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Bonifaci Calvo
(um 1250 -1270)
Meine Kunst hat Ort und Zeit,
Holden Sang sollt' ich beginnen,
Ließ mich doch die Schönste minnen
Amors Wohlgewogenheit.
Reiz, Verstand und jede Zier,
Ruhm und Tugend wurden Ihr.
Wer so hohe Frau errang,
Dem ermangle nie Gesang.
Sehnsucht, die von Herzen geht,
Regte tief im Herzen drinnen
Mir Ihr Lächeln wie Ihr Sinnen,
Seufzer, Ihrer Brust entweht;
Wangenfarbe wechselt' Ihr:
Da in's Herz drang plötzlich mir
Lust und Wehe; ich empfieng,
Was in's Innre tief mir gieng.
Doch vertauscht' ich nicht mein Leid
Mit all' anderen Gewinnen.
Seltsam wohl ist mir zu Sinnen.
Unmutvoll, hat mich entzweit
Doppelneigung doch mit mir.
Lachend, weinend schwind' ich schier
In lustvoll peinvollem Drang,
Bis Sie schenkt mir Minnedank.
Schmacht' ich, dennoch bleib' ich stät,
Nicht nach Andren steht mein Sinnen,
Ihr vielmehr nur gilt mein Minnen.
Spricht Ihr holder Mund, ersteht
Tausendfach Verlangen mir.
Ihres Geistes Schmuck und Zier
Ueberwiegt all' andre Ding',
Alles Andr' acht' ich gering.
Nur bei Ihr ist Lieblichkeit,
Ihr geweiht ist all' mein Minnen,
Groß, hoch über alles Sinnen
Scheint und ganz Vollkommenheit
Sie mir, voll Holdseligkeit.
Drum, weil ich Sie mir errang,
Sonder Grenzen ist mein Dank.
Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)
Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 348-349)
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Biographie (engl.):
http://en.wikipedia.org/wiki/Bonifaci_Calvo
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