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Bernart von Ventadour
(ca 1140-1195)
Nie dacht' ich, daß mich der Genuß
Des schönen Wunders brächt' in Noth;
Doch küssend gab er mir den Tod,
Wo nicht mich heilt ein zweiter Kuß:
So ist er, da dieß ihm eigen,
Peleus Lanze zu vergleichen,
Von der ein Stoß nur dann genesen ließ,
Wenn man sie nochmals in die Wunde stieß.
Eu'r Wuchs, o Schönste, hat im Bund
Mit eurem Antlitz mich bestrickt,
Eu'r Auge, das so freundlich blickt,
Eu'r Lächeln auf dem süßen Mund:
Denn, will ich genau vergleichen,
Muß euch jeder Liebreiz weichen.
Ihr seid die Schönste, die's auf Erden giebt,
Wo nicht, so sind die Augen mir getrübt.
Nachgedichtet von Friedrich Diez
(1794-1876)
Aus: Leben und Werke der Troubadours
Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters
Zwickau 1829 (S. 24)
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Verloren haben mich die Freunde dort
Zu Ventadour, da sie mich nicht will lieben,
So meid' ich denn auf immerdar den Ort,
Von dem ihr zürnend Antlitz mich vertrieben.
Und warum gönnt sie mir kein freundlich Wort?
Weil ich in Liebe schweige fort und fort:
Das ist die Schuld, die sie mir zugeschrieben.
Wie auf den Köder sorglos stürzt dahin
Der Fisch, bis er am Haken angebissen,
So stürzt' ich einst mich in die Liebe kühn;
Und stand in Flammen, ohn' es noch zu wissen,
Und muß nun heißer als ein Ofen glühn,
Und kann doch keinen Zollbreit nur entfliehn:
So sehr hat Liebe mich dahin gerissen.
Provence send' ich Heil und Segen zu
Und mehr des Glücks, als ich euch könnt' erzählen,
Womit ich Zauberwerk und Wunder thu',
Da ich ja Gaben spende, die mir fehlen.
Nachgedichtet von Friedrich Diez
(1794-1876)
Aus: Leben und Werke der Troubadours
Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters
Zwickau 1829 (S. 26-27)
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Liebeswonne will mir gar
Noch den Sinn verrücken:
Blumen seh' ich bunt und klar
Selbst den Winter schmücken,
Sturm und Regen wunderbar
Mehrt nur mein Entzücken,
Und mein Sang, er steigt fürwahr,
Alles will mir glücken!
So fühlt mein Herz sich kühn
Vor Lieb und Wonne glühn:
Kält' und Schnee wird Blüth' und Grün
Vor den sel'gen Blicken.
Ohne Kleid, im Hemd zu gehn,
Sollt' mich nicht verdrießen:
Liebe läßt vor Nordwinds Wehn
Mich ja Schutz genießen!
Toll ists, sich nicht vorzusehn,
Nur die Lust zu büßen;
Wahrt' ich drum mich vor Vergehn,
Seit ich bei der Süßen
Um Liebe mich bemüht,
Wovon mir Ehre blüht;
Tausche nicht, was auch geschieht,
Mit den reichen Friesen.
Macht sie mir auch wenig Muth,
Hoffnung will nicht wanken:
Wie das Schifflein auf der Fluth
Hält sie mich im Schwanken.
Ach das Leid, das sie mir thut,
Findet keine Schranken:
Winde mich, wenn alles ruht,
Noch in Liebsgedanken.
Solch Weh verzehrte nie
Den Tristan selbst um Sie,
Seine blonde Freundin, wie
Mich vor Sehnsucht Kranken.
Gott, dürft' ich 'ne Schwalbe sein,
Durch die Lüfte schweben,
Wollt' mich in ihr Kämmerlein
Mitternachts begeben!
Holdes Weib, wer euch allein
Liebt in diesem Leben,
Dem zerrinnt das Herz vor Pein
Und verlornem Streben;
An eure Huld ergeht
Mein brünstiges Gebet,
Schönes frisches Lieb, o seht
Endlich auf mein Beben.
Nachgedichtet von Friedrich Diez
(1794-1876)
Aus: Leben und Werke der Troubadours
Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters
Zwickau 1829 (S. 31-32)
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Seh' ich die Lerche, die mit Lust
Die Flügel auf zur Sonne schwingt,
Und dann herab schwebt unbewußt
Vor Wonne, die ihr Herz durchdringt;
Ach, welche Wehmuth faßt mich an,
Wenn ich ein Wesen fröhlich seh',
Es nimmt mich Wunder, daß mir dann
Das Herz nicht schmilzt vor Sehnsuchtsweh!
Ach, wie viel glaubt' ich zu verstehn
Von Lieb' - und was versteh' ich nun?
Denn sie, die ich nie werd' erflehn,
Kann ich zu lieben nimmer ruhn;
Sie stahl mein Herz, mein ganzes Ich
Und sich und alles ird'sche Glück,
Und als auch sie mir noch entwich,
Bleibt nichts als Sehnsucht mir zurück.
Wahr ists, daß ich mich selbst vergaß
Und nicht mehr zur Besinnung kam,
Seit sie mich in ein Spiegelglas
Ließ sehn, das mir das Herze nahm.
Du Spiegel, seit ich in dich sah,
Verzehrte mich der Seufzer Gluth:
Geschieht mir drum, was einst geschah
Narciß dem schönen an der Fluth.
Den Fraun entsag' ich ganz und gar,
Auf sie vertrau' ich nimmermehr;
Wie sehr ich stets ihr Beistand war,
So bin ich es doch nun nicht mehr.
Soll ich mich keiner Gunst erfreun,
Von ihr, die mir das Leben nimmt,
So will ich alle fliehn und scheun,
Denn alle sind sie gleichgesinnt ...
Nachgedichtet von Friedrich Diez
(1794-1876)
Aus: Leben und Werke der Troubadours
Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters
Zwickau 1829 (S. 36-37)
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Es ist kein Wunder, wenn mit mir
Kein Sänger sich vergleichen kann:
Denn Liebe zieht mich mächtger an
Und weit ergeb'ner bin ich ihr,
Und Leid und Geist, Herz und Verstand
Und Muth und Kraft sind ihr geschenkt:
So ganz bin ich ihr zugelenkt,
Daß mir kein andres Ziel bekannt.
Todt ist der Mensch, dem der Genuß
Der Liebe nicht das Herz beseelt,
Ein Leben, dem die Liebe fehlt,
Gereicht der Welt nur zum Verdruß.
Nie sei ich Gott so sehr verhaßt,
Daß er mir längre Frist verleiht,
Wenn ich mit Liebe mich entzweit
Und aller Welt nur bin zur Last!
Ich liebe Sie, der Frauen Zier,
Und hab' es redlich stets gemeint;
Mein Busen seufzt, mein Auge weint,
Denn ach, nur zu lieb ist sie mir!
Und ist das nicht der Liebe Kunst?
Sie schloß mich in den Kerker ein,
Und nur die Gunst kann mich befrein,
Doch find' ich nicht die kleinste Gunst.
Schau ich Sie an, man merk'ts geschwind
An Auge, Farb' und Angesicht,
Ich fasse mich vor Schrecken nicht
Und zittre wie das Blatt im Wind.
Ich bin nicht wie ein Kind so klug,
So sehr nahm mich die Liebe ein;
Wohl sollte Sie auch gnädig sein
Dem Mann, den solche Liebe schlug.
Mehr, edle Frau, verlang ich nicht,
Als daß ihr duldet meinen Dienst;
Ich werde, was auch mein Gewinnst,
Euch dienen mit Vasallenpflicht.
Seht her, ich steh' euch zu Gebot
Ergeben, willig, froh und treu:
Ihr seid ja nimmer Bär noch Leu,
Daß ihr mich tödtet ohne Noth.
Gar sanft mit lauter Süßigkeit
Wirkt diese Liebe auf mein Herz:
Tags sterb' ich hundertmal vor Schmerz
Und lebe auf vor Fröhlichkeit.
Mein Weh ist eine süße Pein,
Mit der kein fremdes Glück sich mißt:
Und wenn mein Weh so süß schon ist,
Wie süß muß dann mein Glück erst sein!
O Himmel, schiede sich doch aus
Treulieb' von falscher Buhlerei:
Wer Arglist übt' und Schmeichelei,
Dem wüchs' ein Horn zur Stirn heraus!
Das Silber und das Gold der Welt,
Besäß ich's, dafür gäb' ich's her,
Daß mein Gemüth sich nicht verstellt.
Nachgedichtet von Friedrich Diez
(1794-1876)
Aus: Leben und Werke der Troubadours
Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters
Zwickau 1829 (S. 38-40)
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Im Mond April, wann grün sich schmückt
Der Anger und die Gärten blühn,
Und frisch und klar die Wasser ziehn,
Und alle Vöglein sind beglückt;
Düfte, die aus Blüthen dringen,
Und des Vögleins süßes Singen,
Das ist's, was dann mich neu entzückt.
Dann such' ich mich mit Vorbedacht
Zu freun der Liebe Süßigkeit
Durch Gaben und durch Artigkeit,
Durch Reiterkunst und Waffenpracht:
Und wer darauf lenkt die Sinne,
Dessen freuet sich die Minne,
Und giebt sich gern in seine Macht ...
Gewiß nahm Gott Verwundrung ein,
Als ich von meiner Freundin schied,
Und da ich seinethalb sie mied,
So muß er mir wohl dankbar sein:
Denn er weiß, von ihr verlassen
Könnt' ich nie mich wieder fassen,
Er selbst mir keinen Trost verleihn.
Wohlauf, Canzone, ziehe hin
Zur Liebsten über'm Meer und sag',
Ich dächte seufzend Tag für Tag,
Wie liebreich mir ihr Wesen schien,
Als sie sprach: Ihr wollt von hinnen,
Was wird euer Lieb beginnen,
Mein Freund, wie könnt ihr von mir ziehn?
Nachgedichtet von Friedrich Diez
(1794-1876)
Aus: Leben und Werke der Troubadours
Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters
Zwickau 1829 (S. 40-41)
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Ratet, Herr, mir diesmal nur,
Da ihr klug und weise seid:
Eine, die mir Liebe schwur,
Liebt' ich redlich lange Zeit;
Doch nun hab' ich eingesehn,
Heimlich hegt sie anderswen,
Und nie gab's ein Freundschaftsband,
Das ein Freund so lästig fand.
Doch wen sie zum Buhlen wählt,
Nicht verwehr' ich ihr den Bund,
Mehr jedoch, weil Furcht mich quält
Als aus einem andern Grund.
Und sind Dienste dankeswert,
Die man uns mit Zwang gewährt,
Ziemt's, daß sie auch mich belohnt,
Der sie mit Verweisen schont.
Eins bringt mich in Zweifelsnot,
Geht mir immer durch den Sinn,
Daß mir langes Leiden droht,
Wenn ich zu voll Nachsicht bin;
Rüg' ich aber ihre Schuld,
Büß' ich ein der Liebe Huld,
Und zu dichten ohne sie
Das erlaube Gott mir nie!
Lieb' ich sie zu meinem Schimpf,
So verargt es mir die Welt,
Und ich werd' ohn allen Glimpf
Als ein Gimpel dargestellt.
Schelt' ich sie nach Herzenslust,
Komm' ich doppelt in Verlust.
Was ich meide, was ich tu,
Alles fügt mir Schaden zu.
Schöne Augen voll Verrat,
Die so sanft mich angesehn,
Können, o der Freveltat!
Nun nach einem andern spähn.
Doch mir tun sie das zur Ehr':
Stünden tausend auch umher,
Sehn sie mehr nach mir sich um
Als nach allen rings herum.
So in Torheit schon verstrickt
Wär' ich erst ein rechter Tor,
Zög' ich, wenn man zwei mir schickt,
Nicht das kleinste Übel vor:
Besser nenn ich halb sie mein,
Eh' ich ganz sie büße ein;
Und ich weiß, ein harter Sinn
Bringt im Lieben nie Gewinn.
Oft wohl mit der Augen Tau
Schreib' ich Grüße, ohne Ruh,
Die ich ihr, der holden Frau
Und der schönen sende zu;
Denk' an ihren zarten Gram
Neulich, als ich Abschied nahm,
Wie sie barg ihr Antlitz klar,
Keiner Antwort mächtig war.
Edle Frau, liebt öffentlich,
Wen ihr wollt - im Stillen mich.
Dann ist aller Vorteil mein,
Nichts als schöne Worte sein ...
Nachgedichtet von Friedrich Diez
(1794-1876)
Aus: Provenzalisches Liederbuch
Lieder der Troubadours mit einer Auswahl biographischer Zeugnisse,
Nachdichtungen und Singweisen
zusammengestellt von Erhard Lommatzsch
Berlin 1917 (S. 277-278)
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Wenn die Nachtigall im Garten
Lustig unter Blüten singt,
Kann auch ich nicht länger warten,
Da mich mächt'ge Sehnsucht zwingt.
Doch wem sei dieses Lied gezollt?
Bin niemand, ja mir selbst nicht hold,
Und welch Wunder, ich ersinne
Schöne Lieder ohne Minne.
Wer voll Trug und stolzer Sitten
Wirbt, der hat von Liebe mehr
Als wer stets mit Gnadenbitten
Sich demütigt allzusehr.
Denn schwer wird Liebe dem geneigt,
Der sich ihr treu ergeben zeigt:
Das hat mir mein Glück verdorben,
Daß ich nie mit Trug geworben.
Also wie der Zweig sich bieget
Da wohin der Wind ihn führt,
Bin ich ihr, die mich bekrieget,
Treu und folgsam, wie's gebührt.
Und darum drückt und quält sie mich;
Von bösem Ursprung zeigt sie sich!
Mag sie mir die Augen blenden,
Hat sie sonst was einzuwenden.
Oft wohl sucht sie Streit und schmählet,
Hadert mit mir ohne Ruh',
Und hat sie worin gefehlet,
Schiebt sie mir die Buße zu.
Mit mir verfährt und spielt sie frei,
Mißt mir ihr eignes Unrecht bei;
Ja der Dieb, das ist ihm eigen,
Hält uns all für seinesgleichen.
Wer den schlanken Leib mag schauen
Und der Züge Freundlichkeit,
Wagt ihr nimmer zuzutrauen
Bösen Sinn und Grausamkeit;
Doch Wasser, das sich sacht ergießt,
Ist schlimmer, als das brausend fließt;
Falschheit ist es, gut zu scheinen,
Aber es nicht so zu meinen.
Nimmer mag in ihrer Nähe
Ich ein Weilchen nur bestehn;
Ja, damit ich sie nicht sehe,
Blinz' ich im Vorübergehn.
Denn der jagt Liebe, wer sie flieht,
Und folgt ihr, wer sich nicht entzieht.
Traun ich wollte mich entwinden,
Müßt' ich Sie nicht wiederfinden.
Sie um meine Ruh zu bitten
Denk' ich wohl, wenn auch mit Pein;
Denn daß ich umsonst gelitten,
Muß fürwahr mir peinlich sein;
Doch bleib ich stets bewahrt für Sie,
Und werden wir auch Freunde nie,
Wird von andrer Liebe Gaben
Nimmer doch mein Herz sich laben ...
Nachgedichtet von Friedrich Diez
(1794-1876)
Aus: Provenzalisches Liederbuch
Lieder der Troubadours mit einer Auswahl biographischer Zeugnisse,
Nachdichtungen und Singweisen
zusammengestellt von Erhard Lommatzsch
Berlin 1917 (S. 279-280)
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Wenn Laub und Gras sprießt überall,
Die Gärten voller Knospen sind,
Und hell und klar die Nachtigall
Ihr Stimmlein hebt, ihr Lied beginnt,
Froh grüß' ich sie, froh jeden grünen Trieb,
Froh meiner selbst, am frohsten durch mein Lieb.
Wohin ich schau', bin ich von Lust umringt,
Doch sie ist Lust, die süß vor Allen winkt.
Wohl schillt man eine Frau mit Fug,
Hält sie zu lang den Liebsten hin;
Denn voller Langweil und Betrug
Ist langes Flehn um Gunstgewinn.
Wohl Mancher liebt und stellt doch fremd sich an,
Und lügt gar fein, wo Keiner zeugen kann.
Doch wenn bei Euch mein Werben Lohn erringt,
O wie mir Lug und Trug dann schlecht gelingt!
Wie ich's vermag, mich wundert's schier,
Ihr nicht zu zeigen meine Qual,
Und wegzusehn, begegn' ich ihr,
Da doch so hold ihr Augenstrahl.
Ich stürzte fast zu ihren Füßen hin,
Doch zähm' ich mich, da ich voll Bangen bin.
Denn dieser Leib, den höchster Reiz umschlingt,
Ist spröd und fremd dem, was die Liebe bringt.
Verständ' ich Künste zaubervoll,
Die Feinde macht' ich kindisch dann,
Auf daß kein Mann ersinnen soll
Noch sagen, was uns schaden kann.
Dann könnt' ich schaun die Schönste immerdar,
Der Farben Glanz, die Augen wunderbar,
Küssen den Mund, davon man Wonne trinkt,
Daß lang er noch vom Kuß geröthet blinkt.
Nun sterb' ich meinem Gram zu Lieb.
So sehr versunken war ich schon -
Und hätte mich geraubt ein Dieb,
Ich hätte nichts verspürt davon.
Leicht überwand die Liebe mich fürwahr
An Freunden arm und aller Hülfe bar.
O daß Ihr mich ein einzig Mal umfingt,
Bevor das Herz vor Sehnsucht mir zerspringt!
Ich halte sie so lieb und werth,
In meiner Huld'gung so verzagt,
Daß ich noch nichts für mich begehrt
Und weder Wort noch Wunsch gewagt.
Doch weiß sie wohl mein Leid und meine Pein,
Und freut es sie, soll mir's zur Ehre sein.
Und freut es sie, - mein Mund sich wohl bezwingt,
Auf daß mein Seufzen nicht wie Tadel klingt.
O träf' ich sie doch einsam an
Im Schlaf, wär's auch verstelltes Spiel,
Daß ich ein Küßchen stehlen kann!
Erbeten gilt mir's nicht so viel.
Vom Lieben, traun, ist karg uns der Gewinn;
Es eilt die Zeit, die schönste geht dahin.
Manch Zeichen giebt's, deß Sinn kein Mensch durchdringt;
So geb' uns List, was Muth uns nicht erschwingt!
Geh', Bote! Sorg', daß dir mein Werth nicht sinkt,
Wenn mich auch Scheu, ihr fern zu bleiben, zwingt.
Nachgedichtet
von Paul Heyse (1830-1914)
Aus:
Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 224-226)
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Mein holder Stolz, wer scheiden kann von dir
Mit trocknen Augen, herzlos scheint er mir,
Ein Sinn, der nie der Minne sich erschloß.
Ist doch voll Adel, Tugend, Huld und Zier
Mein holder Stolz; wetteifern mag mit ihr
Nur Helis, meiner Liebsten Spielgenoß.
Kommt seine Zeit, singt jedes Vögelein.
Nun hör' ich schon Wildgans und Reiher schrein;
Die Lilien sprießen in den Gärten auf,
In blauen Veilchen stehen Busch und Hain,
Die Bäche rieseln überm Sand so rein,
Und weiße Lilienblumen blühn zuhauf.
Ich war wohl höflich, doch der Liebe bar,
Da echte Minne mir vergangen war.
Die falsche Liebste that mir solches an,
Die mich verrieth mit Listen manches Jahr.
Nun biet' ich mich den vierzig Bußen dar,
Weil ich nicht floh, eh ich den Tod gewann.
Ich brach ihr selbst den Stab mit dieser Hand,
Mit dem das schönste Weib mich überwand.
So lange harrt' in ihrem Dienst ich aus,
Daß nach viel bitterm Weh und Leidensbrand,
Wirrsal und Lohn - ach! den ich spärlich fand -
Ich flüchten muß von Heimath und von Haus.
Wohl wenig liebt ein Herz argloser Art,
Und wenig liebt, wer nimmer zornig ward,
Und wenig liebt, wen's nicht zum Narren macht,
Und wenig liebt, wer Prunk und Aufwand spart.
O süßer ist, in Liebeskummer zart
Einmal geweint, als vierzehnmal gelacht.
Fleh' ich sie auf den Knien um Gunstgewähr,
Wie schilt sie mich und zürnt mit mir so schwer,
Daß von den Wangen stürzt der Zähren Lauf.
Dann blickt sie wieder zärtlich zu mir her,
Ich küss' ihr Mund und Augen nach Begehr,
Und Paradiesesfreude geht mir auf.
Sei nun befohlen, Lieb, dem höchsten Hort!
Wie du mich ehrtest bei der Fichte dort
Im Gras, da ich in deinen Banden blieb,
Das hält mich frisch und fröhlich fort und fort.
Wär's nicht geschehn, mein Leben wär' verdorrt;
Nur dies Erinnern Blüt' auf Blüte trieb.
Gefallen wird dies Lied wohl allerort.
Mein holder Stolz ist ja das erste Wort,
Das letzte, der ich eigen bin, mein Lieb.
Nachgedichtet
von Paul Heyse (1830-1914)
Aus:
Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 227-229)
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Die Lüfte lind sich schwangen
Zu mir aus Euerm Land,
Als käm' ein Duft gegangen
Vom Paradies gesandt.
Ist mir doch Herzensbangen
Um Eine nur bekannt,
Zu der irrt mein Verlangen,
Für die bin ich entbrannt,
Von Allen abgewandt,
Um nur an ihr zu hangen.
Ach, wenn mich nur beseelen
Die Augen süß und klar,
Soll größre Gunst auch fehlen,
Bin ich ein Gott fürwahr.
Was sollt' ich das verhehlen,
Der stets so offen war!
Nur wird ihr Wort mich quälen,
Deß denk' ich immerdar:
Den Feigen schreckt Gefahr,
Muth soll den Wackern stählen.
Könnt Ihr ein Herz versehren,
Das stets nur Liebe sann?
In Sehnsucht mich verzehren,
Verschmachten muß ich dann.
Ach wollt Ihr das gewähren
Und seht mich freundlich an,
So muß mein Herz sich klären,
Denn aller Gram zerrann.
Noch preßt er mich; ich kann
Mich nimmer sein erwehren!
Es kommt mir oft zu Sinne,
Wie schlimm der Frauen Art,
Da selten ihre Minne
Dem treuen Liebsten ward.
Nicht, daß ich Schimpf ersinne!
Den wüßt' ich gern erspart,
Doch daß ein Schelm gewinne
Mit Trug die Liebe zart,
Dünkt mich unbillig hart,
Da ich so glücklos minne.
Wär' nimmer auf der Erden
Die schnöde Klätscherbrut,
Glückselig könnt' ich werden;
Doch sinkt mir nicht der Muth.
Mit freundlichen Geberden
Getröstet sie mich gut,
Und, kann sie's nicht gefährden,
Sie wohl noch Süßres thut.
Ach, wer beglückt ist, ruht,
Wer glücklos, trägt Beschwerden!
Ist Gott mir wohlgewogen,
Mein Glück verschmäh' ich nicht;
Und eh ich weggezogen,
Sprach sie nicht klar und schlicht,
Sie habe Lust gesogen
Aus jeglichem Gedicht?
Daß unterm Himmelsbogen
So Manchem doch gebricht
Das helle Freudenlicht,
Das damals mich umflogen!
Hat sie mich nicht betrogen,
Bin ich voll Zuversicht;
Sonst acht' ich für erlogen,
Was je ein Weib verspricht.
Nachgedichtet
von Paul Heyse (1830-1914)
Aus: Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 230-232)
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So lieblich singt die Nachtigall
Zu Nacht, wenn ich entschlummert kaum,
In Freuden fahr' ich aus dem Traum
Und sinn' und schmachte vor mich hin;
Das war von je mein liebstes Thun.
So sing' ich auch von Liebe nun,
Die liegt mir stets zumeist im Sinn.
Wer wüßte meine Wonnen all,
Die doch kein Mensch erfahren soll,
Sie schienen ihm so wundervoll,
Daß alles Andre nur ein Spiel.
So mancher wirft sich in die Brust,
Als kennt' er höchste Liebeslust,
Und kennt gewiß nicht halb so viel.
Oft schau' ich an den lichten Leib,
Wie hold er ist, wie auserwählt,
Von süßer Feine ganz beseelt.
Und wenn ich mehr ihn rühmen wollt',
Mir wäre noth ein volles Jahr,
Es auszusagen ganz und gar,
Wie sehr er zart und wunderhold.
Dein eigen bin ich, schönes Weib,
Bereit zu deinem Dienste nur,
Verpfändet dir mit heil'gem Schwur,
Und bleibe dir zu eigen stät.
Du bist die erste Wonne mein,
Und meine letzte wirst du sein,
Wenn dieses Leben einst vergeht.
O wer da wähnt, ich weilte hier,
Wie der die Seele nicht begreift,
Die stets um sie bezaubert schweift,
Ist auch der Leib getrennt von ihr!
Die beste Botschaft bringt fürwahr
Die Sehnsucht, die mich immerdar
Gemahnt an ihre süße Zier.
Ach Gott, wann kehr' ich heim zu dir,
Da ich nun geh in tiefem Gram,
Um dich vom König Abschied nahm!
O sorge, daß mir's wohl gedieh!
Man wird am Hof mich eifrig schaun,
Recht mitten zwischen Herrn und Fraun,
Sanft, fein, mit oft gebognem Knie.
Geh, Ugonet, mein Bote gut,
Und sing' dies Lied mit frohem Muth
Der Königin der Normandie!
Nachgedichtet
von Paul Heyse (1830-1914)
Aus: Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 233-235)
_____
Ist mir denn das Hirn verschroben,
Seit mein Herz erglühte?
Frostig scheint der Himmel droben,
Wenn die Welt erblühte,
Doch wenn Sturm und Schlossen toben,
Freut sich mein Gemüthe;
Mehr ist dann mein Lied zu loben,
Frischer mein Geblüte.
Die Lieb' entzückte mich
So süß und wunderlich,
Hagel scheint mir sommerlich,
Und der Schnee wie Blüte.
Ohne Kleider könnt' ich gehen
In dem bloßen Linnen;
Denn mich wärmt im Windeswehen
Liebesglut tief innen.
Doch es soll auf Sitte sehen,
Wer nicht ist von Sinnen.
Und so bleib' es ungeschehen,
Denn mit treuen Minnen
Umwerb' ich voll Vertraun
Die lieblichste der Fraun;
Friesenland verschmäht' ich traun,
Könnt' ich sie gewinnen.
Ob sie mir auch nie vertraute,
Sind's doch Hochgenüsse,
Wenn ich nur von fern die Traute
Mit den Augen grüße.
Denn aus ihrem Anblick thaute
So viel holde Süße,
Daß den Tag, wo ich sie schaute,
Nichts mich kümmern müsse.
Bei ihr ist allezeit
Dies Herz voll Zärtlichkeit,
Da in Frankreich, ihr so weit,
Wandeln meine Füße.
Hoffnung halt' ich in Gedanken,
Doch es fehlt Gelingen!
Wie ein Schifflein muß ich schwanken,
Das die Wellen schwingen.
Ach! zu schwach, um diesem Kranken
Frisch mich zu entringen,
Rüttl' ich meines Lagers Schranken,
Mich in Ruh zu bringen.
Und größer ist mein Leid,
Als Tristans Fährlichkeit,
Der Isolt, die blonde Maid,
Kämpfend mußt' erringen.
Hätt' in Lüfte mich zu heben
Schwälblein mich gelehret,
Nachts in ihr Gemach zu schweben
Wär' mir nicht verwehret.
Herrin, mein geliebtes Leben!
Der Euch treu verehret,
Bangt, es wird den Tod ihm geben,
Wenn dies Leiden währet.
Nun bet' ich in Geduld:
O gönnt mir Eure Huld!
Euer Liebreiz trägt die Schuld,
Daß mich Qual verzehret.*
Mein Bote, geh zur Stund
Und thu' der Schönsten kund,
Wie mein Herze, weh und wund,
Nur nach ihr begehret.
* Die hier im Original folgende Strophe ist
ausgelassen,
weil einige dunkle Stellen das richtige Verständniß zweifelhaft machen.
Nachgedichtet
von Paul Heyse (1830-1914)
Aus:
Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 236-238)
_____
Tenzone
des Bernart von Ventadour
mit Peire von Auvergne
Mein Freund Bernart von Ventadour,
Wie könnt Ihr leben ohne Sang,
Hört Ihr doch Tag' und Nächte lang
Die Nachtigall auf jeder Flur!
Lauschet, wie sie schlägt in Wonnen
Zur Nacht im blüh'nden Waldrevier;
Sie weiß von Liebe mehr als Ihr.
"Peire, die Nachtruh gilt mir mehr,
Als Nachtigall im Blütenstrauch;
Denn ich verschwur - und schmäht Ihr auch -
Zur Thorheit jede Wiederkehr.
Bin Gottlob! der Haft entronnen,
Da Ihr und manch verliebter Mann
Noch schmachtet in der Thorheit Bann."
Wer alle Liebe von sich thut,
Bernart, kann der ein Edler sein?
Und schafft sie auch gar herbe Pein,
Die wiegt doch auf manch hohes Gut.
Selbst versüßt sie ihre Plagen;
Ein leidlos Glück, wem kam es je?
Doch bald obsiegt die Lust dem Weh.
"Könnt' es nach meinem Sinn geschehn,
Mein Peire, ein Jahr oder zwei,
Nicht würden wir, ich sag' es frei,
Hinfort bei Damen betteln gehn.
Leiden hätten sie zu tragen,
Und thäten uns viel Ehren an
Um unsre Gunst, wie wir gethan."
Bernart, fürwahr es wär' nicht fein,
Daß Damen werben! Nein, der Mann
Geh' immer sie mit Bitten an.
Der, mein' ich, müßt' im Wahnsinn sein,
Mehr, als wer in Sand will säen,
Wer ihren Preis zu schmälern sucht;
Das rühret her von schlechter Zucht.
"Peire, mein Herz ist schwer betrübt,
Kommt mir ein falsches Weib zu Sinn,
Um die ich, ach, gestorben bin,
Und habe sie so treu geliebt!
Fasten mußt' ich lang bestehen,
Und hält es länger an, fürwahr,
Verhaßter wird mir's immerdar."
Bernart, Wahn habt Ihr im Sinne,
Daß Ihr der Lieb' Euch so verschließt,
Daraus uns Ehr' und Wonne sprießt.
"Peire, Wahn ist alle Minne,
Weil, ach, durch falscher Frauen List
Die Wonn' und Ehr' vergangen ist."
Nachgedichtet
von Paul Heyse (1830-1914)
Aus: Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 239-241)
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Kein Wunder ist's, wenn mein Gedicht
All' andre übertrifft an Werth,
Da Liebe ganz mein Herz versehrt,
So daß ich Höhres kenne nicht;
Denn Leib und Geist, Herz und Verstand,
Und Muth und Kraft sind nicht mehr mein.
Gehören ihr so ganz allein,
Daß mir all Andres scheinet Tand.
Todt acht' ich den, der nie empfand,
Welch Glück die Liebe uns gewährt.
Ein Leben, das der Lieb' entbehrt,
Wird werthlos allgemein genannt,
Gott wolle nimmerdar das Licht
Des Lebens länger mir verleihn,
Könnt' ich der Liebe treulos sein,
Und fühlt' ihr Glühn ich fürder nicht.
Ich sag' es, und ich lüge nicht,
Die schönst' und best' und höchst' an Werth
Lieb' ich, daß mirs das Herz verzehrt,
Und stets hervor die Thräne bricht.
Die Lieb' hat ganz mich übermannt,
Sie schloß und kerkerte mich ein,
Und nur die Gunst kann mich befrein,
Die ich bisher doch nimmer fand.
Wenn ich Sie schau, gleich wirds erkannt
An Farb' und Antlitz und Geberd',
Und wie das Blatt im Wind sich kehrt,
Zittr' ich, und bin von Schreck gebannt.
Ein Kind ist so befangen nicht,
So sehr nahm mich die Liebe ein;
Wohl sollte Sie auch gnädig sein,
Da Lieb' all meine Kräfte bricht.
Auf Andres leist' ich gern Verzicht,
Nur Euch zu dienen, das gewährt!
Was immer Ihr mir auch beschert,
Ich dien' Euch mit Vasallenpflicht.
Seht her, ich bin an Euch gebannt,
Treu, willig, munter, frank und fein;
Ihr werdet Löw' und Bär' nicht sein.
Nicht wild und mördrisch Eure Hand.
Wie süß ist dieser Liebe Brand,
Die solchen Hochgenuß gewährt!
Tags sterb' ich hundertmal, doch kehrt
Das Leben flugs, wann es entschwand.
All Andrer Freuden acht' ich nicht,
Vergleich' ich sie mit meiner Pein.
Wie süß muß einst mein Glück drum sein,
Fehlt schon dem Leid das Süße nicht.
O Gott, verwechsle man doch nicht
Buhlschaft und wahrer Liebe Werth!
Werd' auf der Stirn ein Horn beschert
Dem schmeichlerischerglühten Wicht!
Gold streut' und Silber meine Hand
Gern aus in Fülle, wär' es mein;
Vielleicht dann säh' die Herrin ein,
Wie ich so ganz für sie entbrannt.
Zur Freundin, wo sie möge sein,
Geh, Vers, und möge sie verzeihn,
Daß ich dich nicht schon längst entsandt.
Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)
Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 35-38)
_____
Will die Freude mich erdrücken?
Wie ist mir geschehen?
Wenn mit Blumen Aun sich schmücken,
Glaub' ich Eis zu sehen.
Doch bei Wetters grimmen Tücken
Steigt mein Wohlergehen.
Sangeshauch, mich zu beglücken,
Fühl' ich mich durchwehen.
Die ganze Seele mein
Erglänzt in Freudenschein,
Lebt, mags frieren oder schnein,
In dem Land der Feeen.
Ohne Kleid im Hemd zu gehen,
Kann mich nicht befahren,
Wird doch vor des Nordwinds Wehen
Liebe mich verwahren;
Doch man muß, nichts zu versehen,
Demut offenbaren.
Drum nicht will ich mich vergehen,
Seit ich Gunst erfahren
Von Ihr, der Herrin mein.
Sie soll mir Ruhm verleihn!
Reicher Friese gar zu sein
Mag mich Gott bewahren!
Mußt' ich in die Fremde fahren,
Hab' ich doch Vertrauen;
Ihre holden Augen waren
Huldreich anzuschauen;
Auf Ihr liebliches Gebaren
Darf ich muthvoll bauen;
Seit Sie das mich ließ gewahren,
Sie, der Stern der Frauen.
Weilt doch die Seele mein
Bei Ihr, Ihr Sklav zu sein;
Und es blieb der Leib allein
Hier in Frankreichs Auen.
Drum will ich der Hoffnung trauen,
Selbst auch der geringen,
Schwankend zwar, wie Schiff' im grauen
Meergewühl' sich schwingen,
Muß beim Zürnen Ihrer Brauen
Mit dem Tode ringen,
Schlaf will mich dann nicht bethauen,
Möchte bettaus springen.
Drum ist mein Leid nicht klein,
Nicht konnte herbre Pein
Um die blonde Isot sein
Tristans Herz bezwingen.
Wär' ich Schwalbe doch, auf Schwingen
Durch die Luft zu schweben,
In Ihr Kämmerlein zu dringen,
Nachts Sie zu umweben!
Ach, wer, Hold', Euch zu erringen
Denkt in diesem Leben,
Dessen Herz darf zum Gelingen
Nimmer sich erheben.
Anflehend Euch verein'
Ich, Frau, die Hände mein,
Eurer Wangen frischer Schein
Macht mich bang erbeben.
Höhres nichts kanns für mich geben,
Um ihm nachzujagen,
Nichts, wonach ich könnt' im Leben
Mit mehr Eifer fragen,
Nichts mir mehr Genügen geben,
Als es kühn zu wagen,
Meine Stimme zu erheben,
Und es laut zu sagen,
Daß ich es innig mein',
Und manche Male wein',
Und aus meines Herzens Schrein
Seufze mit Behagen.
Lieb, sollst mein Bote sein,
Meld' Ihr, der Herrin mein,
Meine Qual und meine Pein,
Meines Herzens Zagen.
Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)
Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 38-41)
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Wann Baum und Strauch sich schmückt mit grünem Kleid,
Und glänzender die Sonne steigt empor,
Und trillernd, zwitschernd sich mit Zärtlichkeit
Einander schnäbelnd küßt der Vögel Chor,
Und Alles sich ergibt der Liebesmacht,
Zeigt harten Widerwillen Ihr allein,
Gebieterin, um die ich klag' und wein',
Und, lächelnd zwar, bin ich halbtodt vor Leid.
Ja, todt durch falscher Freunde Schändlichkeit,
Ein wenig Lust ruft ihren Spott hervor,
Und weil mein und Ihr Will' im Widerstreit,
So sagen sie, ich sei ein Liebesthor.
Sind auf Verläumdung fremder Lust bedacht;
Weil selbst sie todt, so sollens Andr' auch sein.
Doch nichts kann, sag' ich, mich mit Ihr entzwein,
So zweifellos hab' ich mich Ihr geweiht.
Vor Bessern tadl' ich Sie zwar auch zur Zeit,
Und trag' ungünstges Wort und Meinung vor,
Doch nur zur Prüfung reg' ich auf den Streit.
Um wahrer Sie zu schätzen, hat mein Ohr
Sodann auf Andrer Lobspruch eifrig Acht.
Was ich dann immer sprechen mag zum Schein,
Ich sammle nichts als günstges Urtheil ein,
Und mehre meine Sehnsucht und mein Leid.
Wohl leidet Niemand mit mehr Innigkeit
Als ich um Sie, doch gern vernimmts mein Ohr,
Wenn man die holden Glieder benedeit,
Und Ihren Stimmlaut zieht all andern vor,
Der Wangen Roth, der Augensterne Pracht.
Daß Sie die schönste sei, sah lang ich ein;
Doch scheint Sie schöner jedesmal zu sein.
O lohnte Gott mir mit Barmherzigkeit!
Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)
Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 41-42)
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Seh' ich, wie sich voll Freudigkeit
Die Lerch' emporschwingt himmelan,
Und glücklich in Vergessenheit
Sich niedersenkt zur Erde dann,
So überfällt mich Wehmut schier,
Ein Wesen wohlgemut zu sehn,
Und wundern möcht ich mich, daß mir
Das Herz nicht schmilzt vor Sehnsuchtswehn.
Ich glaubt' im Lieben mich gescheidt,
Jetzt seh' ich mich für thöricht an,
Da Sie, die baar von Zärtlichkeit,
Ich nie zu lieben laßen kann.
Sie stahl mein Herz, mich selber mir,
Und sich und all mein Wohlergehn,
Und seit Sie selbst wich, blieb Begier
Mir einzig, wieder Sie zu sehn.
Wahr ists, daß Selbstvergeßenheit
Und Ohnmacht mir das Herz umspann,
Seit Sie mir wies zu meinem Leid
Ein Spiegelglas, das thats mir an.
Ein Feur, o Spiegel, schlug in dir
Herauf, seit ich in dich gesehn,
Denn wahrlich, da geschahe mir,
Wie dem Narciss am Quell geschehn.
Den Fraun entsag' ich seit der Zeit,
Weil nicht mehr traun ich ihnen kann.
Einst für sie voll Ergebenheit
Bin ich jetzt ein ganz andrer Mann.
Empfang' ich keine Gunst von Ihr,
Von der mir solch ein Leid geschehn,
Gleichgültig sind dann Alle mir,
Weil Alle gleiche Pfade gehn.
Daß Preis und Lob die Sprödigkeit,
Mein Recht selbst Sie nicht rühren kann!
Daß meine Lieb' ich Ihr geweiht,
Missfällt Ihr, drum schweig' ich fortan,
Und ziehe mich zurück von Ihr;
Der Mördrin geb' ich zu verstehn:
Ich will, gibt Sie nicht Hoffnung mir,
Wer weiß wohin ins Elend ziehn.
Drum Ihre Weibeseigenheit
Sieht man wohl meiner Schildrung an,
Dein Will' ist Ihr Will' keinerzeit,
Was Sie thun soll, verbiete man.
Ich bin in schlechter Gunst bei Ihr,
Als Brückennarr muß ich mich sehn.
Warum? Auch das ist deutlich mir;
Wer mag in solchem Kampf bestehn?
Daß Sie mir zürnet, trag' ich Leid,
Der ich nie Ihre Huld gewann.
Sie sollte sein voll Mildigkeit;
Sie ists nicht, was nun fang' ich an?
Weh, wer ins Aug gesehen Ihr,
Weil Sie ihn sterben läßt in Wehn
Der liebesüchtigen Begier,
Ohn' ihm zu nahn und beizustehn.
Tristan*, nichts geb' ich fürder dir,
Schlecht stehts mit meinem Wohlergehn;
Gleichgültig ist das Singen mir,
Um Lieb' und Lust ist es geschehn.
* Entweder des Dichters Jongleur,
oder eine unter männlichem Namen
versteckte Freundin.
Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)
Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 43-45)
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Im Mond April, wann Flur und Hain
Sich wieder schmückt mit grünem Kleid,
Und Bächlein rauschen eisbefreit,
Umtönt von Vögelmelodein,
Dann erfreun mir alle Sinnen
Duft und Blüt' und Sangbeginnen;
Verjüngend dringt es in mich ein.
Dann soll auch mir Lust, denk' ich, leihn
Aufs neu der Liebe Süßigkeit
Durch artige Beflißenheit
Und Reiterkünst' und Waffenschein.
Wer darauf lenkt die Sinnen,
Dem glückt es auch zu minnen,
Dem wird die Liebe gnädig sein.
Ich sing'; und sollt' ich traurig sein
Vor Zorn der Lieb' im tiefen Leid,
Zwing' ich mich doch zur Fröhlichkeit,
Denn nie zu sagen fiel mir ein:
Singend dürften Thränen rinnen. -
Mir zum Troste drum ersinnen
Will Vers' ich und ein Sänger sein,
Und nicht mich der Verzweiflung weihn,
Schau' ich der Frauen Lieblichkeit;
Denn die mich ziehen ließ so weit,
Die kann sich auch erbarmen mein.
Zog gen Syrien ich von hinnen,
Konnt' ich doch Ihr nicht entrinnen.
Heimkehr' wird Gottes Gunst verleihn.
Traun, Gottes Staunen war nicht klein,
Als ich von Ihr mich schied so weit;
Um ihn ertrug ich solches Leid,
Drum muß er mir wohl dankbar sein.
Denn er weiß, seit ich von hinnen,
Kann ich Freude nie gewinnen,
Er selbst mir keinen Trost verleihn.
Zieh übers Meer, Canzone mein,
Und sag' Ihr, daß ich allezeit
Gedenk' an Sie mit Seufzerleid,
Wie Sie mit Lächelns Zauberein
Zu mir sprach: Ihr wollt von hinnen!
Was wird euer Lieb' beginnen?
Mein Freund, ihr laßet mich allein?
Lied, willst Trost du mir gewinnen,
Einem nur glückt solch Beginnen,
Wilhelm Espia muß es sein.
Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)
Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 46-48)
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Was bedünket, herre mein,
Euch, der witze habt und sinn!
eine Frau verliess mich ein,
der ich langher blieben bin.
nun je dennoch ward mir kund,
hat sie ander stillen frund,
dass ich nie so ungern nicht
sass zu zweit vor eìn gericht.
Eine sach will mir nicht ein,
derhalb steh ich sorgen inn:
dass der schmerz uns müst' entzwein,
gönnt' ich ihr derlei gewinn;
spräch' ichs aus und sag' ihrs rund,
zwiefach werd ich ungesund -:
wie ichs handl', und wie mir nicht,
schaffts kein frumm und fachts kein licht.
Minn ich's doch und werd gemein, - -
schand ists allen ehrlichen,
und mich hält jedwederein
nur für gauch und spärlichen;
und verlür ich ihren mund, -
wahrlich stünd' ich unvergunnt
minnen, - und Gott lässt mich nicht
lied mehr machen noch gedicht.
So verstrickt in narretein, -
narr fürwahr, wen nicht gewinn
dünkt das mindst' arg von den zwein:
denn, noch besser, (als ichs nim,)
ihr geniessen halbe stund,
denn verscherzen all den bund:
nie noch buhl' untreu, ein wicht,
fand den fromm an Minnen nicht. -
Seit Meinraue zween für ein
trauten will, so gehs ihr hin;
gönn ihrs, mehr durch schaden scheu'n,
denn durch lust an solcher minn:
ward je manne dankes grund
durch was er zu not vergunnt,
wahrlich hat sie lohnes pflicht
mir, für unbill und verzicht.
So ihr süssen ungetre'n
augen, die mir schmeichelten,
linkhalb buhlten gleichen schein,
wahr und ja, sie heuchelten;
Doch ist mir der preis vergunnt:
umstünden sie Tausend rund,
nach ihn allen sucht' ihr g'sicht
wie nach mir allein nicht!
Was ich nass aus augen wein',
tausend grüsse schreibt mirs hin,
ihr vor allen fraun allein
schönsten und holdseligstin:
manich mal denkt mir jezund,
wie sie than zur abschiedsstund:
seh sie decken ihr gesicht
dem so Ja wie Nein gebricht.
Frau: so minnet offenkund
ihn, und mich zu stillen frund,
dass ich eur hab' all die frücht
und der ander gross gerücht.
Spielmann, her, und mein gedicht
singt und tragets ausgericht
meinem boten, dass ers kund
thu und g'winne rates fund.
übersetzt von Rudolf Borchardt
(1877-1945)
Aus: Rudolf Borchardt Übertragungen
Herausgegeben von Marie Luise Borchardt
unter Mitarbeit von Ernst Zinn
Ernst Klett Verlag Stuttgart 1958
(S. 227-229)
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Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bernart_de_Ventadorn
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