Sei gegrüßt, o Lieb der Cherubim

und Lobgesang der Engel!

Ephräm der Syrer (306-373)

Gebete des heiligen Kirchenvaters Ephräm des Syrers
an die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria
 

Darsow-Madonna. Lübeck, Marienkirche (Datiert 1420)


 

 



 

Erstes Gebet

Allerheiligste Frau, Gottesgebärerin, allein reinste an Seele und Leib, allein über alle Reinheit und Keuschheit und Jungfräulichkeit hocherhabene, die allein ganz die Wohnung der ganzen Gnade des allerheiligsten Geistes geworden ist, und daher auch die unkörperlichen Kräfte (Geister, Engel) ohne Vergleich an Reinheit und an Heiligung der Seele und des Leibes übertrifft: o schau' auf mich, den Abscheulichen und Unreinen und an Leib und Seele durch die Befleckung meines in Leidenschaften und Lüsten zugebrachten Lebens Beschmutzten! Reinige meinen durch Leidenschaften entstellten Sinn! Mache rein und stelle wieder her meine verirrten und verblendeten Gedanken! Ordne und leite meine Sinne! Befreie mich von der mich thyranisirenden so schlimmen und schändlichen Gewohnheit unreiner Vorstellungen und Gelüste! Hemme alle die in mir mächtige Sündhaftigkeit und schenke meinem verfinsterten und unglücklichen Geiste Nüchternheit und Einsicht zur Besserung meiner Fehler und Vergehungen, damit ich von der Finsterniß der Sünde befreit gewürdigt werde, Dich mit vertrauender Freimüthigkeit zu preisen und zu verherrlichen als die allein wahre Mutter des wahren Lichtes, Christi unsers Gottes, weil Du allein mit Ihm und durch Ihn gebenedeit und verherrlicht bist von der ganzen unsichtbaren und sichtbaren Schöpfung jetzt und allzeit und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Zweites Gebet

Jungfrau, Herrin, Gottesgebärerin, als gnadenvoll gepriesene Gottesmutter, hochgebenedeite Gottesmutter, Gottgefälligste, Wohnung der Gottheit des eingebornen Sohns des unsterblichen und unsichtbaren Vaters, neige Dein Ohr und höre auf die von meinen schmutzigen und unreinen Lippen kommenden Worte! Denn sieh: mit zerknirschter Seele und gedemüthigtem Sinne nehme ich zu Deiner Barmherzigkeit meine Zuflucht. Verachte also mich Elenden nicht! Laß mich, Deinen unwürdigen Diener, nicht ganz und gar zu Grunde gehen, sondern Deiner mütterlichen Fürbitte Dich bedienend, heile meine arme Seele, die durch meine bösen Leidenschaften arg zerschlagen ist. Der böse Feind hat sie durch die Sünden der Liebe zur Lust zermalmt und auf die Erde geworfen mit Füßen getreten. Darum bin ich aller Beschämung voll, und wage es nicht, mit freudigem Angesicht um Vergebung meiner vielen Sünden und um Heilung meiner unheilbaren (d. h. nur durch eine besondere Gnade heilbaren) Wunden meinen menschenfreundlichen Gott zu bitten; denn befleckt habe ich den Tempel des Leibes und durch unanständige Begierden ihn furchtbar verunreinigt, und alle Sinne habe ich durch unerlaubte Handlungen mißbraucht. Deßhalb habe ich nicht den Muth, meine Hände, die ich durch böse Werke besudelt, zum Himmel zu erheben und zum Gebete die Lippen zu öffnen, die ich durch Lästerungen und Verleumdungen gegen den Nächsten verunreinigt habe. Deßwegen, o allerreinste Frau, werfe ich Elender und Verlorner vor Deiner unaussprechlichen Barmherzigkeit mich nieder; denn ich habe keine andere Hoffnung und Zuflucht, als Dich, und Dich habe ich zu meinem einzigen Troste und zur schnellen Hilfe. Du bist meiner Seele Frohlocken, der Traurigkeit Entfernung, von der Gefangenschaft Erlösung, der Todten Vergöttlichung, unsere Versöhnung und Zuflucht, die Auferstehung der Gefallenen, die Umbildung meiner Seele und des Leibes (zu neuem, schönerem Leben), die Erlösung von meinen Sünden, meines vertrockneten Herzens Gott entfließende Besprengung, meiner finstern Seele weithin glänzendste Leuchte, meiner Nacktheit Gewand, meiner Seufzer Stillung, meiner Übel Abhilfe. Auf Dich nämlich hoffe ich, Deiner rühme ich mich. Entferne von uns Deinen Beistand nicht, sondern hilf, und beschütze und stehe uns beständig bei! Es ergötzt sich ja an Deinen Bitten Dein eingeborner Sohn, und Er, der unter die Knechte gerechnet werden wollte, wird um desto mehr die (Dir verliehene) Gnade aufrecht erhalten und den Dir eigenen Beschluß, die Ihm zu Seiner unaussprechlichen Geburt (im Fleische als Gottmensch) diente. Darum auch erfreut Er sich an Deinen Fürbitten, indem Er es für Seine eigene Ehre ansieht (sie zu gewähren), und erfüllet (wie) aus Schuldigkeit Deine Bitten. Verachte daher nur nicht mich so ganz Elenden, und die Unanständigkeiten meiner Handlungen mögen ja nicht Dein unermeßliches Erbarmen hemmen! Gottesgebärerin, mein über Alles ersehnter Name! Denn kein festeres Siegeszeichen (kein mehr sicheres Siegesmittel) gibt es als Deine Hilfe. Vor Dir also, ganz Tadellose und Mittlerin der Welt, falle ich in Reue nieder, anrufend die in Nöthen schnelle Hilfe, die Beschützerin nach Gott, meinen sichern und mächtigen Beistand. Vieler Vergehungen schuldig rufe ich aus der Tiefe meines Herzens zu Dir: Freundin der Güte, Freundin herzlichen Mitleids, erbarme Dich über mich, den mit aller Unflättigkeit und Trägheit Angefüllten, und nimm dieses mein erbärmliches und armes Gebet an! Wenn ich es auch träg' und sorglos Dir dargebracht habe, so mach' es mir doch durch Deine mütterlichen Fürbitten angenehm Deinem Sohn und Gotte! Mache mich würdig des Himmelsreiches, daß ich lobe und preise den Vater und Sohn und den heiligen Geist jetzt und allzeit und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Drittes Gebet

Jungfrau, Herrin, Gottesgebärerin, die unsern Heiland und Gott Christus in ihrem Schooße getragen, auf Dich setze ich alle meine Hoffnung, und auf Dich vertraue ich, die Du erhaben bist über alle himmlischen Mächte. Du beschütze mich, ganz Unbefleckte, ringsum durch Deine göttliche Gnade! Lenke mein Leben und führe es nach dem heiligen Willen Deines Sohnes und unsers Gottes! Schenke mir der Vergehungen Nachlassung! Werde mir Zuflucht, Schirm, und Hilfe, und Führerin, die ins ewige Leben mich hinleitet! In der furchtbaren Stunde des Todes aber verlaß, o meine Gebieterin, mich nicht, sondern eile mir zu Hilfe und entreiße mich der grausamen Tyrannei der bösen Geister! Du hast ja als wahre Mutter Gottes und Herrin über Alles nach Deinem Willen die Macht dazu. Nimm, o allerwohlwollendste, allerheiligste Frau, Gottes Mutter, kostbare und Dir allein gebührende Geschenke von uns, Deinen unwürdigen Dienern an, Du aus allen Geschlechtern Auserkorne, über die ganze Schöpfung der himmlischen und irdischen Wesen (Engel und Menschen) erhaben dastehende! Denn durch Dich haben wir den Sohn Gottes kennen gelernt, Durch Dich ist der Herr der Heerschaaren zu uns gekommen und sind wir Seines heiligen Leibes und Blutes gewürdigt worden. Selig bist Du unter den Geschlechtern der Geschlechter, von Gott Seliggepriesene, leuchtender als die Cherubim, und herrlicher als die Seraphim. Und nun, o allgepriesene, allerheiligste Gottesgebärerin, höre nicht auf, für uns, Deine unwürdigen Diener zu bitten, daß wir von aller Nachstellung des Bösen und von jeder Gefahr errettet, und unverwundet von jedem Angriffe mit glühenden Pfeilen bewahrt werden! Behüte uns aber auch bis ans Ende durch Deine Fürbitten frei von Verdammung, damit wir durch Deine Unterstützung und Hilfe gerettet, allezeit Ehre und Lob und Dank und Anbetung dem in der Dreiheit (der Personen) Einen Gotte und Schöpfer aller Dinge darbringen! O Du gute und alleredelste Frau, des guten, allguten und überaus guten Gottes Mutter, sieh auf das Flehen Deines unwürdigen und unnützen Dieners, und mit Deinem gnädigen Auge und nach der vielen Erbarmung Deiner unaussprechlichen Milde verfahre mit mir und übersieh (sieh nicht auf) meine Vergehungen, die im Worte und die im Werke, die mit jedem Sinne begangenen, freiwilligen und unfreiwilligen, wissentlichen und unwissentlichen, und mache mich ganz neu, mich bildend zu einem Tempel des allerheiligsten und lebenschaffenden und mächtigst herrschenden Geistes, der als des Allerhöchsten Kraft Wohnung nahm in deinem ganz unbefleckten Leibe und ihn überschattete! Du bist nämlich die Hilfe der Bedrängten, der Beistand der Gefährdeten, die Retterin der von Stürmen Herumgetriebenen, der Hafen der mit Ungewitter Kämpfenden, die Beschützerin und Vertheidigerin der Bedrohten. O schenke Zerknirschung Deinem Diener, Ruhe der Gedanken, Stille des Geistes, einen weisen Sinn, Nüchternheit der Seele, eine demüthige Gesinnung, eine für Heilige geziemende wachsame Haltung, ein verständiges und geordnetes Betragen, das als Zeichen der innern Seelenstimmung die Wohlgezogenheit und den Frieden sehen läßt, den unser Herr Seinen eigenen Jüngern schenkte! Möge mein Flehen in Deinen heiligen Tempel und in die Wohnung Deiner Glorie gelangen! Vergießen sollen meine Augen Quellen von Thränen, damit Du mich durch meine eigenen Thränen abwaschest, und durch die Ströme meiner Zähren abspülest, mich reinigend vom Schmutze der Gelüste! Lösche die Handschrift meiner Vergehungen aus! Zerstreue die Wolken meiner Muthlosigkeit, der Gedanken Nebel und Verwirrung; der Leidenschaften Windstoß und Sturm halte fern von mir, und bewahre mich in Unverwirrung und tiefer Stille! Erweitere mein Herz durch geistige Erweiterung, erheitere und erfreue mich mit unaussprechlicher Freude und immerwährender Heiterkeit, damit ich die geraden Wege der Gebote Deines Sohnes in geradem Laufe fortlaufe, und wandle mit unverdammlichem Gewissen und unanstößiger Aufführung! Gib aber auch mir zu Dir Flehenden ein reines Gebet, damit ich mit unbeflecktem Geiste und nicht wankendem Sinne beständig mit unersättlicher Seele Tag und Nacht die Aussprüche der heiligen Schriften betrachte, und mit Bekenntniß psalliere, und mit Frohlocken des Herzens bete zur Glorie und Ehre und Verherrlichung Deines eingebornen Sohnes und unsers Herrn Jesu Christi, Dem da gebührt alle Glorie, Ehre und Anbetung jetzt und allzeit und in Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Viertes Gebet

Meine über Alles (Erschaffene) heilige Herrin, Gottesgebärerin, gnadenvolle Gottesmutter, über Alles Gebenedeite, Gottgefälligste, Wohnung der Gottheit Deines eingebornen Sohns, (des Sohnes) des unsterblichen und unsichtbaren Vaters, feuergestaltiger Thron, überaus herrlicher als die Viergestaltigen (Cherubim am Wagen Gottes bei Ezechiel I., 5.); Allerreinste, Allerunentweiheste, Allerunbefleckteste, Allermakelloseste, Allertadelloseste, Allerpreiswürdigste, ganz Unversehrte, Allerseligste, ganz Unverletzte, Allerehrwürdigste, Allerschätzbarste, Allgepriesene, Allerwähnenswertheste, Allverlangenswürdigste, Jungfrau an Seel' und Leib und Geist, Sitz des über den Cherubim thronenden Königs, himmlische Pforte, durch welche wir Erdbewohner in den Himmel hinausgelangen, Braut Gottes, durch die wir mit Ihm versöhnt wurden! Unbegreifliches Wunder, unerklärbares Wort des göttlichen verborgenen Geheimnisses Offenbarung, unbesiegbarer Beistand, mächtige Hilfe, lebenhältige Quelle, unerschöpfliches Meer der göttlichen und unaussprechlichen Gnaden und Gaben, über die himmlischen Mächte erhabene Höhe, unerforschliche Tiefe verborgener Gedanken, allgemeiner Ruhm (Stolz) der Natur, alles Schönen Vorrath, nach der Dreieinigkeit Herrin über Alles, nach dem Paraklet (Tröster, heiliger Geist) ein anderer Paraklet (Trost, zweite Trösterin), und nach dem Mittler Mittlerin der ganzen Welt! Wagen der geistigen Sonne des wahren Lichtes, das da jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt; Trägerin des durch sein Wort Alles Tragenden; makelloses Kleid Dessen, der Licht anzieht wie ein Gewand; Brücke der ganzen Welt, zum überweltlichen Himmel uns führend; unvergleichlich Erhabenere und Glorreichere als die Cherubim und Seraphim; der Engel Zierde, der Menschen Rettung; Schlüssel, der uns in den Himmel einführt; Mutter und Dienerin des nie untergehenden Gestirnes; Glanz des wahren und mystischen (d. i. geheimnißvollen, im geistlichen Sinne zu nehmenden) Tages; der unerforschlichen Menschenliebe Gottes Abgrund; göttlicher und vielnamiger Wagen, des wahren Glaubens festeste Stütze, des Unfaßbaren weitumfassendste Einhüllung, wahrer die Frucht des Lebens tragender Weinstock, die Seelen der Gläubigen erheiternder fruchtbarer Ölbaum; allgemeiner Schirm der ganzen Welt! Thüre des über allen Begriff ehrwürdigen Geheimnisses, Fülle der Gnaden des Drei-Einigen, nach der Gottheit die Erste, die Seelen der Gläubigen erleuchtender Blitzstrahl! Der Sünder Versöhnung, der Stehenden Sicherheit, der Fallenden Wiederaufrichtung, der Trägen Erweckung, der Gesunden Kraft, der Kirchen Eintracht, der Kriegsheere Glück, aller Güter Spenderin, gute Verfassung der Städte, des Erdkreises Friede! Ausdauer der Asketen, Stärke der Athleten, Schatz des unversehrbaren Lebens; Wolke, die den himmlischen Thau den Erdbewohnern bringt; Leiter, auf welcher des Himmels Engel zu uns herniederstiegen; der von Stürmen Herumgetriebenen Hafen, der Bedrängten Freude, der Unterdrückten Patronin, der Hilflosen Hilfe, der Schwachen Stärkung, der Bestürzten Beistand, der Blinden Stab, der Verirrten rettende Führerin, der in Nöthen Befindlichen sichere Helferin!
Heilige Arche, durch welche wir aus der Flut der Sünde gerettet wurden; unverbrannter Dornbusch, den Moses, der Gottesseher, schauet; goldenes Rauchgefäß, in dem das Wort das Fleisch anzündend die Welt mit Wohlgeruch erfüllte, und die Anklagen des Ungehorsams verbrannt wurden; von Gott beschriebene Tafel; siebenarmiger Leuchter, dessen Schimmer die Sonnenstrahlen übertraf; heiliges Gezelt, das der geistige Beseleel baute; königlicher Wagen; Manna bewahrendes Gefäß; verschlossener Garten; versiegelte Quelle, deren reine Ausflüsse den Erdkreis bewässern; heilig aufgeblühter Stab Aarons; thautragendes Vließ Gedeons; von Gott beschriebenes Buch, durch welches die Schuldschrift Adams zerrissen ward; Berg Gottes, heiliger Berg, auf dem zu wohnen der Herr sein Wohlgefallen fand; heilige Wurzel Jesse; Stadt Gottes, von der David spricht: "Herrliches wird über Dich ausgesagt!" (Psalm 86,3). Der Trauer Entfernung, Erlösung aus der Gefangenschaft, der Sterblichen Vergöttlichung, Schönste von Natur aus und der Annahme jedes Fleckens unfähig, die vom Libanon der Jungfrauschaft aufsteigend die Welt mit Wohlgeruch erfüllt, aus der die Süßigkeit entströmend die alte Bitterkeit des Holzes süß machte, die auf eitle schaudervolle (geheimnißvolle, mit heiligem Schauder erfüllende) Weise das ganze Wesen der Gottheit in sich faßte; über allen Preis erhabenes Geschenk, über alles Schöne kostbarer Schmuck; Salomons Lager, das im Kreise die 60 Starken umstehen (Hoh. Lied III., 7), die Aussprüche nämlich der von Gott eingegebenen Schrift; lichthegende Gegend, aus der die Strahlen des Heiles der Welt aufgingen; nach dem Aufgange schauende Pforte Ezechiels (40,6; 43,4); Herrlichkeit der schaudervollen Anordnung; über Alles schöner Aufenthalt der göttlichen Herablassung; Aussöhnungsmittel der Welt; unser Gnadenthron und Zufluchtsort; wünschenswerthestes Geschenk alles Schönen; feuertragende Zange, die Jesaias sah (Jesaia VI., 6); mit Tugenden beschatteter Berg, den Habakuk voraussehend schaute (III., 3) ; ungebrochener Berg Daniels (Daniel II., 34); Paradies, heiliger als das in Eden; lebentragender Baum, die schönste und süßeste Frucht tragend; lieblichriechender Apfel; süßduftende Rose; unverwelkliche Blume; weißeste Lilie; versiegeltes Buch, das Niemand lesen kann (Offenbarung Joh. V., 1.3); unbeschriebenes (d. i. unverletztes) Vorbild der Jungfrauschaft, hochgeschätztes Gesicht der Propheten, von Gott gewebter Purpur, aller Weissagung deutlichste Erfüllung, nie schweigender Mund der Apostel, unbesiegbare Zuversicht der Preisträger (Sieger im geistlichen Kampfe), der Könige Stütze, der Priester Ruhm, der Vergehen Verzeihung, des gerechten Richters Besänftigung, Auferstehung der Gefallenen, von der ganzen Welt ersehnte Umbildung meiner Seel' und des Leibes!
Mein Heil, mein Trost, mein Leben, mein Licht, meine Hoffnung, meine Erquickung, meine Herzenslust, meine Zuflucht! Schirm, Stärke, Erheiterung, Süßigkeit, Schutzmauer, Asyl, Veste, Rüstung, Hilfe, Herrlichkeit, Patronin, Mittlerin, Meeresstille, Fürsorge, Ruhm, Friede, Lobpreisung, Freude, Benedeiung, Anker, Reichthum, Thau, Würde, Heiligkeit, erhab'ne Größe, Erlösung!
Meiner Trübsalen Tröstung, Erleuchtung und Heiligung meiner Seele, Befreiung von meinen Sünden, meine Seelenergötzung aus Gott, meines verdorrten Herzens Gott entfließende Besprengung, meiner finstern Seele weithin glänzendste Lampe, meiner Blöße Bekleidung, der Seufzer Stillung, meiner Unglücke Umänderung; Enthaltsamkeit, Reinheit, Stärke, Züchtigkeit, der Tugenden Schmuck, meine Freiheit, Hafen, Schatz, wahrhaft ewiger Handel, festbleibende Reue (d. i. Erbitterin und Verleiherin fester Reue), Erhöhung, Wohlbefinden, Schönheit, Kraft, guter Rath, Einsicht, Ergötzung, meine Herrin, meine Freude, mein Glanz und bei Gott mein nie schlafender Beistand, der nie beschämt wird! Sieh auf meinen Glauben und mein von Gott gegebenes Verlangen als Jene, die da Mitgefühl und die Macht (zu helfen) hat! Als die Mutter Gottes aber, des allein Guten und Barmherzigen, nimm meine so ganz arme Seele an und mache sie durch Deine Vermittlung und Hilfe würdig des rechten Theils Deines eingebornen Sohnes, und der Ruhe Seiner Heiligen und Auserwählten! Ich habe außer Dir weder Hilfe noch Beistand. Auf Dich hoffe ich, ich werde mich nicht täuschen (in diesem Vertrauen); in Dir rühme ich mich. Wende doch nicht meiner vielen Sünden und Vergehungen wegen Dein Angesicht von mir, Deinem unwürdigen Diener, ab! Denn Du hast das Wollen und Können, als Jene, die den Einen der Drei-Einigkeit auf unaussprechliche Weise geboren hat. Du hast, womit Du (Deinen Sohn) überreden, womit Du Ihn (zum Mitleid) bewegen kannst, die Hände nämlich, worauf Du Ihn stille getragen, die Brüste, woran Du Ihn gesäugt. An die Windeln erinnere Ihn, an die übrigen Auferziehung von Kindheit an! Mit dem Deinigen (d. h. mit dem, was Du an Ihm gethan) vereine das Seinige, das Kreuz, das Blut, die Wunden, wodurch wir erlöst, wodurch wir verherrlicht wurden! Entferne doch nicht von mir Deinen Beistand, sondern hilf und schirme und steh' mir allezeit bei! Denn Du hast als Schuldner Ihn, der da sagte: "Ehre deinen Vater und deine Mutter!" Um wie viel mehr wird nun Er selbst, Der unter die Knechte gerechnet werden sollte (indem Er Knechtsgestalt annahm, Philipp. II., 7), die dankbare Gefälligkeit und Sein eigenes Gebot halten gegen Dich, die Du Ihm dienend die Geburt zur Erlösung (der Menschen) vermitteltest. Darum hält er auch Deine Ehre, daß Er nämlich Dein Zureden gnädig annimmt, für Seine eigene Ehre, und erfüllt wie aus Schuldigkeit Deine Bitten. Verachte nur mich Unwürdigen nicht! Mögen die Ungebührlichkeiten meiner Missethaten Dein unermeßliches Erbarmen nicht hemmen! Gottesgebärerin, das ist der mir über Alles ersehnte Name; denn kein festeres Siegeszeichen gibt es als Deine Hilfe. Du nämlich hast jede Thräne vom Angesichte der Erde weggenommen, Du hast die Welt mit Wohlthat aller Art erfüllt, die Himmel erfreut, die Erde errettet, das Geschöpf umgewandelt, den Schöpfer versöhnt, die Engel herabgezogen, die Menschen erhöht, bist zwischen der Welt oben und hienieden Mittlerin geworden, hast Alles zum Besten geändert. Durch Dich haben wir die sichersten Pfänder unserer Auferstehung, durch Dich hoffen wir zum himmlischen Reiche zu gelangen. Dich haben wir als Vermittlerin unsers Heiles, Dich besitzt die Menge der Christen als festeste Mauer, Du hast die Riegel des Paradieses eröffnet, Du zum Hinaufsteigen in den Himmel den Weg bereitet, Du Deinem Sohne und Gott (uns) zu eigen gemacht. Durch Dich ist alle Glorie, Ehre und Heiligung vom ersten Adam an bis zum Ende der Zeit den Aposteln, Propheten, Martyrern, Gerechten und vom Herzen Demüthigen, o allein ganz Unbefleckte, zu Theil geworden, und wird zu Theil, und wird zu Theil werden, und über Dich, o als gnadenvoll Begrüßte, erfreut sich die ganze Schöpfung. Auch ich setze mein Vertrauen auf Dich um Deinetwillen, die Du wirklich dem Fleische nach geboren hast den wahren Gott, dem da gebührt alle Glorie, Ehre und Anbetung mit dem anfangslosen Vater und Seinem allheiligen und guten und lebenschaffenden Geiste nun und allzeit und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Fünftes Gebet

In Dir als Schutzpatronin und Mittlerin bei dem aus Dir gebornen Gotte erfreut sich das menschliche Geschlecht eines glücklichen Looses, o Gottesgebärerin, und hängt immer von Deinem Beistande ab, und hat Dich als einzige Zuflucht und Hilfe, weil Du nämlich mit Vertrauen vor ihn treten kannst. Siehe, auch ich komme zu Dir mit glühender Seele, indem ich es nicht wage, mit Zuversicht zu Deinem Sohne zu kommen, sondern ich flehe, durch Deine Vermittlung bei ihm Heil zu erlangen. Verachte also nicht Deinen Knecht, der ich alle meine Hoffnung nach Gott auf Dich setze! Verabscheue mich nicht, der so ganz in Gefahr schwebt und durch die größten Leiden geprüft wird, sondern erbarme Dich, o Mitleidesvolle und des barmherzigen Gottes Mutter, über Deinen Diener, und befreie mich von der verdammungswürdigen Gewissensschuld! Besänftige den Sturm der Gedanken, lösche den Glutofen der Gelüste, und unterdrücke das Feuer des Fleisches! Und entzünde in mir die sehnsüchtige Liebe zu Deinem göttlichen Sohn, und mach' alle meine Sinne sicher, indem Du keinen Eingang unanständigen Begierden gewährest! Daß Frist zur Buße mir gegeben werde, flehe ich, damit nicht unfruchtbar mich die Sichel des Todes abmähe, und ich dem Feuer als unfruchtbar übergeben werde! Meiner Seele erloschene Lampe zünde wieder an, und zerstreue das Dunkel meiner innern Leiden, und vertreibe den Nebel der leidenschaftlichen Begierden durch Deine Fürbitte! Vieles nämlich vermag das mütterliche Flehen bei dem leicht zu versöhnenden Sohne. Gib mir Licht der Bekehrung, und führe mich zum Tage der Zerknirschung, und mache mich würdig, nach dem Wohlgefallen des menschenfreundlichen Gottes alle Tage meines Lebens zu wandeln! Und so lang ich in diesem leidenreichen Leben bin, hüte, schirme, bewache mich! Mit dem Schiffenden schiffe, mit dem Reisenden reise, den Schlafenden decke zu und lenke alle meine Wege! Wenn ich aber im Begriffe bin, vom Leibe zu scheiden, stehe mir bei, o das Gute liebende Frau, und mache jenen unerträglichen Schmerzen leicht, und verringere meine Noth, und führe meine arme Seele zu den ewigen Wohnungen! Keine finstere Macht begegne mir und reiße mich in den Abgrund der Hölle! Gnädig möge ich den Richter sehen und wie er wohlwollend auf mich blickt! Errettet werden möge ich vom ewigen Feuer durch Dich, o Braut Gottes! Möchte ich die Dreieinigkeit, die Wonne des Paradieses, genießen, des Himmelreiches theilhaftig werden, damit ich Dich, welche die einzige Hilfe des menschlichen Geschlechts geworden, die Du den Schaden den Stammmutter (Eva) durch Dein Kind wieder gut machtest, die Patronin der Sünder, den Trost der Muthlosen, die Du die Erquickung der Bedrängten genannt wirst, allzeit verherrliche und selig preise als ein von Dir Geretteter! Dich preisen nämlich alle Geschlechter selig, o Jungfrau, Herrin, Gottesgebärerin, die Hoffnung aller Christen! Vertreibe von mir, Deinem niedrigen und so ganz elenden Diener, die Trägheit, Vergessenheit, Thorheit, Sorglosigkeit, Eitelkeit, Unzucht jeder Art, Gefräßigkeit, und alle die bösen und schändlichen und gotteslästerlichen Gedanken (vertreibe) aus meinem armen und unglücklichen Herzen und verfinstertem Geiste! Und von allen meinen bösen Werken befreie mich, und lösche das Feuer meiner Leidenschaften; denn ich bin schwach und armselig, Du aber bist die Verherrlichste aller Erdgebornen.
Ich danke Dir, o Frau, Gottesgebärerin, und verherrliche und preise Dich, weil Du mir Kraft gegeben, an das Ende des Tages und zu dieser Nacht zu kommen, in der ich Deiner (Gott) wohlgefälligen Vorbitte bedarf. Gewähre mir, o Allerreinste, Verzeihung der in ihr (d. i. in der Nacht) bisher mich beherrschenden Nachläßigkeit und Trägheit, und durch Deine Fürbitten erfülle mich mit Freudigkeit, beständig mich zu beschäftigen mit den göttlichen Lobgesängen (zu Ehre) Deiner und Deines menschenfreundlichen Sohnes und Gottes, dafür, daß ich Armer errettet ward und errettet werde von allerlei Krankheiten, Unfällen und Bedrängnissen, geistigen und körperlichen Gefahren zugleich! Ich falle aber nieder vor Dir und mit Inbrunst erhebe einen Dankgesang ich Dein Knecht, über den Du Dich erbarmt hast, o überaus Gebenedeite, um Deines unermeßlichen Erbarmens und Mitleids willen als Mutter des menschenfreundlichen Gottes: Gegrüßt seist Du, Allerreinste, Gebenedeite! Gegrüßt seist Du, unbefleckte Jungfrau und Mutter zugleich! Gegrüßt seist Du, der Ruhm der Menschen, o Jungfrau! Gegrüßt seist Du, Erfüllung aller Propheten! Gegrüßt seist Du, Vollendung der Synagogen des Herrn! Gegrüßt seist Du, Siegel Seines Testamentes! Gegrüßt seist Du, Ende Seiner Rathschlüsse! Gegrüßt seist Du, Offenbarung Seiner Geheimnisse! Gegrüßt seist Du, Vereinigung der arg Mißhelligen! Gegrüßt seist Du, Versammlung der weit Getrennten! Gegrüßt seist Du, Stütze der weit hinab Gesunkenen! Gegrüßt seist Du, Licht der in Finsterniß Liegenden! Gegrüßt seist Du, Erneuerung der Veralteten! Gegrüßt seist Du, Versöhnung und Erlösung der Irrenden! Gegrüßt seist Du, wegweisendes Licht der Verirrten! Gegrüßt seist Du, o Hafen und Schluß der Schiffenden! Gegrüßt seist Du, Beistand und Burg in Bedrängnissen! Gegrüßt seist Du, sicheres Heil der Gläubigen! Gegrüßt seist Du, neuestes und göttliches Geschenk! Gegrüßt seist Du, Gebieterin aller Erdgebornen! Gegrüßt seist Du, Freude und Ruhm der Engel! Gegrüßt seist Du, über alle (andern) Geschöpfe Erhabene! Gegrüßt seist Du, Gott angehörend und Seine Magd! Gegrüßt seist Du, Allgepriesenste in die Ewigkeit der Ewigkeiten! Gegrüßt seist Du, o Jungfrau, schattenreicher Baum, von dem wir alle eine Frucht sammeln, durch welche die sie Essenden erfreut, nicht getödtet werden! Gegrüßt seist Du, Maria, Jungfrau und Mutter, Jungfrau und Braut! Gegrüßt seist Du, Schönheit der weiblichen Welt! Gegrüßt seist Du, Davids reichgeschmückte Tochter! Gegrüßt, o Tisch geheimnißvoller Gnadengaben! Gegrüßt seist Du, des Königs und meines Gottes Sieg! Gegrüßt seist Du, der Patriarchen und Preisträger Ruhm! Gegrüßt seist Du, Schutzmauer der Dich Anrufenden! Gegrüßt seist Du, Vertheidigungsmittel und fester Schirm! Gegrüßt seist Du, ganz fleckenloser göttlicher Thron Gottes! Gegrüßt seist Du, strahlende Mutter Gottes allein! Gegrüßt seist Du, Salomons (des wahren Friedensfürsten, d. i. Jesus) heiligstes Lager! Gegrüßt seist Du, ehrwürdiger als die körperlosen Geister! Gegrüßt seist Du, o Befreiung von meinen Sünden! Gegrüßt seist Du, o Herrin des Geschlechts Adams! Gegrüßt seist Du, o Schwert gegen die bösen Geister! Gegrüßt seist Du, o Erhalterin unermeßlicher Güter! Gegrüßt seist Du, der Weisheit reichlichste Gabe! Gegrüßt seist Du, Trost der in Gefahren Schwebenden! Gegrüßt seist Du, der Armen reiche Hilfe! Gegrüßt seist Du, all' des Schönen des Lebens, gegrüßt all' des Guten Ursache!
Nun aber, o Herrin allein, mein von Gott gegebener Seelentrost, göttlicher Thau des Brandes in mir, meines vertrockneten Herzens gottentströmte Bewässerung, meiner vertrockneten Thränenquelle Entsprudelung zur Reinigung meiner Missethaten, meiner finstern Seele leuchtendste Lampe, meines Weges Leitung, der Schwäche Kraft, der Blöße Bedeckung, der Armuth Reichthum, der unheilbaren Wunden Heilung, der Thränen Wegnahme, der Seufzer Stillung, der Übel Erleichterung, der Bande Auflösung, erhöre meine Bitten! Erbarme Dich über meine Seufzer und nimm meine Wehklagen auf! Erbarme Dich meiner, gerührt durch meine Thränen! Trage Mitleiden mit mir als Mutter des menschenliebenden Gottes! Schaue gewährend auf mein Gebet und erfülle mein heißdürstendes Sehnen und sieh auf den gefährlich kranken und der Seele nach Darniederliegenden! Befreie mich von der Leidenschaft, die mich tyrannisiert und immerfort Tag und Nacht gewaltig bekriegt und meine arme Seele tödtet, und errette mich von den Pfeilen Belials (d. i. des bösen Geistes) und der unsichtbaren Feinde, und erfülle mich mit göttlicher Herzenslust, mich machend zum Genossen der Heiligen und Gerechten durch Deine gute Vermittlung bei Gott, und vereine mich mit Deinen Dienern und Verehrern im Lande der Sanftmüthigen, in den himmlischen Gezelten, im Gefilde der Lebendigen, in der Wonne der Heiligen! Mache mich würdig, o Aller Beistand und Aller Freude und Seelenlust, erfreut zu werden mit ihnen, ich bitte Dich, in jener wahrhaft unaussprechlichen Freude des aus Dir gebornen Sohnes und Königes, und in Seinem Brautgemache und endlosem Reiche!
Ja, o Gebieterin, meine Zuflucht, Leben und Hilfe, Rüstung und Ruhm, Hoffnung und Stärke, gib mir mit ihnen zu genießen Deines Sohnes unaussprechliche und unbegreifliche Geschenke und Schätze in der himmlischen Wohnung! Denn Du hast das Können übereinstimmend mit dem Willen als die Mutter des Höchsten, und darum vertraue ich kühn, o meine Herrin, meiner Erwartung nicht beraubt (d. i. in der Hoffnung nicht getäuscht) werde, sondern theilhaftig mög' ich ihrer werden, o Gottesbraut, der ganzen Welt Erwartung, die auf unaussprechliche Weise geboren unsern Herrn Jesus Christus, Dem da gebührt alle Glorie, Ehre und Anbetung in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Sechstes Gebet

Des nie untergehenden Lichtes Gebärerin, achte auf mich, da ich (meine Schulden) bekenne, ich bitte Dich. Befleckt nämlich bin ich Unglücklicher, und verunreinigt und finster. Ich habe - wehe mir Elenden - durch meine vielen Sünden die Erde besudelt, o Herrin! Deßwegen schreit sie nun stöhnend gegen mich zum unbestechlichen Richter und bringt - wehe mir! - als Zeugen auch den Himmel mit den Sternen, und die Sonne. Der Sturm meiner Gedanken aber zieht mich übrigens auch in den Abgrund zur Verzweiflung. Meine Seele kommt mit Zittern, harrend dem Urtheil zu entfliehen. Gottesgebärerin, alle meine Hoffnung habe ich Heilloser auf Dich gesetzt. Siehe, jeder Beschämung voll ist - wehe mir - Deines Knechtes Angesicht. O besänftige doch unaufhörlich, Den Du geboren hast, daß Er sich über mich Unwürdigen erbarme! Löse allein meine unauflöslichen Bande, die Du der Welt des Erlösers Mutter geworden bist! Mich schwarz und finster Gewordenen mache durch die Thränen der Buße wieder weiß! Erwecke mich durch viele Trägheit Todtgewordenen wieder, die Du mein Leben geboren hast! Führe mich, Gott und den Engeln Entfremdeten, wieder zu ihnen, o Gottesgebärerin! Es ist wirklich ein schaudervolles Wunder, wie der Herr meine Sünden langmüthig ertragen, wie Er mich Elenden nicht sogleich in den Abgrund der Hölle lebend hinabgestürzt, wie Er die Strafruthe nicht von oben, das Schwert nicht unsichtbar herabgesandt, um mich zu schlagen. Du aber hast allerdings durch Deine Fürbitten das Leben mir geschenkt, o Frau, meine Bekehrung suchend, und diese gewähre Du selbst mir Deinem Knechte, o über Alles Gütige! Denn Du bist meine Mauer, und Hafen, und Veste. Laß mir leuchten das Licht Deines göttlichen Angesichtes, um in der Mitte der Nacht Lobgesang zu entrichten! Verleihe mir gnädig Zerknirschung, o Herrin, nie schweigende Seufzer und Thränen! Wasche mir die Tiefen der Seele ab und schenke mir vollkommene Nachlassung, da Du als Sterbliche Gottes Trägerin gewesen und den menschgewordenen Gott in Deinem Schooße getragen! Zeige Dich mir mitten in der Nacht, o Unbefleckte, vor den geistigen Augen! O Macht, o Hoffnung, die nicht zu Schanden wird, o Leben und süßes Licht Deines Dieners, nimm von einer unheiligen Zunge und einem unreinen Munde dieß Gebet an! Nun möge die Nacht Deinem Diener Tag des Heiles werden, o Gottesbraut! Nun mögen die Engel, o Herrin, mir hold sein und die Geister der Gerechten, damit ich mit freudiger Danksagung Deinen allheiligen Namen verherrliche. Überaus Preiswürdige, Du vermagst, ich weiß es ja, was Du immer willst, bei Gott, den Du geboren hast.
O Dreieinigkeit, die Anbetung gebührt Dir! O Gottes Mutter über allen Begriff sowohl als Ausdruck (erhaben)! O Jungfrau, alle Jungfräulichkeit ohne Vergleich übertreffend, vor der Geburt Gottes (des Gottessohnes) nämlich Jungfrau über alle Jungfrauen, und bei der Geburt und nach dem Gebären die nämliche geblieben, durch welche die Natur der Menschen, die von Alters her gefallen und von Gott weit entfernte, durch Rathschlüsse unaussprechliche Menschenliebe und unvergleichliche Herablassung mit der seligen und göttlichen vereinigt worden ist, ohne daß die (göttliche) Person vereinigt worden ist, ohne daß die (göttliche) Person eine Wandlung oder Vermischung oder Umänderung erlitten hätte; (Jungfrau), durch welche auch nach der schaudervollsten (d. h. geheimnißvollsten, die mit heiligem Schauer zu erfüllen so ganz geeignet ist) Vereinigung wir durch den Neid des Bösen und durch die Eitelkeit unseres Sinnes von der Gerechtigkeit Abgefallenen wieder zurückgerufen werden und Deinen Sohn und Gott gegen uns gnädig finden um Deiner unermüdeten Fürbitten willen bei Ihm, o Herrin! Ich bitte und rufe Dich an, die barmherzige und menschenfreundliche Mutter des barmherzigen und menschenfreundlichen Gottes: stehe mir auch in dieser Stunde bei, da ich, wenn irgend jemals, jetzt am meisten Deines Schutzes und Beistandes bedarf; denn ich, der ich so ganz Unreinigkeit bin und Unflat von Sünden und, um es kurz zu sagen, die Wohnung aller seelenverderbenden Leidenschaften, ich will nun den überaus unbefleckten und schaudervollen Geheimnissen Deines Sohnes und Gottes nahen. Ich bin aber in Angst, und werde von Zittern ergriffen bei der unerträglichen Menge meiner Sünden; denn welchen meiner Sinne hab' ich Unglücklicher nicht befleckt? Welch' satanisches Beginnen habe ich nicht mit Verstellung und Vorsatz und Übermaß ausgeführt? Von welchen thörichten Gedanken und Gebilden der Eitelkeit ward ich nicht verdorben? Welche Art der Gefangenschaft bemächtigte sich nicht ganz und gar meines Geistes? Denn nicht bloß in den Leidenschaften, in die ich jämmerlich gefallen, treibe ich mich der Vorstellung nach wie ein Gefangener herum, noch zerstreuen allein die bösen Bilder, die ich durch Mangel an Beherrschung der Sinne aus fremden Handlungen oder Unterredungen oder zufällig gehörten und gesehenen Dingen angehäuft habe, den Geist; sondern auch noch nicht Geschehenes, noch je Geschehendes noch Gehörtes stellt, einwilligend dem Werkmeister der Bosheit (d. i. dem bösen Geiste), mein leidenschaftlich aufgeregter und schwacher und kindischgesinnter und unfruchtbarer Geist, sich wie wirklich vor, und in solchen Dingen hab' ich die Zeit des erbärmlichen Lebens hingebracht. Von so vielen und so großen Übeln befangen bin ich Unglücklicher gesinnt, so erhabenen und ganz göttlichen Geheimnissen, in die es auch die Engel gelüstet hineinzuschauen (I. Petr. 1,12), mich zu nahen, o Herrin, und fürchte, ich möchte als ein Unwürdiger gleich jenem, der kein hochzeitliches Kleid anhatte (Matth. 22,11-12), an Händen und Füßen gebunden in die Finsterniß hinausgeworfen werden, anstatt Erleuchtung und Theilnahme an der göttlichen Gnade zu finden, zur mir gebührenden Wohnung der Finsterniß verdammt. Allein was soll ich thun? Unwürdig an solchen höchst schaudervollen Geheimnissen theilnehmend, erwarte ich eben solche und noch schlimmere Rechenschaft ablegen zu müssen (d. i. ärger bestraft zu werden, als jene ohne hochzeitlich Gewand, von dem das Evangelium erzählt). Nehme ich aber an denselben nicht Theil, so vermehre ich viel die Unwürdigkeit, falle verachtend, so zu sagen, in die Tiefe der Übel, und werde so der nämlichen oder noch größern Strafen schuldig. So bin ich denn in Bezug auf diese Handlung beiderseits im Gedränge. Darum nehme ich auch zu Dir meine Zuflucht, zur unüberwindlichen und wahrhaft mächtigsten Hilfe. Erbarme Dich also, o meine über Alles reine Gebieterin, innigst über mich, und Deiner mütterlichen Zuversicht bei Deinem göttlichen Sohne Dich bedienend, erflehe mir doch Nachlassung der vorher geschehenen Vergehungen! Mache, daß ich nicht verbrannt (nicht zur Strafe verzehrt) werde vom glühenden und erleuchtenden Feuer Seiner lebenschaffenden Geheimnisse, um desto mehr, weil Du überschwänglich das Wollen mit dem Können vereint besitzest, und mache mich würdig, durch die Theilnahme an denselben gereinigt und erleuchtet zu werden; und leite mich glücklich, die übrige Zeit meines Lebens in Reue und Reinigkeit und Verdemüthigung zu durchwandeln, in Werken, in Reden, in Gedanken, in allen Regungen der Seele und des Leibes immer mir beistehend, wohl mich ordnend, mir vorstehend, mich an der Hand führend, die gegnerischen Mächte abwehrend, und als einen wenn auch unnützen Knecht Deiner Güte auf jede Weise mich rettend und bewachend! Ja, o allgebenedeite Frau, verwirf nicht fruchtlos meine unwürdigen und so armseligen Gebete, sondern sowohl in diesem Leben als auch beim Hinscheiden meiner armen Seele und bei dem künftigen furchtbaren und unbestechlichen Gerichte stehe mir vertheidigend und von allem Unheile erlösend bei, damit ich durch Deine Huld gerettet Dich preise und verherrliche, und durch Deine Strahlen erleuchtet mich erhebe zum Lobpreise, zur Verherrlichung, zur Anbetung der allguten und allerschaffenden und seligen Dreieinigkeit in alle Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Siebentes Gebet

Über Alles preiswürdige und allerbeste Herrin. Quelle des Mitleids, Abgrund der Menschenfreundlichkeit, lebendiges Wasser, der Sünder Schutzfrau und der von Stürmen Herumgetriebenen Hafen, die Gott jungfräulich in ihrem Schooße empfangen hat und gewürdiget ward, Mutter Gottes zu werden, wahrer Weinstock, (das wahre) Manna enthaltendes Gefäß, der Fallenden Aufrichtung, Aller Zuflucht, der ganzen Welt Leben! Mich Abscheulichen, Unzüchtigen, Verwirrung-liebenden, in Sinn und Handlung und Wille Nachlässigen, der ich mein Leben liederlich vergeudete, o menschenfreundliche und erbarmungsvolle Gottesmutter, verabscheue nicht mich den Sünder und Verlorenen, sondern zuvorkommend nimm das von meinen unreinen Lippen Dir dargebrachte Gebet an, und mache mir gewogen den Richter durch Deine, der wahren allerreinsten Gottesmutter, wohlgefälligen und allerbesten Fürbitten! Erschließe mir das Herz Deines erbarmungsliebenden Sohnes! Bitte Ihn, daß Er meine Vergehungen übersehe! Lenke meine Gedanken zur Buße, und mache mich zu einem echten Beobachter Seiner Gebote! Lasse nicht zu, daß ich eine Beute oder Speise des seelenverderbenden Satans werde, sondern erneuere mich in vielen Sünden schon Veralteten durch Deine Vermittlung, und richte mein zerrissenes Leben wieder in Ordnung, damit ich, Dich als überaus gute Mittlerin habend, tadellos dem Richter mich darstellen kann und der furchtbaren Strafe entgehe, und daß Du durch Deine Vermittlung mich zum Erben Seiner Herrlichkeit machest, zu der ich auch gelangen möge, indem Du, o Allerunbefleckteste, anflehest meinen Schöpfer, Dem da Ruhm gebührt und Ehre und Anbetung in die Ewigkeiten! Amen.
Jungfrau, Herrin, Mutter meines Herrn Jesu Christi, ich weiß, daß ich unrein bin und entweiht und abscheulich und unwürdig, weil meine Missethaten über mein Haupt hinausragen; denn zahlreicher sind sie als der Sand am Meere. Stinkend und faul geworden sind die Wunden meiner Seele wegen meiner vielen Übel; aber ich komme zu Dir bußfertig, und falle vor Dir nieder, alle meine schrecklichen Sünden bekennend. Dich, die Mutter Gottes, habe ich oft beleidigt, indem ich durch meine Unreinigkeiten mich beschmutzte. Erbarm Dich über mich, Die Du über Alle menschenfreundlich Dich erbarmst, und vergib mir, und verabscheue mich nicht, o Gebieterin! Kehre doch nicht Dein Angesicht von mir, daß ich nicht erniedrigt, wehe mir, wehe mir, von Dir entfernt werde! Nicht mögen, ach, nicht mögen deßhalb, o Herrin, wehe mir, über mich sich freuen meine Feinde! Erwecke meinen Sinn zur Bekehrung, und leite mich auf den heilbringenden Weg, worauf ich, wenn ich ihn gefunden und wandle, Dich als Begleiterin haben und durch Deine Führung gerettet werden möge! Ja, o Frau, Mutter des menschenliebenden Gottes, zermalme mein Herz und demüthige es, und fülle meine Augen mit geistigen Thränen, und erleuchte sie durch das Licht Deiner Fürbitten, damit ich nicht entschlafe zum Tode (Psalm 12, 4)! Besprenge mich mit dem Hyssop Deiner Barmherzigkeit und reinige mich (Psalm 50, 9)! Wasche mich durch Deine Gnade mit meinen Thränen, und ich werde weißer werden als Schnee (ebendaselbst)! Ja, o Mutter meines Herrn Jesu Christi, nimm dieß mein klägliches Bekenntniß und Flehen an, und walte über meinen Geist, und bewahre mein noch übriges Leben ohne Anstoß in Buße, und zur Zeit des Scheidens meiner armen Seele aus dem Leibe, wenn ich mit den Feinden im Thore reden werde, o ja, dann erscheine mir, o Frau, mit Deinem barmherzigen Auge, und befreie mich von den bittern Anklägern und den schrecklichen Eintreibern des Fürsten dieser Welt! Werde mir Vertheidigerin, und vernichte alle die Schuldbriefe meiner Sünden, und führe mich unbeschämt und gerettet vor den Richterstuhl Deines Sohnes, und Seines anfangslosen Vaters und des allheiligen Geistes, der Einen und urlichten und gleichwesentlichen Dreieinigkeit!
Gütigste Mutter des menschenfreundlichen und mitleidigen Gottes, mitleidige und gute Jungfrau, die den Guten und Barmherzigen gesäugt, o Herrin, neige Dein Ohr und erhöre mich aus der Höhe Deiner Herrlichkeit! Vernimm meine Worte, ganz Reine! Achte auf mein aus der Tiefe (kommendes) Geschrei! Horche auf die Stimme meines kummervollen Flehens! Meine Hilfe, die Du mir durch Deine Vermittlung das Leben verliehen, gib mir Sprache bei Eröffnung meines Mundes, damit ich Deine Herrlichkeiten verkünde, eh' ich von hinnen scheide! Dort nämlich ist kein Bekenntniß mehr, nach der strengen Einschließung von hier aus (d. h. nachdem ich von hier abgeschieden in den Kerker jenseits zur Abbüßung eingeschlossen sein werde). Gesündigt hab' ich, o Allerreinste, gesündigt habe ich und erkenne meine Vergehungen, und meine Sünde ist mir allezeit vor Augen (Psalm 50, 5). Schaue auf dieses mein letztes Gebet und das Bekenntniß Deines Dieners! Gewähre mir Quellen schmerzlicher Thränen als reinigendes Bad der befleckten Seele! Wasche den Schmutz meiner Sünden weg! Pflanze in mein steinhartes Herz die heilige Furcht Deines Sohnes und Gottes! Eingehen soll sie in mein Inneres, damit ich durch sie aus meiner schmerzerfüllten Seele auch die reinigende Thräne erzeuge und mir ein heilsamer Geist geboren werde! Der hellleuchtendsten Sonne Wolke (worin die Sonne der Gerechtigkeit sich barg), laß mir geistiges Licht strahlen meinem finstern und unreinem Geiste, spaltend und vertreibend den dichten Nebel meiner sich drängenden Gedanken, damit ich in Ruhe und Heiterkeit des Lichtes Deiner Erleuchtung und Besuchung das angenehme Opfer darbringe, das Dein Sohn und mein Gott aufgetragen, Der da nicht die Gerechten zu rufen gekommen ist, sondern die Sünder zur Buße, und auch mich Unwürdigen durch Deine Vermittlung aufnehmen möge! Viele gibt es, die von Anbeginn her gesündigt, o überaus gute Herrin; Viele, die gefallen; Viele, die beleidigt und die Gebote Deines Sohnes nicht gehalten haben: keiner jedoch ist, den nicht die Menge meiner mit Erkenntniß begangenen Sünden überträfe; denn das ganze alte und neue Testament hat laut die Tugenden der Gerechten verkündet und die Frevel und (bösen) Werke der Sünder öffentlich gebrandmarkt, aber das innere Gericht meines Gewissens trägt einen Gräuel von Sünden herum, der noch schwerer als alle zu schauen ist, Lasten von Überthaten, die um so größer sind, als jene von der Urzeit her, um wieviel leichter und geringer die Verdammung des in Unwissenheit als die des mit Wissen Fehlenden ist. Ein Gebot und Gesetz empfing Adam, und beobachtete es nicht, allein er hatte noch, o Allerunbefleckteste, keine Erfahrung vom Falle eines Andern und von Verurtheilung. Was aber werde ich Unglückseliger zu meiner Vertheidigung sagen? Gar Nichts (kann ich sagen); denn ohne Selbstbeherrschung und zügellos eilte ich dahin schlecht zu werden, und deßwegen bin ich ohne Entschuldigung, bin elender als alle Elenden, die von Adam stammten, als Kain, Lamech, die unverständigen Thurmbauer, die vom Feuer verzehrten Sodomiter, die bei der Sündflut unter Noe zu Grunde Gegangenen, bin verdammungswerther als die verdammten bösen Aegypter (die im rothen Meere untergingen). Ja, elender als alle Elenden bin ich, und ich erkenne mich auch für sündhafter als die Sünder des neuen Bundes; denn als Getaufter habe ich mich wieder beschmutzt, als Abgewaschener mich wieder befleckt; geehrt durch die Würde der Gnade habe ich die Ehrlosigkeit der Sünde wieder angezogen, ich habe die Gnade des Ordensberufes vereitelt. Welche Sprache also und Zeit und Weise wird für mich hinreichen zur Reinigung solcher meiner Sünden? So groß nämlich ist, o Allerheiligste, das unaushaltbare Meer meiner Sünden; so beschaffen ist der gefährliche Hinterhalt meiner Übel. Was soll aus mir werden? Welchen Weg soll ich einschlagen? Der himmlische ist unzugänglich, eng der irdische, der unterirdische schreckt, der auf dem Meere ist besetzt (von feindlichen Mächten). Du siehst das Unerfaßliche der Bedrängniß, du schaust die rathlose Noth. Die Gefahr ist gewaltig, beinahe ist auch mein Werkzeug der Rede erschöpft. O mächtige Mutter des mächtigen und lebendigen Gottes, reiche mir rathlosen die Hand der Hilfe, mache wunderbar an mir Elenden Deine Erbarmungen; erwecke meine Seele, sprechend: "Dein Heil bin ich!" (Psalm 34, 3). Meine Helferin und Schutzfrau bist Du, o Unbefleckte! Nimm das Flehen Deines unwürdigen Dieners auf! Ich glaube, o Allerreinste, daß Du dieses thun kannst. Rette mich, o verirrungsloser Weg der Büßenden! Zeige an mir, dem Erbärmlichsten und Elendsten von Allen, Deine überaus wunderbaren Erbarmungen, o Hoffnung, Frau, Gottesgebärerin! Du kennst nämlich meine Gedanken und Werke und die Schwäche der armen Natur, und Dir stelle ich meine durch viele Sünden und thörichte Gedanken verunreinigte Seele vor. Du siehst meine Gebieterin, das Jämmerliche ihrer Wunden und die bösen Gedanken. Du, besorge die Heilung, indem Du einen Tropfen Deines menschenfreundlichen Mitleids darauf gießest! Schaue herab, o meine Gebieterin, Gottesgebärerin, und mache mir wohlgeneigt Deinen Sohn und den König Aller, der mir vor Engeln und Menschen meine bösen Gedanken und Werke öffentlich vorhalten wird! Er nimmt Dich als menschenfreundliche Mutter auf, wenn Du für eine hoffnungslose Seele Fürbitte einlegst, als die Zuflucht der Sünder; denn als einen solchen Beistand, als solche Zuflucht und Hilfe hat Dich für die Sünder meines Gleichen aufgestellt Dein Sohn und Gott, dem alle Herrlichkeit Ehre und Anbetung gebührt mit Seinem anfangslosen Vater und Seinem allheiligen guten und lebenschaffenden Geiste jetzt und allzeit und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Achtes Gebet

Jungfrau, Herrin, Gottesgebärerin, allgemeines Heil des Volkes der Christen! Gleichwie eine Mutter unterlässest Du nie für uns zu sorgen, sondern als liebevoll gegen die Kinder und zärtlich spendest Du uns so immer Deine Wohlthaten, rettend, beschirmend, hütend, von Gefahren befreiend, aus Versuchungen erlösend, der Sünden Menge entfernend. Wir aber danken Dir für dieß Alles, verkünden die Gnaden, verbergen nicht die Wohlthaten, besingen laut Deine Wunder, verherrlichen die Sorgfalt, preisen hoch Deine Vorsicht, erheben mit Lobliedern den Schutz, rühmen die Barmherzigkeit, und indem wir in Bezug auf die Vergangenheit uns an Deine großen Geschenke erinnern und aus wie vielen Gefahren wir durch Dich errettet wurden, bringen wir Dir diesen Dankgesang als Schuldigkeit dar. Er ist zwar Deinen Wohlthaten nicht am Werthe gleich; denn was wäre wohl derselben würdig genug? Doch flehen wir voll Vertrauen Deine Barmherzigkeit an, das Wehklagen Deiner Diener anzunehmen, und Fürbitte einzulegen bei unserm aus Dir gebornen Gotte, daß Er uns von der ewigen Strafe befreie, damit wir den allerheiligsten Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes verherrlichen jetzt und allzeit und in die Ewigkeiten!
Du siehst, o allerheiligste Frau, Gottesgebärerin, mit welchen Übeln uns rings der so arge böse Geist einschließt. Sieh, zu gar vielen und unaussprechlichen Gelüsten treibt er uns an. Steh' also auf und verwirf uns nicht auf immer! (Psalm 43, 23). Warum wendest Du Dein Angesicht ab, und vergissest unserer Armuth? (Ebendas. IX. 24). Vereitle die Nachstellungen des Bösen, vernichte unsere Feinde, stille durch Deine Vermittlung den unserer vielen Vergehungen wegen gegen uns erregten Zorn Gottes, damit wir, wenn den vielen Wohlthaten auch diese beigefügt ist, den allheiligen Namen Deines Sohnes und unsers Gottes verherrlichen zugleich mit seinem anfangslosen Vater, mit ihm, Der auch Gott ist ohne Anfang!
Herrin, Gottesgebärerin, die den Erlöser Christus, unsern Gott, in ihrem Schooße getragen, auf Dich setze ich alle meine Hoffnung, und auf Dich vertraue ich, die da erhabner ist als alle die himmlischen Mächte. Du, o Allerunbefleckteste, schirme mich ringsum durch Deine göttliche (d. i. von Gott Dir verliehene) Gnade, und regiere mein Leben, und lenke es nach dem heiligen Willen Deines Sohnes und unsers Gottes! Du schenke mir der Vergehungen Nachlassung! Werde Zuflucht, Schutz und Beistand und Leiterin, die in das ewige Leben hinüberführt! Und in der Stunde des Todes, o Herrin, Herrin, verlasse mich nicht, sondern eile mir zu Hilfe und entreiße mich der grausamen Tyrannei der bösen Geister! Du hast nämlich zu dem Wollen das Können als die gute Mutter Christi unsers Gottes. Du allein, o Frau, Gottesgebärerin, bist hocherhaben über die ganze Erde; wir aber preisen Dich, o Gottesbraut, mit Glauben, ehren Dich mit Sehnsucht, und fallen mit Furcht Dir zu Füßen, immer Dich verherrlichend und voll Ehrfurcht seligpreisend; denn Du bist die Ehre der Ehren und der Preis der Preise und die Höhe der Höhen (d. i. die höchste Ehre, die Preiswürdigste, die Erhabenste der Geschöpfe). Aber, o Herrin, o meine Seelenlust aus Gott, Du göttlicher Thau des Brandes in mir (den Brand meiner Leidenschaften durch Gottes Gnade lindernd), die von Gott entfließende Besprengung meines vertrockneten Herzens, meiner finstern Seele hellschimmernde Leuchte, meiner Rathlosigkeit Führerin, der Schwäche Kraft, der Blöße Verkleidung, der Armuth Reichthum, der unheilbaren Wunden Heilung, der Thränen Entfernung, der Seufzer Stillung, der Übel Umwandlung, der Schmerzen Erleichterung, meiner Bande Auflösung, meines Heiles Hoffnung, erhöre meine Gebete, habe Mitleid mit meinen Seufzern, und nimm meine Wehklagen auf, erbarme Dich meiner bewogen durch meine Thränen! Werde innigstgerührt über mich als die Mutter des menschenfreundlichen Gottes! Schaue gewährungwinkend herab auf mein Flehen, erfülle mein heißdürstendes Verlangen, und vereinige mich mit der verwandten und mitdienenden Gesellschaft im Lande der Sanftmüthigen, in den Gezelten der Gerechten, im Chore der Heiligen, und mache, o Beistand Aller, und Aller Freude und fröhliche Herzenslust, mich würdig mit Dir mich zu erfreuen, ich bitte Dich darum, in jener wahrhaft unaussprechlichen Freude des aus Dir gebornen Gottes und Königes und in seinem unbeschreiblich schönen Brautgemache und in der unaufhörlichen Wonne, deren man nie satt wird, und in seinem nie untergehenden und unendlichen Reiche! Ja, meine Gebieterin, ja, meine Zuflucht, Leben und Hilfe, Waffe und Ruhm, meine Hoffnung und Kraft, verleihe mir, mit Dir selbst die unaussprechlichen und unbegreiflichen Gaben Deines Sohnes in dem himmlischen Aufenthalte zu genießen; Du hast nämlich, Du hast, ich weiß es, zugleich mit dem Wollen das Vermögen, als des Allerhöchsten Mutter. Deßwegen wage ich es (so zu bitten). Möge ich nun, o ganz unbefleckte Frau, in meiner Erwartung nicht getäuscht werden, sondern die Erfüllung derselben erlangen, o Gottesbraut, die auf unaussprechliche Weise die Erwartung Aller geboren hat, unsern Herrn Jesus Christus, den wahren Gott und Herrscher, Dem da gebührt alle Verherrlichung, Ehre und Anbetung mit Seinem anfangslosen Vater und Seinem allheiligen und guten und lebenschaffenden Geiste jetzt und allzeit und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Neuntes Gebet

O jungfräuliche Gebieterin, unbefleckte Gottesgebärerin, meine ganz preiswürdige über Alles gute Herrin, erhabner als der Himmel, viel reiner als Sonnenstrahlen, als jeder Glanz und Schimmer, vorzüglicher als die Cherubim, unvergleichlich glorreicher als alle die himmlischen Heerschaaren, der Apostel Ruhm, der Martyrer Preis; der Heiligen Wonne, der Asceten Ehre, goldener Rauchaltar, lichttragender Leuchter, Gefäß tragend das Manna des Himmels, wahre Arche, göttlichstes Gesetz, o unverbrannter Dornstrauch, weitumfassendes Feld, grünende Ruthe jenes Aarons (4. Mos. 17, 8), wahrhaft erschienst Du als Ruthe, und die Blüthe war Dein Sohn Christus unser wahrer Gott und mein Schöpfer. Du hast dem Fleische nach Gott das Wort geboren, vor der Geburt jungfräulich geblieben, Jungfrau nach der Geburt, und wir wurden mit Gott versöhnt durch Christus Deinen Sohn. Du bist die Hilfe der Sünder, Du der Hilflosen von Stürmen Umhergetriebenen Hafen, der Trost der Welt, Du der Waisen Beistand und das Lösegeld der Gefangenen, du der Mönche Festigkeit, der Weltleute Hoffnung, der Wittwen Ausdauer, Hilfe und Schutz, der Jungfrauen Stolz, Krone und Ergötzung! Erhabene Jungfrau und Gebieterin, Königin, Herrin, unter Deinen Flügeln beschirme mich, behüte mich, daß sich Satan, des Verderbens Vater, gegen mich nicht rühme, und wider mich der Gottlose, mein Feind, sich nicht erhebe! Denn Du bist, o Allerreinste, mein Hafen, meine Hilfe und Schutzpatronin, und ich kenne, o Frau, keine andere Zuflucht. Ich flehe Dich, o Frau, mit vielen Thränen an, daß Dein süßer Sohn, der Schöpfer und Bildner, mich der vielen Sünden wegen, die ich begangen, nicht verstoße. Ich bitte Dich, zu bewirken, daß ich zu Christus komme, und eingehe in jene Wohnungen der Heiligen, wo keine Thränen sind, keine Drangsale, weder Trauer ist noch Tod, weder Qual noch Bedrängniß, sondern Freude, deren man nie satt wird, Genuß der Gerechten, und ununterbrochene Ergötzung, ein Leben, das kein Ende hat, Lust und Wonne, und Glorie und Herrlichkeit! Erfülle auch meinen Mund mit der Anmuth Deiner Süßigkeit, und errege meine Zunge und Lippen, Dich zu lobpreisen mit freudiger Seele und willigem Herzen, und (Dir zu singen) jenes englische Preislied, das Gabriel an Dich, o jungfräuliche Mutter, ertönen ließ! Mache Deinen armseligen Knecht, o Jungfrau, würdig, von den Leidenschaften und jeder Sünde befreit zu werden! Zerstreue jeden Gedanken, der mir beständig vom Teufel eingegeben wird, um meine jammervolle Seele in den Abgrund der Hölle zu stürzen! Errette mich, o meine Allerheiligste, aus seinen Schlingen! Gib mir die Furcht Gottes und die Liebe, o Jungfrau, einen gotteswürdigen Sinn und ein gereinigtes Leben, Liebe gegen den Herrn und den Nächsten zugleich, Geduld, Demuth, Enthaltsamkeit, Fasten, reinigende Thränen der Zerknirschung, o Jungfrau, Beherzigung jener furchtbaren Strafen, Bekehrung von Übelthaten, die ich Elender begangen und zwar mit Vorsatz, wie Du, o jungfräuliche Mutter, weißt! Ich habe (daher, wenn Du mich nicht bei Gott vertrittst) keine Hoffnung des Heiles. Verdorben hab' ich und verwildert Seele mir und Leib, vom Jugendalter an ward ich ganz Unglücklicher ein unreines, unnützes, völlig verdorbenes Gefäß. Ich Elender folgte dem Belial (bösen Geiste) in Gedanken, in Werken und ungeziemenden Thaten. Selbst jetzt noch verleitet der Abscheuliche mich, o Jungfrau, zu seinen Willen. Weh mir Armen! Nachstellungen bereitet mir der Allerärgste jeden Tag, und ich kann die Last der bösen Gedanken nicht ertragen; denn ich habe die böse Gewohnheit der Sünde angenommen und will sobald kaum und (vielleicht kaum) jemals wieder nüchternen Sinnes werden. Schaudervolle Schwüre und Verträge mache ich aus meinem ganzen Herzen mit Deinem Sohne und Gotte. "Laß mir, sage ich, o Herr, meine Sünden nach, und ich nehme mir von jetzt an es vor: ich werde mich nicht mehr gegen Dich verfehlen. O über Deine Langmuth, Christus, mein Lebensspender!"
O wie langmüthig duldet, o Gebieterin, Dein barmherziger Sohn, schauend die Verachtung und die Meineide (von meiner Seite), die Lüge, womit ich Unglücklicher maßlos mich belastet habe! Kaum habe ich mich durch den Vertrag (mit Deinem Sohne) verpflichtet, so ändere - weh mir ob meiner Furchtlosigkeit und Verachtung! - ich Unreiner und Lügner mich wieder, und strecke mich nach Schlechterem aus, und wie ein über das Maß gesättigter Hund zu dem, was er gespieen, zurückkehrt (2. Petr. 2, 22), so gehe auch ich ganz Unglückseliger wieder rückwärts und komme gar nicht zur Besinnung. Aber auch in Verzweiflung stürzt der Böse mich oft, o meine Allerheiligste! Darum hilf mir, laß mich, o Herrin, ganz Unbefleckte, nicht zum freudigen Gespötte des Bösen werden, sondern reiße mich aus den Händen des bösen und arglistigen Betrügers, und mache mich zum Diener Deines Sohnes, o Jungfrau, mache mich auch wieder zum brauchbaren Gefäße des heiligen Geistes, der Dich überschattete, in den letzten Zeiten, und rette mich, Allgepriesene, wie Du willst und weißt, und verleihe mir, Dich zu verherrlichen und vom Herzen zu sprechen: Sei gegrüßt, o Lieb der Cherubim und Lobgesang der Engel! Sei gegrüßt, o Friede und Freude des menschlichen Geschlechts! Sei gegrüßt, Paradies der Wonne; sei gegrüßt, des Lebens Baum! Sei gegrüßt, Mauer der Gläubigen, Hafen der Gefährdeten! Sei gegrüßt, Zurückberufung Adams (d. i. Jungfrau, durch die Adam wieder ins Paradies kam)! Sei gegrüßt, Lösegeld der Eva (durch deren Sohn Eva mit ihren Kindern losgekauft ward)! Sei gegrüßt, Quelle der Gnade und Unsterblichkeit! Sei gegrüßt, versiegelte Quelle des heiligen Geistes! Sei gegrüßt, göttlichster Tempel! Sei gegrüßt, Thron des Herrn! Sei gegrüßt, o Reine, die das Haupt des erzbösen Drachen zertrat und ihn gefesselt in den Abgrund stürzte! Sei gegrüßt, o Zuflucht der Bedrängten! Sei gegrüßt, Erlösung vom Fluche, ganz unbefleckte Jungfrau, durch deren Kind Freude der Welt gezeigt ward! Sei gegrüßt, o Mutter Christi, des Sohns des lebendigen Gottes, dem Herrlichkeit und Ehre und Anbetung und Lobgesang gebührt jetzt und immer und überall, Amen, und in alle Ewigkeiten!

Zehntes Gebet

Jungfrau, Gebieterin, Gottesmutter, die Gott das Wort dem Fleische nach geboten! Ich weiß es wohl, daß es weder anständig noch geziemend ist, daß ich, der so ganz Verdorbene, auch nur Dein Bild anschaue, das Bild der allzeit keuschen Jungfrau, der reinen und unbefleckten an Leib und Seele; denn es ist gerecht, daß ich, der so ganz Verdorbene, von Deiner Reinheit gehaßt und verabscheut werde. Doch, weil Gott, den Du geboren, deßwegen Mensch geworden ist, damit er die Sünder zur Buße rufe, so nimm mein gegenwärtiges Bekenntniß der vielen und schweren Vergehungen auf, und führe mich zu Deinem eingebornen Sohn und Gott, und mache die Fürbitterin, damit Er meiner armen und unglücklichen Seele gnädig werde! Durch die Menge meiner Missethaten nämlich werde ich abgehalten, auf Ihn zu schauen und um Vergebung zu bitten, und stelle Dich als Fürbitterin und Vermittlerin vor. Vieler und großer Geschenke bin ich von Gott, der mich gebildet, theilhaftig geworden, aller aber zeigte ich Elender und Undankbarer mich uneingedenk. Mit Recht bin ich daher verglichen mit den unvernünftigen Thieren und ihnen ähnlich geworden (Vergleiche Psalm 48, 13). Arm bin ich an Tugenden, reich an Leidenschaften, der Schande voll, der Zuversicht vor Gott beraubt, verurtheilt von Gott, beweint von bösen Geistern, überwiesen von dem Gewissen, von meinen bösen Werken beschämt, und vor dem Tode todt, und vor dem Gerichte durch mich selbst gerichtet, und vor der endlosen Strafe von mir selbst bestraft durch die Verzweiflung. Darum nehme ich meine Zuflucht zu Deiner, der einzigen und wärmsten Vertheidigung, Herrin, Gottesgebärerin, ich, der zehntausend Talente schuldig, der ich liederlich mein väterliches Vermögen mit Huren verschwendet habe (Luk. 15, 30), der ich mehr Hurerei getrieben (d. i. von Gott abgefallen) als Manasser (der gottlose König von Juda IV. Buch der Kön. 21, 1 ff), der ich unbarmherziger gewesen bin als der reiche Prasser (im Evangelium), ich Knecht der Gefräßigkeit, Herberge der bösen Gedanken, Vorrathsbewahrer der schändlichen und schmutzigen Reden, aller Unreinheit voll und jeder guten That entfremdet. Erbarme Dich meiner Erniedrigung, o Unbefleckte! Trage Mitleid mit meiner Schwäche, o Allerreinste! Große Zuversicht hast Du vor dem aus Dir Gebornen, wie kein Anderer. Alles kannst Du als Gottes Mutter, Alles vermagst Du als erhaben über alle Geschöpfe. Nichts ist Dir unmöglich, wenn Du willst. Verachte nur nicht meine Thränen! Verabscheue nicht mein Gestöhne, verwirf nicht mein tiefes Herzensleid, mache nicht zu Schanden meine Erwartung auf Dich, sondern thu' durch Deine mütterlichen Fürbitten Gewalt an dem sonst nicht gewalt-erduldenden Erbarmen Deines guten Sohnes und Gottes! Mache mich, Deinen unglücklichen und unwürdigen Knecht, würdig, die erste und frühere Schönheit der Seele wieder zu erlangen, die Häßlichkeit der Leidenschaften wegzuwerfen, befreit zu werden von der Sünde, unterthan zu werden der Gerechtigkeit, auszuziehen die Befleckung der fleischlichen Lust, anzuziehen die Heiligung der Seelenreinheit, todt zu werden für die Welt und zu leben für die Tugend, indem Du auf Reisen mit mir gehest, bei Seefahrten mit mir schiffest, die immer mich bekriegenden bösen Geister besiegst, während des Wachens mir Stärke verleihst, im Schlafe mich behütest, in Bedrängnissen mich tröstest, den Kleinmüthigen ermunterst, den Schwachen kräftigest, wenn mir Unrecht geschieht, mich rettest, wenn ich verleumdet werde, meine Unschuld vertheidigst, in Todesgefahr sogleich mir zu Hilfe kommst, mich den sichtbaren und unsichtbaren Feinden täglich furchtbar machst, damit alle die ungerecht mich tyrannisierenden bösen Geister erkennen, wessen Diener ich bin!
Ja, meine über Alles heilige Gebieterin, Gottesgebärerin, erhöre dieses mein klägliches Flehen, und mache meine Erwartung nicht zu Schanden, o Hoffnung aller Grenzen der Erde! Lösche die mächtige Glut meines Fleisches; besänftige das in meiner Seele erweckte so wilde Wogen des unzeitigen Zorns; entferne die Hoffart und Prahlerei der eitlen Jugend aus meinem Geiste! Die nächtlichen Phantasiegebilde der bösen Geister und die täglichen Angriffe der unreinen Vorstellungen vernichte aus meinem Herzen! Unterrichte meine Zunge, das Nützliche zu reden! Lehre meine Augen recht auf den geraden Pfad der Tugend schauen! Mache meine Füße beharrlich den seligen Weg der Gebote Gottes laufen! Bereite meine Hände geheiligt zu werden, damit sie würdig sich erheben zum Höchsten! Reinige meinen Mund, auf daß ich mit Zuversicht Gott, den Furchtbaren und Allerheiligsten, als Vater anrufe! Eröffne meine Ohren, damit ich die Aussprüche der heiligen Schriften, die süßer als Honig und Honigseim sind (Psalm 18, 11), mit Sinn und Verstand höre, annehme, und von Dir gekräftigt in's Werk setze! Gib mir Zeit zur Buße, und Denken an Bekehrung! Vom plötzlichen Tode befreie mich! Vom verborgenen (bösen) Gewissen errette mich! Endlich stehe mir bei in der Trennung meiner armen Seele von diesem elenden Leibe, jene unerträgliche Gewalt (d. i. die gewaltsame Scheidung) erleichternd, jene unaussprechliche Noth mildernd, in jener trostlosen Bedrängniß mich tröstend, und der finstern Gestalt der bösen Geister mich erlösend, der so strengen Rechnung-Abforderung der Eintreiber der Lust (d. i. der in der Lust hausenden und Rechenschaft fordernden bösen Geister, Ephes. VI., 12) und der Fürsten der Finsterniß mich entreißend, die Schuldschriften meiner vielen Sünden zerreißend, Gott mich zu eigen machend, und mich würdig des seligen Stehens zu Seiner Rechten beim furchtbaren Gerichte, von den ewigen und unerträglichen Peinen mich errettend, und mich zum Erben der gepriesenen und unverweslichen Güter (jenseits) machend!
Dieses Bekenntniß (d. i. mit Sündenbekenntniß verbundene Gebet) bringe ich Dir dar, Herrin, Gottesgebärerin, Licht meiner verfinsterten Augen, Trost meiner Seele, nach Gott meine Hoffnung und Rettung! Nimm dasselbe wohlwollend auf und reinige mich von aller Befleckung des Fleisches und Geistes, indem Du mich würdig machest, im gegenwärtigen Leben ohne Gericht theilzunehmen am unbefleckten Leib und Blute Deines Sohnes und Gottes, im künftigen aber an der Süßigkeit des himmlischen Gastmahls, an der Wonne des Paradieses, am Reiche Gottes, wo die Wohnung aller Seligen ist! Und hab' ich diese Güter erlangt, so will ich in Ewigkeit der Ewigkeit verherrlichen den glorreichen Namen Deines Sohnes und Gottes mit seinem anfangslosen Vater und seinem allheiligen und guten und lebenschaffenden Geiste jetzt und allzeit und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Eilftes Gebet

Jungfrau, Herrin, Gottesmutter, die das eingeborne Wort Gottes, den Erschaffer und Herrn der ganzen sichtbaren und geistigen Schöpfung, den Einen Gott der Dreieinigkeit (d. i. eine göttliche Person der Dreieinigkeit) als Gott und Mensch auf übernatürliche und unaussprechliche Weise geboren, Wohnung der Gottheit, Behältniß aller Heiligkeit und Gnade, worin die Fülle der Gottheit leibhaftig nach dem Wohlgefallen Gottes des Vaters und durch Mitwirkung des heiligen Geistes wohnte, an königlicher und gottähnlicher Würde über die ganze Schöpfung unübertrefflich erhaben und hervorragend, Ruhm und Wonne und unaussprechliche Freude der Engel, königliche Krone der Apostel und Propheten, überaus herrliche und wunderbare Stärke der Martyrer, ihrer Kämpfe und Siege Hilfsmittel, der Streiterkronen und der ewigen und gotteswürdigen Belohnungen Verschafferin, überaus ehrwürdige Ehre und Glorie der Heiligen, irrthumslose Führerin und Lehrerin der Ruhe, der Offenbarungen und geistigen Geheimnisse Thüre, Quelle des Lichtes, Pforte des ewigen Lebens, nie versiegender Strom des Erbarmens, aller gotteswürdigen Gnadengaben und Wunder unerschöpfliches Meer, Dich bitten wir und Dich rufen wir an, die mitleidigste Mutter des menschenliebenden Herrn: sei gnädig uns, Deinen armen und unwürdigen Dienern! Schaue wohlwollend auf unsere Knechtschaft und Niedrigkeit herab! Heile die Wunden unserer Seelen und Leiber! Vernichte die sichtbaren und unsichtbaren Feinde! Thurm der Kraft, kriegerisch Rüstung, starke Schlachtreihe, Führerin und unüberwindliche Vorkämpferin sei uns Unwürdigen gegen unsere Feinde! Zeig' an uns Deine alten und wunderbaren Erbarmungen heute! Zeige unsern gottlosen Feinden, daß nur allein König und Gebieter sei Dein Sohn und Gott, und daß Du wahrhaft Gottesgebärerin seist, Die den wahren Gott dem Fleische nach zur Welt gebracht, und daß Du Alles kannst, und vermagst zu wirken, was Du willst, im Himmel und auf Erden! Gewähre Allen die Bitten, je nachdem es Jedem zuträglich ist, o Herrin: den Kranken die Genesung, den Seefahrern Meeresstille und glückliche Fahrt, die Reisenden begleitend und schützend, Gefangene aus der traurigen Knechtschaft erlösend, die Betrübten tröstend, die Armuth und jedes körperliche Leiden erleichternd, von den Krankheiten der Seele und von den Leidenschaften Alle befreiend durch Deine unsichtbaren Hilfleistungen und Anleitungen, damit wir den Weg dieses zeitlichen Lebens schön und ohne Anstoß vollenden und jene ewigen Güter durch Dich im Reiche der Himmel erlangen! Unsere gläubigen Fürsten aber, (als christliche Fürsten) mit dem furchtbaren (d. i. hochehrwürdigen, schaudervollen) Namen Deines eingebornen Sohnes geehrt sind und auf Deine Hilfe und Gunst vertrauen und Dich in Allem als Mittlerin und Vertheidigerin gegen die drohenden Feinde aufstellen, kräftige unsichtbar! Zerstreue das auf ihren Seelen liegende Gewölke der Muthlosigkeit, befreie ihre Seelen von der Bedrängniß, und führe dagegen heitere Fröhlichkeit und Freude ein, indem Du ihnen friedliche und aufruhrlose Macht und Herrschaft gewährest! Errette, o Herrin, durch Deine Fürbitten diese Dir ganz besonders ergebene Heerde und die ganze Stadt und Gegend von Hunger, Erdbeben, Überschwemmung, Feuer, Schwert, Einfall fremder Völker, und bürgerlichem Kriege, und wende jedes mit Recht gegen uns sich erhebende Strafgericht (des Himmels) ab durch die Liebe und Gnade Deines eingeborenen Sohnes und Gottes, Dem da gebührt alle Herrlichkeit, Ehre und Anbetung mit Seinem anfangslosen Vater und Seinem gleich ewigen und lebenschaffenden Geiste jetzt und allzeit und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.

Zwölftes Gebet

Makellose und unbefleckte, unversehrte und ganz keusche und von jedem Schmutze und Flecken der Sünde ganz entfernte Jungfrau, Gottes Braut und unsere Gebieterin, Die Du durch Deine wunderbare und glorreiche Empfängniß den Gottmenschen zur Welt gebracht und Gott das Wort auf wunderbare Weise mit den Menschen verbunden und die abtrünnige Natur unsers menschlichen Geschlechts mit der Himmlischen vereinigt hast, einzige Hoffnung der Verzweifelnden, Hilfe der Unterdrückten, und schneller Beistand aller, die zu Dir ihre Zuflucht nehmen, endlich fester Schutz aller Christen, verabscheue nicht, ich bitte Dich, mich, den größten Sünder, der durch seine maßlos sündhaften Gedanken, Worte und Werke sich ganz verwerflich gemacht hat und die trügerischen Reize der Lüste so ganz mit knechtischer und niederträchtiger Seele liebt! Vielmehr nimm, wie Du die Mutter des mildesten und gütigsten Gottes bist, so mich Sünder gnädigst auf und laß mein ganz beflecktes und von meinen unreinen Lippen kommendes Gebet huldreich zu! Auch erbitte Deinen süßen Sohn, meinen Herrn und Gott, liebevoll und willig durch Deine innige mütterliche Erbarmung, daß auch Er mir das Innere seiner unerschöpflichen Barmherzigkeit zu erschließen sich würdige, und mit Hinansetzung meiner zahllosen Sünden mich zur heilsamen Buße bekehre, und mache, daß ich seine Gebote besser erfülle! Stehe mir jetzt und allzeit bei, o jungfräuliche Gottesgebärerin, Mutter der Barmherzigkeit, Gütige und Gnädige, indem Du im gegenwärtigen Leben als eifrige Beschützerin und Helferin alle feindlichen Anfälle von mir abwendest und auf den Weg des Heiles mich stellest, und im letzten Augenblicke des Lebens meine arme Seele bewahrst und die finstern und schaudervollen Gestalten der erzbösen Geister von mir weit zurücktreibst, am furchtbaren Gerichtstag aber von der ewigen Verdammung mich befreiest und zuletzt in die Zahl der Gerechten mich einreihest, und zum Erben der unnahbaren Glorie Deines Sohnes und Gottes mich machest! O daß doch dieses durch Deine fromme Fürbitte und Vermittlung, meine Herrin, heiligste Gottesmutter, mir und Allen, die demüthig zu Dir ihre Zuflucht nehmen und die ganze Hoffnung auf Dich setzen, nach diesem Elende gewährt würde durch die Gnade, Erbarmung und Güte Deines eingebornen Sohnes, unsers Herrn und Gottes und Heilandes Jesu Christi, Dem da gebührt alle Glorie, Ehre, Macht und Anbetung mit Seinem ewigen Vater und dem heiligen und lebenschaffenden Geiste jetzt und allzeit und in die Ewigkeiten der Ewigkeiten! Amen.
 

aus: Marien-Rosen aus Damaskus
Gesänge zur Ehre der allerheiligsten Jungfrau,
aus dem Syrischen
von P. Pius Zingerle [1801-1881]
aus dem Orden des hl. Benedikt
Zweite durch vollständige Übersetzung der Gebete des hl.
Ephräm an die allerseligste Jungfrau vermehrte Ausgabe
Innsbruck Verlag der Wagner'schen Buchhandlung 1855


 

 


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