Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 



Vergil (Publius Vergilius Maro) 70 v. Chr. - 19 v. Chr.
römischer Dichter



2. Idylle: Alexis

Corydon glühte, der Hirt, für den reizenden Knaben Alexis,
Seines Gebieters Geliebten, doch hofft' umsonst er Erhörung.
Immer zum Buchwald nur, zu den dichtumschattenden Wipfeln
Wandelt' er hin. Dort klagt' er, der Einsame, Bergen und Wäldern
In ungeordneten Tönen mit hoffnungslosem Bemühen:

Grausamer, ist gar Nichts mein Gesang dir werth, o Alexis?
Nichts erbarmst du dich meiner? Du zwingest mich gar noch zu sterben?
Jetzt auch sehnt sich die Heerde nach Ruh in der Kühle des Schattens;
Selbst Eidechsen verbirgt, grünfarbige, jetzo der Dornbusch;
Thestylis auch quetscht jetzt den vor Glut hinschmachtenden Schnittern
Quendel und Knoblauchstengel, die duftigen Kräuter, zusammen;
Aber mit mir tönt wieder, da dich auf der Spur ich verfolge,
Unter der brennenden Sonne, der Busch vom Geschrill der Cicaden.
War's nicht besser gethan, Amaryllis' finsteren Unmuth
Und wegwerfenden Stolz auszuhalten? ja, selbst den Menalkas,
Wie auch jener so bräunlich erschien, wie blendend du selber?
Schönaussehender Knabe, zu viel nicht traue der Farbe!
Ab fällt weißer Liguster, die schwarze Vaccinie pflückt man.
Gar nichts fragst du nach mir und schaust mich verachtend, Alexis,
Wie ich an Heerden so reich, so gesegnet an schneeiger Milch bin.
Tausend irren mir Lämmer umher auf Siciliens Bergen;
Milch, ganz frisch, fehlt weder im Sommer mir, noch in der Kälte.
Sing' ich ja doch, was einst, wenn heim er lockte die Rinder,
Pflog der Dircäer Amphion auf Attika's Aracynthus.
Auch nicht bin ich so häßlich: ich sah mich jüngst am Gestade,
Als still ruhte von Winden das Meer; nicht brauch' ich den Daphnis -
Sei selbst Richter - zu fürchten, wofern nicht trüget ein Bildniß.
Hättest du doch nur Lust, bei mir auf verachteten Fluren
Und in der niedrigen Hütte zu wohnen und Hirsche zu spießen
Und in den grünenden Eibisch der Böcklein Heerde zu treiben!
Mit mir mögest du singend den Pan nachahmen in Wäldern:
Pan hat zuerst mit Wachs aneinander die mehreren Rohre
Fügen gelehrt; Pan waltet der Schaf' und der Wärter der Schafe.
Auch nicht sei es dir leid, dein Mündchen am Rohre zu reiben:
Dieses gerade zu lernen, was that nicht Alles Amyntas?
Eine Syring' ist mein, aus sieben verschiedenen Schierlings-
Rohren gefügt, die dereinst Damötas mir zum Geschenk gab
Und vor dem Tod noch sprach: Du bist jetzt zweiter Besitzer.
So Damötas, und Neid erfaßte den Thoren Amyntas.
Außerdem zwei Rehlein im gar nicht sicheren Thale
Fing ich, mit weiß annoch durchsprenkeltem Felle, die täglich
Zweimal leeren die Zizen des Schafs: die spar' ich für dich auf.
Längst hat Thestylis mich, sie nehmen zu dürfen, gebeten
Und wird's thun, da mit Hohn Du blickest auf uns're Geschenke.
Hieher komme, du reizender Knab'. O, siehe Nymphen
Bringen dir Lilien dar in gefülleten Körben; die weiße
Nais pflücket dir blasse Violen und Häupter des Mohnes,
Fügt Narzissen dazu, nebst Blüthen des duftenden Dilles;
Casia flicht sie darein und andere liebliche Kräuter
Und malt zarte Vaccinien aus mit dem Golde der Caltha.
Selbst will grauliche Quitten mit wolligem Flaum ich dir sammeln,
Auch Kastaniennüsse, wie sonst Amaryllis sie liebte,
Dann wachsähnliche Pflaumen: auch der Frucht gebe man Ehre;
Euch, Lorbeeren, auch pflück' ich und dich, nahsprossende Myrthe,
Weil ihr, also gestellt, entzückende Düfte vermischet.

Bäurischer Corydon du, nicht achtet Alexis Geschenke,
Noch wird, wenn mit Geschenken du kämpfst, dir weichen Jolas.
Weh, mir Armen, o weh! was wollt' ich doch? Blumen dem Südwind
Gab ich Verlorener preis und die lauteren Quellen den Ebern.
Wenn, ach, fliehest du, Thor? Selbst Götter ja wohnten in Hainen
Und der Dardanier Paris. Die Burgen, die Pallas erbaute,
Schütze sie selbst: uns mögen vor Allem die Wälder gefallen.
Lauernd verfolget die Löwin den Wolf, der wieder die Ziege,
Blühende Cytisuspflanzen verfolgt naschhaftig die Ziege,
Corydon dich, o Alexis: es zieht Jedweden die Lust hin.
Schau, wie hangend am Joche den Pflug heimschleppen die Stiere
Und wie die scheidende Sonne die wachsenden Schatten verdoppelt:
Mich nur brennet die Liebe, denn welch Maß hätte die Liebe?
Corydon, Corydon, ach, wie so mächtig ergriff dich der Wahnsinn!
Halb nur ist dir beschnitten die Reb' an der laubigen Ulme!
Nähmst du doch wenigstens Etwas dir vor, was heischt das Bedürfniß,
Aus leichtbiegsamen Binsen zusammenzuflechten und Zweigen!
Wohl noch findet sich sonst, wenn der dich verschmäht, ein Alexis.
(S. 23-25)
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8. Idylle: Die Zauberin

Damon. Alphesiböus
Hirtengesänge von euch, mein Damon und Alphesiböus,
Welche beim Wettstreit selber die Kuh anstaunte, des Grases
Nicht mehr achtend, vor deren Gesang starr wurden die Luchse
Und, aus dem eigenen Lauf sich wendend, die Ströme verweilten:
Lieder des Alphesiböus und Damon will ich verkünden.

Du - ob du schon umfuhrest die Klippen des großen Timavus,
Ob an der Küste noch streifst des illyrischen Meeres: - o, wird je
Kommen der Tag, da zu singen, was du vollbracht, mir vergönnt ist?
Ach! wird je mir vergönnt, daß rings ich verkünde dem Erdkreis,
Was du schufst, des Kothurms allein werth eines Sophokles?
Bei dir sei der Beginn, bei dir auch das Ende; so nimm denn
Diesen Gesang, den du selber mir auftrugst, lass' um die Schläfe
Zwischen den Sieg'slorbeeren auch den Epheu sich hindurchziehn.
Kaum vom Himmel geflohn war der Nacht kühlender Schatten,
Wann am liebsten der Heerd' auf schwellendem Grase der Thau ist;
Als so Damon begann, auf den Stab sich lehnend von Oelholz:

Damon
Auf, Vorläufer des Tags, o Lucifer, bringe den holden!
Während, von Nisa's Liebe, der Braut, unwürdig getäuschet,
Ich wehklag' und die Götter, obschon als Zeugen mir unnütz,
Schon mit dem Tode vertraut, anruf' in der äußersten Stunde.

Auf und beginne mit mir mänalische Lieder, o Flöte!
Mänalus hat hellklingenden Hain und erzählende Fichten
Stets um sich, stets hört er die Liebesgesänge der Hirten,
Höret den Pan, der zuerst nicht müssig verharren das Rohr ließ.

Auf und beginne mit mir mänalische Lieder, o Flöte!
Mopsus und Nisa vermählt: was hoffen wir nicht, wenn wir lieben?
Bald sind Greife mit Rossen vereint und in Folge der Zeiten
Kommen zugleich mit den Hunden die schüchternen Gemsen zur Tränke.
Neu dir die Fackeln geschnitzt: dir führt man, Mopsus, die Braut zu;
Nüsse gestreut, o Gemahl, dir schwindet vom Oeta der Hesper.

Auf und beginne mit mir mänalische Lieder, o Flöte!
Du, mit dem würdigen Manne vermählt! Da du Alle verachtest,
Da mit Hasse mein Rohr du verfolgst, mit Hasse die Ziegen,
Und die bestruppeten Brauen des Augs und das wallende Barthaar,
Auch nicht glaubst, daß ein Gott um Sterblicher Sachen sich kümm're.

Auf und beginne mit mir mänalische Lieder, o Flöte!
Als du noch Kind warst, sah ich uns'rem Geheg mit der Mutter
(Damals war ich euch Führer) bethauete Aepfel dich sammeln.
Eben vom eilften der Jahr' ins folgende war ich getreten,
Eben vermocht' ich vom Boden zerbrechliche Zweige zu haschen.
O, wie ich sah! wie Verging! wie Verwirrung ganz mich dahinriß!

Auf und beginne mit mir mänalische Lieder, o Flöte!
Kenn' ich doch Amorn jetzt: es gebar auf hartem Gestein ihn
Tmaros, auch Rhodope wohl und das ferneste Volk, Garamanten,
Kein Kind unsers Geschlechts, kein Kind auch unseres Blutes.

Auf und beginne mit mir mänalische Lieder, o Flöte!
Amor der Wütherich lehrte die Mütter im Blute der Söhne
Sich zu beflecken die Hand: auch du bist grausam, o Mutter!
Ob mehr grausam die Mutter? ob mehr der verderbliche Knabe?
Wohl der verderbliche Knab'; auch du bist grausam, o Mutter!

Auf, und beginne mit mir mänalische Lieder, o Flöte!
Nun auch fliehe von selber die Schafe der Wolf; auf der Eiche
Prange die goldene Frucht, mit Narcissus blühe die Erle.
Fett entträufle dem Baste der Sumpftamariske der Bernstein;
Trete mit Schwänen die Eul' in den Kampf, sei Tityrus Orpheus:
Orpheus sei er in Wäldern, Arion unter Delphinen.

Auf und beginne mit mir mänalische Lieder, o Flöte!
Werde zum offenen Meere das All! Lebt wohl, ihr Gehölze!
Häuptlings nun von der Warte des luftigen Bergs in die Wogen
Stürz' ich hinab! Nimm dieß als des Sterbenden letztes Geschenk hin!
Endige, endige nun mänalische Lieder, o Flöte!

Damon dieß; was darauf antwortete Alphesiböus,
Thut, Pieriden, uns kund: nicht Alles vermögen wir Alle.

Alphesiböus
Wasser herbei! den Altar umschlinge mit wollender Binde!
Saftiges Grün entzünde zum Opfer und männlichen Weihrauch.
Daß den vernünftigen Sinn durch magisches Opfer dem Buhlen
Ich zu berücken versuche, dazu fehlt Zaubergesang nur.
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe mir Daphnis!

Zaubergesang kann selber den Mond wegziehen vom Himmel;
Circe's Zaubergesang hat Ulysses' Gefährten verwandelt;
Selbst ja zerplatzt die frostige Schlang' auf den Wiesen.
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe mir Daphnis!

Fadengeflechte zuerst von drei abstechenden Farben
Wind' ich um dich dreifach, dreimal auch führ' ich im Kreise
Um den Altar dein Bild. Ungrades erfreuet die Gottheit.
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe mir Daphnis!

Dreimal knüpf', Amaryllis, in Knoten die dreierlei Farben,
Knüpf', Amaryllis, und sprich: "ich knüpfe die Fesseln der Venus."
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe, mir Daphnis!

Wie sich erhärtet der Thon, wie das Wachs sich zum Flusse verdünnet,
Beid' in der nämlichen Glut: so Daphnis in unserer Liebe.
Streue das Schrot und mit Harz entzünde den knatternden Lorbeer.
Qualvoll brennt mich Daphnis, den Lorbeer ich auf den Daphnis.
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe mir Daphnis!

So soll Liebe den Daphnis umfahn - wie, wenn sich die Müde
Kuh, durch Wälder den Stier aufsuchend und steile Gebirgshöhn,
Neben des Bachs Rinnsal hinlagert im grünenden Schilfe,
Hoffnungslos, und der spätesten Nacht nicht denket zu weichen -
So soll Lieb' ihn umfahn: nicht kümm're mich, ob er geheilt wird.
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe mir Daphnis!

Treulos ließ er dereinst mir diese Gewänder zurücke,
Theuere Pfänder von sich, die hier jetzt unter der Schwelle
Dir ich, o Erde vertrau: die Pfänder, sie bürgen für Daphnis.
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe mir Daphnis!

Diese, von mir in Pontus gesammelten Gift' und die Kräuter,
Selbst gab Möris sie mir: gar viele ja wachsen in Pontus.
Sah ich doch oft, wie Möris durch sie zum Wolfe sich machte
Und in den Wäldern sich barg und tief aus den Gräbern die Geister
Lockt' und an andere Plätze die Saat auf den Feldern versetzte.
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe mir Daphnis!

Trage die Asche hinaus, Amaryllis, und wirf in den Strom sie
Ueber das Haupt, nicht schaue zurück: so greif' ich den Daphnis
An, den die Götter so wenig, wie Zaubergesänge bekümmern.
Führe, mein Zaubergesang, aus der Stadt heim führe mir Daphnis!

Schau: es erfaßte von selbst den Altar mit zitternden Flammen,
Wie ich verzieh, sie zu nehmen, die Asch'. O, zeige das Glück an!
Etwas bedeutet es sicher; und Hylax bellt an der Schwelle.
Glaub ich's? oder bethört, wer liebet, sich selber mit Träumen?
Schone, mein Zaubergesang, aus der Stadt kam Daphnis, o, schon' ihn.
(S. 44-48)
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10. Idylle: Gallus

Dieses Geschäft, mein letztes, vergönne mir noch, Arethusa!
Kurz nur fordert mein Gallus - doch selbst auch les' es Lycoris -
Kurz nur ein Liedchen von mir. Wer weigerte Lieder dem Gallus?
Mag dir, während du unter sikanischen Fluthen hinwegschlüpfst,
Doris, die bittere, Nichts einmischen von ihrem Gewässer.
Auf zum Beginn! wir singen des Gallus bekümmerte Liebe,
Während das zarte Gesproß stumpfnasige Ziegen benaschen.
Nicht gilt Tauben das Lied: denn Alles erwiedern die Wälder.

Wo doch im Hain, wo weiltet im felsigen Thale, Najaden,
Jungfraun, ihr, als Gallus vor Lieb' unwürdig dahinstarb?
Denn des Parnassus Höhen so wenig, wie jene des Pindus
Brachten euch irgend Verzug, noch Aonia's Quell Aganippe.
Jenen beweineten selbst Lorbeern, ja, selbst Tamarisken;
Ihn, wie gelagert er war in der einsamen Grotte, beweinte
Mänalus, fichtenumragt, und des kalten Lycäus Geklippe.
Rings auch stehen die Schaf': nicht schämen ja diese sich unser,
Du auch schäme der Heerde dich nicht, o göttliche Sänger;
Hat doch am Bach auch Schafe geweidet Adonis der schöne.
Her kam, neben dem Schäfer, mit langsamem Tritte der Kuhhirt;
Her kam, weidlich benetzt, von der Eichel des Winters Menalkas.
Jeglicher fragt: "o, woher dein Lieben?" es kam auch Apollo:
"Gallus, was rasest du?" spricht er, "die so dich bekümmert, Lykoris
Nahm dir ein Anderer fort durch Schnee, durch schaurige Lager."
Her auch kam Silvanus mit ländlichem Schmucke des Hauptes,
Blühende Stauden des Fenchels und mächtige Lilien schüttelnd.
Pan, Arkadia's Gott, auch kam, den selber wir sahen,
Röthlich gefärbt mit Mennig und blutigen Beeren des Attichs:
"Nirgend ein Maß?" so beginnt er, "um das nicht kümmert sich Amor,
Nicht wird Amor der Wüthrich der Thränen, der Bäche das Gras nicht,
Noch auch die Bienen des Cytisus satt, noch des Laubes die Ziegen."
Traurig darauf spricht Jener: und doch singt, Arkader, dieses
Eurem Gebirg; allein seid ihr ja kundig der Lieder,
Arkader! o, wie sollten so sanft die Gebeine mir ruhen,
Würde dereinst mein Lieben von euerer Flöte besungen!
Wär' ich doch, ach! nur Einer von euch und ein Hirte gewesen
Euerer Heerd', ein Winzer auch nur der gereifeten Traube:
Wenigstens, ob nun Phyllis mit Glut mich, oder Amyntas,
Oder wer immer erfüllte, (was ist's, wenn bräunlich Amyntas?
Dunkel auch sind die Violen und auch die Vaccinien dunkel!)
Ruhten wir zwischen den Weiden und unter dem rankenden Weinstock.
Phyllis entpflückte mir Blumen zum Kranz, mir sänge Amyntas.
Hier sind kühlende Quell'n, hier schwellende Matten, Lycoris;
Hier ein Gehölz; hier möcht' ich mit dir durchleben die Tage!
Jetzt hält rasende Lieb' in des Mavors schrecklicher Wehr mich,
Rings von Geschossen bedroht und von feindlichen Schauern, gebannet.
Du, von der Heimath fern - dürft ich's nicht glauben! - so gar fern,
Grausame, schauest die Alpen im Schnee und die Fröste des Rhenus
Ohne mich, ganz allein. Ach, daß nicht Frost dich verletze!
Ach, daß holpriges Eis nicht ritze den zärtlichen Fuß dir!
Gehn will ich und mit meinen, nach Chalcis' Weisen gesetzten
Dichtungen will ich den Halm des sikulischen Hirten begeistern.
Fest steht's: draußen in Wäldern, in Mitte der Höhlen des Wildes
Duld' ich hinfort viel lieber und schneid' in die saftigen Bäume
Meine Lieb'; auf wachsen die Bäum', auf wächsest du, Liebe!
Mänalus' Höhn durchschwärm' ich indeß in der Nymphen Gesellschaft,
Oder ich jage den Eber, den trotzigen. Winternde Kälte
Hind're mich niemals, Hund' um parthenische Forste zu stellen.
Schon auch seh' ich mich selbst durch Klippen und tönende Haine
Wandeln; mit Lust entschnell' ich dem parthischen Horne die Pfeile
Cydons - gleich als gewährte das Heilung unserem Wahnsinn,
Oder, als lernte der Gott sich menschlicher Leiden erbarmen.
Nicht mehr wollen bereits mir die Hamadryaden gefallen,
Selbst auch nicht der Gesang. Lebt wohl, ihr Wälder, von Neuem!
Nicht ist Jenen im Stand zu beruhigen uns're Bemühung:
Nicht, wann mitten im Froste die Fluth wir tränken des Hebrus
Und den fithonischen Schnee ausdau'rten im regnichten Winter;
Noch wenn, während der Bast an der wogenden Ulme dahinstirbt,
Unter des Krebses Gestirn äthiopische Schafe wir treiben.
Amor bezwingt ja das All: auch uns laßt weichen dem Amor!

Dieses genüg', ihr Musen, gesungen von euerem Dichter,
Während er sitzt und ein Körbchen sich flicht aus geschmeidigem Eibisch.
Macht, Pieriden, o macht dieß theuer vor Allem dem Gallus:
Ihm, deß Liebe so sehr mir wächset von Stunde zu Stunde,
Als im erneueten Lenz aufschießet die grünende Erle.
Stehen wir auf! gar leicht wird Schatten den Sängern beschwerlich.
Schwer umschattet Wachholder, dem Korn auch schadet der Schatten.
Geht nun, Hesperus naht, geht heim ihr gesättigten Ziegen!
(S. 51-54)
_____


Aus: Publius Virgilius Maro's Werke
Deutsch in der Versweise der Urschrift
von Dr. Wilhelm Binder [1810-1876]
Erstes Bändchen: Idyllen. Landbau. Jugendgedichte.
Stuttgart Hoffmann'sche Verlags-Buchhandlung 1856


 

 


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