Sandor Vachot (Alexander Wachot)
(1818-1861)
ungarischer Dichter
Meiner Schönen
Im Winter bitte deine Mutter schlicht
Am Abend, deinen Schlaf zu stören nicht;
Am Morgen auch, süß schlummernd eingenickt,
Soll sie dich ruhen lassen, traumerquickt.
Ach, Bilder, die der Traum beschert dem Geist,
Sind ja beglückend, himmlisch reizend meist,
Und eben, weil er bringt, was uns beglückt,
Ist's schade, wird man rauh dem Traum entrückt.
Mit Honigworten sprich zur Mutter dein:
Wenn neu der Lenz wird in der Blüthe sein,
Wenn früher strahlt im Ost das Sonnenlicht,
Wird in den Kissen sie dich finden nicht.
Wenn Berg und Thal neu grünend man gewahrt,
Im Frühling ist's ein Leben andrer Art,
Und ist dein Schlaf bei Nacht auch flüchtig sehr,
So blicke draußen lächelnd dann umher:
Sind doch des Lenzes Blüthen, Rosen, Bäume
Fortsetzung deiner eignen blum'gen Träume!
Aus: Klänge aus dem
Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 185-186)
_______
An meine Schöne
Bitt' im Winter jetzt die Mutter,
Mög' Dich Mitternachts nicht schrecken,
Bei des Morgenroths Entstehen
Nicht so früh schon Dich erwecken.
Jene Bilder sind beglückend,
Ruht der Geist im Traumesbade,
Und wenn Träume so beglückend,
Zu zerreißen sie, ist's schade.
Sag' der Mutter honigmilde:
Wenn der Lenz zersprengt die Kette,
Wenn die Sonn' auch eher aufwacht,
Trifft sie Dich nicht mehr im Bette.
Wenn aufleben Berg' und Thäler,
Ist es gleich ein andres Leben;
Weilt dann kurz auch Nachts Dein Träumen,
Soll es Dich nicht reuen eben:
Blüh'n im Lenz die Blumen, Bäume,
Ist's Fortsetzung Deiner Träume.
Aus: Album hundert ungrischer
Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854 (S.
197)
[Übersetzer nicht
explizit genannt]
_____