Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Kalman Toth (1831-1891)
ungarischer Dichter


Liebe

Was mag der Vogel singen,
So frugst du her und hin,
Als wir den Wald durchgingen,
Den Wald voll Rosmarin?
Schatz, Blume, Liljenstirne,
Er singt von Ast wie Firne,
Es sei dir nicht verhehlt,
Du seist die schönste Dirne
Auf dieser weiten Welt!

Warum der Stern doch schimmert
Am Himmel eben nur?
So weit? Warum nicht flimmert
Er näher an der Flur?
Für seinen Glanz macht bangen
Ihn deiner Schönheit Prangen;
Am Himmel kann, von fern
Sich labend, doch er hangen
An dir, mein kleiner Stern!

Warum es girrt im Laube,
Warum im Bach es rauscht,
O frage nicht, nein glaube
Der Kunde, längst erlauscht:
Dir gelten meine Triebe,
So warm ist meine Liebe,
Daß weder Leid noch Lust,
Daß nichts geheim dir bliebe,
Du Lilje meiner Brust!

Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 177-179)

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Im April

Begonnen hat des Frühlings erste Hälfte,
Und meine Lieblingszeit hat sich erneut;
Halb öde, halb beblümt sind noch die Fluren
Wie Liebe, die sich auf die Zukunft freut.
Und da enteil' ich rasch den düstern Mauern,
Zu athmen frei des Lenzes erste Lust,
Und träume, zieht es mich zur Erde nieder,
Von eines Mädchens halbverhüllter Brust.

Die keimende Natur, wie ist sie reizend,
Wenn halb die Knospe noch die Blüthe deckt;
Nur ahnen kann ich da die Pracht der Blume,
Das aber ist's, was mein Entzücken weckt.
Das Heil der Gegenwart ist falsch und flüchtig,
Nie hält man's am erreichten Ziel zurück;
Zur Last wird uns dieselbe stete Freude,
Im süßen Ahnen liegt das wahre Glück.

So ruhe stundenlang ich da im Grünen,
Zu lauschen auf den ersten Frühlingsklang,
Und plötzlich tönt mir süßer Laut entgegen -
Des Lenzes Gruß im Nachtigallensang.
Mir ist, wie es wohl sein mag dem Geliebten,
Wenn seines Mädchens Puls von Liebe spricht;
Heimkehrend läugne fast ich, daß verklungen
Das Lied der Nachtigall, dies Lenzgedicht.

Es sehnt mein Blick sich nach dem ersten Vogel,
Nach ihm, dem Herold schöner Frühlingszeit;
Ich eil' ihm nach gleich einem lust'gen Kinde,
Das bunte Falter locken meilenweit.
Er schwand, ein Seufzer, sichtbar keinem Blicke,
Und hinterließ nur süßen Kummer mir;
Mir bleibt der Trost, ob er auch rasch entschwunden,
Daß er noch weilt im duft'gen Haine hier.

Ermüdet kehr' ich nach der frühern Stelle,
Dort auszuruh'n im frischen Wiesengrün,
Da sah' ich staunend, kaum zurückgekommen,
Des Lenzes Boten, blaue Veilchen blühn.
Wie seltsam, daß mich ein Gebet durchzittert,
Weist meinem Blicke sich ein Veilchen dar!
Dies kommt vielleicht, daß ich da zärtlich denke
An meiner Liebsten blaues Augenpaar.

Es drängen sich auch fahle, wilde Blumen
In meiner lieben Veilchen Beet hinein,
Auch reihen dort gleich einem blauen Bande
Sich auch in Menge Hyacinthen ein.
Die Augen schließ' ich rasch, um nichts zu schauen,
Doch mehr wird dann dem Geiste offenbar;
Schon seh' ich eine Rose schön und reizend - -
Ob sie nicht unlängst noch ein Mädchen war?!

Was wirklich, wenn auch hold, hat keinen Zauber,
Der Reiz liegt einzig in der Phantasie;
Nichts war so schön mehr, wie mein Geist es dachte,
Nachdem die Wirklichkeit es mir verlieh.
D'rum ist mir lieb, der Lenz, der halbergrünte,
Mit seinem Schmuck, dem blauen Veilchenhag,
Und zeigt sich seine Schönheit mir im Keime,
Dann träum' ich gern, was aus ihm werden mag?!

Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 180-184)

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Heckenrosen der Liebe

I.
Wenn aus meinen heimischen Thränen
Helle Perlen würden entstehn;
Könnte, statt jetzt auf Kies, das Mädlein
Dann auf Perlen prächtig gehn.

Wenn von den Tausenden meiner Seufzer
Jeder ein Veilchen würde sogleich;
Könnt' auf einem Bette von Veilchen
Ruhn die kleine Maid gar weich.

Würd' eine Sonne aus meiner Liebe,
Sollt es nimmermehr werden Nacht;
Strahlend stünd' ich über dem Liebchen,
Ewig flammend, ewig in Pracht.
(S. 465)


II.
Die singende Lerche, in's Korn fliegt sie nieder,
Wenn hoch in dem Blau sie ausweinte die Lieder;
Und zwischen den Aehren, den Blümlein, den blauen,
Da kann ihr beweintes Lieb'spärchen sie schauen.

So schwingt sich in Liedern auch auf meine Seele,
Doch find' ich kein Oertchen, daß Rast ich mir wähle;
Es nimmt mich ja auf nicht, wie groß auch mein Leid,
Die Brust jener kornblumenäugigen Maid.
(S. 466)

Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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