Mihaly Tompa (1817-1868)
ungarischer Dichter
Lied im Volkston
Sommers, Winters auf der Pußta ist mein Leben,
Seh' nur alle Sonntag meine Rose eben;
Wohnung hab' ich auf der Hortobagyer Haide,
Kann nicht gehen in die Kirche von der Weide!
Flach ist ohne Wald die Pußta, ohne Wipfel,
Schlank und hoch dagegen fern des Thurmes Gipfel;
In die Pußta sieht den schlanken Thurm man ragen,
Und man läutet zu den Pfingstenfeiertagen.
Wie so brünstig wollt' ich beten, könnt's geschehen,
Doch man gönnte nicht zur Schule mir zu gehen;
Hätt' es wohl gelernt an meiner Eltern Heerde,
Doch sie schlafen längst schon friedlich in der Erde.
Bete Du drum, Rose! fromm zu Gott alleine!
Nach der Kirche komm' zu mir und küß' mich feine;
Will vom frommen Mündchen das Gebet Dir schlürfen,
Wirst drei Wochen keinen Fluch mehr hören dürfen!
Aus: Album hundert ungrischer
Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854 (S. 195-196)
[Übersetzer nicht explizit genannt]
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Volkslied
Wint'r und Sommer wohn' ich auf der
Haide braun,
Kann mein Liebchen immer nur am
Sonntag schau'n.
Meine Wohnung ist die Horto-
bagyer Schenk',
Und von dort ich nicht den Schritt zur
Kirche lenk'.
Bet', mein holdes Liebchen, bete
Auch für mich,
Nach der Kirche komm zu mir und
Küsse mich.
Küss' dein kleines Mündchen ich, noch
Voll Gebet,
Nimmer über meinen Mund ein
Fluch dann geht.
übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)
Aus: Ungarische
Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit
(die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe
Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874
(S. 233-234)
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