Die Troubadours

Lieder - Nachdichtungen der Troubadours
 

 

 


Jaufre Rudel
(1140-1170)

 

Im Maien, wenn die Tage lang,
Ergötzt mich Vogelsang von fern;
Und sagt ich Lebewohl dem Sang,
Kommt Liebe mir ins Herz von fern.
Ich wank' umher in düsterm Traum;
Ein Lied, ein blüh'nder Rosenbaum
Gilt mir nicht mehr als Winter nun.

Das ist wohl der wahrhaft'ger Gott,
Der diese Liebe schuf von fern.
Um Eine zwiefache Noth
Erwuchs mir, da ich ihr so fern.
Ein rechter Pilger würd' ich sein,
Ließ' sie der schönen Augen Schein
Auf meinem Stab und Mantel ruhn.

O Glück, wenn ich sie flehentlich
Um Herberg bitten darf von fern,
Und sie mich aufnimmt nah bei sich,
Komm' ich auch unbekannt von fern.
Denn zierlich Plaudern da beginnt,
Wo ferne Liebsten nahe sind,
Mit süßem Trost und holdem Wort.

Bekümmert ich von hinnen schied',
Erschaut' ich nicht mein Lieb von fern.
Ich weiß nicht, wann es je geschieht,
Denn unsre Lande sind so fern;
Dazwischen manche Straß' und Bahn.
Doch dessen klag' ich sie nicht an;
Gescheh' ihr Wille fort und fort!

Die süße Minne kost' ich nie,
Beglückt mich nicht mein Lieb von fern,
Denn holder, lieblicher als sie
Sah ich kein Weib, nicht nah noch fern.
So wahrhaft ist ihr Werth, so rein,
Um sie möcht' ich gefangen sein
Dort in der Sarazenen Reich.

Gott, der da schuf was lebt und webt
Und schuf auch diese Glut von fern,
Erfülle, was ich lang erstrebt,
Daß ich dies holde Lieb von fern
An günst'ger Stätte schauen kann,
Und Kammer oder Garten dann
Wird zum Palaste mir sogleich.

Man nenne mich nur leckerhaft,
Da mich entflammt ein Weib von fern.
Kein ander Glück hat solche Kraft,
Als dieses Liebesglück von fern.
Doch was ich will, wird nimmer mein;
Das banden mir die Pathen ein,
Daß ich nun liebe ungeliebt.

Ach, was ich will, wird nimmer mein.
Verwünscht soll'n meine Pathen sein!
Um sie bin ich nun ungeliebt.

Nachgedichtet von Paul Heyse (1830-1914)

Aus:
Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 246-248)
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Schlecht singt, wem fremd ist Melodie,
Der Vers stockt, ist das Wort nicht da,
Man reimt nicht ohne Regula,
Bemüht man sich nicht auf das Wie.
Doch meinem Liede mangelts nie;
So lang es tönet, ruft ihr Ah! a, a!

Kein Mensch erstaune nun und nie,
Lob' ich, was nimmer für mich da,
Weil mir durch nichts solch Weh geschah
Bis durch das, was ich sahe nie.
Nicht Wahr noch Falsch lieb' ich, gleichwie
Die Zukunft mir gleichgültig ja. A, a!

Ich sterb' in Lustparaplexie,
Und kommt die Liebe mir zu nah,
So magert Kopf und Herz mir ja;
Doch hat wohl bald Erbarmen sie,
Zwar starb ein Mensch so süß noch nie,
Dergleichen nimmerdar geschah - A, a!

Wie Morpheus nie mir Schlaf verlieh,
Worin mein Herz nicht war allda
Bei Ihr, wohin sich wendet ja
All meines Geistes Phantasie.
Erwach' ich Morgens freilich, nie
Hält Stand dann Philosophia. A, a!

Fleug, Bote, übern Strom Ili,
Denn bald bin ich Ihr selber nah,
Und darf ich bei Ihr hausen, ah,
So wolln wir kosen, ich und Sie!
Mein Pathensegen schlecht gedieh
Wenn mich die Liebe tödtet ja. A, a!

Wohlan, die Verse, gut sind sie,
Stehn sie auf guten Füßen da,
Und hüte sich mein Schüler ja
Mir zu verdrehn die Harmonie,
Und hört mein Lied man in Quercy,
Hörte auch der Graf von Tolosa. A, a!

Gut ist der Vers samt Worten, die
Zum Lied der Dichter ausersah.

Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 61-63)
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Verlängt der Tag im Maimond sich,
Dann lieb' ich Vogelsang von fern.
Und scheid' ich dann von dorten mich,
Denk' an die Herrin ich von fern.
Ich wandle sehnlich schmerzdurchgraut,
Daß Weißdornblüt' und Sangeslaut
Nicht über Winterfrost mir geht.

Wahrhaft dünkt der Gebieter mich,
Der diese Liebe schuf von fern.
Für eins der Güter zeigen sich
Zwei Uebel zwar: ich bin so fern.
Heil, - wenn Ihr Auge süß und traut
Auf meinen Stab und Kittel schaut, -
Dem Pilger, wenn zu Ihr er fleht!

Welch Glück, wenn ich Sie brünstiglich
Darf bitten um ein Obdach fern,
Und ach, vielleicht herbergt Sie mich
Zu Hause, komm' ich auch von fern.
Da gibts ein Kosen gar vertraut,
Wenn ferne Lieb' mit süßem Laut
Und süßem Scherz am Ziele steht.

Wegwend' ich trüb und traurig mich,
Seh' diese Lieb' ich nicht von fern.
Nicht weiß ich, triffts noch einmal sich,
Daß ich Sie seh': es ist so fern,
Der Weg so lang, daß Einen graut.
Ohn' Leumund drum sei Ihr vertraut,
In deren Willen Alles steht.

Wohl freu' ich nie der Liebe mich,
Entgeht mir diese Liebe fern.
Nichts, was so schön und hold, weiß ich,
In keiner Gegend nah und fern.
Gott hat mit Reiz Sie so betraut;
Ihr Sklav würd' ich, ich sag' es laut,
Dort wo der Thron der Moslem steht.

Gott, der da herrscht allmächtiglich,
Und diese Lieb' erschuf von fern,
Flößt mit der Neigung Kraft in mich,
Daß Sie von mir, obgleich so fern,
In holder Gegend wird geschaut,
Daß Kammer mir und Garten traut
Pallästen gleich vor Augen steht.

Wahr spricht, wer Näscher nennet mich;
Nach Liebe dürstet mich von fern.
All Andres scheint mir jämmerlich
Als diese Liebe weit und fern.
Verweigrung, ach, hab' ich geschaut,
Gefeit bin ich, daß, lieb' ich traut,
Mir dennoch Gegenlieb' entgeht.

Verweigrung, ach, hab' ich geschaut;
Wer mich gefeit, dem fluch' ich laut,
Da Gegenliebe mir entgeht.

Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 64-66)
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I.
Dann wann die tag länget der mai,
wöhlt mir süss vogellied von fern,
und schied ich dàn, und gieng vorbei,
gedenkt mir einer Minn-ins-fern;
schleich ich hangend so herzverlorn,
dass sang noch blust in hagedorn
mir meh nicht gilt, denn eis und wind.

Zwar zu Gott hoff' ich, der verleih
mir ansehn dieser Minn-ins-fern;
doch werden des mir übel zwei
für èin glück: denn mirs also fern!
ai! wär ich pilgrim dar geborn,
dass noch mein mantel, stab, und horn
ihr schönes aug' an blicke erfind!

Wol soll ich froh, dort wann ich sei,
gottsherberg bitten sie von fern, -
und, gönnt sies, herberg' ich nah bei
da sie wohnt, käm' ich gleich von fern:
alsdann wird zwiesprach auserkorn,
so nachbarn buhlen ferngeborn,
dass schöner wort' ein spiel beginnt!

Ich will die haft in wonn' und reu,
ob ich je säh solch Minn-ins-fern, -
noch weiss auch nicht, und wann dem sei,
weil unser stätten gar zu fern;
strassen hats gnuge hint und vorn - -
bin drum ein weissag nicht geborn -
ab'r all dem sei, wie's Gott ersinnt!

Nie werd' ich minnen frank und frei,
g'nes' ich nicht dieser Minn-ins-fern, -
denn, die edler noch werter sei,
seh ich keinhalb, noch nah noch fern:
ihr pracht ist also hochbeschworn - -
ich wollt' in reich' allda der mohrn
um sie sein, wie gefangen sind!

Gott der's all schuf, das seh' und sei,
und wirkt' auch diese Minn-ins-fern,
leih mir macht, denn mein mut ist treu,
dass ich schaue solch Minn-ins-fern
leinhaft, am abend' oder morn,
so dass kammer und gartenborn
mir vorm aug' als ein pàlast stünd!

Sagt imm'rhin, de'ich der heiklig sei
ohn g'lüst, als nur nach Minn-ins-fern, -
ja! keine lust 'st, die mir gedeih,
denn seligkeit in Minn-ins-fern:
wol, das ich ford'r, ist mir ein zorn:
so han's mein paten mir verschworn,
dass ich minnt' und sei nie geminnt -

Doch, was ich wirb, es ist mir zorn:
fluch sei den paten mein geschworn,
die verwünscht, ich sei nie geminnt!

übersetzt von Rudolf Borchardt (1877-1945)

Aus: Rudolf Borchardt Übertragungen
Herausgegeben von Marie Luise Borchardt
unter Mitarbeit von Ernst Zinn
Ernst Klett Verlag Stuttgart 1958
(S. 222-224)
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II.
So sich der laufbronn zu zeiten
klären will, wie's kehrt von je,
und es blüht am weissendorne,
und die nachtigall am zwei'
beuget und bricht und lässt gleiten
ihr herzlied und übts von vorne, -
darf auch das mein wol brechen:

Herzminn' über Land-in-weiten,
all mein herz thut um euch weh;
und genest von keinem korne
denn von euch und eur arznei
mit reiz da sich buhlen zweiten,
auf laken oder an borne,
zu herzen herz aus zu sprechen!

Ohn trost all' abend' und mor'ne,
kein wunder, wenn ich vergeh, -
denn edler keins kristenleuten
schuf Gott, noch heidenscher eh,
noch jüdenisch uns zu zorne; -
wer da g'wänn ihr' seligkeiten,
wol himmels brot durft' er brechen!

Ihr nach, die mein auserkorne,
zeucht sehnen, dem ich nicht träu,
und wähn' es will mich verleiten,
dass sie durch gier mir entgeh -
schärfer stich ist, denn von dorne,
leid dem lust sich will bereiten -
keiner soll mir trost zusprechen.

Ohne permint, über saiten
send ichs und singe mans frei
in planer zung zu lateine
herrn Haug, das jeder versteh:

Gelieb'er Peitauer leuten
wolan, und das Ehre im sprechen
Beirü, Gijân' und Britaine!

übersetzt von Rudolf Borchardt (1877-1945)

Aus: Rudolf Borchardt Übertragungen
Herausgegeben von Marie Luise Borchardt
unter Mitarbeit von Ernst Zinn
Ernst Klett Verlag Stuttgart 1958
(S. 224-225)
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Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Jaufre_Rudel


 


 


 

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