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William Motherwell (1797-1835)
englischer Dichter
Der Mitternachtwind
Schwermuthsvoll, o, schwermuthsvoll
Der Mitternachtwind stöhnt,
Wie süsse Klageweise wohl
Aus alten Zeiten tönt.
Von jungen Jahren er mit mir spricht,
- Wie der Hoffnung Knosp' fiel ab -
Vom Lachen, d'raus die Thräne bricht,
Von Theuren, die im Grab.
Schwermuthsvoll, o, schwermuthsvoll
Der Mitternachtwind schreit,
Und jeder Ton rührt dumpf und hohl
Auf der Erinn'rung Sait'.
Der vielgeliebten Todten Stimm'
Scheint in dem Tod zu weben,
Und was, eh' einsam Todes Grimm
Mich liess, ich liebt' im Leben.
Schwermuthsvoll, o, schwermuthsvoll
Der Mitternachtwind schwillt;
Als Abschiedslied sein Sang erscholl
Der Hoffnung, ernst und wild,
Von junger Jahre frohem Traum,
Eh' Kummers Mehlthau sank
Auf des Herzens Blüth' - die Thräne kaum
Halt' ich beim Scheideklang.
(S. 244-245)
Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer
und amerikanischer Gedichte
von den Anfängen bis auf die Gegenwart
In deutschen Übersetzungen
Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen
Notizen und einer Einleitung
von Julius Hart
Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885
_____
Das Meermädchen
"Die Nacht ist schwarz und der Wind bläst scharf,
Weisser Schaum netzt meine Brau'n,
Und ich fürcht', ich fürchte, lieb Mädchen,
Dass nimmer das Land wir schaun."
Drauf sprach das Meermädchen,
Sie sprach gar froh und frei:
"Nie sagt' ich ja meinem Bräutigam,
Dass zu Land die Hochzeit sei."
"Nie sagt' ich, ein irdischer Priester
Sollt' segnen uns ein zur Eh',
Nie sagt' ich, ein irdisch' Gebäude
Sollt' halten uns beide je."
"Und wo ist der Priester, lieb Mädchen,
Soll Erdenmensch er nicht sein?"
"O, es rauscht der Wind und es brüllt die See
In uns're Hochzeit drein."
"Und wo ist die Wohnung, lieb Mädchen,
Ist sie nicht auf Erden zu sehn?"
"Dort unten," sprach das Meermädchen,
"In den grünen Tiefen der See'n.
Gebaut ist von Schiffskielen sie,
Und von der Ertrunk'nen Gebein,
Die Fische das Wild sind in meinem Park,
Und die Wasserwüste mein Hain.
Meiner Wohnung Dach sind die Wogen blau,
Der Boden der gelbe Sand,
Weisse Blumen in den Gemächern blüh'n,
Die nimmer blüh'n auf dem Land.
Und hast du gesehen, mein Bräutigam lieb,
Ein irdisches Land, das je
Acker auf Acker gab fruchtbaren Lands,
Wie ich sie dir gebe der See?
In einer Stunde der Mond geht auf,
Und hell das Sternlein lacht,
Dann sinken wir sechzig Klafter tief
In der Wasser finstere Nacht."
Wild, wild der arme Bräutigam schrie,
Laut lachte die Braut darein,
Der Mond stieg auf und es sanken die Zwei
In die Silberfluth hinein.
(S. 245-246)
Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer
und amerikanischer Gedichte
von den Anfängen bis auf die Gegenwart
In deutschen Übersetzungen
Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen
Notizen und einer Einleitung
von Julius Hart
Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885
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Zum letzten Mal
Zerbersten will mein Kopf, Wilhelm,
Mein Herz zu brechen droht,
Mein Fuss trägt kaum mich noch, Wilhelm,
Um dich leid' ich den Tod.
Leg' dein' an meine Wang', Wilhelm,
Auf meine Brust die Hand,
Sag, dass du mein noch denkst, Wilhelm,
Wenn Ruh' im Grab ich fand.
Such' nicht zu trösten mich, Wilhelm,
Schwer Leid austoben will:
Nein, lass mich ruh'n an deiner Brust,
Und lass mich weinen still.
Lass sitzen mich auf deinem Knie,
Lass streicheln mich dein Haar,
Lass mich dein Antlitz schaun, Wilhelm,
Ich seh's nie mehr, fürwahr.
Ich sitz' auf deinem Knie, Wilhelm,
Zum allerletzten Mal,
Ein arm verzweifelnd Ding, Wilhelm,
'ne Mutter und kein Gemahl.
Ja, an mein Herz drück' deine Hand,
Und drück' es mehr und mehr,
Sonst bricht es durch das seid'ne Band,
Vezweiflung wühlt gar schwer.
Verwünscht die Stunde sei, Wilhelm,
Wo wir einander sahn,
Die Zeit, da's erste Stelldichein
Wir beide setzten an.
Verwünscht der grüne Feldweg sei,
Wo wir zu gehn gepflegt,
Verwünschet sei mein Missgeschick,
Dass Lieb' ich so gehegt.
O, acht' nicht meines Worts, Wilhelm,
Kein Vorwurf lag darein;
Doch, ach, es lebt sich schwer, Wilhelm,
Soll Schande dein Loos sein.
Die Thräne heiss netzt deine Wang',
Fliesst über die Knie hinab.
Was härmst du um Unwürdigkeit,
Um Sorg' und Sünd' dich ab.
Bin müde nun der Welt, Wilhelm,
Krank macht mich, was ich seh',
Kann leben nicht, wie ich gelebt,
Nicht sein, wie ich war eh'.
Doch drück' nur an dein Herz, Wilhelm,
Dies Herz, noch dir geweiht,
Und küss' meine weisse, weisse Wang', -
War roth vor kurzer Zeit.
Durch's Haupt fährt mir ein Schmerz, Wilhelm,
Durch's Herz ein arges Weh.
O, halte mich, lass küssen mich
Deine Stirn noch, eh' ich geh'.
Noch einen zweiten, dritten Kuss!! -
Wie schnell mein Leben bricht!
Leb' wohl, leb' wohl, mit schwerem Fuss
Betritt den Kirchhof nicht!
Die Lerch', die aus der Luft, Wilhelm,
Ihr Lied uns schickt herab,
Wird singen ihr fröhlich Morgenlied
Auch über der Todten Grab,
Und der grüne Rasen unter uns,
Der vom Thau erglänzt so schön,
Umfängt das Herz, das dich geliebt,
Wie's nie die Welt geseh'n.
Doch ach! gedenke mein, Wilhelm,
Wo immer du magst sein!
Denk' an das treue, treue Herz,
Das dich geliebt allein.
O denk', wie kalter Grabesstaub
Mein gelbes Haar macht fahl,
Wie er mir Wange küsst und Mund,
Die du küsst zum letzten Mal.
(S. 246-248)
Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer
und amerikanischer Gedichte
von den Anfängen bis auf die Gegenwart
In deutschen Übersetzungen
Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen
Notizen und einer Einleitung
von Julius Hart
Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885
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Hannchen Morrison
Gewandert bin ich nach Ost und West
Manch sauren Weg und weit,
Doch vergess' ich nimmer und nimmermehr
Die Lieb' aus der Jugendzeit.
Das Feuer, das zündet am Maientag,
Ist Weihnacht ausgebrannt,
Doch ausgebrannt noch ist das Herz,
Dem die erste Lieb' entschwand.
O theures Hannchen Morrison!
Denk' ich vergang'ner Zeit,
Dann fallen Schatten auf meinen Pfad,
Und Thränen der Traurigkeit,
Und salz'ge Thränen füllen mein Aug',
Und schwerer wird das Leid,
Wie das Gedächtniß ruft hervor
Frohe Bilder aus alter Zeit.
Da liebten wir einander sehr,
Da schieden wir in Schmerz;
Süßtraur'ge Zeit, zwei Kinder wir,
Zwei Kinder und ein Herz!
Da saßen wir auf nied'rer Bank,
Ihr half ich und mir sie,
Und sprachen und sah'n und lachten uns an,
O ich vergess' es nie.
Oft, Hannchen, sinn' ich drüber nach,
Was auf der Bank wir zwei,
Dicht Wang' an Wang' und Hand in Hand -
Was wir gedacht dabei,
Wenn nieder auf ein Blatt gebückt
Im selben dicken Buch
Du eifrig lerntest stets, doch ich,
Ich lernt' in Dir genug.
Weißt Du, wie wir zur Erde sah'n
Von Scham die Wang' entbrannt,
Wenn lachend auf dem Heimweg uns
Ein Knabe Kletten nannt'?
Und weißt Du, wie Sonnabends, wo
Man eh'r nach Haus' uns sandt',
Hinauf wir beide auf die Höh'n,
Die Ginsterhöh'n gerannt?
Mein Kopf dreht schwindelnd sich im Kreis,
Mein Herz wogt heftiglich,
Wie die Erinn'rung kehrt zurück
An die Schulzeit und an Dich.
O junges Leben, junge Lieb',
O Tage froh und lang',
Als süße Hoffnung in der Brust
Gleich Sommersblüt' entsprang.
O weißt Du, wie wir oft den Lärm
Und Drang der Stadt gefloh'n,
Zu lauschen an dem grünen Rand
Des Baches Murmelton.
Laub hing dicht über unserm Haupt,
Blumen traten uns're Füß',
Und in des Baches Dämmerung
Die Drossel sang so süß.
Die Drossel sang versteckt im Busch,
Der Bach sang zu dem Hain,
Und wir, ein Herz mit der Natur,
Wir stimmten froh mit ein.
Und auf dem Hügel an dem Bach,
Da saßen wir stundenlang
In stiller Freud', bis aus dem Aug'
Vor Lust die Thräne drang.
Ja, theures Hannchen Morrison,
Thränen netzten Deine Wang'
Wie Thau die Rose, doch kein Wort
Aus uns'rer Brust sich rang,
Das war 'ne Zeit, 'ne sel'ge Zeit,
Frisch Blut durch's Herz uns floß,
Als frei ausströmte das Gefühl,
Wortlos und sangeslos.
Gern wüßt' ich, Hannchen Morrison,
Ob ich gewesen Dir
So eng verzweigt mit Herz und Sinn,
Als Du gewesen mir.
O sag' mir, füllt noch die Musik
Das Deine, wie mein Ohr?
O sage, wird das Herz Dir schwer,
Rufst die alte Zeit Du vor?
Gewandert bin ich nach Ost und West,
Trug Leiden, herb und schwer,
Doch wo ich wandert', nah und fern,
Dich vergaß ich nimmermehr.
Der Quell, der in meinem Herzen sprang,
Er fließt dahin noch heut,
Und furchet tiefer, wie er rinnt,
Die Liebe der Jugendzeit.
O, theures Hannchen Morrison,
Getrennt sind wir gar lang,
Nie sah ich seit Dein Antlitz, hört'
Nie Deiner Stimme Klang;
Doch trüg' ich alles Elend gern,
Und stürb' in Seligkeit,
Wüßt' ich nur, daß Dein Herz noch träumt
Von mir und alter Zeit.
Übersetzt von Eduard
Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 117-120)
_____
Untreue
In der Dämm'rung im Sommer,
Im dunkeln Thal,
Am Bach wir uns trafen
Zum ersten Mal.
Wir saßen am Rande,
In die Wellen wir sah'n,
Doch blickten wir seitwärts
Uns wechselweis' an.
Der Schnarrer gar kläglich
Den Weheruf that,
Die Sternlein, sie zogen
Wie im Traum ihren Pfad.
Der Bach seine Liebe
Den Blumen that kund,
Wir hörten und sah'n nicht
Die selige Stund'.
Wir hörten und sah'n nicht,
Was um uns geschah;
Wo die Liebe lebendig,
Was soll das Wort da?
Ich sah Dir in's Antlitz,
Ich weint', und die Zähr'
Auf Dein Händchen sank nieder -
Dank mein es noch wär'!
Der Winterschnee decket
Des Baches Saum,
Und der kalte Wind streifet
Das Blatt von dem Baum.
Doch der Schnee fällt nicht schneller,
So schnell nicht das Laub
Von dem Zweig, als dein Herz ward
Der Untreu' zum Raub.
Du nahmst einen Andern
Zum Bräutigam an.
Kann sein Herz Dich lieben,
Wie meines gethan?
Zwar bringt er Dir Häuser
Und Prachtkleider zu,
Doch sie bringen nicht wieder
Verlorene Ruh.
Leb' wohl und für immer,
Mein' einzige Lieb',
Deine Freude mag kommen,
Mir Kummer nur blieb.
Schwer lastet und traurig
Diese Stunde auf mir;
Leicht mag wie die Liebe
Vergehen sie Dir.
Übersetzt von Eduard
Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet
(Band 2 S. 122-123)
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Lebwohl
Gleich früher Frühlingsblum', Marie,
Verwelkte Deine Wang',
Und über Deiner Augen Glanz
Ein Schleier sank;
Doch sieh, des Kummers Druck bei mir
Noch tiefer drang.
Lebwohl!
Und Deine Lipp' ist bleich und stumm,
Langsam und ernst Dein Gang,
Der Freude Morgen, den Du sahst,
Er währt nicht lang;
Verwandelt bin auch ich, und schwer
Am Herzen krank.
Lebwohl!
Mir ist's, als wär's erst gestern, wo
Es gab kein sel'ger Paar,
Wo Seufzer und die Thrän' im Aug'
(Vor Wonn' es war),
Wie ich Dich liebt' und wie Du mich,
Aussprachen klar.
Lebwohl!
Mit kalten und gemeß'nem Wort
Nicht uns're Liebe sprach,
Wir brauchten keine Redekunst,
Des Herzens Schlag
Und lang gehemmt Gefühl sich Bahn
Im Schluchzen brach.
Lebwohl!
Wohl uns, wär' uns're Liebe nur,
Was Weltsinn so genannt,
Da sich des Herzens Zug für uns
Zum Leid gewandt,
Und unser Traum von Seligkeit
So bald verschwand!
Lebwohl!
Doch in der Hoffnung Schiffbruch blieb
Ein seliger Genuß,
Das Schicksal ließ uns Armen noch
Den letzten Kuß,
Von Wehmuth, Lieb' und Wahnsinn ist
Er der Erguß.
Lebwohl!
Übersetzt von Eduard
Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S.
123-124)
_____
Weh über die Befehle
Weh' über die Befehle,
Die mir mein Lieb entführt!
Weh über die schlimme Sache,
Die mich zu Thränen rührt!
Weh über die blut'gen Kriege
Im oberdeutschen Land!
Sie haben mein Herz gebrochen,
Als sie mein Lieb entwandt.
Die Trommeln tönten am Morgen
Vor Tagesanbruch schon,
Und durch die graue Dämm'rung
Drang scharf der Pfeife Ton.
O 's war ein schöner Anblick,
Jede Fahn' war ausgespannt,
Doch weh, daß fortgezogen
Mein Lieb in's deutsche Land.
Nach Leith zum Hafendamme,
Wie ist der Weg so weit!
Wie schlecht mag sich's marschieren,
Wenn's in's Gesicht ihm schneit.
Und ach! die Thräne ward zu Eis,
Die mir im Auge stand,
Als ich mein Lieb zu Schiffe
Sah geh'n in's deutsche Land.
Ich sah auf die blaue Fläche,
So lang mein Aug' erkannt
Das Segel von dem Schiffe,
Wo sich mein Schatz befand.
Doch der Wind blieb kalt und heftig
Und bald das Schiff verschwand;
Jetzt trennen uns die Wogen
Und wilden Krieges Brand.
Ich denke nicht mehr an's Tanzen,
Ich wage nicht mehr zu singen,
Horch' immer, was für Kunde
Die guten Nachbarn bringen.
Zuweilen strick' ich Strümpfe,
Kann's stricken sein genannt,
Nehm' auf ich eine Masche,
Geh'n drei mir durch die Hand.
Mein Vater sagt, ich bin verdreht,
Meine Mutter spottet mein,
Schilt mich ein verzogen Kindchen,
Das launisch stets will sein.
Sie wissen nicht, von wannen
Mein schlecht Gesicht entstand,
Sie haben kein theures Liebchen
Wie ich im deutschen Land.
Übersetzt von Eduard Fiedler
(1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 125-126)
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Amors Nahrung
Sag', o sag' mir holdes Leben,
Was mag Amors Nahrung sein?
Ist es Thau, der fiel so eben
Auf das Kleeblatt grün und rein?
Sollen wir ihm Rosen geben,
Erst getaucht in Honig ein?
O nein! o nein!
Nicht Thautropf rein,
Noch Rosenknospen frisch entsproßt.
And'rer Art,
Leicht und zart
Ist des süßen Säuglings Kost.
Gieb den Seufzer ihm, den bangen,
Der durch stumme Lippen schleicht,
Redekunst, die auf den Wangen
All des Herzens Reichthum zeigt,
Des Erröthens holdes Prangen
Und den Blick, der suchend weicht.
So leicht und fein,
Die Kost muß sein,
Die das Götterkind ernährt,
Und Thränendrang,
Aus Hoffnung bang,
Ihm den Säuglingstrank gewährt.
Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 126-127)
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Maimorgenlied
Thau perlend hängt im Gras und schmückt
Mit Silberglöckchen jeden Zweig,
Die Blume blüht, die Knospe schwillt
Und Weihrauch duften aus sie reich.
Die Drossel singt im grünen Wald,
Die Amsel aus dem Schwarzdorn dicht,
Die frohe Lerche freudig grüßt
Des Morgens rosig Angesicht.
Der Morgen blinkt,
Und horch, wie schön
Die Lerche singt
Ihr froh Getön.
Frisch auf! frisch auf! sie kündet an
Mit Andachtssang der Sonne Nahn.
Komm, Liebchen, streif' den Maithau ab,
Der schwer die Zweige niederzieht,
Denn frischen Glanz der Blum' er giebt,
Die schon auf Deinen Wangen glüht.
Ueber Berg und Thal und Feld und Wald
Auror' ihr Lächeln strömen läßt,
Auf Erden scheint's ein Feiertag,
Im Himmel schneit's ein Jubelfest.
Und wahr mich's dünkt,
Denn horch, wie schön
Die Lerche singt
In lichten Höh'n.
Frisch auf! frisch auf! wie Andachtschor
Schwingt sie zum Himmel sich empor.
O herzlos ist der, dessen Brust
Nicht jener Himmelssang durchbebt,
Wenn Morgens schwebend in der Höh'
Die Lerch' ihr herrlich Lied erhebt.
Laß suchen uns das schatt'ge Thal,
Wo prächtig blüh'n die Blumen wild,
Und murmelnd rauscht der klare Bach,
Der reinen Liebe schönes Bild.
Niemand uns sieht,
Und horch, wie schön
Die Lerch' ihr Lied
Singt in den Höh'n.
Frisch auf! frisch auf! fort sie sich schwingt,
Dem Himmel meinen Treuschwur bringt.
Übersetzt von Eduard Fiedler
(1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 127-128)
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Die Meerjungfer
"Die Nacht ist schwarz und der Wind bläst scharf,
Weißer Schaum netzt meine Brau'n,
Und ich fürcht', ich fürchte, lieb Mädchen,
Daß nimmer das Land wir schau'n."
Darauf sprach das Meermädchen,
Sie sprach gar froh und frei:
""Nie sagt' ich, ja meinem Bräutigam,
Daß zu Land die Hochzeit sei.""
""Nie sagt' ich, ein irdischer Priester,
Sollt' segnen uns ein zur Eh',
Nie sagt' ich, ein irdisch Gebäude
Sollt' halten uns beide je.""
"Und wo ist der Priester, lieb Mädchen,
Soll Erdenmensch er nicht sein?"
""O es rauscht der Wind und es brüllt die See
In uns're Hochzeit drein.""
"Und wo ist die Wohnung, lieb Mädchen,
Ist sie nicht auf Erden zu seh'n?"
""Dort unten, sprach das Meermädchen
In den grünen Tiefen der See'n.
Gebaut ist von Schiffskielen sie,
Und von der Ertrunk'nen Gebein,
Die Fische das Wild sind in meinen Parks
Und die Wasserwüste mein Hain.""
""Meiner Wohnung Dach sind die Wogen blau,
Der Boden der gelbe Sand,
Weiße Blumen in den Gemächern blüh'n,
Die nimmer blüh'n auf dem Land.
Und hast Du gesehn, mein Bräutigam lieb,
Ein irdisches Lieb, das je
Acker auf Acker gab fruchtbaren Lands
Wie ich sie Dir gebe der See.""
""In einer Stunde der Mond geht auf,
Und hell das Sternlein lacht,
Dann sinken wir sechzig Klafter tief,
In der Wässer finstere Nacht.""
Wild, wild der arme Bräutigam schrie,
Laut lachte die Braut darein,
Der Mond stieg auf und es sanken die zwei
In die Silberflut hinein.
Übersetzt von Eduard Fiedler
(1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet
(Band 2 S. 129-130)
_____
Er ist fort
Er ist fort, er ist fort
Wie das Blatt von dem Baum,
Wie entführt von dem Nord
Durch die Fluren ein Flaum;
Er war nicht beklommen,
Doch die Thräne' mußt' ihm kommen
In's Aug', als genommen
Er Abschied von mir.
Ach entflohn, ach entflohn!
Wie ein tapf'rer Held,
Den Helmbusch den hohen
Zum Schwerte gesellt.
Bei des Helmbusches Schwenken
Mußt' mein er doch denken,
Mußt' wenigstens schenken
Ein Lebewohl mir.
Und er fährt und er fährt
Fernhin über's Meer,
Und lang wohl es währt
Bis zur Wiederkehr.
Doch wo er auch sprenget,
Von Lanzen umdränget,
Gewiß er noch hänget
Mit Liebe an mir.
Er ist hin, er ist hin
Wie das Blatt von dem Baum,
Doch ist eisern sein Sinn,
Denkt er mein nicht im Traum.
Mir träumt von ihm immer,
Vom Glanz und dem Schimmer
Der Waffen und nimmer
Ist fern er von mir.
Übersetzt von Eduard Fiedler
(1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet
(Band 2 S. 130-131)
_____
Die Werbung Jarl Egill Skallagrim's
"Schönes Mädchen von Orkney,
Du Meeresstern!
Ich flog übers Wasser
Zu dir aus der Fern',
Verließ Schlacht und Beute,
Den heimischen Strand,
Um dir Liebe zu singen
Und zu küssen die Hand.
Schöne Tochter des Einar,
Goldhaarige Maid!
Der Herr jenes Schiffes,
Der Kühnste im Streit,
Die Freude des Meeres
In Krieg und bei Wind,
Hat gelobt dich zu freien,
Sei hold ihm gesinnt!"
So freite Jarl Egill im Torf Einar's Tochter.
"In Jütland, in Island,
Auf Neustria's Strand,
Wo die bläulichen Wogen
Mein Schifflein durchwand,
Pries die Harfe dein Lob
Und Gesang deine Schön',
Und lang liebte mein Herz dich,
Eh' mein Aug' dich gesehn.
Ja, Tochter des Einar,
Recht stolz magst du sein:
Es ist ein Wikinger,
Der kömmt dich zu frei'n;
Es ist ein Wikinger,
Der 's Knie beugt vor dir,
Und schwöret bei Freya:
Seine Braut sucht er hier!"
So schwor, als sein Herz überströmte, Jarl Egill.
"Dein Arm ist umschlossen
Mit Bändern von Gold;
Dein Gürtel erglänzet
Von Perlen gar hold;
Das Stirnband, so festhält
Drin lang gelbes Haar,
Ist gestirnt mit Juwelen
Gar herrlich und klar;
Doch fürstlich're Gaben
Jarl Egill dir bringt:
Als Gürtel sein mächtiger
Arm dich umschlingt;
Des Seekönigs Schiff giebt
Er dir zum Palast;
Als Unterthan Wogen
Und Wind ohne Rast."
So beschenkte Jarl Egill die herrliche Braut.
"Nein, zaudre nicht zürnend,
Noch schüttle das Haupt;
'S ist ein Wikinger, der sich
Zu werben erlaubt!
Er weiß nicht mit Zagen
Und Zittern zu frei'n,
Mag's immer bei Landreh'n
Sitte so sein:
Die Wiege, die lang
Und gesund ihn gewiegt,
Hat kräftig die Hand
Und das Herz ihm gefügt.
So kommt er, wie's Jarl ziemt,
Das Schwert an der Seit',
Voll Stolzes und Ruhmes,
Und wirbt um dich, Maid!"
So freite Egill und warf sein lang Schwert.
"Laß Vater und Brüder
Und Sippe darein,
Die Tochter, ich schwor's, soll
Seekönigin sein!
Drum fort mit der Grille. -
Wohl zeigt es der Strand,
Daß nimmer sein Ziel fehlt
Dies Aug', diese Hand,
Ich machte noch keine
Drei Schritt' auf dem Land,
Da nagten ein Jarl
Und sechs Söhne den Sand.
Nein, Mädchen, beweine
Nicht der Kämpen Fall,
Die den Bräut'gam dir hielten
Zurück von der Hall'!"
So tadelt' und küßte Jarl Egill die Holde.
"Durch Schatten und Schrecken
Tief unter der Erd',
Trotz graus'gen Gesichten,
Die's Herz mir empört,
Besucht' ich die Wolen
Am dunkelsten Ort,
Und zwang sie, die Zukunft
Zu sagen mir dort.
Ich ließ sie durchlesen
Die düstere Schrift
Und deuten, welch Schicksal
Mich Liebenden trifft.
Ja, Mädchen, sie lasen,
Welch herrliches Glück
Als fröhlichem Bräut'gam
Mir bestimmt das Geschick!"
So trotzte die Liebe Jarl Egill's den Schatten.
"Sie wuchsen und schwanden
Aufgehend und ab,
Und düsteres Feuer
Ihr Antlitz umgab;
Ihr regloses Steinaug'
Belugte mich lang,
Dann sangen sie finster:
"Das Schwert und der Sang
Gewinnen die Zarten,
Sind der Wilden Zucht,
Und ziehen aus feindlich
Gesinnten noch Frucht!"
So sangen die Schwestern,
Einar's holde Maid!
Dem Spruch zu gehorchen
Zeig' drum dich bereit!"
So liebte Jarl Egill die Tochter des Einar.
"Dies Kräuseln der Lippe,
Dieses Auges Gluth,
Dies Wogen des Busens
Voll Stolz und voll Muth -
Gleich schäumender Welle
Dein Busen sich hebt,
Wie das Feuer des Blitzes
Dein Adleraug' bebt:
Ha, frei, fest und kühnlich
Und stattlich und hehr,
Geht dein Fuß durch die Halle,
Wie 'n Schiff durch das Meer;
Dies gefällt mir, dies lieb' ich,
Du Mägdlein wie Erz!
So recht, denn dem Kühnen
Gefällt ein kühn Herz!"
So rufend umarmte Jarl Egill die Stolze.
"Hinweg und hinweg denn,
Ich hab' deine Hand!
Ha, der Freud'! unser Schifflein
Es nahet dem Strand;
Ich nenn' es den Raben,
Die Schwinge der Nacht,
Weil's den Inseln des Lichtes
Verderben gebracht.
Sind wir erst auf dem Deck,
Schwellt die Segel der Wind,
Dann sollst du erfahren
Wie's Reiche gewinnt!
Dann sollst du erfahren,
Großherzige Maid,
Wie die Klinge bei Kön'gen
Um Lösegeld freit!"
So besänftigt Jarl Egill das zitternde Mädchen.
"Ja, sieh' dies Gefäß an,
Ein Klumpen von Gold,
Und, hei! seine Klinge
Von Blute vergold't.
Das Gefäß ist recht glänzend,
Doch edler das Blatt,
Das Velins mit Zauber
Geschmiedet mir hat.
Ich nenn' es die Natter,
Denn Tod bringt sein Zahn,
Und dem Licht bricht's durch Harnisch
Und Bein helle Bahn.
Schöne Tochter des Einar,
Dünk' hoch dich geehrt,
Weil du Egill's Gefährtin,
Geliebt wie sein Schwert!"
So gewann sich Jarl Egill die Tochter Torf Einar's.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 12-18)
_____
Hannchen Morrison
Ich war im Ost, ich war im West
Von mancher Wandrung müd,
Doch nie vergaß ich, wie die Lieb'
Am Lebensmorgen glüht.
Walpurgis' Feuer mag verkohlt
Wohl sein zur Weihnachtzeit;
Das Herz, drin erste Lieb' erkühlt,
Ein schwärzres Loos bedräut.
O liebstes Hannchen Morrison
Erinnrung alter Zeit
Deckt noch mit Schatten meinen Pfad,
Und trübt mein Auge, Maid!
Sie trübt mein Aug' mit salziger Fluth
Und bringt mir bittres Leid,
Weil sie mich so vergebens mahnt
An alte, frohe Zeit.
Da hatten wir einander lieb,
Da traf uns Abschiedsschmerz;
Süßbittre Zeit! zwei Kinder noch,
Zwei Kinder und nur ein Herz!
Da war's, wo ich auf blumigem Strand
An deiner Seite saß,
Und Lächeln, Blick' und Wort' empfing,
Die nimmer ich vergaß.
Noch wundr' ich mich, lieb Hannchen, oft,
Was wir wohl sonst gedacht,
Wenn Wang' an Wang' und Hand in Hand
Wir saßen sonder Acht?
Wenn Beid' auf ein breit Blatt gebeugt,
Das Buch auf unsern Knie'n,
Dein Mund beim Lesen war, und ich
In dir zu lesen schien.
O weißt du, wie du's Köpfchen hingst,
Wie, schamerglüht wir Beid',
Wenn's lachend in der Schule hieß,
Ich gäb' dir das Geleit?
Und denkst du an den Samstag noch,
(Nur früh war Schule dann)
Wo blüh'nde Ginsterberge froh
Wir kletterten hinan?
Mein Kopf geht wie im Kreis herum,
Mein Herz tobt wie das Meer,
Wenn mir die Schul' und dich zurück
Bringt der Gedanken Heer!
O Morgenleben! Morgenlieb'!
Eu'r Tag, wie licht und lang,
Wo süße Hoffnung unser Herz
Wie Blüthenschnee umschlang!
Und weißt du? oft verließen wir
Wohl das Geräusch der Stadt,
Zu lauschen einem Murmelbach,
Zu wandeln auf der Matt':
Das Sommerlaub deckt' unsern Kopf,
Die Blumen unsern Fuß,
Und in der Waldesdämmerung
Erklang der Drossel Gruß.
Die Drossel sang so süß im Wald,
Den Bäumen sang der Bach,
Und unser gleichgestimmtes Herz
Sang der Natur dann nach;
Und auf dem Hügel saßen wir
Alsdann wohl stundenlang
In stiller Freud', bis eine Thrän'
Vor Lust in's Aug' uns drang.
Ja, Hannchen, über deine Wang'
Manch heiße Zähre floß,
Wie Thau von Rosen perlt, wiewohl
Sich keine Lipp' erschloß.
O süße Zeit, o selige Zeit,
Wo die Empfindung träumt,
Und in dem Herzen, frisch und jung,
Ungesungen überschäumt!
Lieb Hannchen, wissen möcht' ich wohl,
Ob ich so eng mit dir
Verknüpft in der Erinnerung,
Wie du für immer mir?
Sag' mir, ob deinem Ohr Musik
Sie wie dem meinen beut;
O sag' mir, ob dein Herz erglüht
In Träumen alter Zeit?
Ich war im Ost, ich war im West,
Ein hartes Loos war mein;
Doch mocht ich wandern nah' und fern,
Nie, nie vergaß ich dein.
Der Quell, der meiner Brust entsprang,
Weilt, ruht und rastet nie,
Und tiefer gräbt sich, wie er rinnt,
Die Lieb' aus Lebens Früh'.
O theures Hannchen Morrison,
Seit uns getrennt die Pflicht -
Nie hört' ich deiner Zunge Laut,
Nie sah ich dein Gesicht;
Doch trüg' ich gern mein Mißgeschick
Und schliefe selig ein,
Wüßt' ich, dein Herz gedächte noch
Vergangner Zeit und mein!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 24-28)
_____
Zum letzten Mal!
Der Kopf zerspringt mir fast, Willie,
Bald bricht mein armes Herz -
Die Füße werden mir so matt,
Und ich erlieg' dem Schmerz!
Leg' deine Wang' an meine Wang',
Deine Hand an meine Brust,
Und sage, denken willst du mein,
Wenn längst ich sterben mußt'!
O tröst' mich nicht! Der Gram, Willie, -
Sein Wille muß gescheh'n;
Doch laß mich ruh'n an deiner Brust
Und seufzen, weinen, fleh'n;
Laß sitzen mich auf deinem Knie,
Laß mich dein Haar zerstreu'n,
Und laß in dein Gesicht mich seh'n, -
Zum letzten Mal soll's sein!
Ich sitz' auf deinem Knie, Willie,
Zum letzten, letzten Mal,
Und daß ich Mutter und doch kein Weib,
Erfüllt mein Herz mit Qual.
Ja, deine Hand drück' an mein Herz,
Und press' es mehr und mehr,
Sonst sprenget wohl das seidne Band
Verzweiflung wild und schwer!
O, weh der bittern Stund', Willie,
Die dich mir gab im Hain!
O, weh' der bösen Zeit, Willie,
Des ersten Stelldichein!
O, weh der grünen, blumigen Au,
Wo wir zu geh'n gewohnt -
Und weh dem Schicksal, das mit Lieb'
Mir meine Lieb' gelohnt!
Doch merk' nicht auf mein Wort, Willie,
Dich will ich ja nicht schmäh'n; -
'S ist aber hart, im Leben nur
Verachtet sich zu seh'n!
Von deiner Wang' rinnt heiße Fluth
Und netzet meine Hand;
Was aber weinest du, Willie,
Um Sorge, Sünd' und Schand'?
Müd' bin ich dieser Welt, Willie,
Nichts deucht mir lieb und hold;
Ich kann nicht leben, wie ich gelebt,
Nicht sein, wie ich's wohl sollt'.
Doch schließ' an deins mein Herz, Willie
Das ewig dir geweiht,
Und küss' nochmals die bleiche Wang',
Die roth in frührer Zeit!
Es zuckt mir durch den Kopf, Willie,
Es zuckt mir durch die Brust,
O, halt' mich, daß ich küssen kann
Dein Auge, meine Lust!
Noch einmal, eh' das Herz mir bricht
Und eh' ich scheiden muß!
Leb' wohl! durch jenen Kirchhof geh'
Alsdann mit leisem Fuß!
Die Lerche in der Luft, Willie,
Die schwebt ob unserm Haupt,
Wird fröhlich singen um mein Grab,
Mit Weiden überlaubt;
Der grüne Rasen, unser Sitz,
Von lichtem Thau erhellt,
Wird decken dieses Herz, das dich
Geliebt vor aller Welt.
O, dann gedenke mein, Willie,
Wo du magst immer sein;
Dann denk' an dieses treue Herz,
Das dir gehört allein!
Und denk' der Erde, die mein Haar
Dann drücket kalt und schwer
Und küßt die Wang' und küßt das Kinn,
Die du küßt nimmermehr!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 29-32)
_____
Trauerlied treuer Liebe
Die Lieb' ist leicht und sucht das Neu',
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Und andre Lieb' ist tief und treu
Und trotzt der Zeit, o weh!
Mein Lieb singt treuer Liebe Leid,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Einen Rittersmann und seine Maid
Ein schönes Paar, o weh!
Er liebt' sie - wärmer liebt kein Herz,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Die Maid war stolz und kalt wie Erz,
Ein eitles Ding, o weh!
Er liebte sie wohl lange Zeit,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Sie gab für Lieb' ihm bittres Leid
Mit kaltem Spott, o weh!
Es läßt für keinen Ritter fein,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Der Liebe treulos drum zu sein,
Weil er verschmäht, o weh!
Der Ritter nahm sein Schwert zur Hand,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Und suchte Trost in fernem Land
Für herben Schmerz, o weh!
Weit zog er fort zu Land und Meer,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Der Treue Spiegel, hell und hehr,
Jedoch umsonst, o weh!
Er schalt und schmähte nicht sein Lieb,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Doch haucht' er ihren Namen trüb
Vor jedem Schrein, o weh!
Er sprach und sang und scherzte nicht,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Sein Herz in stiller Sehnsucht bricht,
Das arme Hirn, o weh!
Nicht seufzt' und weint' er bitterlich,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Doch konnt' er sterben ritterlich -
Des Lebens müd, o weh!
Und auf dem Banner, das er trug,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Stand wiederum der alte Spruch:
"Treu immerdar!" o weh!
Dies Banner führt' die Christen an,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Und schlug Seldschuck und Turkoman
In heißem Kampf, o weh!
Die Schlacht war aus, der Tag vorbei,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Da mißte man den Ritter treu;
Welch grauser Schmerz, o weh!
Man fand ihn auf dem Schlachtgefild,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Zerbrochen war sein Schwert und Schild
Und seine Lanz', o weh!
Er lag bei der Erschlagnen Schaar,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Sein bräunlich Bett, der Rasen, war
Von Blut gefärbt, o weh!
Auf seine bleiche Stirn und Wang' -
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Schien Mondes Licht gar mild und bang
Und trauervoll, o weh!
Man hob den treuen Ritter auf,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Und trug voll Herzeleid ihn drauf
Ins kalte Grab, o weh!
Sie begruben ihn auf fernem Strand,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Und sein Gesicht sah nach dem Land
Der theuren Buhl', o weh!
Da lag in Ruh das Herz so müd,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Und träumt' von ihr, für die's geglüht,
Wohl wiederum, o weh!
Sie sagten Nichts, doch manche Zähr' -
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Fiel auf des Ritters Bahre schwer
Aus glüh'ndem Aug', o weh!
Und mancher Seufzer tief entsproß -
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Dem heißen Wunsch, gleich makellos
Zu sterben einst, o weh!
Mit Feiermetten und Gebet -
Ha, Regen, Wind und Schnee!
Ward ihm ein steinern Kreuz erhöht
Aufs grüne Grab, o weh!
Drein gruben sie mit Dolchen dann,
Ha, Regen, Wind und Schnee!
"Hier liegt ein treuer Rittersmann!
Er ruh' in Frieden, Ade!"
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 53-57)
_____
Das gespenstige Mädchen
In meiner Kammer wiederum!
An meinem Bett aufs Neu'!
Du lächelst süß, wie Sonnenschein,
Die Hand ist kalt, wie Blei!
Ich kenne dich! ich kenne dich!
Erschrick nicht, Mägdlein schön!
Das goldene Gewand fuhr auf
Und ließ den Fuß mich seh'n;
Das goldene Gewand fuhr auf,
Der Taffet dünn und zart,
Und sichtbar alsobald das Maal
Von Tod und Sünde ward!
O glänzendschöner Teufel, geh'
Und lasse, lasse mich!
Es sammelt kalter Todesthau
Auf meiner Stirne sich!
Und binde deinen Gürtel fest,
Zeig' deine Reize nicht,
Die reiner, weißer als der Schnee,
Den der Wind zu Kränzen flicht.
Fort, fort mit deinem glüh'nden Kuß!
Mein armes Herze siecht,
Wenn deine Lippe wie Gewürm
Auf meinen Wangen kriecht.
Ha, drücke mich nicht länger mit
Der liebeleeren Hand,
Die weißer, als die frische Milch,
Der Schaum am Meeresstrand,
Und weicher, als das seidne Blatt
Der Blum' und Blüthe scheint,
Doch frostiger, als Eis und Schnee,
Nur Grau'n in sich vereint.
Matt, kalt und klebrig ist die Hand,
Die mir zum Herzen dringt,
Wie Todes Finger, wenn vermorscht
Der Lailach niedersinkt.
O, beug' dich auf mein Kissen nicht -
Dein rabenschwarzes Haar
Umschattet mit Verzweiflung wild
Dann meine Stirn fürwahr!
Die dichten Locken füllen mir
Das Hirn mit Fiebergluth,
Und in den Schläfen rast aufs Neu'
Des Wahnsinns Schreckenswuth.
Das Mondenlicht! das Mondenlicht!
Die tiefe Meeresbucht!
Zwei sind auf diesem Strand, und dort
Ein Schiff die Ferne sucht!
In ihrer Schönheit, ihrer Kraft,
In Schweigen und in Gluth,
Durchhaucht' der Liebe Duft das Land,
Wie süße Frühlingsbluth;
Die Wogen warfen weißen Schaum
Auf den bleichgelben Sand,
Und hell erglänzte Mondenschein
Auf eine kleine Hand;
Und Lauben, Blumen schmückten hier
Und dort des Baches Rand,
Wo die verlorne Seele mir
Ein glüh'nder Mund entwandt.
Nun decken Schatten Berg und Thal,
Wald, Fluß und Meeresbucht;
Ja, Dunkel deckt sie, und mein Aug'
Darnach vergebens sucht.
Die Sonne sank, die Vögelein
Zieh'n ihrem Neste zu;
Manch glücklich Herz geht blumengleich
Und ohne Schuld zur Ruh:
Doch ich Verlorner! doch was thut's!
Ja, küsse Wang' und Kinn, -
Küss' nur - gewonnen hast du mich,
Du schöne Sünderin!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth
(S. 58-61)
_____
Zara
"Des Mondes reines Silberlicht
Bedeckt das Wasser, wie ein Schleier;
Gleich Zara's holdem Lächeln spricht
Zum Herzen mir sein mildes Feuer."
"Ruh', Mondlicht! auf der Meeresfluth
Und lull' in Schlaf die Schaukelwelle;
Dann komm', wo Selim's Tochter ruht
An dieser Brust in Berges Zelle."
"O, scheine, Mond! mit mildem Strahl,
Schein' immer so, bei Nacht und Morgen:
Denn malt die Sonne Berg und Thal,
Erwacht mein Lieb zu Gram und Sorgen."
So sang der Spanier und zerstreut'
In Zara's Brust das leise Bangen;
Nicht sah der Mond den Mord, der dräut',
Und lächelt' ihrem Liebverlangen.
Ach, nur zu früh erschien der Strahl
Der Sonn' den Rittern, der Soldada;
Zu früh erklang der Hörnerschall,
Der Trommelschlag in alt Grenada!
Noch deckte Thau der Blumen Pracht,
Noch hingen Nebel überm Thale,
Als Selim und der Zegris Macht
Stürzt' aus dem Thor mit einem Male.
Die Ebne deckten Waffen schön,
Ein Anblick, der das Aug' erlabte,
Als fort zu Alpuxara's Höh'n
Die Ritterschaft stolz Selim's trabte.
Dann klommen sie hinauf, wo dräut
Der schroffe Fels von Alpuxara;
Zu böser, unglücksel'ger Zeit
Fand Selim die verlorne Zara.
Sie schlafen, lächeln, träumen still
Von künft'gen Tagen ohne Kummer;
Ihr Mund spricht leis - ihr Geist, er will
Vereint noch sein in tiefem Schlummer.
Der Maur schwankt' einen Augenblick,
Im Aug' schien eine Zähr' zu beben;
Er hörte, Zara, fleht' um Glück
Für ihres bösen Vaters Leben.
Die Faust, die den Krummsäbel hält,
Läßt los, dann faßt sie ihn noch enger;
Die Thräne, die dem Aug' entfällt,
Weilt auf der dunkeln Wang' nicht länger.
Vorbei die Blutthat ist gethan,
Den Mord vollstreckten Vaterhände;
Doch in Grenada weinte man
Noch lang' um Zara's traurig Ende.
Und manches Mauermädchen ruht'
Als Pilgerin zu Alpuxara
Und that Gelübde, wo die Wuth
Selims den Spanier traf und Zara.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 62-64)
_____
Der Elfenwald
Graf William schwingt sich zu Roß voll Muth,
(Hell glänzet das Mondlicht auf der See,)
Und spornt es an in fiebrischer Gluth;
(Der Schlehdorn blühet so weiß, wie Schnee.)
Graf William sprenget, wie ein Vöglein leicht,
(Die Liebe reitet gar schnell, gar schnell,)
Bis den Elfenwald er hat erreicht -
(Schön Mägdlein, blink' mir über den Quell.)
Der Elfenwald ist finster und graus,
(Gar lustig klinget des Guckucks Schrei'n,)
Doch das Laub sieht weiß, wie Silber aus;
(Lange Wege verkürzet des Lichtes Schein.)
Und ein Jungfräulein gar hold und schön -
(Manch Blümchen blüht, das Niemand sieht,)
Ist unter einer Eiche zu seh'n;
(O Wonne, wenn Grün die Lauben umzieht!)
Und ringsum schlummert der Mondenschein,
(Die Haube machet die Mädchen gut,)
Ihre Lippen gleichen blutrothem Wein;
(Vor allen duftet die Rose voll Gluth.)
Es war ganz hell um die holde Gestalt,
(Fern ist mein Lieb und über der See,)
Doch Düster umhüllet den Elfenwald;
(Der Ritter, mein Lieb, verließ mich im Weh.)
O, milchweiß waren die Hände der Maid,
(Mein Liebchen trug manch Ringelein,)
Und ihre Haut war weicher, als Seid',
(Ihr Hals erglänzte, wie Lilien rein.)
Guten Tag, du lieblichste Maid in der Welt,
(Ein edles Herz zeigt edle That,)
Die allein steht unter dem Blätterzelt;
(Gar lieb der Ritter sein Streitroß hat.)
Wenn allen Menschen du wohnst so fern,
(Mein Herz, es hänget an diesem Land,)
Dann würd' ich dein Gefährte gern;
(Das Schifflein segelt heran zum Strand.)
Das Fräulein sagte kein Wort, kein Wort,
(Wer wenig spricht, thut Wenigen Leid;)
Sie spielt' auf ihrer Harfe fort,
(Und jede Freud' hat ihre Zeit.)
Geh' Ost oder West durch alle Welt,
(Dir scheinet freundlich ein jeder Stern,)
Und zieh' die Straße, die dir gefällt;
(Die Feyen reiten selbander gern.)
Graf William beugte sich tief zur Erd',
(Der Liebe Samen ist Ritterlichkeit,)
Und hob sie auf sein muthiges Pferd;
(Nun bist du die Meine, liebliche Maid!)
Sie schleudert' die Harf' auf den alten Baum,
(Ein guter Harfner ist immer der Wind,)
Und Musik durchsäuselt den luftigen Raum,
(Die Vöglein singen im Blättergewind.)
Die Harfe spielte nun fort allein,
(Lang ist meiner Liebsten goldiges Haar,)
Bis sie bezaubert Stock und Stein;
(Und über die Furth geht's ohne Gefahr.)
Und als sie hinter ihm saß zu Roß,
(Die Herzen sind selig, die Liebe vereint,)
Da flogen sie fort gleich einem Geschoß;
(Ihr Kind kennt die Mutter und Freund den Freund.)
Das Fräulein sprach kein Wort, kein Wort,
(Spröd sind die Mädchen an Mannes Seit',)
Doch das Roß, es wieherte fort und fort,
(Stolze Herzen verdrießt eine Kleinigkeit.)
Sie legt' um seine Brust ihre Hand,
(Die Mädchen lieben, wenn's ihnen gefällt,)
Doch war sie kalt wie ein eisernes Band,
(Wie der rauhe Winter, der fesselt die Welt.)
Deine Hand, schön Fräulein, ist bitterkalt,
(Je wärmer das Herz, desto kälter die Hand,)
Ich zittre schier wie die Blätter im Wald;
(Ein Nichts löst bisweilen das Freundschaftsband.)
Wirf über das Haupt den Schleier, süß Kind!
(Mein Lieb' trug ein rothes Scharlachkleid,)
Das Gewand breit' über das Roß vorm Wind,
(Alljede Freude hat ihre Zeit.)
Das Fräulein redete nicht darein,
(Eine schlechte Frau, die nicht widerspricht!)
Doch kälter noch wurden die Fingerlein;
(Manch Lied ist geschrieben, doch singt man's nicht.)
Kein End' nimmt der Wald in dem Elfenland,
(Es jage wer will, ich lob? mir das Licht!)
Ich wollt', einen Bogen spannt' meine Hand
(Hier unter dem Baum so grün und dicht.)
Sie ritten bergauf, sie ritten bergab,
(Gar langsam schwindet die bleiche Nacht;)
Graf William's Herz ward kalt, wie im Grab,
(Ha, mein Lieb, sag' an, wann der Tag erwacht?)
Deine Hand erkältet die Brust mir zu Stein,
(Kleine Händchen hat mein holdes Lieb;)
Mein Roß kann nicht mehr stehen allein,
(Die Nachtluft ziehet so frostig und trüb.)
Graf William wandte sein Haupt herum,
(Der Mond scheint hell in der blauen Fern';)
Zwei Elfenaugen machten ihn stumm,
(Meiner Liebsten Augen sind funkelnde Stern'.)
Ein Augenpaar so brennend und groß -
(Meines Liebchens Augen sind klar und schön,)
Aus nacktem Schädel Feuer ergoß;
(Gar mancher Anblick ist schrecklich zu seh'n.)
Dann sagten zwei Reihen schneeweißer Zähn':
(O, lang und traurig ist unser Weg,)
Kalt muß der stürmische Wind noch weh'n
(Und der Thau muß fallen auf Wald und Geheg.)
Fort über die Moor' und Berg' und Höh'n,
(Horch, wie die lustige Jagd erklingt,)
Durch Thäler und Schluchten und Flüss' und Seen,
(Komm, Liebchen, und horch, wie die Amsel singt!)
Fort, fort durch Feuer und rauschende Fluth,
(Ein wildes Gemüth rast gleich der See,)
Durch Schlacht und Kampf, durch Mord und Blut,
(Einen Lallach webt mir das Schicksal, o weh'!)
Meine Zaubermähr' ist nun am Schluß,
Und noch seufzt schaurig der Nachtwind dort;
Von Himmel und Hölle verstoßen, muß
Noch wandern der Geist mit dem Geiste fort.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 70-75)
_____
Die drei Wünsche
Wär' ich der Wind, der unsichtbar
Wie's Heer der nächt'gen Geister,
Wo fänd' ich wohlgemuth fürwahr,
Daß ich nicht mehr mein Meister?
O, Gretchens Wang',
Wo süß und bang
Erröthet reinste Liebe,
Das wär' die Stell',
Wo rein und hell
Mein Kerker sich erhübe.
Ich lebt' auf diesem Rosenbeet
Und fächelt's ohne End;
Kein andres Paradies erfleht'
Ich unterm Firmament.
Wär' ich ein Elfenritterlein,
Und gar der Feenkönig,
Der wohl beim hellen Mondenschein
Zu streifen liebt ein Wenig,
Wo ritt ich die Nacht
In aller Pracht
Der Elfenritterschaft,
Wenn schwämm' entlang
Der süße Klang
Der Feensängerschaft?
Ihr Nacken, weiß wie schneeige Firn',
Ihr Liebe hauchender Mund,
Ihr zartes Kinn, die edle Stirn,
Dies wär' mein Zaubergrund.
Wär' ich ein Vöglein bunter Art
Mit hellem, munterm Sange,
Wo säng' ich Liebeslieder zart,
Wo setzt' ich gern mich lange?
Vor Gretchens Ohr,
Wie keins zuvor,
Stimmt' ich mein Kehlchen rein,
Säng' süße Weis'
Zu Gretchens Preis,
Und nie vergäß' sie mein.
An ihren Busen sänk' ich dann,
Und Nichts trennt' unser Band;
Und freudetrunken nennt' ich dann
Ihr Herz mein Heimathland.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 86-87)
_____
An das Mädchen meines Herzens
Der heitre Bach, der murmelnd dort
Die stillen Au'n durchfließt
Und mit dem sonnenhellen Blick
Die grünen Büsche grüßt,
Singt süß der schläfrigen Blumenschaar
Ein leises Wiegenlied,
Und spricht zu mir von Lieb' und dir,
Bis all mein Kummer flieht.
Die fröhliche Musik im Wald,
Wenn jedes Blatt am Baum
Vom trauten Winde wird bewegt
Und singet wie im Traum,
Und wenn in Windes muntres Lied
Sich mischt der Vögel Sang,
Erweckt in mir von Lieb' und dir
Gedanken süß und bang.
Die Ros' erschließt die rothe Wang',
Wenn Morgens sie erwacht,
Und eine Falb' um das Gebirg
Die hehre Sonne macht:
Behängt mit hellen Perlen strahlt
Sie dann gar köstlich mir,
Weil jeder reine Tropfen Thau
Ein Bild mir scheint von dir.
Und wenn die Bien' im Sommer keck
Durchsummet Wies' und Rain
Und ihren zarten Rüssel streckt,
(Ein fahrend Ritterlein,) -
Die Jägerin, die nach Süßigkeit
Manch fernes Land durchzieht,
Sie singt von dir, sie singet mir
Ein süßes Liebeslied.
Und wenn ich in der dunklen Nacht
Durch Himmels stille See
In ihrer milden Schönheit zieh'n
Die bleichen Sterne seh',
Dann fliegt mein Herz mit ihnen fort
Zu sel'ger Geister Ruh',
Und sein Gefährt' in weite Fern'
Bist immer, immer du.
Doch o! der hellen Murmelbach,
Der Blätter Klang im Wind,
Der Rose hold verschämter Blick,
Der Biene Summen lind,
Der lichten Wandrer ferner Lauf
In Himmels weiter See
Erregte mir, liebt' ich nicht dich,
So wenig Lust als Weh'!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 115-117)
_____
O, wehe dem Befehl
O, wehe dem Befehl, wornach
Mein Schatz marschiren mußt',
Und weh' der Sache, die getrübt
Mein Aug' und meine Brust;
O, weh' dem bösen blut'gen Krieg
Im fernen deutschen Reich,
Denn er hat mir mein Lieb geraubt
Und brach mein Herz zugleich.
Die Trommel wirbelt' in der Früh,
Als kaum der Tag gegraut,
Und in der Morgendämmrung gellt'
Die Pfeife schrill und laut;
Die schmucken Fahnen wehten all',
Den Tapfern eine Lust,
Doch weh', daß nach dem deutschen Reich
Mein Schatz marschiren mußt'.
O, lang, lang ist der Weg nach Leith
Und seiner schönen Rhed',
Und schrecklich ist ein Marsch zu Fuß,
Wenn Schneegestöber weht;
Und ach! im Aug' gefror vom Wind
Mir selbst die heiße Thrän',
Als nach dem deutschen Reich mein Lieb
Ich wollt' einschiffen seh'n.
Weit sah ich übers blaue Meer,
So lang zu sehen nur
Ein bischen Segel auf dem Schiff,
Worin mein Liebster fuhr;
Gar scharf und bitter blies der Wind,
Der 's Schiff zur Ferne trieb,
Und 's Meer und der grausame Krieg
Hat mir geraubt mein Lieb.
Nun denk' ich nimmer an den Tanz
Und mag selbst singen nicht,
Und hör' nur unserm Nachbar zu,
Bringt er ein neu Gerücht.
Bisweilen strick' ich einen Strumpf -
Wenn stricken sagen dürft',
Wer eine Masche macht und drei
Dafür herunterwirft.
Mein Vater schilt mich bitterbös,
Die Mutter spottet mein
Und nennt mich ein verzärtelt Ding,
So traurig stets zu sein;
Doch kennen sie die Ursach nicht,
Die macht mein Aug' so trüb:
Sie haben in dem deutschen Krieg
Nicht solch ein schmuckes Lieb.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 153-155)
_____
Der Bach
Die sanfte Sommerdämmerung
Umzog das dunkle Thal,
Da sahen an dem kalten Bach
Wir uns zum ersten Mal:
Wir saßen auf dem blum'gen Rand
Und blickten in den Bach
Und sahen von der Seit' uns an,
Doch keine Zunge sprach.
Der Wiesenläufer klagt' im Strauch
Mit traurigem Gesang;
Die Sterne zogen träumerisch
Den Himmelspfad entlang;
Der Bach gestand den Blumen zart
Seine Lieb' mit freiem Mund;
Wir aber sah'n und hörten Nichts
In jener sel'gen Stund'.
Wir hörten und wir sahen Nichts
Ringsum und in der Fern';
Wir fühlten, unsre Liebe lebt', -
Und spricht der Mund dann gern?
Ich sah in dein Gesicht, bis mir
Das Aug' eine Thräne schwellt';
Sie fiel auf deine kleine Hand -
Mir alles Gold der Welt.
Nun fällt des eisigen Winters Schnee
Auf Halm und Wiesensaum,
Und nun beraubt der kalte Wind
Des Laubes jeden Baum:
Doch nicht so schleunig fällt der Schnee
Und nicht so schnell das Laub
Von seinen Aesten, als dein Herz
Der Untreu' ward zum Raub.
Denn einen andern Bräutigam
Hast du dir auserwählt;
Doch ist sein Herz in heißer Lieb',
Wie mein's, mit dir vermählt?
Zwar magst du haben Haus und Hof
Und manches schöne Kleid;
Doch bringt dies Alles dir zurück
Den Frieden früh'rer Zeit?
Leb' wohl, leb' wohl für immerdar,
Mein erst und letztes Lieb!
Mög' deine Freud' in Zukunft blüh'n, -
Mir bleibt die Vorzeit lieb!
Nur Traurigkeit und Sorge bringt
Die böse Stunde mir;
Doch leicht, wie deine Liebe, geh'
Vorüber sie an dir!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth
(S. 156-158)
_____
Entzücken!
Entzücken! Entzücken!
O, wie entzücken
Mich diese dunklen Augen,
Die aus seidnen Wimpern blicken!
Sie lieben! sie lieben
Mich innig und mit Feuer,
Und mehr als Alles auf der Welt
Sind mir die Augen theuer.
Entzücken! Entzücken!
O, wie entzücket
Mich dieses sonn'ge Lächeln,
Das die sanften Wangen schmücket!
Es strahlet! es strahlet,
Wenn ich ihr näher rücke,
Und lieber wird dies Lächeln mir,
So oft ich es erblicke.
Entzücken! Entzücken!
O, wie entzücket
Mich diese Flötenstimme,
Die mein Gemüth bestricket!
Sie singet! sie singet
Deine heiße Lieb' zu mir,
Und widerhallt mein treues Herz
Die treuste Lieb' zu dir.
Entzücken! Entzücken!
O, welch Entzücken
Bringt Herolds Ruf, wenn Wappen
Die weiten Schranken schmücken!
Dann knieest du betend
Im heitren Sonnenglanze,
Und herzliche Gebete weihst
Du meiner guten Lanze!
Entzücken! Entzücken!
O, wie entzücket
Mich diese seidne Schleife,
Die den rechten Arm mir schmücket!
Einst ziert' sie den Busen,
Der wogt allein für mich,
Und nun umwindet sie den Arm,
Der Ruhm gewinnt für dich!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 166-167)
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Er ist fort
Er ist fort! er ist fort!
Wie vom Baume das Laub,
Wie der Flaum, den der Nord
Wegführet als Raub.
Er verließ die Geliebte,
Eine Thrän' aber trübte
Wohl sein Aug', als er übte
Den Treubruch an mir!
Ach! er ist mir geraubt,
Und er zieht in den Streit
Mit dem Helm auf dem Haupt
Und dem Schwert an der Seit'.
Als sein Helmbusch keck nickte,
War es Reu', die ihn drückte?
Denn sein Aug' - o, das blickte
Zum Lebwohl nach mir!
Er ist fort! er ist fort,
In die Fern' über See!
Eh' er kehret von dort,
Droht mir, ach, noch manch Weh'!
Wo sein Roß er mag lenken,
Wo die Lanzen sich senken,
Wird der Blick' er wohl denken
Der Liebe von mir?
Er ist fort! er ist fort!
Wie die Blätter vom Baum;
Doch sein Herz ist verdorrt,
Denkt er mein nicht im Traum!
Denn mir träumt von ihm immer,
Und sein Schwert und der Schimmer
Seines Panzers wird nimmer
Vergessen von mir!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth
(S. 171-172)
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Maimorgenlied
Der helle Morgenthau behängt
Mit Silberglöcklein Halm und Ast,
Und Blüthen, Knospen brechen auf
Und duften Weihrauch ohne Rast.
Die Drossel pfeift im grünen Wald,
Der Hänfling singt im Schirm des Hags,
Die muntre Lerche grüßt vergnügt
Das Rosenagesicht des Tags.
Der Morgen glüht,
Und horch': wie's klingt!
Ihr Morgenlied
Die Lerche singt;
Sie führet ein die liebe Sonn'
Mit einem Feiersang voll Wonn'.
Komm', komm', mein Lieb! und schüttle dir
Maithau vom Baum, so viel beliebt,
Der frischen Glanz der zarten Blüth'
Auf deiner jungen Wange giebt.
Aurora's süßes Lächeln strömt
Durch Berg und Thal und Moor und Wald,
Weil auf der Erd' ein Feiertag,
Und Jubelruf im Himmel schallt.
'S ist Recht und Pflicht,
Denn horch', wie's klingt!
Gebadet in Licht
Die Lerche singt;
Zu Himmels reinen Höhen zieht
Wie'n heiliger Gedank' ihr Lied.
Wer nicht des Himmels Stimme fühlt
Am Sommermorgen, wenn voll Lust
Der frohe Sänger steigt empor,
Der hat kein Herz in seiner Brust.
Komm', laß uns in das Waldthal geh'n,
Wo reizend blüh'n die Blumen wild
Und wo das klare Bächlein rauscht,
Der reinen Liebe schönstes Bild.
Kein Ohr lauscht dort,
Und horch', wie's klingt!
Die Lerche fort
In den Lüften singt:
Sie fliegt davon, doch trägt sie nur
Zum Himmel meinen Liebesschwur.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 175-176)
_____
Ade
Die Rosen deiner Wang', Marie,
Sind blüthengleich geknickt,
Und trauervoll dein Auge nun,
Das helle, blickt;
Doch tief're Spuren hat der Gram
Mir aufgedrückt!
Ade!
Dein Mund ist bleich und stumm, Marie,
Und langsam geht dein Fuß:
Der Freude Morgen schwand dir nach
Dem ersten Gruß,
Wie mir, der bei des Wechsels Weh'
Nun weinen muß!
Ade!
Wie gestern dünkt es mir, Marie,
Als wir ein sel'ges Paar,
Wo Thrän' und Seufzer meine Lieb',
So rein und wahr,
Gestand und zeugte, wie geliebt
Ich wieder war.
Ade!
Nicht kaltes, abgemess'nes Wort
Sprach unsre heiße Gluth:
Beredsamkeit verschmäht das Herz
Voll Liebesgluth,
Und Seufzer hauchten ein Gefühl,
Das lang geruht.
Ade!
O, war doch unsre Lieb' die Lieb',
Die Andre Leichtsinn lehrt,
Nun unser Trank der Leidenschaft
Zu Gift verkehrt,
Und unser süßer Traum von Glück
In Schaum zerfährt!
Ade!
Doch bei der Hoffnung Untergang
Bleibt noch uns ein Genuß:
Das Schicksal raubt uns Armen nicht
Den letzten Kuß!
Verzweiflung, Wahnsinn, Lieb' vereint
Der Scheidegruß,
Ade!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 177-179)
_____
Die Stimme der Liebe
Wenn die Landschaft deckt die schatt'ge Nacht
Und bleiche Sterne halten Wacht;
Wenn Thau die Blumenkelche säumt
Und wie ein Fluß das Mondlicht schäumt,
Dann ist die Zeit,
Wo das Herz voll Lieb' nicht länger träumt -
Dann ist die Zeit,
Wo die Stimme der Liebe zaubrisch gebeut.
Wenn der Mond verschämt die Wellen herzt
Und das Laub gar traulich singt und scherzt;
Wenn Schlummer jedes Aug' umhüllt
Und selbst Diana's Aug' erfüllt,
Dann ist die Zeit,
Wo das Herz vor Lieb' und Wonne schwillt -
Dann ist die Zeit,
Wo die Stimme der Liebe zaubrisch gebeut.
Wenn des wachen Hunds Gebell erstickt
Und stumm die Eul' im Mondschein nickt;
Wenn das Feuer fast verglommen ist,
Und wenn der Hahn zu kräh'n vergißt,
Dann ist die Zeit,
Wo das Herz von Liebe überfließt -
Dann ist die Zeit,
Wo die Stimme der Liebe zaubrisch gebeut.
Wenn die Nacht uns scheint der Erde Gruft
Und nichts mehr klingt in Wald und Luft;
Wenn Land und See bezaubert lauscht
Und Geräusch mit sel'ger Ruh' vertauscht,
Dann ist die Zeit,
Wo das Herz gleich einem Springquell rauscht -
Dann ist die Zeit,
Wo die Stimme der Liebe zaubrisch gebeut.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 182-183)
_____
Liebesvertrauen
O geh', o geh', und nimmer sag',
Daß er mir treulos sei!
Laß glauben mich den kurzen Tag
An meines Liebsten Treu!
Sag' mir, zur Quelle kehr' ein Fluß,
Der Schnee erglüh' wie'n Feuerguß,
Dies glaubt' ich eher schon;
Doch nimmer kann ich glauben, er
Sei treulos mir entfloh'n.
Er trieb' nur Scherz? er trieb' nur Scherz?
Ich kenne sein Gemüth!
Er bricht gewiß kein liebend Herz
Und läßt sein Lieb und flieht!
Sag' mir, die Sonn' geh' auf nicht mehr,
Nachts glänz' nicht mehr das Sternenheer,
Dies glaubt' ich eher schon;
Doch nimmer kann ich glauben, er
Sei treulos mir entfloh'n.
O, kann 's so sein? nein, wahrlich nein!
Muß glauben es mein Ohr,
Daß der vertraute Liebste mein
Nur mich zu trügen schwor?
Häuf' glüh'nde Kohlen auf dies Haupt,
Bis mir der Schmerz das Leben raubt -
Dies wär' ein Gotteslohn
Den Tag, der mir gesagt, mein Lieb
Sei treulos mir entfloh'n.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 184-185)
_____
O bittrer Kampf
O bittrer Kampf! O Todeskrampf,
Sieht's Herz, das treu geminnt,
Daß Eid und Schwur war Täuschung nur
Und leicht wie Sommerwind!
O wilder Kampf! o Todeskrampf,
Liest's Herz sein Mißgeschick,
Nach kurzer Nacht die welke Macht
Im liebeleeren Blick!
O heißer Kampf! o Todeskrampf,
Wenn's Herz voll stolzer Gluth
Vom Schicksal lernt, wie weit entfernt
Das Glück, bevor es ruht!
O schwerer Kampf! o Todeskrampf,
Entsagt es dann mit Schmerz
Der falschen Gluth, dem Wankelmuth,
Der bricht ein treues Herz!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 186)
_____
Serenade
Erwach', erwach',
Lieb Herz erwach'
Vom leichten Schlaf!
Denn drunten wacht in stiller Nacht
Dein treuer Sklav
In seiner hellen Rittertracht,
Den Liebe traf!
Erwach', erwach'!
Erwach', erwach'!
Am Himmelsdach
Lacht mancher Stern
Mit hellem Schein im Aeugelein,
Und aus der Fern'
Schaut mild der Silbermond darein.
Er hat dich gern!
Darum erwach'!
Steh' auf, steh' auf!
Nicht der Sterne Lauf
Bewundr' ich nur:
Ein schön'rer Stern ist, hoff' ich, mein
Zu treuem Schwur;
O, glänzten mir im Antlitz dein
Die Sterne nur!
Steh' auf, steh' auf!
O komm' herbei,
Eh' Kriegsgeschrei
Schreckt Land und Meer;
Wenn die Sonn' erwacht, dann zieht zur Schlacht
Im Harnisch schwer
Der Rittersmann mit Heeresmacht
Und kehrt nicht mehr!
O, komm' herbei!
Wie, keinen Laut?
Ich habe Laut'
Und Harfe nicht,
Zu freu'n dein Ohr mit süßem Chor
Und Liebesgedicht;
Mit Helm und Schwert kam an dein Thor,
Der zu dir spricht!
Wie, keinen Laut?
Stumm kannst du sein
Bei der Werbung mein?
Nicht klag' ich wild:
Noch bleibt dein Mund mir eine Stund'
Mit Düften mild,
Bevor mir droht ein früher Tod
Im Schlachtgefild!
Stumm kannst du sein?
Nun gute Nacht,
Weil drunten wacht
Dein Rittersmann:
Bald glänzt im Wald der Morgen kalt
Und ruft ihn dann,
Wo Gold und Stahl erfüllt das Thal
Und 's Roß bäumt an!
Drum gute Nacht!
Schlaf', süßes Licht!
Wenn's Herz mir bricht,
Klag' nicht um mich:
Zum letzten Mal grüßt Drommetenschall
Die Lieb' und dich;
Und hörst du wiedrum diesen Hall,
Starb' ich für dich!
Schlaf', süßes Licht!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 187-189)
_____
Liebeswunsch
Könnt' Liebesgunst
Durch feinste Kunst
Die Felsen sprechen lehren
Du würdest sie
Dann spät und früh
Deine Schönheit preisen hören.
Der Widerhall
Mit süßem Schall
Würd' aus der Schlucht erwidern;
Die holde Treu'
Eilt' auch herbei
Und folgt' des Echos Liedern.
Hätt' Röslein Sinn,
So wahr ich bin!
Es würde nicht mehr blühen:
Denn deiner Wang'
Hat es vorlang
Geraubt dies holde Glühen.
Wenn die Lilie säh', -
Mit süßem Weh'
Sie wohl vor dir sich neigte,
Wenn deine Stirn
Wie schnee'ge Firn'
Im Morgenlicht sich zeigte.
Und säng' der Bach
Die Worte nach,
Die Lieb' ihn lehren wollte,
"Wie schön bist du!"
Dann ohne Ruh'
Sein Rauschen singen sollte.
Und sagt' der Wind,
Wie ich gesinnt,
Dann würde Wald und Heide
In stiller Nacht
Deiner Schönheit Macht
Gesteh'n mit hoher Freude.
Und säh' so mild
Und lichterfüllt
Der Himmel deine Sterne,
O, sicherlich
Erhöb' er dich
Zum Schmuck der nächt'gen Ferne.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 190-191)
_____
Der Abschied
Wir scheiden kalt wie Erz
Und sagen solch Ade,
Als bebt' durch unser Herz
Nicht bittres Liebesweh'!
Und wollen wir uns trennen
Ohne Seufzer bang und trüb,
Als wär's seltsam zu nennen,
Daß wir einander lieb?
Wir scheiden an dem Ort,
Die Stirn umwölkt und kalt,
Wo glüh'ndes Liebeswort
Zuerst der Brust entwallt!
Die Schwüre, die wir gaben
In diesem heil'gen Hain,
Du willst zurück sie haben -
Gebrochnen Herzens sein!
Ach, kalt ist unsre Hand
Und glanzlos unser Aug';
Du thust wie unbekannt
Mit tiefem Seufzerhauch!
Ade ist bald gesprochen,
'S ist nur ein Abschiedswort;
Doch leben herzgebrochen
Wir, fürcht' ich, dann noch fort!
Dein Auge wird nicht naß
Und Stolz glüht meines roth;
Doch eh' im Tod wir blaß,
Manch' Kopfweh noch uns droht!
Vom Stolze können wir borgen,
Muth fehlt zum Scheiden nicht;
Doch unser Herzleid morgen
Ertragen Beid' wir nicht!
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 192-193)
_____
Amor's Nahrung
Sag' mir, schöne Maid, vor Allen,
Was soll Amor's Nahrung sein?
Morgenthau, der frisch gefallen
Auf die Blätter grün und rein?
Oder Rosen wie Korallen
Und getränkt mit Honigwein?
O nein, o nein!
Laß Rosen sein
Und Thaustern' an dem grünen Blatt:
Andres macht,
Als du gedacht,
Den zarten, süßen Säugling satt.
Gieb ihm Seufzer, welche beben
In dem Mund, der schweigt, doch sprüht;
Laute, die der Brust entschweben,
Daß die Wange loh erglüht;
Magst ihm auch Erröthen geben
Und den Blick, der sucht, doch flieht.
So Zartes speist
Der kleine Geist,
Solche Kost ist gut und leicht;
Und mit der Thrän'
Von süßen Weh'n
Wird das holde Kind gesäugt.
Übersetzt von
Heinrich Julius Heintze (1811-1860)
Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841
Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 194-195)
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