Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Mihaly Vörösmarty (1800-1855)
ungarischer Dichter


Das schöne Mädchen

Ist es Schnee, ist's Stern, ist's Welle
Was dort glänzt im Thal?
Nein, nein, das nicht: was ich wähnte
Ist ein falscher Strahl.

Weder Schnee, noch Stern, noch Welle
Hat ein lockig Haar;
In dem Bach das Mädchen badet
Mit dem schönen Haar.

Mit welch reizender Bewegung
Sie das Haupt geneigt;
in der Hand hält sie ein Blümchen,
Dort am Strand erzeugt.

Süße Heimlichkeiten flüstert
Ihr in's Ohr der Wind;
Spielend beugt er Zitterzweige
Um ihr Haupt gelind.

Auch ich würde gern mich beugen
Wenn ein Zweig ich wär';
Heimlich mit dem Lüftchen hauchen,
Kosend um sie her.

Ihre zarten Glieder küssend
Schweben Fischchen nach;
Sie bestaunend weilet zögernd,
Rauschet nicht der Bach.

Ach wie würd' ich selber zögern,
Wäre ich der Bach!
Oder schwebt' ich mit euch sel'gen
Fischchen munter nach.

Wollte stets, so lang sie weilte,
Nur ein Fischchen seyn;
Lebt' vom Kusse, und im Kusse
Schlief' ich sterbend ein.

Doch was ist dies? wie die die Augen
Mich mit Trug umziehn!
Gegen Sie ist todtes Bildniss
Was mir schön erschien.

Wie die Lebenden Ihr Schatten
Reizvoll überstrahlt,
So viel schöner als ihr Schatten
Ist die Huldgestalt.

Denn nur Bild von ihrem Wesen
Und nur Schatten ist,
Was im Bach in Wellenformen
Mädchenähnlich fliesst.

Schöner steht Sie und in Schwermuth
Dort am Strande fern,
Sie, des Herzens und der Liebe
Feenhafter Stern.

Übersetzt von Georg Tretter

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828 (S. 157-158)
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Die Aufblühende

Im Kinderkreise
Die Knospende steht,
In sanfter Wonne
Durch's Gras sie geht.

Ein Blüthenzweig steckt
Im Haar ihr voll Reiz,
Die schönste Blume
Ist selbst sie bereits.

Die Puppenspiele
Verließ sie noch kaum,
Noch kaum vergißt sie
Der Kindheit Traum.

Wie Kinder schuldlos
Noch ist sie, voll Glück,
Doch flammt schon Feuer
Ihr süß im Blick.

Noch schwebt ihr Füßchen
Beflügelt im Kreis,
Doch pocht ihr Busen
Schon manchmal leis.

Von diesem Herzen
Die Regung so rein,
Das erste Sehnen,
Wer nennt es wohl sein?

Der Edensfrühling,
Wer ist's, den er schmückt?
Wie wird, o Himmel,
Der einstens beglückt!

Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854 (S. 136-137)

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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Ich sag' nicht

Ich sag' nicht, dass ich dich liebe,
Was frommt's, spräch's aus mein Mund?
Du würd'st mir drob nicht holder,
Mein Herz nur mehr noch wund.

Ich sag' nicht, wie ich dich liebe,
Welch' Wort fänd' ich dafür?
Wer's fühlt, dem dünkts unmöglich,
In's Wort es zu fassen schier.

Ich sag' nicht, wie tief im Herzen
Mein Gram wühlt fort und fort:
Es ist für solche Schmerzen
Das Grab der beste Ort.

übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874 (S. 110)

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Andor's Klage
1829

Mädchen, so groß als klein,
Falsch sind sie schmachbar!
Aufwärts, und abwärts auch,
Und auch beim Nachbar.

Blöd ist die kleine Maid,
Andre betrügen's,
Und eine große ist
Meistrin des Lügens.

Da nun so schlecht die Welt,
Dacht ich gar feine:
Binde darum mich nie
Blos nur an Eine.

Küsse, umarme gleich
Zwei und auch dreie,
Ist mir dann keine gut,
Such' ich mir neue.

Und nach der Lese führ'
Heim ich mir jene,
Der nach den Burschen nicht
Wässern die Zähne;

Die mit den Augen nicht
Folget den Andern,
Welcher zum Tanze die
Füße nicht wandern;

Deren Tritt sichtbar nicht;
Welche bis sechse
Auswärts und heim ist - und
Doch keine Hexe!
(S. 12-14)

übersetzt von Karl Maria Kertbeny (1824-1882

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Iluska's Klage
1829

Es ist ein großer Fehler
Im Dorfe hier zur Frist,
Daß unter soviel Männern
Kein rechter Bursche ist.

Der Schnupfen quälet Manchen,
Und Mancher hustet sehr;
So garstig hinket Peti,
Und Bandi ackert quer.

Wohl wäre blond der Eine, -
Doch der hat flammend Haar;
Auch wäre braun der Andre,
Doch der ist struppig gar.

Der Kluge, der Gescheite,
Der ist wie Eis so kalt;
Und der mit Wein sich wärmet
Wird kupfernasig bald.

Dies ledge Jungferleben,
Der Türke hol' es doch!
Muß einen Mann bekommen
Wohl dieser Tage noch.

Aus Eichenholze schnitz ich
Mir einen schmucken Mann;
Den werf ich in den Winkel,
Er dien' als Krug mir dann!

übersetzt von Mihaly Agost Greguss (1825-1882)

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Schwarzes Auge
1830

Schön ist blauen Auges Schimmer,
Zürne blauem Auge nimmer,
Doch des braunen Auges Strahlen
Mahnt an Mitternacht zumalen,
An der dunklen Nächte Wonnen,
An Verliebter selge Sonnen!
Nacht ist mir des Tags Gefunkel,
Doch Mittag der Nächte Dunkel.

Blicke kosend, süße Rose,
Schwarzgeaugtes Veilchen, kose!
Rabenschwingen gleicht das Blicken
Deines Schwarzaugs; zum Entzücken
Sind des Wiederspiegelns Spiele,
Und so selig ich mich fühle,
Wie die Blum', die ohne Sorgen
An der Mädchenbrust geborgen.
(S. 20-21)

übersetzt von Karl Maria Kertbeny (1824-1882

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Die Liebenden
1830

Ei, ich schlaf' nicht, träume wonnig,
All mein Denken ist so sonnig,
Unterm Haupt den Arm der Rose,
Herz am Herzen im Gekose.

Dort, das Sternlein, ei, wie loht es?
Ist's der Stern des Morgenrothes,
Liebende zusammenbringend,
Liebende zum Scheiden zwingend?

Ließ' Dich, Liebchen! ruhn noch gerne,
Doch nicht schlaf' beim Frührothssterne;
Strahlt er neu beim Spätroth nieder,
So erheitern wir uns wieder.
(S. 22-23)

übersetzt von Karl Maria Kertbeny (1824-1882

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Spiegel
1830

Deines bunten Tüchleins Beben,
Meiner Seele Lust ists eben;
Nur daß, wie's auch pocht so munter,
Falsch das Herz ist, das darunter.

Deines braunen Auges Blitzen,
Glüht durch's Herz mir, nicht zu schützen;
Leider nur, daß Falsch drin wachet,
Trügt, wenn's weint, und trügt, wenn's lachet.

Deiner rothen Lippen Reden,
Sie erschließen mir das Eden;
Leider doch, zweischneidig mundend,
Halb nur heilend, halb verwundend.

Wär' Dein Antlitz doch ein Spiegel,
Zeigend Deiner Seele Siegel,
Schön, wenn wahr Du bist, nicht lügend,
Oder nichtschön, wenn Du trügend.

Endlich würd' es dann sich zeigen,
Ob dir echte Schönheit eigen?
Oder, ob dem Moor sie gleichet,
Das beim Schritt gefährlich weichet?
(S. 24-25)

übersetzt von Karl Maria Kertbeny (1824-1882

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Die schöne Frau
1830

Zur Zeit, als Tataren verheert unser Land,
Da lebte ein Ehmann, als wacker bekannt;
Es stand sein Kastell in der Mitte des Wald's,
Kein Feind noch ersah es, für sicher drum galt's.

Die schöne Gemahlin war Zier drin und Glanz,
Der "liebliche Engel" von unserem Franz;
- So nannte sich selber die Schlange, ob schier
Vereint alles Böse gewesen in ihr.

Ein Rohr ihre Treue, ihr Zünglein ein Schwert,
Sie selber bald Sturm, und bald Blitz, der verzehrt,
Und wär' solch ein Held nur ein jeglicher Mann,
Nicht gingst Du, o Hunnia! zu Grunde sodann. -
Wie aber beschaffen auch immer die Fee,
Obgleich ihre Laune sich hob wie die See,
Obgleich sie stets zankte, und kriegte, und schrie:
War schön doch die Teuflin, ja, herrlich war sie!

Da kam es, daß wieder gekehrt der Tatar,
Er sengte und brannte, denn Noth litt die Schaar,
Der Hunger, er jagte nach vorwärts das Heer,
Das Muth nicht besiegte, noch tapfere Wehr.
Ausfälle oft machte es hin durchs Gefild,
Im grausigen Wüthen beschämend das Wild.

Wie's zuging, - genug, ein Tatar mit dem Speer,
Am Rücken den Köcher, verlor sich hieher;
Sein Antlitz, als wär' es dem Kupfer entstammt,
Die winzigen Augen von Mordgier entflammt,
Dies Männlein, wo immer es hinzog so keck,
Einjagte es Tausenden allsogleich Schreck.

Als hier der Tatar nun, da sah er um sich,
Und sprach zu sich selber: "Wie, irre ich mich?
Wer mag so gemächlich hier wohnen allein?
Wess' mag dieser Garten, dies Herrenhaus sein?
O glückliche Stunde, o selger Tatar
Hier gibt es ja Schätze, hier wohnt ein Magyar!"

Er geht denn, sieht, sieget, - nein! er wird besiegt:
Er wechselt die Farbe, wohl hundertmal fliegt
Vom Roth sie ins Röthre, wie Lämpchen erglühn
Die winzigen Augen, die Funken fast sprühn,
Und sprachlos da steht er; doch rasch wieder kam
Zu Muth er, wonach er das Wort also nahm:

"Ich könnte das Haus Dir zertrümmern, Magyar!
Und, geb ich ein Zeichen, kein Stein bleibt fürwahr;
Doch schon' ich Dein Habe, Dein Haus, Deinen Leib, -
Das Einz'ge nur gib mir, - Dein herrliches Weib!"

So sprach er, und hat nicht erst Antwort begehrt,
Er schwang gleich das Weibchen zu sich auf das Pferd,
Und, hui! ist geflogen davon er in Hast,
Sich freuend, wie nie noch, der köstlichen Last.

Der Mann doch, - wer malt seine Qual im Gemüth? -
Nach blickt er dem Fliehnden, soweit er nur sieht;
Was thu' er? Sein Haus ist der Zierde nun baar -
Er staunt nur, und seufzt dann: "Du armer Tatar!"
(S. 26-29)

übersetzt von Karl Maria Kertbeny (1824-1882

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Räuberleben
1831

"Möge Gott Dich, Becskereker, schlagen!
Glaube Niemand Deinem schönen Sagen,
Niemand Deinem schlanken Wuchs vertrau,
Noch dem Schwarzaug, das mich trog so schlau.
Meinen Mann verließ ich Deinetwegen,
Weiß mich nun vor Elend nicht zu regen;
Einsam ich im wilden Wald mich quäle,
Und vergeh', verwaist an Leib und Seele.
Straf Dich, Becskereker! Gott allorten,
Niemand glaube Deinen Schmeichelworten;
Wer gewußt ein Liebchen zu belügen,
Bleibt nie treu, wird andre auch betrügen!"

So das junge schöne Weib nun trauert,
Still auf einen Hügel hingekauert;
Sie gewährt ihr Rabenhaar dem Winde,
Drückt das Antlitz in die Hand geschwinde,
Und wie Taucher aus dem Meer sich heben,
Ihrer Brust die Seufzer nun entschweben.

Und wie's Mädchen auf der Kellerstiege
Hockt, verlockend glühn die Züge,
Sitzt der Abend auch am Weg und winket,
Buhlrisch ist er weiß und roth geschminket,
Freund dem Mord und Raub und bösem Fechten,
Furcht der Guten, doch der Muth der Schlechten.

Mählig schon verstummt der Häher Balzen,
Nimmer pocht der Specht, es schweigt sein Schnalzen,
Einsam gurrt im Nest die Turteltaube
Und es singt die Nachtigall im Laube.
Ueberm Weg, der von Leuchtkäfern flimmernd,
Ringelt sich die Schlange, prächtig schimmernd.
In dem freien Luftfeld, hoch im Zuge,
Schwebt der greise Aar im letzten Fluge;
Doch die Eule lüftet nun die Schwingen,
Um im Finstern Beute zu erringen;
Huschet sie vorbei an heller Stelle,
Deckt ihr dunkler Fittig grell die Helle.

Wer jedoch schleicht dort am Eichwaldsaume?
Seine Rechte führt das Roß am Zaume,
Ins Gesicht zog er den Hut, den breiten
Knapp sitzt ihm der Spenser an den Seiten,
Drall die Hos', der Sporn am Stiefel schwirret,
Wie zum Tanz auch schon das Spornrad klirret.

Wer's auch ist, der Bursch scheint wohlgerathen,
Stolz und schmuck, geboren zum Soldaten.
Was doch will der Wandrer hier im Dunkel?
Schwarzem Wein gleicht seines Aug's Gefunkel,
Und es streicht umher wie Noah's Rabe,
Unbesorgt, ob's einen Herrn noch habe;
Doch, wie es das Weib, dort sitzend, schauet,
Scheint's in diesem Anblick ganz verstauet.
Aber aufwärts blickt das Weib erschrecket,
Und erstarrt, wie aus dem Traum erwecket,
Fiele auch in Ohnmacht auf der Stelle,
Wäre minder schmuck doch der Geselle.
Und es spricht zu ihr der Fremdling lose:
"Ei, was bangst Du, wilden Waldes Rose?
Nimmermehr zerbrich das Haupt im Schmerz Dir,
Heilen will ich, duldest Du's, das Herz Dir.
Bin ein Reisender, und Deine Wangen
Küßt' ich gerne, die so rosig prangen."

Sprach's, und band sein Roß an einen Flieder,
Warf zur Frau sich auf den Rasen nieder.
Und er setzt sich zärtlich ihr zu Füßen
Tröstet sie mit Worten, holden, süßen,
Ihren schlanken Leib hielt er umarmet,
Und sprach schlau, bis auch ihr Herz erwarmet:
"Soll ein Ringlein Dir am Finger gleißen?
Zier' ein Bunttuch Dir den Hals, den weißen?
Willst zum Rock Kattun Du, sprich, mein Süßchen?
Oder rothe Schühlein für die Füßchen?
Willst des braunen Burschen Kuß Du, - wähle! -
Willst Du alles Denken meiner Seele?
Will Dein Liebster sein, Dir Treue weihen, -
Herrsch' von Pest bis Hortobagy im Freien!"
Sprach's, und so als kehrte er vom Markte,
Kramt er Waaren aus, mit nichts er kargte,
Aus der Tasche zog Kattun er, Schuhe,
Bunte Tücher, wie aus einer Truhe,
Und dazwischen klimperten viel Dinge,
Guldenstücke, Schmuck, und goldne Ringe.
Auggeblendet von dem Schatz des Schlauen,
Wußt' sie kaum, wohin sie sollte schauen.
Kühn doch sprach, den Herzenswunsch verhehlend,
Nun das schöne Weib, nicht lang ihn quälend:
"Mir am Finger braucht kein Ring zu gleißen,
Und kein Bunttuch zier' den Hals, den weißen;
Noch auch ein Kattunrock mich umschließe,
Will nicht rothe Schühlein für die Füße,
Nur des braunen Burschen Kuß ich wähle,
Will nur alles Denken Deiner Seele,
Will getreu Dich lieben allezeiten
Und von Pest bis Hortobagy begleiten!"

Und herunter nahm der Bursch den Hut nun,
Beide Schultern deckt der Haare Flut nun,
Und wie Mondschein quoll aus dichtem Haare
Jetzt sein junges Angesicht, das klare.
Und wer wär's, wenn nicht der Becskereker?
Niemand mehr als sie, erfreut der Schäcker,
An den Hals ihm stürzend, jauchzend lacht sie,
Froh blickt in die dunkle Mitternacht sie.
Ei, wie falsch wohl bist Du, Becskereker!
Selbst der Teufel zwingt nicht solchen Necker!
Durch die Pußten sausest Du wohinnen,
An den Gliedern rauscht Dir weißes Linnen,
Setzest in die Csarden flott hinein Dich,
Trinkst, der Welt zum Aerger, voll am Wein Dich,
Kleider hast Du, wie sie Herr'n gebühren,
Gehst auf Märkten keck und stolz spazieren,
Was durch Pracht und Preis sich unterscheidet,
Und was gut, was auf den Pußten weidet,
Wie es Deinem Aug' und Mund gefallet,
Gleich hat's die verfluchte Hand gekrallet.
Doch nicht Waaren blos bist Du ein Räuber,
Deine Seele stirbt für schöne Weiber,
Diese auch betrügst Du nach der Reihe,
Und betrogst Du sie, so suchst Du neue.
Bist ein böser Kaufmann, Becskereker!
Aber bald wird das Gericht Vollstrecker,
Ihm gefällt nicht Deine Wirthschaft, packen
Wird es Dich, der Strick winkt Deinem Nacken;
Sterben wirst Du ohne Krankheit eben,
Lustig zwischen zweien Säulen schweben,
Tanzen wird Dein Fuß zu allen Winden,
Was Du nicht gesucht, das wirst Du finden!
(S. 30-37)

übersetzt von Karl Maria Kertbeny (1824-1882

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Freiung
1831

Vicza Seele! ei, wo gehst Du?
Sieh, an schlechtem Orte stehst Du.
Liebe ist hier ausgesäet,
Kummer nur wird hier gemähet.
Pflückst Du sie, so wird's Dich reuen,
Und wenn nicht, wird nichts Dich freuen.
So wie so ist es gefährlich,
Dir und Andern wird's beschwerlich.

Vicza Seele! hast's begriffen,
Was der Kuckuck jetzt gepfiffen?
Sieh, er pfiff, ich werde sterben,
Darf ich nicht Dein Herz erwerben;
Aber liebst Du mich, o Taube,
Wie das Vögelein im Laube,
Will ich froh sein, heiter leben,
Und auch vor dem Tod nicht beben.

Komme, Täubchen! komm', und kose,
Dornenlos ist meine Rose,
Kurz am Hut erst trage ich sie,
Pflückt' im Morgenroth für Dich sie.
Willst Du, soll ich Dir sie geben?
Willst Du, nimm auch mich daneben!
Werden zwei dann sein zur Freude,
Und zu zweien auch im Leide.
(S. 38-39)

übersetzt von Karl Maria Kertbeny (1824-1882

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Hirtenmädchenlied
1831

Röschen, schmuckes Röschen,
Zartes Blümelein!
Hätt'st Du einen Liebsten,
Würd'st verwelkt nicht sein;
Ich verwelk' auch, Dir gleich,
Baar der Blätterzier:
Meine Jugend scheidet
Auch dahin mit Dir.

Röschen, schmuckes Röschen,
Hoffst Du Lenze noch?
Wehe uns! verloren
Ist ja Alles doch.
An den Blüthen treibet
Bald Dein trockner Ast,
Und ein andres Mädchen
Freut sich hier der Rast!
(S. 40-41)

übersetzt von Karl Maria Kertbeny (1824-1882

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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Schön Ilonka
1833

I.
Im Busche lauernd, harrt der Waidmann lang
Auf Wild mit angelegtem Pfeile,
Doch ob die Sonn' in ihrem hohen Gang
Vom Mittag auch schon abwärts eile -
Du harrst umsonst; an tiefster Waldesstelle
Barg sich das Wild, und ruht am kühlen Quelle.

Noch immer sitzt der Waidmann lauernd da,
Ob nicht der Abend Waidglück bringe.
Er wartet, bis die nächt'ge Kühle nah,
Und sie, sein Glück ist nicht geringe; -
Doch war's kein Wild, - ein Falter bunt am Schmelze,
Ihm nach ein Mädchen, eilen durch's Gehölze.

"Du schöner, goldner Falter, bunt beschwingt,
O flieg zu mir, Du mein Verlangen,
Sonst leite hin mich, wo die Sonne sinkt
Und wo Du ruhest, schlafbefangen!"
Sie sprichts, und gleich dem schnellen Reh im Walde,
Durchläuft das schlanke Kind die grüne Halde.

""Bei Gott, das ist ein königliches Wild,
Kein schöneres in diesen Fluren!""
Der Waidmann eilt, erfüllt vom holden Bild
Dem Mädchen nach auf seinen Spuren.
Er eilet ihr nach, sie dem Schmetterlinge,
Und Beide glühen, daß die Jagd gelinge!

"Ich hab Dich! ruft die Schlanke siegbeglückt,
Und fängt den Sohn der Frühlingslüfte;
""Ich hab Dich!"" spricht der Waidmann liebentzückt
Und schlingt den Arm um ihre Hüfte.
Sie läßt erschrocken ihren Falter fliegen,
Doch ihre Freiheit muß der Lieb' erliegen.
(S. 47-49)


II.
Steht Peterdi's, des Alten, Haus noch fest,
Und ist der greise Held am Leben?
Es steht, obwohl ihn selbst die Kraft verläßt.
Da sitzt er jetzt beim Saft der Reben;
Im Kreis der Gäste seht sein Kind ihr sitzen,
In dessen Auge holde Gluthen blitzen.

Schon ward der greise Hunyadi geehrt
Mit Sprüchen und dem Klang der Becher;
Für's Heimathland und für den Helden werth
Weint jetzt der gute greise Zecher.
Der Alte kann nur Thränen noch vergießen, -
Bei Nandor's Sturm sah man sein Blut auch fließen!

"Nun soll sein Sproß, ist schon der Feldherr todt"
So sprach der Greis, "der König leben!"
Da wird der Waidmann im Gesicht so roth,
Und mag den Becher nicht erheben.
"Willst, Knabe! Du den Becher nicht berühren?
Thu' es, und folge, wenn Dich Greise führen;

Ich bin ein Greis, der ält'ste wohl im Land,
Nicht will ich einen Buben ehren;
Der ist ein Mann, den jetzt mein Spruch genannt,
Und wird sein Heldenblut bewähren!"
Der Jüngling, Würd' und Rührung in den Blicken,
Erhebt sich nun, zum Spruch sich anzuschicken.

""So leb' er denn, des edlen Feldherrn Sohn,
So lang er mag sein Volk beglücken,
Doch möge strafend ihn der Tod bedrohn,
Will er dem Guten sich entrücken;
Bricht er die Treu, des Volkes unbekümmert,
Dann werde ihm sein Wappenschild zertrümmert!""

Und lustbeflügelt, Stund' auf Stund' entschwebt,
Bei immer lautern frohen Reden;
Das Mädchen wird stets inniger umwebt
Von stiller Liebe Zauberfäden.
"Ach, wer er sein mag, und woher entsprossen?"
Sie dacht' es nur, ihr Mund doch blieb verschlossen.

""Auch Deiner will ich, schönste Blum' im Wald,
Mit diesem Bechergruße denken;
Mögst Du mit Deinem greisen Vater bald
Den Schritt nach Buda's Veste lenken;
Ihr trefft mich dort im hohen stolzen Schlosse,
Bei König Matyas bin ich Hofgenosse.""

Der Waidmann spricht es; horch, das Hüfthorn gellt,
Es mahnt ihn, in den Wald zu eilen;
Ob ihn der Greis, ob ihn das Mädchen hält,
Er darf nicht länger hier verweilen.
"Mögst Du, zu uns zu kommen, wieder denken,
Wenn wir auch nicht zu Dir die Schritte lenken!"

Ilonka spricht verschämt den Scheidegruß
Zum Waidmann an des Hauses Schwelle;
Auf ihre Stirne drückt er einen Kuß
Und geht hinweg bei Mondeshelle.
Still ist das Haus, doch Ruhe nicht darinnen,
Sie wich der Liebe mächtigem Beginnen.
(S. 49-52)


III.
Herr Peterdi und seine Enkelin
Sind endlich doch in Buda droben,
Bei jedem Schritte staunt des Alten Sinn,
Er hat des Neuen viel zu loben.
Ilonka harrt geheim der süßen Stunde,
Da ihr der Waidmann heilt die Liebeswunde.

Das ist ein fröhlich Drängen, eine Lust,
Der König kehrt zurück vom Kriege!
Dem Feinde bot er seine Heldenbrust,
Und mehrte wieder seine Siege.
Nach ihm nur schaut die Sehnsucht seiner Treuen;
Doch schön Ilonka mag sich nicht erfreuen.

"Wo ist er nur, der schöne fremde Mann?
Wo läßt ihn sein Geschick jetzt weilen?
Ist er daheim, durchschweift er wohl den Tann,
Ein fliehend Wild dort zu ereilen?"
So fragt sie fort und fort sich, grambefangen,
Und blaß, und blühend bald sind ihre Wangen.

Jetzt nahn Ujlaki, Gara, siegbekränzt,
Gestählt vom wilden Schlachtenleben,
Und dann der König, majestätumglänzt,
Vom treuen Heldenkreis umgeben.
Den Gast erkennt nun Peterdi, der Alte, -
Es ist der König! - "Daß ihn Gott erhalte!"

"Begleit ihn Ruhm und Segen immerfort!"
So schallt der Ruf von allen Zungen;
Mit hundertfachem Echo ist das Wort
Rings auf den Bergen nacherklungen.
Ilonka starrt, ein Bild aus weißem Steine,
Verstummt, und bleich vom Schmerzenswiederscheine.

"Willst Du den Waidmann noch an Hofe sehn,
Hast Du, mein Kind, noch das Verlangen?
Wir wollen wieder in die Wildniß gehn,
Vielleicht verläßt Dich dort das Bangen."
So spricht der Greis mit ahnungsvollem Leide,
Sie gehn sofort, und gleich bekümmert beide.

Sahst Du die Blume, wenn sie niederhängt,
Vom innern Weh zu Tod getroffen?
Ilonka hält das schöne Haupt gesenkt,
Gebeugt vom Lieben ohne Hoffen.
Ihre Gespielen sind: die Gluth im Herzen,
Verblichne Hoffnung und der Liebe Schmerzen.

Ihr Leben, kurz, doch qualvoll, es entwich,
Ihr naht die Zeit des ewgen Schlummers.

Ihr Welken wohl dem Liljensterben glich,
Das Bild der Unschuld und des Kummers.
Der König kam, leer fand er's Haus der Leiden
In ewger Heimath ruhten schon die Beiden.
(S. 53-56)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Gedichte von Michael Vörösmarty
Aus dem Ungrischen
in eigenen und fremden metrischen Uebersetzungen
herausgegeben von K. M. Kerthbeny
Pest Robert Lampel Leipzig G. E. Schulze 1857

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