Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Mihaly Vitkovics (1778-1829)
ungarischer Dichter



An Cenzi

Wär' ich doch der Matragberg,
Dass du ein Jahrhundert lang,
Cenzi immerfort mich säh'st;
Oder würd' ich doch zur blonden
Grossen Donau, dass du in mir
Hundert Jahr' dich badetest;
Oder hätt' ich Aetna's Gluth,
Und du wärmtest nach verflossnem
Säculum dich nich an mir:
Weder Matragberg, noch blonde
Donau, ach! noch Flammen-Aetna
Kann ich jemals seyn. Nun wohl!
Wohl, so nützen wir im Leben
Den beschwingten Blitzstrahl, Zeit;
Nicht das Fünkchen Augenblick
Sause ungenützt vorbei.
Nützen wir sie, und wir füllen
Hundert Jahr' aus, ja Jahrtausend,
Und verbleiben wir nur immer,
Was wir waren: Sterbliche!
(S. 73-74)

Übersetzt von von Paziazi
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An Cenzi

Wie das Reh die frische Quelle,
Wie die Bienen duft'ge Blumen;
Also lieb' ich den erfreu'nden
Wein, und mit dem Wein der Liebe
Lieder, mit den Liedern deine
Küsse, Cenzi! rothes Mädchen.
Trink' ich Wein, erwacht die Freude
Mir, und ich erglüh' zu Liedern;
Sanft geworden durch die süsse
Liebe, deine Liebe! neid' ich
Nicht des Königs heil'gen Purpur,
Nicht das Glück, das Andern lächelt.

Glücklich bin ich durch den Becher,
Glücklicher noch durch die Lieder;
Doch am allerglücklichsten durch
Küsse, Cenzi! deine Küsse.
(S 74)

Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)
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Füreder Hirtenjunges Lied

"Schäferknabe! wo ist deine Herde?
Und was soll die traurige Geberde?"
Meine Herd' ist dort am Plattensee,
Und mich tödtet ein allmächtig Weh.

Hab' nicht heut gegessen, noch getrunken;
Hier, dem Baum gleich, lieg ich hingesunken;
Und die Sonn' am Himmel geht zur Rast,
Und mir lässt sie meiner Qualen Last.

Um mich ist's geschehn! ich klag' und weine,
Denn mich flieht die Schöne, die ich meine;
Und umsonst blas' ich mein Hirtenrohr,
Sie hat Auge nicht für mich und Ohr.

Frische Milch und junge Lämmer bracht' ich,
Durch den vollen Strauss zu siegen dacht' ich;
O, was hätt' ich denn für sie geschont?
Auch die Seele nicht, die in mir wohnt.

Küsse drückt' ich auf der Holden Wangen,
Seufzend ihr am Busen voll Verlangen,
Hin zu ihr gebogen bettelt' ich
Süssen Laut von ihrem Mund für mich.

Doch, an all' das mag sie nicht mehr denken,
Und in Nacht will sie mein Lieben senken,
Und zum Mitleid rührt sie nicht mein Schmerz,
Sonstwie liebt sie nun, sonst glüht ihr Herz.

O vom Himmel sei's an ihr gerochen!
Warum hat sie mir ihr Wort gebrochen!
Warum tödtete sie meine Lust,
Und durchstiess das Herz mir in der Brust!

Bald wenn meine Herde sich vergangen,
Und im Wahnsinn selbst mein Geist befangen,
Wird man sagen hören sicherlich:
Thor aus Liebe! Schäfer! Schad' um Dich!
(S. 74-75)

Übersetzt von Ludwig Draut
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Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828
 

 
 

 


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