,

Dich, auf Jupiters Wink, schmettere Donnergeschoss!

Thüre, von Klagen erfleht, mir einzigen, öfne dich jezo,

Lautlos drehe mit sanft schleichendem Angel dich auf!

Und, wenn Böses dir etwa gesagt hat unsere Tollheit,

Wolle verzeihn; mir selbst fall' auf das Haupt es zurück!

Wohl ziemt dir zu gedenken, wie häufiges Flehen ich aussprach,

Wann ich der Pfoste zum Schmuck weihete Blumengerank.

Du auch, nicht zu ängstlich, o Delia, teusche die Hüter.

Wage nur! Tapferen schaft Cypria selber Gedeihn.

Jen' ist hold, ob ein Knabe die Neulingsschwelle versuchet,

Oder ein Mädchen ins Schloss füget den sprengenden Stift.

Jen' auch lehrt ingeheim aus schwellendem Bette zu schlüpfen,

Jen' auch, ohne Geräusch kundig zu sezen den Fuss;

Jen', in des Manns Beisein redselige Winke zu wechseln,

Und ein Gekos' in verabredeten Zeichen versteckt.

Zwar nicht alle belehrt sie, nur wen nicht lähmet die Feigheit,

Wer unverzagt aufsteht, dunkele tief auch die Nacht.

Siehe, wenn Ich unruhig in Finsternis schweife die Stadt durch,

Mut in der Finsternis haucht Cypris selber mir ein.

Niemand lässt sie begegnen, der mich mit verwundendem Eisen

Anrennt, oder den Raub meines Gewandes erwischt.

O wen Liebe beherrscht, der wandele sicher und heilig,

Wo ihm gefällt; nicht einmal Furcht vor dem Laurer geziemt.

Nicht mir schadet der Frost in starrenden Nächten des Winters,

Nicht mir, wann sich herabprassender Regen ergeusst.

Gar nicht kränkt das Bemühn, nur Delia schliesse die Thür' auf,

Und zum Fingergetön locke sie schweigend mich hin.

Zähmt den bescheidenen Blick, ob Mann, ob Weib mir begegne;

Venus wünscht unentdeckt ihren verstohlenen Dienst.

Auch nicht schreckt mit der Füsse Geräusch, noch forschet den Namen,

Noch tragt nahe des Lichts hellenden Schimmer heran.

Wer auch nur unversehens aufschauete, solcher verhehl' es,

Und bei den Göttern gesamt leugn' er Erinnerung ab.

Denn wer irgend Geschwäz sich erlaubt, der fühle, vom Blut sei,

Der, vom rasenden Meer sei Cytherea gezeugt.

Doch nicht Glauben gewährt dein Genoss ihm, wie mir die wahrhaft

Redende Drude verhiess, magischer Weihe geübt.

Diese sah ich selber Gestirn vom Himmel herabziehn;

Raffendem Bliz auch hemmt diese den Flug mit Gesang.

Diese zerreisst durch Sprüche den Grund; ja Seelen aus Gräbern

Lockt sie hervor, und entruft laulichem Brande Gebein.

Jezo bannt sie des Orkus Gewühl mit magischem Mislaut;

Jezt mit gesprengeter Milch heisst sie entfernen den Fuss.

Wann es gefällt, treibt diess dem traurigen Himmel Gewölk ab;

Wann es gefällt, ist entflohn kreisendem Sommer der Tag.

Sie nur besass der Medea verderbliche Kräuter, erzählt man;

Sie nur bezwang siegreich Hekate's Hunden die Wut.

Diese verband mir Laute, wodurch du zu teuschen vermöchtest.

Dreimal getönt; dreimal nach dem Gesange gespüzt!

Nichts kann jener von uns noch einem Verkündiger glauben,

Nichts sich, sähe sein Aug' uns auf dem Polster gesellt.

Doch von anderen halte dich fern; denn das übrige schaut er

Alles genau; von mir einzigen merket er nichts.

Darf ich traun? Sie, wahrlich, die selbige sagte, die Liebe

Könne sie leicht mit Gesang lösen mir, oder mit Kraut.

Auch umfing sie mich weihend mit Kien; und den magischen Göttern

Sank ein dunkeles Sühnopfer in heiterer Nacht.

Nicht dass sie ganz weg wäre, dass gleich nur wäre die Liebe,

Bat mein Flehn. Hart sei, solcher entbehren auch dir!
(S. 16-21)

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1. Buch 3. Elegie


Heimweh


Eisernes Sinnes der Mann, der, da dich haben er konnte,

Thöricht nach Beute zu gehn und in den Streit, sich erkohr!

Mög' er Cilicierschaaren vor sich hinscheuchen mit Siegsmacht,

Und auf erobertem Grund festigen Lager des Mars!

Mög' er ganz von Silber umwebt, und ganz auch von Golde,

Prangen auf hurtigem Ross, staunenden Blicken zur Schau!

Dürf' ich, dir nur vereint, o Delia, schirren den Pflugstier,

Und in der Bergeinöd' hüten der Schafe mit dir!

O! wenn dich nur zu halten in zärtlichem Arme vergönnt ist,

Sanft, auch in wilder Natur, sei auf dem Boden der Schlaf!

Was, auf tyrischem Polster zu ruhn ohn' erwiederte Sehnsucht,

Was doch frommts, wann die Nacht wachsame Thränen erneut?

Denn nicht Flaum dann könnte, noch farbiger Teppich, den Schlummer

Herziehn, oder sanfttriefendes Wassergeräusch.

Hab' ich mit lästerndem Wort die erhabene Venus beleidigt,

Dass für der Zung' Unfug jezo die Strafe mich trift?

Werd' ich gerügt, dass der Götter geweiheten Sizen ich unrein

Naht', und Blumengeflecht raubte vom heiligen Heerd?

Lasst mich, hab' ich gefehlt, ungesäumt hinfallen den Tempeln,

Lasst mich küssen die ehrwürdigsten Schwellen der Macht;

Lasst ungesäumt mich die Erd' auf den Knien umkriechen in Demut,

Und an der heiligen Pfost' ach! mir zerstossen das Haupt.

Aber o du, der vergnügt hohnlacht des Betrübten, sei wachsam

Bald für dich selbst; nicht zürnt Einem nur immer der Gott.

Schauet' ich doch, wer Scherz an der Jünglinge Sorgen geübet,

Drauf in der Venus Band streckt' er den Nacken, ein Greis,

Auch Liebkosungen ordnet' er sich mit erbebender Stimme,

Und gern wollte die Hand locken das grauende Haar;

Nicht vor der Thüre zu flehen erröthet' er, noch mit des Trautchens

Dienerin ofnes Verkehr lange zu pflegen am Markt.

Ihm wühlt Knab', ihm Jüngling umher in reibendem Andrang;

Und in das Busengewand spüzet ein jeder sich selbst.

Doch mein schon', o Cythere! von jeher fröhnte mein Herz dir

Huldigend! Was so ergrimmt brennst du die eigene Saat?
(S. 28-31)

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1. Buch 6. Elegie


An der Thüre der Treulosen


Trozig verhiess ich im Zorn, sehr wohl zu erdulden die Trennung.

Aber wie fern nunmehr bleibt mir der Tapferkeit Ruhm!

Schwärm' ich doch wild, wie geschnellt auf ebenem Boden der Kreisel,

Welchen ein Knabe gewandt drehet mit Schwüngen der Kunst.

Folter und Glut dem Empörer! dass nie er begehre, noch Einmal

Gross im Reden zu thun, zähme das störrische Wort!

Dennoch geschont! bei dem Bunde des heimlichen Bettes beschwör' ich,

Bei der gemeinsamen Lust, und dem vereinigten Haupt!

Habe doch Ich, als schmachtend du lagst in trauriger Krankheit,

Dich, wie bekannt, durch das Flehn meiner Gelübde befreit.

Dreimal reinigt' ich selbst ringsum mit lauterem Schwefel,

Wann mir die Alte des Banns magische Laute getönt.

Selbst ich besorgete dir Unschädlichkeit graulicher Träume,

Die dreimal ich hinwegflehte mit heiligem Schrot.

Selbst auch, fädmige Hüll' um das Haupt, und gelösetes Kleides,

Zahlt' ich neunfach Gelübd' Hekaten tief in der Nacht.

Alles bedacht' ich zu thun; doch ein anderer erntet die Liebe;

Er, der Beglückte, geneusst meines Gebetes Ertrag.

Ach! glückseliges Leben hinfort, wenn du wieder genäsest,

Träumt' ich thörichter mir; anders entschied es ein Gott!

Künftig bau' ich das Feld, und Delia hütet die Frucht mir,

Wann in der Mittagsglut malmet die Tenne das Korn.

Oder in vollem Geschirr aufschwellende Trauben bewahrt sie,

Und weissschäumenden Most, rasch mit dem Fusse gestampft.

Zählen auch lernt sie das Vieh, und gewöhnt liebkosend des Knechtes

Schwazenden Sohn zum Spiel auf der Gebieterin Schoss.

Kundig dem ländlichen Gott für den Rebhain bringt sie die Traube,

Ährengebund für die Saat, festlichen Schmaus für die Trift.

All' und jede beherscht sie, und trägt mir Sorge für alles,

Und mich erfreuts, durchaus nichts in dem Hause zu sein.

Manchmal kommt mein Messala daher, und Delia muss ihm

Brechen die lieblichste Frucht jedes erlesenen Baums.

Solchem Mann muss Ehre sie thun; ihn pflege sie ämsig,

Rüst' ihm das Mahl, und selbst Dienerin trage sie auf.

Also erträumt' ich Wünsche, die jezt mit dem Kaurus der Notus

Fortstürmt zu dem gewürzreichen Armenier hin.

Oft versucht' ich die Sorge mit edelem Wein zu verbannen;

Aber zu Thränen verschuf jeglichen Tropfen der Gram.

Oft ein anderes Mädchen umarmet' ich; doch der Geliebten

Mahnete vor dem Genuss Pafia mich, und entfloh.

Einen Bezauberten hiess mich das Weib, und entschlüpfte dem Lager;

Und, o Scham! sie erzählt schmähliche Gräuel von mir.

Nicht thut solches ihr Bann; mit dem Anblick zaubert mein Mägdlein,

Mit blondlockigem Haar, und mit dem Lilienarm!

Also zu Peleus einst, dem Hämonier, fuhr die Nerine

Thetis in blauem Gewand' auf dem gezügelten Fisch.

Dies, dies schadete mir! Doch dass ihr ein Reicher sich aufdrängt,

Wendet zu meinem Verderb hämisch der Kupplerin List.

Sei bluttriefende Speis' ihr Frass, und mit blutigem Munde

Trinke sie herbes Getränk, kräftig mit Galle gemischt!

Seelengeschwirr' umflattre sie stets, das um eigens Schicksal

Wehklagt, und grimmvoll töne die Eule vom Dach!

Selber, zur Wut von dem Hunger gespornt, Unkräuter des Grabmals

Suche sie, und wo verschmäht räubrische Wölf' ein Gebein.

Renne sie dann, bis zum Nabel entblösst, und durchheule die Städte!

Hinten von Dreiweg folg' hiziger Hunde Gewühl!

Ha, es geschieht! so deutet ein Gott! Auch des Liebenden walten

Götter, und furchtbar straft Venus gebrochene Treu.

Aber o du, schnell fliehe, was dein raubgieriger Unhold

Prediget! Nicht geht Gold jeglicher Liebe zuvor!

Immer bereit ist ein Armer zum Dienst dir; immer zuerst auch

Kommt er, und bleibt an die jungfräuliche Seite geschmiegt.

Treulich geleitet ein Armer im drängenden Haufen des Volkes,

Beut zur Stüze die Hand, öfnet dir sichere Bahn.

Auch führt heimlich ein Armer in artiger Freunde Gesellschaft,

Und vom schneeigen Fuss löset er selbst das Geriem.

Ach wir singen umsonst! Nicht schmeichelnder Worte Gewalt kann

Sprengen die Thür; mit vollstrozender Hand sei geklopft!

Doch du, welchen sie nun auskohr, dich warne mein Schicksal;

Leicht mit gewirbeltem Rad drehet das Glück sich herum.

Nicht umsonst hat Einer schon izt an der Schwelle sich ämsig

Hingepflanzt; o wie oft schauet er vor, und entweicht!

Scheinbar geht er vorüber das Haus, bald kehret er einsam

Wieder, und endlos fort räuspert er grad' an der Thür.

Was wohl heimliche Liebe da ausheckt? Immer geneuss denn,

Weil du es darfst: noch streift heitere Fluten dein Kahn.
(S. 64-70)

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1. Buch 7. Elegie


Der Argwohn


Immer, ins Garn mich zu locken, gewährst du ein freundliches Antliz;

Doch ach! finster darauf bist du mir, Amor, und rauh.

Was hast, grausames Kind, du mit mir? Ist herlich der Ruhm wohl,

Wenn nachstellenden Trug Sterblichen ordnet ein Gott?

Schon sind mir Jagdneze gespannt; schon herzet geheim ihn

Delia, wer es auch sei, listig in schweigender Nacht.

Zwar sie leugnet so hoch und so theur; doch glauben ist schwierig!

Grad' auch also von mir leugnet sie immer dem Mann.

Lehrt' ich Armer doch selbst, durch welcherlei Ränke sie teuschen

Könnte die Hut! Nun, ach! schlägt mich die eigene Kunst!

Vorwand lernte sie dann, warum sie allein sich gebettet;

Dann, wie die Thür' auf stillgleitendem Angel zu drehn.

Dann auch gab ich ihr Kräuter und Säft', um die Bläue zu tilgen,

Die mit des Zahns Eindruck zeichnet der Wechselgenuss.

Aber, o du argloser Genoss des betrüglichen Mägdleins,

Nim mich selber in Acht, soll sie in nichts sich vergehn.

Dass nicht häufig und viel sie mit Jünglingen schwaze, sei wachsam;

Auch nicht loses Gewands liege sie, offen die Brust.

Auch kein schelmischer Wink entgehe dir, noch wie der Finger

Feuchtigkeit zieht, und die Tischplatte mit Zeichen bemalt.

Gehet sie aus, sei immer besorgt, auch wenn sie der Bona

Heiligen Dienst, dem nichts heimliches nahe, bekennt.

Doch wenn mir du vertraust, ihr folg' ich allein in den Tempel.

Nicht dann brauchte mir angst wegen der Augen zu sein.

Oft, als ihrer Gesteine Bewunderer, oder des Siegels,

Hab' ich mit Scheinneugier lange berühret die Hand.

Oftmals bracht' ich dir Schlaf mit lauterem Weine; doch selber

Nüchternen Trank siegreich schlürft' ich, mit Wasser gefälscht.

Nicht wars böse gemeint; dem gestehenden gönne Verzeihung.

Amor gebot. Wer mag Himmlischen trozen im Kampf?

Jener bin Ich, und will ungeschaut nun reden die Wahrheit,

Welchem die Nacht vollaus drohete bellend dein Hund.

Was soll dir ein Trautchen so zart? wenn eigenes Gut nicht

Hüten du kannst, ach nichts frommen dir Riegel und Schloss.

Dich hält jen', und erseufzt abwesende Liebe des andern;

Plözlich, so heuchelt sie dir, fuhr ihr der Schmerz in das Haupt.

Mögest du mir sie zu hüten vertraun! Nicht grausame Geisseln

Weiger' ich, und ungesträubt biet' ich der Fessel den Fuss!

Dann: "Fern bleibe von hier, wer mit Kunst auflocket das Haupthaar,

Wem hinfliesset mit weitwallendem Schooss das Gewand!

Wen auch der Gang herführt; dass ganz wegfalle der Vorwurf,

Steh' er entfernt, abwegs steh' er entfernt mir zuvor!"

So will selber der Gott es gethan! So tönte die grosse

Priesterin gottheitsvoll mir das profetische Wort!

Diese, sobald sie Bellona durchschütterte, brennende Glut nicht

Scheuet sie, nicht in der Wut scheuet sie Geissel und Schwung.

Sie mit dem Zweibeil haut in die eigenen Arme gewaltsam,

Blutet, und ohne Gefahr sprenget sie die Göttin mit Blut.

Schaut, von der Darde die Seite durchbohrt, schaut, wund um den Busen,

Steht sie, und tönt Schicksal, so wie die Göttin ermahnt:

"Hütet euch, Leid ihr zu thun, denn Amor schüzet das Mägdlein;

Dass nicht spät ihr bereut, klüger durch Schaden zu sein!

Rührst du sie an; hin gleitet dein Wohl, wie unserer Wunde

Blutstrom, wie des Alters Asche zerstäubt in den Wind!"

Dir auch, o Delia, scholl, ich weiss nicht welche Bestrafung;

Wenn du jedoch fehlgehst, werde sie, fleh' ich, nur leicht!

Gar nicht üb' ich an dir Barmherzigkeit; aber die Mutter

Rührt mein Herz, und den Zorn dämpfet das goldene Weib.

Diese ja führt durch Dunkel mich ein, und mit vieler Beängstung

Füget sie ganz lautlos uns in die Stille die Hand.

Diese ja harrt an der Pforte befestiget meiner, und fernher

Kennt sie des Kommenden Gang schon an der Füsse Geräusch.

Lebe du lange mir noch, mein Mütterchen! Eigene Jahre

Wollt' ich dir, wenns das Geschick duldete, gerne verleihn!

Stets wirst Du, auch die du gebarst, deinetwegen mir lieb sein!

Was sie auch immer beginnt, bleibet dennoch dein Blut!

Keusch nur lehre sie sein, obzwar kein Schleier gebundnes

Haar einzwängt, noch die langwallende Stola den Fuss.

Auch mich drückt gar hartes Gesez: nicht Eine nur loben

Kann ich, ohne dass mir stracks in die Augen sie fährt.

Doch wär' ich einiges Fehls in Verdacht, an dem Haare gezogen

Würd' ich um nichts, vorwärts würd' ich zur Gasse geschleift.

Nein, dich schlagen zu wollen, sei fern! Doch käme die Wut mir;

Wäre doch, wünscht' ich sogleich, lieber die Hand mir erstarrt!

Nicht auch in zagender Furcht sei keusch! O, mit herzlicher Treue,

Mir abwesenden halt' ähnliche Liebe dich fest!

Aber die treulos jeden verliess, bald, Beute des Alters,

Dreht sie aus zitternder Hand laufende Faden um Lohn;

Stetiges Sinns auch knüpft sie bedungene Webe dem Trumm an,

Und vom schneeigen Vliess kämmt sie die Flausche sich rein.

Fröhlich im Geist schaun diese der Jünglinge Haufen, und fröhlich

Rufen sie, solch Unheil trage die Alte mit Recht.

Dann auf die weinende blickt hochher von olympischen Burghöhn

Venus, und mahnt, wie sie Treulosigkeit herbe bestraft.

Andere treffe der Fluch! Wir, Delia, wollen ein Beispiel

Ewiger Lieb', annoch stehen im Silbergelock!
(S. 77-84)

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1. Buch 9. Elegie

An Marathus, den Liebhaber der Pholoe


Nicht mir kann unbemerkt es entgehn, was zärtlicher Wink doch

Andeut', oder ein sanft lispelndes Wörtchen ins Ohr.

Zwar nicht melden mir Loos', und nicht gottkundige Fibern,

Auch nicht singt den Erfolg Vogelgesang mir voraus;

Venus, die selbst mir die Arm' in magischem Knoten zurückband,

Hat mich genau, nicht ohn' häufige Schläge belehrt.

Gieb die Verstellung nur auf! Noch grausamer brennet der Gott den,

Welchen er sieht ungern ihm sich bequemen ins Joch.

Was nun frommts, dass du ämsig der seidenen Haare gewartet,

Und dir das Haar nach oft ändernder Sitte gelockt?

Was dir, dass du die Wange mit gleissender Tünche verschönert?

Dass du die Nägel dem kunstfertigem Schnizler gereicht?

Schon wird umsonst dein Kleid, und umsonst dein Mantel gewechselt,

Und im knappen Geriem enget gepresst sich der Fuß.

Jene gefällt, ob sie gleich ungeschmückt hertrage das Antliz,

Und nicht langsame Kunst locke das glänzende Haupt.

Hat mit Beschwörungen dich ein Mütterchen, hat sie mit Kräutern

Seltsamer Kraft in tief schweigender Nacht dich verwünscht?

Zaubergesang kann Frucht von des Nachbars Acker daherziehn,

Zaubergesang hemmt selbst wütende Schlangen im Lauf.

Zauber versucht auch Luna herab vom Wagen zu ziehen;

Ja, er thät' es, wo nicht tönte geschlagenes Erz.

Klag' ich, ach! dass dem Armen Gesang und Kräuter geschadet?

Nicht ja bedarf Schönheit magischer Künste Gebrauch.

Aber den Leib anrühren, das schadete; aber der langen

Küsse Verein, und die Hüft' eng an die Hüfte geschmiegt.

Sei du dem Knaben indess nicht allzu schwierig, ermahn' ich!

Finstere Thaten verfolgt Cypris mit rächendem Zorn.

Lohn auch fodere nie! Lohn gebe der buhlende Graukopf,

Dass du im schwellenden Schooss frostige Glieder erwärmst.

Theuerer ist ein Jüngling denn Gold, wenn glatt ihm das Antliz

Stralt, und umarmende nicht reibet ein stachlichter Bart.

Diesem umschlinge du gern mit blendendem Arme die Schulter;

Und auf der Mächtigen Schaz blicke verächtlich hinab.

Rath wird Venus ersehn, dich geheim zu ergeben dem Jüngling,

Dass ihm, der blüht, du selbst jugendlich fügest die Brust,

Dass du dem athmenden Küsse, von kämpfenden Zungen gefeuchtet,

Darreichst, dass du am Hals Male des Zahnes ihm prägst.

Nicht kann Perl' und Juwele sie freun, die das einsame Lager

Hütet im Frost, der nicht irgend ein Mann noch begehrt.

Ach! zu spät wird Amor, zu spät noch gerufen die Jugend,

Hat das veraltete Haupt winternde Gräue gefärbt.

Dann hebt Fleiss die Gestalt: dann fälscht man, dass es Bejahrung

Hehle, das Haar mit der Nuss grünender Schale sich braun;

Jegliches weisse Gespross wird dann sorgfältig entwurzelt,

Und, ablegend die Haut, wieder erneut das Gesicht.

Doch du, weil dir eben die frischeste Jugend erblüht ist,

Brauche sie; nicht langsam schlüpfet von dannen ihr Fuss.

Quäle den Marathus nicht! Was Ruhms in des Knaben Besiegung?

An dem veralteten Greis' übe du, Mädchen, den Troz!

Schone des zarten, o du! Kein heimliches Übel verzehrt ihn;

Nur zu heftige Lieb' hat ihn mit Gilbe gebleicht.

Dir anwesenden, ach! wie betrübt wehklaget der Arme

Oft dir nach! und wie voll strömet ihm Thränenerguss!

"Was mich verschmähn? seufzt jener: besiegt doch konnte die Hut sein!

Macht zu belisten ja gab Liebenden selber der Gott.

Wohl sind Schliche der Venus mir kund: wie man leiseren Athem

Anhält, und wie der Kuss ohne Geräusch wird geraubt.

Ja, ich könnt' auch im Dunkel der Nacht einstehlen den Fusstritt,

Und ohn' einigen Laut öfnen der Thüre das Schloss.

Armer! was hilft mir die Kunst, wenn den Liebenden jene verachtet,

Und von dem Polster sogar grausam das Mädchen entflieht?

Oder wenn jene verspricht, doch sogleich wortbrüchig betrieget;

Wehe! wie säumt schlaflos unter Verdruss mir die Nacht!

Während der kommenden Bild mir vorschwebt; was sich auch reget,

Sie dann, glaub' ich, ja sie habe gerauscht mit dem Fuss." -

Nicht mehr wein', o Knabe, hinfort! Unerweichlich ist jene;

Und von Thränen erstarrt schwillet das Auge dir schon.

Pholoe, sei mir gewarnt, Unsterbliche hassen Verachtung;

Und nichts frommt Weihrauch, heiliger Flamme gestreut.

Einst hat Marathus selber gescherzt mit liebender Sehnsucht,

Ohne Bewusst, rachvoll hinter ihm wandle der Gott.

Oftmals Thränen auch, sagt man, des Traurenden, hab' er verspottet,

Und mit des Trugs Aufschub falsch die Begierde gesäumt.

Nun ist verhasst ihm alles Gezier, nun regt ihm den Unmut

Jegliche Pforte, die streng' irgend im Schlosse sich sperrt.

Doch dein harret die Strafe! Wo nicht du, Stolze, noch umkehrst,

Gern mit Gelübden einmal rufst du die Tage zurück! (S. 102-108)

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1. Buch 10. Elegie


An den verführten Liebling


O wenn kränken du wolltest die zärtliche Liebe, wozu mir

Heiligen Bund, um geheim ihn zu verlezen, gelobt?

Elender, ach! ob einer zuerst Meineide verhehlet,

Spät doch, schleichendes Gangs, wandelt die Strafe daher.

Schont, Unsterbliche, schont! Ungestraft muss Schönen erlaubt sein,

Euere Macht Einmal durch ein Vergehn zu entweihn.

Nur um Gewinn fügt Stiere dem passenden Pfluge der Landmann,

Und mit sauerem Schweiss treibt er der Erde Geschäft.

Nur um Gewinn durch des Meers aufstürmende Brandungen gehend,

Folgt der wankende Floss sicheren Sternen im Lauf.

Auch durch Geschenk' ist gefangen der Knabe mir. Ha! die Geschenke

Wandl' in Asche der Gott, und in zerrinnende Flut!

Bald wirst Du mir büssen die Schuld; von dem Staube des Weges

Schwindet der Reiz, und der Wind zauset die Locken empor.

Bald wird gedörrt dein Antliz, gedörrt von der Sonne das Haupthaar,

Und anhaltende Gang reibet die Füsschen dir wund.

O wie ermahn' ich so oft: Um Gold nicht schände den Liebreiz;

Oft ist unter dem Gold' allerlei Übel versteckt.

Wer, von des Reichthums Glanze bethört, an der Liebe gefrevelt,

Rauh ist solchem hinfort Venus, und strenge gesinnt.

Brenne vielmehr mein Haupt mit der Glut, ja zucke das Eisen

Gegen den Leib, und im Schwung geissle den Rücken mir wund!

Nicht auch Verheimlichung gönnt das Geschick, wenn Fehle du brütest.

Ist doch ein Gott, der Betrug nicht im Verborgenen lässt.

Selber der Gott hat gesandt dem verschwiegenen Diener die Linkheit,

Dass von lauterem Trunk freies Geschwäz ihm entfuhr.

Selber der Gott hat im Schlaf ausruhenden Sprache geboten,

Und, was sie gerne verdeckt, lallte gezwungen der Mund.

Also redet' ich dann. Nun reut mich des Thränenden Anflehns,

Nun mich, dass vor den holdseligen Füssen ich lag.

Du dann schwurst mir dagegen, um kein schwerreiches Gewicht Gold,

Oder um Edelgesteine, wolltest du feilschen die Treu;

Nicht, wenn dir auch zum Preise campanisches Land sich erböte,

Nicht, wenn der bacchischen Pfleg' hehres Falernergefild.

Also könnte dein Mund ausreden mir, dass an dem Himmel

Leuchte Gestirn, dass klar strale der fliegende Bliz.

Ja, auch weinest du: Ich, der nicht kannte die Täuschung,

Trocknete gläubig der Wang' immer die Zähren hinweg.

Was doch thät' ich, wo nicht du auch selbst liebhättest ein Mägdlein?

Flattere, sei mein Wunsch, flattere jene, wie du!

O wie oft, dass keiner die traulichen Worte belauschte,

Trug ich in dunkeler Nacht selber die Fackel euch vor!

Manchmal, dir unverhoft, durch meine Geflissenheit, kam sie,

Und an verschlossener Thür harrte geheim sie verhüllt.

So war ich Armer verstrickt, da ich thörichtes Wahns mir geliebt schien.

Wär' ich behutsamer doch, Falscher, dem Garne genaht!

Ja, in Begeisterung auch zum Lobe dir stimmt' ich Gesang an.

Wie nun denk' ich mein und der Kamönen mit Scham!

Dass doch jene Gesäng' in verzehrender Lohe Vulkanus

Äschere, dass sie dahin spüle der wogende Strom!

Du, fern hebe dich weg, dem Gestalt zu verkaufen Betrieb ist,

Dass du beschwert heimtragst tüchtigen Preis in der Hand!

Doch dein, der mir den Knaben mit Gold zu verführen gewaget,

Lache, bei stetem Betrug stets ungeahndet, das Weib;

Und nachdem sie den Jüngling entnervt in verstohlener Buhlschaft,

Dann, vom Gewand umzäunt, ruhe sie lässig bei dir.

Immer befleckt sei dir von Fremdlingsspuren das Ehbett;

Zugang biete der Luft immer geöfnet das Haus.

Selbst nicht die üppige Schwester, erzähle man, habe des Tranks mehr

Becher geleert, noch mehr rüstige Männer erschöpft.

Jen' ist berühmt, oftmals ein Gelag zu verlängern dem Bacchus,

Bis in dem Frühaufschwung Lucifer winke dem Tag.

Besser wie die mag keine die Nacht hinbringen mit Kurzweil,

Oder in mancher Gestalt Wechselung ordnen der Lust.

Aus hat deine gelernt; und du, kopflosester, merkst nicht,

Wenn ungewöhnliche Kunst ihr die Gelenke bewegt.

Wähnst du, dass jene für dich so geschickt anordne das Haupthaar,

Und mit dem Zahne des Kamms ringele feines Gelock?

Traun! das Gesicht dort körnt sie, mit Gold sich die Arme zu fesseln,

Und in gegürtetem Pomp tyrischer Falten zu gehn!

Dir nicht, einem der Jüngling' umher, will niedlich sie scheinen,

Dem von Herzen sie dich weihte mit Haus und mit Hof.

Nicht ist Bosheit ihr Thun; nur vom Zipperlein knotige Glieder,

Nur den umarmenden Greis fliehet das artige Kind.

Und doch diesem ergab mein Knabe sich! Dieser ja, glaub' ich,

Könnt' auch dem Waldscheusal sättigen grauses Gelust?

Anderen durftest du feil Liebkosungen bieten, die mein sind?

Anderen du sinnlos Küsse gewähren, die mein?

Wehklag' hebst du hinfort, wann ein anderer Knabe mich fesselt,

Und in der Brust, wo Du waltetest, herschet mit Stolz.

Dann soll deine Bestrafung mich freun; und der Retterin Venus

Hängt, mein ganzes Geschick zeichnend, ein goldener Schild:

"Diesen hat, frei von Trug' unlauterer Liebe, Tibullus

Dir, o Göttin, geweiht; nim ihn gefälliges Sinns."
(S. 113-120)

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2. Buch 3. Elegie

Das Mädchen auf dem Lande


Fluren und grüne Gehöfd', o Cerinthus, halten mein Mädchen.

Eisernes Sinns ist, ach! wer in der Stadt noch verweilt!

Cypria selbst ist nun in geräumige Felder gewandert,

Und vom Ackerer lernt ländliche Reden ihr Sohn.

Dass ich sie nur anschaute, die Herscherin, o wie beherzt dort

Wollt' ich den derbesten Grund wenden mit mächtigem Karst!

O wie bäuerlich wollt' gekrümmt nachschreiten dem Pfluge,

Weil unfruchtbare Stier' Ebenen furchten zur Saat!

Nie, wenn die Sonn' aussengte die schmächtigeren Glieder, beklag' ichs,

Noch wenn an weichlicher Hand schmerzend ein Bläschen gesprosst!

Weidete doch dem Admetus die Stier' auch der schöne Apollo;

Nichts half Lautengetön, noch ungeschorenes Haar.

Auch nicht wusst' er den Gram mit Gesundheitskraute zu lindern:

Was von heilender Kunst waltete, Liebe bezwangs.

Selber der Gott trieb frühe die Milchküh' aus den Gehegen,

Selbst die geweideten auch führt' er zur Tränke des Bachs.

Dann ward schmeidiges Binsengespross zum Körbchen gewebet;

Und die gedichtete Fug' engte der Molke den Weg.

O wie oft, wann jener ein Kalb durch die Fluren dahertrug,

Färbt' im Begegnen, man sagts, Röthe der Schwester Gesicht!

O wie oft, wann Lieder im Thal des Gebirges er anhub,

Störete frech durch Muhn edlen Gesang ihm ein Rind!

Oft in Bekümmernis nahten Gebietende seinen Orakeln;

Und unberathen zurück kehrte vom Tempel die Schaar.

Oft bedaurte Latona den Wust des heiligen Haupthaars,

Das, stiefmütterlich zwar, Juno bewundernd gesehn.

Jeglicher, der ungeschmückt sein Haupt, und die Haare gelöset

Schauete, hätte die Pracht phöbischer Locken gesucht.

Wo dein Delos, Apollo, nunmehr, und die delfische Pytho?

Sieh, in ein Hüttchen vom Halm zwinget dich Amor hinein.

Glückliche Männer der Zeit, da man rühmt, noch habe der Venus

Offener Dienst auch nicht ewige Götter beschämt!

Nun ist jener ein Mährchen; doch wünscht, wen ein Mädchen bezaubert,

Lieber ein Mährchen zu sein, als ungeliebet ein Gott!

O, die du Nemesis raubest der Stadt, hartherzige Ceres,

Treulos zinse das Land dir die vertrauete Saat!

Auch du, zärtlicher Bacchus, der labenden Traube Besteller,

Fleuch, dort lastet der Fluch, Bacchus, der Kelter Geschirr!

Nicht ungestraft wag' einer, in traurige Felder die Schönen

Uns zu entziehn! Nicht so theuer ist, Vater, dein Most!

Fahret dahin, Feldfrüchte, wenn nur kein Mädchen aufs Land geht!

Bleib' altmodische Kost Eichel und löschende Flut!

Kost war Eichel den Alten, und zwanglos liebten sie immer.

Hatten sie nicht von Korn wallende Furchen, was thats?

Wen dann Amor mit Huld anlächelte, diesem gewährte

Frei im schattigen Thal Cypria selige Lust,

Damals schuf nicht Hüter, und nicht ausschliessende Pforte

Traurigkeit. Komm, wenn du darfst, lautere Sitte, zurück!

Ha! es verderbe die Kunst, und der Zierlichkeit weichliche Sazung!

Möge den struppigen Leib hüllen ein zottig Gewand!

Jezt, wenn gesperrt mein Mädchen mir ist, wenn selten ihr Anblick;

Wehe! was frommt mir doch wallender Prunk des Talars?

Führet mich! Nach dem Gebote der Herscherin furchen wir Äcker!

Fesselnde Band' in Geduld werd' ich, und Schläge, bestehn!
(S. 164-168)

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2. Buch 7. Elegie

An Macer


Ziehn will Macer ins Feld. Wie wirds um den zärtlichen Amor?

Folgt er dem Zug', und trägt tapfer am Halse Gewehr?

Und, ob ferne den Mann Landweg, ob schweifende Meerbahn

Führe, verlangt mit Geschoss er an der Seite zu gehn?

Straf' ihn, o Knabe, mit Glut, der empört aus der Ruhe dir aufbrach;

Und den Verlaufnen zurück rufe zu deinem Panier!

Ist der Soldaten zu schonen dein Sinn; selbst werd' ich Soldat noch,

Selbst mir trag' ich im Helm rinnendes Wasser daher.

Auf, in das Feld! Leb, Venus, mir wohl! lebt wohl, o ihr Mägdlein!

Mir auch reget sich Kraft! mir auch trompetet das Erz!

Gross ist das Wort; doch wie grossmuthsvoll ich grosses gepralet,

Scheucht mir die Pralwort' all' eine verschlossene Thür.

Theuer beschwur ich, wie oft! ich kehrete nimmer zur Schwell' um.

Wann ichs theuer beschwur, kehret der Fuss mir von selbst.

Heftiger Amor, o möcht' ich zerknickt doch deine Geschosse,

Völlig dahin! gelöscht jegliche Fackel dir sehn!

Ha! wie mich Armen du quälst, wie mich, mir Grässliches wünschen,

Wie ausrufen in Wut schaudrichte Worte, du zwingst!

Schon wär' Ende dem Leiden der Tod; doch gläubiges Wahnes

Hofnung belebt, die stets Besserung morgen verheisst.

Hofnung erhält und nähret den Ackerer; Hofnung vertrauet

Furchen die Saat, dass zurückgebe mit Wucher das Feld.

Sie legt Schlingen dem Vogel, sie senkt nach Fischen den Rohrstab,

Wann feinhakigen Drat trüglicher Köder verbarg.

Hofnung tröstet sogar, wen die mächtige Schelle gefesselt;

Eisen erklirret am Bein, aber er singt zum Geschäft.

Hofnung gelobt von dem Mädchen mir Gunst; doch Nemesis weigert.

O dass die Götter du nicht, störrisches Mädchen, besiegst!

Schone doch, ach! bei der Asche der früh hinwelkenden Schwester!

Wohl mag ruhen die Klein' unter dem lockeren Staub!

Mir ist heilig die Klein'; ihr werd' ich Gaben zum Hügel

Und manch Blumengeschenk bringen, mit Thränen benezt.

Ihr zu dem Grab' auch flieh' ich, und siz' anflehend in Demut,

Und mein Schicksalsloos klag' ich dem stummen Gebein.

Nicht wird sie dulden, dass stets deinthalb ihr weine der Schüzling;

Wie mit Worten von ihr, warn' ich dich, störrisch zu sein:

Dass der verachtete Geist nicht seltsame Träume dir sende,

Und vor der Schlummernden Bett stehe die Schwester betrübt:

So wie, heruntergestürzt vorwärts aus erhabenem Fenster,

Sie zu des Orkus Gesümpf schwebete, triefend von Blut.

Schweige der Mund, dass nicht der Gebieterin Gram sich erneue!

Nicht bin dessen ich werth, wenn nur ein Thränchen sie weint.

Nicht durch Zähren zu trüben ihr sprechendes Auge verdient sie.

Arg ist die Kupplerin uns; aber das Mädchen ist gut.

Phryne nur hemmt mich Armen, die Kupplerin! Heimliche Täflein

Tragend, im Busen versteckt, gehet sie hin und zurück.

Oft wenn an grausamer Schwell' ich die liebliche Stimme der Herrin

Drinnen im Hause vernahm, diese verleugnet sie doch.

Oft, wann die Nacht versprochen mir ward, unwohl sei dem Mägdlein,

Meldete sie, oder es hab' irgend was schlimmes gedroht.

O dann sterb' ich vor Gram; dann bildet mein Herz sich im Wahnsinn,

Wer mein Liebchen umarm', und in wie mancher Gestalt.

Dann wird, Kupplerin, grass dir geflucht! Satt findest du Unruh,

Wenn von den Flüchen ein Gott auch nur ein Theilchen erhört!
(S. 215-219)

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Übersetzt von Johann Heinrich Voss (1751-1826)

Aus: Albius Tibullus und Lygdamus
übersetzt und erklärt von Johann Heinrich Voss
Tübingen In der J. G. Cottaschen Buchhandlung
MDCCCX [1810]




Tibulls Episteln
 



 

 


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