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Aus Ovids Heroiden
18. Brief: Leander an Hero
Seinen Gruß, den, legte das Meer sich, lieber er brächte,
Schickt der Abydier hier, Mädchen von Sestos, dir zu.
Wenn mir die Götter geneigt und hülfreich sind in der Liebe
Wird, ob ungern auch, lesen dein Auge die Schrift.
Doch das sind sie mir nicht. Warum sonst hemmten sie meine
Wünsche und ließen mich nicht gehn den gewöhnlichen Weg?
Schwärzer als Pech siehst selbst du den Himmel, von Winden die Meersfluth
Wogend; es wagten darauf bauchige Schiffe sich kaum.
Nur ein einziger Mann, der kühne, von welchem mein Brief hier
Eingehändigt dir wird, wagt aus dem Hafen die Fahrt.
Einzusteigen mich schickte ich an; doch stand auf der Lauer
Ganz Abydus, indem lösen er wollte das Tau.
Unbemerkt nicht konnte, wie sonst, von den Ältern ich bleiben;
Unser verheimlichter Bund hätte sich offen gezeigt.
Alsbald schrieb ich noch dies und sprach: Geh, glückliches Blättchen,
Bald wird Hero nach dir strecken die reizende Hand.
Möglich auch, daß an den Mund sie dich führt und berührt mit den Lippen,
Während mit schneeigem Zahn reißen die Bande sie will.
Als ich Worte der Art mit leisem Geflüster gesprochen,
Fuhr mit dem Übrigen fort auf dem Papiere die Hand.
Ach, wie wünschte ich lieber, als daß sie schriebe, sie schwämme,
Trüge, wie sonst sie gewohnt, ämsig mich über die Fluth.
Aber ist passender sie die ruhige Fläche zu schlagen,
Ist sie doch meines Gefühls passende Dienerin auch.
Sieben Nächte schon ist's, ein Raum, mir länger als Jahre,
Daß in heißerer Fluth kocht die geschwollene See.
Wenn ich in diesen Nächten den herzerquickenden Schlummer
Habe gesehn, soll lang dauern die Wuth noch des Meers.
Sitzend auf einem Felsen, betrübt nach deinem Gestade
Schau' ich, wohin ich nicht selbst kann, mich begebend im Geist.
Ja, die Leuchte sogar, die wacht auf der Spitze des Thurmes,
Sieht entweder mein Blick, oder er meint sie zu sehn.
Dreimal habe das Kleid auf dem trockenen Sand ich geworfen,
Dreimal hab' ich versucht nackt den gefährlichen Weg.
Aber es trotzte das schäumende Meer dem Beginnen des Jünglings,
Deckte, entgegen die Fluth drängend, des Schwimmers Gesicht.
Doch, o unbarmherzigster du von den reißenden Winden,
Was doch führst du mit mir Krieg so entschlossenen Sinns?
Mich trifft, Boreas, weißt du es nicht, dein Rasen, das Meer nicht.
Was erst würdest du thun, kenntest die Liebe du nicht?
Bist du auch noch so kalt, nicht kannst du, Verwünschter, doch leugnen,
Daß du in Liebe geglüht für die Actäerin einst.
Wenn bei dem Raub der Geliebten man dir verschließen den Luftweg
Hätte gewollt, wie wohl hätte gefallen es dir?
Halte doch ein, gieb günstige Luft mit milderem Wehen.
So mag Hippotes' Sproß Hartes gebieten dir nie!
Aber ich flehe umsonst; dem Flehn murrt selbst er entgegen;
Nirgends hält er die Fluth, die er erschüttert, im Zaum.
Wenn doch Dädalus jetzt die verwegenen Flügel mir gäbe,
Ob nicht fern auch von hier ist der Icarische Strand.
Alles ertrüge ich gern, wenn nur in die Lüfte ich schwingen
Könnte den Leib, der oft schwebt' in der schwankenden Fluth.
Aber indessen mir Alles das Meer und die Winde versagen,
Denk' ich der Anfangszeit meines verstohlenen Glücks.
Eben begann die Nacht - süß ist der Erinnerung Wonne -,
Als ich das Vaterhaus glühend vor Liebe verließ.
Ohne Verzug ablegt' ich die Furcht zugleich mit der Kleidung;
Und die elastische Fluth schlug ich, die Arme gestreckt.
Luna gewährt' ihr zitterndes Licht fast immer dem Schwimmer,
Als Begleiterin mir freundlich zu fördern den Weg.
Sei mir, begann ich, zu ihr aufblickend, du glänzende Göttin,
Hold; an die Felsen zurück denke des Latmus dein Geist.
Nicht läßt dich Endymion sein unbeugsamen Herzens:
Wende dein Angesicht heimlicher Liebe doch zu.
Du, die Göttin, entfliegst des Sterblichen wegen dem Himmel;
Die mich fesselt, ist selbst Göttin, verzeihe dem Wort.
Nicht zu gedenken der Sitten, die würdig der himmlischen Brust sind;
Solche Gestalt ist nur wirklicher Göttinnen Theil.
Nach der Venus und dir steht Keine voran ihr an Anmuth;
Und daß Worten du nicht glaubest, so siehe sie selbst.
Soweit du, wann rein in silbernen Strahlen du glänzest,
Durch dein flammendes Licht alle Gestirne besiegst,
Soviel schöner ist sie, als alle mit Schönheit Begabte.
Blöd' ist, zweifelst du noch, Göttin vom Cynthus, dein Blick.
Dieses oder von dem nicht eben Verschiedenes sprechend,
Schoß ich dahin in der Nacht durch die mir weichende Fluth.
Wieder strahlte das Bild des Mondes im Spiegel der Woge;
Helle, wie Tageslicht, herrscht' in der schweigenden Nacht.
An das Ohr schlug weder ein Laut, noch irgend Geräusch mir
Außer dem Rauschen der Fluth, wie sie mein Körper durchschnitt.
Halcyonen allein, des Ceyx gedenk, des geliebten,
Schienen zu klagen ein Lied süßer Erinnerung voll.
Schon ermatteten mir an den Schultern beiden die Arme;
Hoch auf die Fläche des Meers richt' ich mich kräftig empor.
Da erblickt' ich von ferne das Licht. Mein Feuer, begann ich,
Sehe ich dort; mein Licht leuchtet da drüben am Strand.
Plötzlich kehrten die Kräfte zurück den ermüdeten Armen;
Fügsamer schien mir die Gluth, als sie gewesen zuvor.
Daß ich empfinden nicht kann die Kälte der frostigen Tiefe,
Macht die Liebe, die mir glüht in der sehnenden Brust.
Und je näher ich komme, je mehr das Ufer herantritt,
Und je weniger bleibt; mehrt nur die Lust sich am Weg.
Wie ich nun vollends gesehn kann werden, erhöhest den Muth du,
Weil du mir zusiehst; machst, daß ich mich fühle voll Kraft.
Jetzt anstreng' ich mich auch zu gefallen der Herrin im Schwimmen,
Werfe die Arme geschickt, daß es dein Auge erfreut.
Dich hält kaum die Amme zurück in die Tiefe zu springen -
Denn ich sahe auch dies, und du betrogest mich nicht -;
Doch bewirkte sie nicht, obgleich sie im Laufe dich aufhielt,
Daß nicht naß dir der Fuß ward von der vordersten Fluth.
Und du empfängst mich und drückst mich ans Herz mit seligen Küssen,
Küssen, ihr Götter, den Weg über die Fluthen wohl werth!
Und von den Schultern dir nimmst das Gewand du, um mir es zu reichen,
Drückst den Regen des Meers mir aus dem triefenden Haar.
Weiteres weiß noch die Nacht und wir und unser vertrauter
Thurm und die Leuchte, die mir zeigt durch die Wellen den Weg,
Wollte die Freuden man zählen, die diese Nacht uns gewährte,
Könnt' in dem Hellespont zählen die Algen man auch.
Denn je kürzere Zeit zu verstohlnem Genuß uns vergönnt war,
Sorgten wir um so mehr, daß sie verloren nicht war.
Als zu verscheuchen die Nacht Tithonus' Gemahlin bereit war,
Und Auroren voran Lucifer ein sich gestellt;
Häufen wir Kuß auf Kuß, in Hast ohn' Ordnung sie raubend,
Klagen einander, zu kurz sei doch die Dauer der Nacht.
Und so zögernd noch stets, auf das bittere Mahnen der Amme
Steig' ich vom Thurme herab endlich zum schaurigen Strand.
Weinend trennen wir uns, ich stürz' in das Meer mich der Jungfrau,
Nach der Geliebten zurück blickend, so lange ich kann.
Glaubst du die Wahrheit nur, auf dem Hinweg schein' ich ein Schwimmer,
Ein Schiffbrüchiger mir, kehre zurück ich, zu sein.
Glaubst du auch dies, zu dir scheint abwärts gehend der Weg mir,
Von dir weg ein Berg starren Gewässers zu sein.
Ungern kehr' ich zurück - wer sollt' es glauben? - zur Heimat;
Ungern weil' ich fürwahr jetzt in der heimischen Stadt.
Ach, warum doch scheidet das Meer verbundene Herzen,
Und birgt nicht ein Land zwei von demselben Gefühl?
Kann dein Sestos nicht mich, dich mein Abydos nicht nehmen?
Gleich sehr zieht dein Land mich und das meinige dich.
Warum stürmt es in mir, sobald es stürmt auf dem Meere?
Warum kann mir so leicht schaden ein nichtiger Wind?
Schon ist unsere Liebe bewußt den gekrümmten Delphinen,
Und nicht unbekannt glaub' ich den Fischen zu sein.
Schon stellt dar sich getreten ein Pfad der gewohnten Gewässer,
Wie ein Weg von dem Druck häufiger Räder gebahnt.
Daß nur so mir der Weg sich ermöglichte, klagte ich früher;
Doch jetzt klag' ich, auch der sei durch die Winde versperrt.
Schäumt doch in mächtigen Wogen das Meer der Athamantide,
Und kaum bleibt ein Schiff selber im Hafen geschützt.
So wohl war dies Meer, als von der versunkenen Jungfrau
Selbes den Namen erhielt, welchen es eben noch hat.
Und berüchtigt genug schon ist's vom Verluste der Helle;
Sei's, daß meiner es schont, zeigt es im Namen die Schuld.
Phryxus beneid' ich; es trug hin über die traurigen Wogen
Ihn auf wolligem Vließ sicher das goldene Schaaf.
Doch nicht wünsch' ich den Dienst des Widders mir oder des Schiffes,
Ist mir zu theilen die Fluth nur mit dem Körper vergönnt.
Mittel bedarf ich mit nichten; mir sei nur möglich zu schwimmen,
Werde zugleich Fahrzeug, Schiffer und Fahrer ich sein.
Helices acht' und der Bärin ich nicht, die Tyrus benutzet;
Unsere Liebe verschmäht Sterne gemeinen Gebrauchs.
Schaut auf die strahlende Krone und auf die Parrhasische Bärin,
Flimmernd am eisigen Pol, schaut auf Andromeda nur;
Nichts, was Perseus einst und Liber und Jupiter liebten,
Sagt als Leitstern mir zu auf der schwankenden Bahn.
Mir erglänzt ein anderes Licht, das sicherer leitet,
Das auf dunkelem Pfad wandeln die Liebe nicht läßt.
Schau' ich nur dies, so könnte nach Colchis, zum äußersten Pontus,
Wo der Thessalische Kiel Bahn sich gebrochen, ich gehn;
Könnte im Schwimmen besiegen den jugendlich starken Palämon
Und den Wunderkraut plötzlich zum Gotte gemacht.
Häufig erschlaffen mir wohl durch die stete Bewegung die Arme;
In der gewaltigen Fluth lassen sie kaum sich erziehn.
Sprech' ich zu ihnen jedoch: Nicht schlechte Belohnung der Arbeit
Sag' ich, zu fassen den Hals bald der Geliebten, euch zu;
Alsbald sind sie voll Kraft und streben dem Preise entgegen,
Wie in Elis das Roß, das man der Schranke entläßt.
So die Geliebte, für die ich glühe, nur hab' ich im Auge,
Dich, o Mädchen, die weit mehr du den Himmel verdienst.
Ja, den Himmel verdienst. Doch weile annoch auf der Erde,
Oder verkünde auch mir, wie zu den Göttern man kommt.
Hier wohl bist du, doch wirst du zu Theil nur wenig dem Armen,
Und mir stürmt's in der Brust, wie auf dem Meere es stürmt.
Daß mich ein breites Meer nicht trennt, was hat es für Nutzen?
Steht ein Wasser so schmal minder darum uns im Weg?
Fast wär's besser, uns schiede ein Raum so groß wie die Erde,
Und mit der Herrin zugleich läg' auch die Hoffnung mir fern.
Denn je näher du bist, je näher versehrt mich die Flamme;
Selten nur ist der Genuß, Hoffnung vorhanden nur stets.
Was ich liebe, berühr' ich beinah, so nahe mir ist es;
Doch ach, Thränen erregt dieses beinahe mir oft.
Was wär's Anderes wohl, wenn fliehende Früchte erhaschen
Und die entweichende Fluth wollte erreichen der Mund?
Also werd' ich umarmen dich nicht, als wenn es das Meer will?
Wird kein Sturm mich sehn glücklich in deinem Besitz?
Und da minder gewiß Nichts ist als Wellen und Winde,
Wird auf Wellen und Wind immer mein Hoffen beruhn?
Stürmt es schon jetzt, wie wann mir das Meer der Hüter der Bärin
Und die Plejade empört und das Olenische Thier?
Nicht mir bekannt entweder ist Amors Verwegenheit, oder
Unvorsichtig auch dann wird er mich treiben ins Meer.
Glaube auch nicht, das sagt' ich nur zu, weil fern noch die Zeit ist.
Spät nicht sollst du empfahn meines Versprechens Beweis.
Seien durch einige Nächte nur noch die Wellen in Aufruhr,
Werd' ich versuchen den Weg durch die erbitterte Fluth.
Und ausschlagen mir wird entweder zum Glücke das Wagstück,
Oder der Liebespein machen ein Ende der Tod.
Wünschen werd' ich jedoch dort ausgeworfen zu werden,
Daß schiffbrüchig mein Leid finde den Hafen bei dir.
Weinen wirst du und sagen, indem du mich deiner Berührung
Würdigest: Dem bin ich Quelle gewesen des Tods.
Doch es betrübt, ich fühl's, der Gedanke dich meines Verlustes,
Und in diesem Betracht ist dir zuwider mein Brief.
Klage nur nicht, ich schließe; doch daß auch die Wogen sich legen,
Möge sich meinem Gebet schließen das deinige an.
Einige Ruhe nur brauch' ich, bis daß ich hinübergelange;
Ist dein Ufer erreicht, rase, wie früher, der Sturm.
Dort beut meinem Schiffe sich dar ein passender Standplatz,
Und in keinerlei Bucht ankerte besser mein Kiel.
Dort, dort sperre mich Boreas ab, wo süß es, zu weilen;
Dann vorsichtig und laß werde zum Schwimmen ich sein.
Schmähungen werde auch nicht den tauben Wellen ich sagen,
Klagen nicht, daß das Meer widrig dem Schwimmenden sei.
Mögen die Winde zugleich und zärtliche Arme mich halten,
Und zu bleiben mich dort zwingen ein doppelter Grund.
Rühren werd' ich die Ruder des Leibs, sobald es der Sturm nur
Zuläßt; halte du nur immer die Leuchte in Sicht.
Übernachte indeß bei dir statt meiner das Briefchen,
Welchem zu folgen ich selbst wünsche in kürzester Frist.
19. Brief: Hero an Leander
Daß ich des Grußes und Heils, das du mir, Leander, in Worten
Sendetest, mich in der That könne erfreuen, so komm.
Mir zu lang' ist jeder Verzug, der Freuden hinausschiebt;
Meiner Liebe gebricht, laß es mich sagen, Geduld.
Gleich ist unsere Glut, doch ungleich bin ich an Kraft dir.
Männern wurde zu Theil, glaub' ich, ein stärkerer Geist.
Schwach ist gleich dem Körper das Herz bei dem zarten Geschlechte.
Zögerst du lange annoch, werd' ich vor Sehnen vergehn.
Ihr bringt bald auf der Jagd und bald bei dem heiteren Landbau
Viel langweilige Zeit zu in verschiednem Vertreib.
Bald euch fesselt der Markt und der Preis der gesalbten Palästra;
Oder ihr lenkt mit dem Zaum folgsamer Rosse Gebiß.
Jetzt an der Angel den Fisch, jetzt fangt ihr in Schlingen den Vogel;
Spätere Stunden des Tags spület mit Wein ihr hinweg.
Mir, dem Allen entrückt, bleibt, wenn ich auch weniger heftig
Glühte, doch übrig zu thun außer zu lieben ja Nichts.
Was mir nun bleibt, das thu' ich; und dich, mein einzig Vergnügen,
Lieb' ich noch mehr, als daß du es erwiedern mir kannst.
Flüsternd sprech' ich entweder von dir mit der theueren Amme,
Wundre mich, was für ein Grund wohl dich verhalte im Weg;
Oder ich schaue aufs Meer und schelte beinahe mit deinen
Worten die See, die doch wogt von dem häßlichen Wind;
Oder hat nachgelassen an Wuth ein wenig die Woge,
Klag' ich, du könntest gewiß kommen, doch wolltest du nicht.
Thränen entquellen dabei den liebenden Augen, die traulich
Ab das Mütterchen mir trocknet mit zitternder Hand.
Oft auch späh' ich, ob Tritte von dir sich finden am Strande,
Als bewahrte der Sand Spuren des flüchtigen Drucks.
Um zu fragen nach dir und zu schreiben dir, forsch' ich, ob Jemand
An von Abydos gelangt, oder dahin sich begiebt.
Ja, ich küße wie oft die Kleider auch, welche du ablegst,
Wann in des Hellesponts Fluthen du tauchen dich willst.
Hat geendet der Tag und des Abends trautere Stunde
Nach Verscheuchung des Lichts flimmernde Sterne gebracht,
Alsbald stell' auf dem Thurme ich aus die wachende Leuchte,
Zeichen und Marke des Wegs, den du zu nehmen gewohnt.
Ziehend und drehend den Faden sodann an, der tanzenden Spindel,
Bringen mit weiblicher Kunst hin wir die zögernde Zeit.
Was in so langwieriger Zeit indessen ich spreche,
Fragst du? In meinem Mund bist du, Leander, allein.
Glaubst du wohl, Amme, nun habe das Haus mein Liebster verlassen?
Oder ist Alles noch wach, er vor den Seinen in Furcht?
Glaubst du, nun lege bereits er ab von den Schultern die Kleider?
Nun mit geschmeidigem Öl salbe die Glieder er ein?
Meistens nickt sie; doch kümmert sie nicht sich um unsere Küsse,
Sondern beschlichen vom Schlaf, neigt sich des Mütterchens Haupt.
Und nach kurzem Verzug ausruf' ich: Nun schwimmt er gewiß doch,
Und den gelenkigen Arm wirft er, zertheilend die Fluth.
Hab' ich den Boden berührt und einige Fäden vollendet,
Frage ich, ob du wohl sein könntest inmitten des Meers.
Und bald' schau' ich hinaus, bald fleh' ich mit schüchterner Stimme,
Daß dir ersprießliche Luft gebe erleichterten Weg.
Manchmal halt' ich die Ohren gespannt und lausche nach Tönen,
Meinend, ein jedes Geräusch künde dein Kommen mir an.
Ist mir in solcherlei Täuschung die Nacht beinahe vergangen,
Werden die Augen mir matt, heimlich befallen vom Schlaf.
Wider Willen vielleicht, doch schläfst, Gottloser, bei mir du;
Wenn du auch gleich nicht willst kommen, so bist du doch da.
Denn bald däucht mir, ich sähe bereits in der Nähe dich schwimmen;
Bald, dein triefender Arm schling' um den Nacken sich mir;
Jetzt, ich würfe, wie stets, das Gewand um die triefenden Glieder;
Jetzt, ich wärmt' uns die Brust, Busen an Busen gedrückt;
Vieles noch sonst, das sagen nicht darf die züchtige Zunge,
Das man zu thun sich freut, doch zu erzählen sich schämt.
Ach ich Arme! zu kurz ist dieses Vergnügen und unwahr;
Denn mit dem Schlafe zugleich bist du mir immer entflohn.
Möchte ein festeres Band doch endlich uns Liebende einen,
Fehlen der volle Genuß unserer Liebe doch nicht!
Warum verbrachte ich kalt der einsamen Nächte so viele?
Warum bist du so oft, säumiger Schwimmer, mir fern?
Freilich, es ist das Meer noch nicht zugänglich dem Schwimmer;
Doch in der gestrigen Nacht wehte ein sanfterer Wind.
Warum versäumtest du sie, was kommen nicht sollte, befürchtend?
Ließest so günstige Zeit schwinden und eiltest nicht her?
Sollt' alsbald auch zu ähnlicher Fahrt sich die Möglichkeit bieten,
War doch diese soviel besser, als früher sie war.
Aber es änderte schnell die Gestalt sich der wogenden Tiefe.
Oft, wann eilen du willst, kommst du in kürzerer Zeit.
Hier vom Wetter erreicht, Nichts hättest du, mein' ich, zu klagen;
Hieltest du mich im Arm, würde dir schaden kein Sturm.
Ich dann wenigstens hörte getrost die sausenden Winde,
Betete nie, daß sanft würden die Wogen der See.
Was ist aber geschehen, daß mehr du fürchtest die Welle
Und jetzt scheuest das Meer, das du verachtet vorher?
Denn wann früher du kamst, nicht weniger waren die Fluthen,
Weiß ich ja, oder nicht viel weniger drohend und wild.
Rief ich dir nicht zu: O sei nicht allzuverwegen,
Daß mir Armen dein Muth nicht zu beweinen noch ist?
Sage, woher die Furcht? Wo ist die sonstige Kühnheit?
Wo der gewaltige Held, welcher verachtet das Meer?
Sei dies lieber jedoch, als was du früher gewesen;
Mache nur sicher den Weg über das ruhige Meer;
Wenn du derselbe nur bist und so, wie du schreibst, mich noch liebest,
Und die frühere Glut nimmer zu Asche verglimmt.
Nicht so fürcht' ich den Wind, der, was ich ersehne, verzögert,
Als daß ähnlich dem Wind flüchtig sich wendet dein Sinn;
Daß ich zu wenig dir bin, und das Ziel die Gefahren nicht aufwiegt,
Und ich ein Lohn dir zu sein scheine, der Mühe nicht werth.
Manchmal fürcht' ich, mir schade das Land, und als Thracisches Weib sei
Ebenbürtig ich nicht einem Abydischen Bett.
Alles vermag zu ertragen jedoch ich eher, als wenn du,
Eine Dirne im Arm, müßige Zeit dir vertreibst;
Wenn sich zu deinem Hals je fremde Arme erhöben,
Und ein anderes Band setzte dem unsern ein Ziel.
Lieber gestorben, als solchem Vergehn zum Opfer zu fallen!
Ja, es komme mein Tod deiner Verschuldung zuvor.
Nicht, weil Zeichen etwa du mir kommenden Schmerzes gegeben,
Sage ich dies, auch nicht auf von Gerüchten geregt;
Aber ich fürchte nur Alles - denn wer liebt ohne Befürchtung! -
Und Entfernte ja zwingt Mehr nur zu fürchten der Ort.
Wie weit glücklicher die, die ihre Nähe erkennen
Wahre Beschuldigung lehrt, fälschliche fürchten nicht läßt!
Wirkliche Kränkung entgeht mir, und eingebildete quält mich;
Beiderlei Irrthum macht gleiche Bekümmerniß mir.
Daß du doch kämst, daß doch nur der Wind dir oder der Vater,
Wenigstens nicht ein Weib wäre der Zögerung Grund!
Hör' ich von Einer jedoch so, glaube mir, sterb' ich vor Kummer;
Lange schon sündigest du, willst du mir geben den Tod.
Doch du sündigest nicht, und es schreckt dergleichen umsonst mich.
Daß du kommen nicht sollst, müht sich der neidische Sturm.
Ach, wie wird das Gestade gepeitscht von schrecklicher Brandung!
Und in schwarzem Gewölk birgt sich verschwunden der Tag!
Kam zu dem Meere vielleicht voll Liebe die Mutter der Helle,
Um das versunkene Kind weinend in strömender Fluth?
Oder empört die Gewässer, benannt nach dem widrigen Stiefkind,
Die Stiefmutter, nunmehr Göttin geworden des Meers?
Nicht will wohl dem zarten Geschlecht der Ort, wie er jetzt ist;
Dieses Gewässer verschlang Helle und schadet auch mir.
Doch du solltest, Neptun, der eigenen Flammen gedenkend,
Keiner Liebe den Weg hemmen durch Wellen und Wind.
(Wenn Amymone nicht und Tyro gepriesener Schönheit
Nichtige Märchen nur sind deiner begangenen Schuld.
Circes Kind und Almymons, die helle Halcyone ruf' auch
Dir und Medusa, noch nicht Schlangen im Haare, zurück,
Und Laodice, blond, und Celano, zum Himmel erhoben,
Und von denen noch sonst, weiß ich, die Namen ich las.
Diese und Mehrere noch, so wenigstens singen die Dichter,
Haben die zärtliche Brust liebend an deine gelegt.
Der du also so oft die Macht der Liebe erfahren,
Was versperrst du durch Sturm uns den gewöhnlichen Weg?)
Schone uns, Wilder, und kämpfe dich aus auf offenem Meere;
Nur zwei Länder ja trennt dieser so schmale Canal.
Dir, dem Gewaltigen, ziemt, nur gewaltige Schiffe zu schleudern,
Oder ein trotziger Feind ganzen Geschwadern zu sein.
Schimpflich dem Meergott ist's, den schwimmenden Jüngling zu schrecken.
Solchen Ruhmes fürwahr schämte sich jeglicher Teich.
Edelgeboren ist er und berühmten Geschlechtes, doch leitet
Nicht er den Stamm von Ulyß, dem dir verdächtigen, ab.
Gnädig erhalte ein Paar: er schwimmt, in dem Körper Leanders
Schwebt mein Hoffen jedoch mit auf der nämlichen Fluth.
Horch', es hat auch geknistert das Licht - ich schreibe bei Lichte -,
Hat geknistert und mir Zeichen gegeben des Glücks.
Wein in die günstige Flamme hinein läßt träufeln die Amme:
Morgen, beginnt sie und trinkt, werden wir mehrere sein.
Gleite denn durch die bezwungene Fluth und mehre die Zahl uns,
Der du mein ganzes Herz über und über erfüllst.
Kehr' ins Lager zurück, der Amors Bund du verlassen.
Warum liegt mein Leib denn in der Mitte des Betts?
Grund nicht hast du zur Furcht; selbst wird beistehen dem Kühnen
Venus, und ebnen des Meers Pfade, die Tochter des Meers.
Oft gelüstet mich selbst den Weg durch die Wogen zu machen;
Aber es pflegt dies Meer sichrer für Männer zu sein.
Denn warum, da Phryxus darauf und die Schwester doch fuhren,
Gab dem schaurigen Meer Namen das Weib denn allein?
Fürchtest du, daß an Zeit vielleicht es dir fehle zur Rückkehr,
Oder zu schwer dir die Last wäre des doppelten Wegs;
O so laß in der Mitte des Meers zusammen uns treffen
Und auf der Höhe der Fluth reichen zum Küssen den Mund;
Und so kehren zurück zu unseren Städten ein Jedes.
Wird dies wenig auch sein, ist es doch besser als nichts.
Möchte entweder die Schaam, die heimlich zu lieben uns nöthigt,
Oder die Liebe vergehn, die vor dem Rufe sich scheut!
Über Verbundenes kämpft jetzt, Schaam und Liebe; ich schwanke,
Was ich wähle; die Schaam ehret, die Liebe entzückt.
Wie einmal nach Colchis der Pagasäer Jason
Kam, auf flüchtigem Kiel führt' er Medea davon.
Wie einmal Lacedämon betrat der Buhler vom Ida,
Kehrte mit seinem Raub gleich er nach Hause zurück.
Du verlässest, so oft du besuchst die Geliebte, sie wieder;
Und wird Schiffen die Fahrt schwierig, so schwimmst du davon.
Aber nur so, o Jüngling, du Sieger der schäumenden Wogen,
So nur verachte das Meer, daß du es immer noch scheust.
Werden nicht Schiffe, gezimmert mit Kunst, vom Meere bewältigt?
Du glaubst, daß dein Arm mehr als das Ruder vermag?
Was du wünschest, Leander, das scheut der Schiffer, zu schwimmen.
Dies ist endlich das Loos eines gescheiterten Schiffs.
Ach, nicht einzureden dir wünsch' ich, wozu ich ermahne;
Laß ja machen dich nicht meine Ermahnungen schwach.
Wenn du herüber nur kommst und deine ermatteten Arme,
Die in den Wogen du oft warfst, um die Schultern mir schlingst.
Aber so oft ich den Blick zuwende dem blauen Gewässer,
Zieht mir ein Schauergefühl durch die beklommene Brust.
Und nicht minder erschreckt ein Bild der gestrigen Nacht mich,
Ist durch Opfer auch gleich, die ich gebracht, es gesühnt.
Gegen Morgen etwa - schon war im Erlöschen die Lampe,
Das ist die Zeit, wo wahr pflegen die Träume zu sein -
Gleitete mir aus den Fingern, erschlafft vom Schlafe, der Faden,
Und auf das Kissen herab senkt' ich zur Ruhe das Haupt:
Da vermeint' ich zu sehn in nicht zu bezweifelnder Wahrheit
Einen Delphin, der schwamm über die stürmische Fluth.
Aber es schmetterte bald auf den sickernden Sand ihn die Brandung,
Und den Armen verließ Woge und Leben zugleich.
Was es auch sei, ich fürchte; und du verlache den Traum nicht,
Und vertraue dich ja ruhigem Meere nun an.
Schonst du selber dich nicht, so schone des liebenden Mädchens,
Das, wenn du nicht lebst, nimmer zu leben vermag.
Baldige Ruhe jedoch läßt hoffen das Brechen der Wellen;
Dann mit sicherer Brust theile die friedliche See.
Aber so lange das Meer ist unzugänglich dem Schwimmer,
Mildre ein kommender Brief mir den verhaßten Verzug.
(S. 197-222)
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Aus: Publii Ovidii Nasonis Opera
Ovids Werke
Berichtigt, übersetzt und erklärt von Heinrich Lindemann
Sechster Theil: Die Heroiden
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1867
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