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Clara d'Anduza
(erste Hälfte des 13. Jahrhunderts)
Schwer Ungemach und
schweres Herzeleid
Hat über mich, samt der Verwirrung Nacht,
Der Kläffer und Verläumder Schaar gebracht,
Der Gegner jugendlicher Freudigkeit.
Ihr floht, verließet mich! Wenn sie nicht wären,
Ihr, Theuerster, gehörtet mir noch an.
Jetzt, da mein Aug' Euch nicht erschauen kann,
Sterb' ich vor Schmerz, vor Mismut, vor Begehren.
Daß meine Liebe boshaft man beschreit,
Hat Aendrung nicht bei mir hervorgebracht,
Geschwächt nicht, noch vermehrt der Neigung Macht,
Der Sehnsucht und der Leidenschaftlichkeit.
Ich muß mich gegen Jeden feindlich kehren,
Hör' ich ihn tadeln, den geliebten Mann;
Doch fängt ihn Jemand zu vertheidgen an,
Des Wort und That scheint mir hochzuverehren.
O nie, mein schöner Freund, in Sorgen seid,
Als hätt' an Untreu je mein Herz gedacht;
Nie wird's für einen Anderen entfacht
Trotz hundertfältger Fraungeschäftigkeit.
Euch soll mein Herz ich hüten und bewähren,
So will's die Lieb, und ihr gehör' ich an;
Das will auch ich, und gäb' ich's anderm Mann,
Es wär' ein Irrthum, wär' ein falsch Begehren.
Ich seh' euch nicht, mein Freund, und mich verzehren
Mismut und Schmerz. Fang' ich zu singen an,
So seufz' und schluchz' ich; nicht ausdrücken kann
Mein Lied des Herzens innigstes Begehren.
Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)
Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 295-296)
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Razo (Erläuterung) zu diesem Gedicht:
"Ihr hörtet wohl, wer Uc de Saint-Circ war und woher er kam. Und er
liebte eine Dame aus Anduza, die den Namen Clara trug. Sie war sehr
geschickt und gebildet und zuvorkommend und schön; und sie war sehr
ehrgeizig und wollte nah und fern gehört werden und wünschte die
Freundschaft und den Umgang mit edlen Damen und tapferen Männern. Und Uc
kannte ihren Willen und verstand es, ihr in dem, was sie am meisten
wünschte, gut zu dienen; und in der ganzen Umgegend gab es keine edle
Dame, die er nicht dazu brachte, ihr Liebe und Umgänglichkeit
entgegenzubringen und ihr keine Briefe und Grüße und Geschenke schickte,
zum Zeichen der Zustimmung und Ehrbezeugung. Und Uc verfaßte schöne
Dankesbriefe, die - für die Aufmerksamkeiten, die sie ihr schickten - an
die Damen zu richten sich geziemten. Und sie duldete Ucs Werbung und daß
er ihr den Hof machte und versprach, ihm die Erfüllung seiner Liebe zu
gewähren. Und Uc dichtete viele schöne Lieder über sie, sie umwerbend
und ihre Tugend und Schönheit lobend. Und sie war sehr beglückt über die
Lieder, die Uc über sie dichtete. Lange dauerte ihre Liebe; und oft
bekriegten sie einander und schlossen wieder Frieden, wie das eben
zwischen Liebenden mit der Liebe zu gehen pflegt.
Und sie hatte eine sehr schöne Nachbarin, die den Namen Frau Ponsa trug.
Sie war überaus höfisch und gebildet; und sie beneidete Frau Clara sehr
und die Wertschätzung und die Ehre, die zu gewinnen ihr Uc geholfen
hatte. Und sie sann darüber nach und bemühte sich, wie sie Uc deren
Freundschaft entziehen und ihn an sich binden könnte." (...)
zitiert aus:
Angelica Rieger - Trobairitz
Der Beitrag der Frau in der altokzitanischen höfischen Lyrik
Edition des Gesamtkorpus
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1991
Biographie (engl.):
http://en.wikipedia.org/wiki/Clara_d'Anduza
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