Die Troubadours

Lieder - Nachdichtungen der Troubadours
 

 

 


Peire von Auvergne
(1120-1215)

 

Wann kurz der Tag und lang die Nacht
Und grau das Firmament und braun,
Dann ists, wo meine Kunst erwacht,
Dann blühn und reifen meine Aun,
Dann sproßt und grünet mir der Eichenhain,
Dann horch' ich unterm Schnee der Drossel Sang,
Und Spechts Gepick und Hähers heiserm Schrein.

Wohl mir, dem dann die Lieb' auch lacht
Der fernen wie der nahen Fraun.
Was hilft es, ob man schläft, man wacht,
Ohn', was man liebt, bei sich zu schaun?
Froh will die Liebe, will nicht traurig sein,
Und wer mich tröstet, wenn ich trüb und bang,
Der hat ein Freundesherz, und der sei mein!

Doch weiß ich nicht, wer mich gemacht
Zum Sklaven, denn das bin ich, traun,
Von einer, die mich neu entfacht.
Ihr beb' ich, Ihr, dem Stolz der Fraun.
Denn hör' ich Sie, so bin ich nicht mehr mein,
Von rechter Bahn zum Irrweg geht mein Gang.
Drum spricht mein Herz: Verlaß Sie, bleib' allein!

Ich seh's, ich glaub's, die Liebe macht
Den mager, jenen fett zu schaun,
Den, weil ihm, den, weil nicht zu traun,
Den, weil sein Gut sehr groß, den, weil es klein.
Mir gnügt mein' Hab' und Gut, nicht hab' ich Hang,
Herr Schottlands oder Galliens zu sein.

Dann hellte Ihrer Liebe Macht
Wohl nicht mehr meiner Dichtkunst Aun.
Sie ist es, welche Mut mir macht,
Und mir zur Freude gibt Vertraun.
Nur loben kann ich Sie, nicht Fehlers zeihn,
Ihr Herz ist edler als es sagt mein Sang,
Ohn' Sie würd' ich ein Mann des Todes sein.

Wann süß und hold Ihr Auge lacht
Herab auf meines Herzens Aun,
Dann wächst die Hoffnung mir mit Macht
Zu Ihr, der herrlichsten der Fraun.
Sollt' ich veränderlich und mutlos sein?
Wann ich bei Ihr, was machte dann mich bang?
Trotz meiner Armut wäre Reichthum mein.

Wohl ließ Sie ihrer Wonnen Macht
Auf manche schon hernieder thaun;
Doch übertrifft an Werth und Pracht
Sie wohl der ganzen Erde Fraun.
Denn Ihre Bildung gibt, Ihr Reiz Gedeihn,
Und wächst und grünt mit solchem Ueberschwang,
Daß Sie auch mir wird Schnees Reinheit leihn.

Für Andrics von Auvergn' ist leider kein
Labsal mein Lied; es sagt ja, lebenslang
Wirst, Weiberfeind, du taube Aehre sein.

Dergleichen achtest du, ich weiß es, klein;
Doch, ihrer froh, glaub' von höherm Rang
Als Frankreichs König Ludewig zu sein.


Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 80-82)

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Biographie (engl.): http://en.wikipedia.org/wiki/Peire_d'Alvernhe

 

 

 


 

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