Friedrich Hölderlin und Diotima
 

 



 

Friedrich Hölderlin (1770-1843) Diotima Susette Gontard (1769-1802)


Aus den Briefen Diotimas (Susette Gontard)
an Hölderlin
 

(1798-1800)

Ich muß Dir schreiben Lieber! Mein Herz hält das Schweigen gegen Dich länger nicht aus, nur noch einmal laß meine Empfindung sprechen vor Dir, dann will ich, wenn Du es besser findest, gerne, gerne, still sein.

Wie ist nun, seit Du fort bist, um und in mir alles so öde und leer, es ist als hätte mein Leben alle Bedeutung verloren, nur im Schmerz fühl ich es noch. -

Wie lieb ich nun diesen Schmerz, wenn er mich verlassen und es wieder dumpf in mir wird, wie such ich ihn mit Sehnsucht wieder, nur meine Tränen über unser Schicksal können mich noch freun. - - - Sie fließen auch reichlich, wenn ich Abends, schon um neun Uhr, den Tag zu verkürzen, mit den Kindern zur Ruhe mich lege, wenn alles still ist und niemand mich sehen kann. Wie! dachte ich dann oft, soll künftig diese geliebte, reine Liebe wie Rauch verfliegen und sich auflösen, nirgends eine bleibende Spur zurücklassen? - Da kam der Wunsch in mich, noch durch geschriebene Worte, für Dich, ihr ein Monument zu errichten das unauslöschlich die Zeit doch unverändert schonet. Wie möchte ich, mit glühenden Farben, bis auf ihre kleinsten Schattierungen, sie malen, und sie ergründen, die edle Liebe des Herzens, könnte ich nur Einsamkeit und Ruhe finden! So, beständig gestört zerrissen, kann ich nur stückweise sie fühlen, suche sie beständig, und doch ist sie ganz in mir!
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Abends

Mein Brief hat Dich betrübt, Du Lieber! und Dein Brief hat mich so unaussprechlich gefreut, mich so glücklich gemacht, er zeigte so viel Liebe! O! wie erwiderte sie mein Herz in allen Tönen, wie ich ihn las, wie warm schloß mein Gemüt an Deines sich an. Und Du! solltest Du vielleicht an meiner Liebe zweifeln? sollte mein kalter trockner Brief Dich bekümmert haben, wie hättest Du Unrecht! Könntest Du meinen Schmerz und meine Tränen sehen bei diesem Gedanken, Du würdest das nicht denken, doch das ist es auch wohl nicht was Dich gequält hat, Dir ist wohl bange daß mein Herz mir stirbt, und ich Dich dann auch nicht mehr lieben könnte. Ich kann mir keinen Begriff machen welchen Eindruck meine Worte auf Dich machten, ich sah aber Deine Tränen fließen, sie fielen brennend auf mein Herz, ich konnte sie nicht trocknen! - - - Betäubt und stumm saß ich den ganzen Abend, und fand diesen Augenblick mein geklemmtes Herz zu erleichtern weil ich allein blieb. Ach könnte ich hin zu Dir und Dir Trost geben! Ich habe kein Geheimnis vor Dir, meine Seele! auch ist meine Liebe zu voll, um daß mein Herz mir sterbe; wenn ich still und trocken bin, so zweifle nur nicht an mir, dann brennt es in der Tiefe und ich muß wie Du mich vor Leidenschaft bewahren, der Gram zehrt wohl ein wenig, doch die süße heilende Schwermut kömmt immer vom Himmel zur rechten Zeit, und gießt ihren Segen ins Herz, und verzweiflen werde ich nie an der Natur; auch wenn ich den Tod schon im Inneren fühlte, würde ich sagen, sie weckt mich wieder, sie gibt mir alle meine Gefühle wieder, die ich treu bewahrte und die mein sind, die nur der Druck des Schicksals mir nahm, aber sie siegt, sie bereitet aus Tod mir neues schöneres Leben, denn der Keim der Liebe liegt tief und unaustilgbar in meinem Wesen, ich sage das aus Erfahrung; denn ich weiß wie immer lebendiger sich mein Herz aus allem Druck hervor gehoben hat. Ach ich weiß nicht Teurer ob ich den rechten Ton treffe, ich hatte Dir gewiß nichts zu erzählen, wohl viel viel zu sagen, aber was mich drückt, ist nichts anders als daß ich nicht bei Dir sein kann. Könnte ich Dir nur die Gewißheit geben, aber ich bin bange, meine leidenschaftliche Sprache wird Dich nicht überzeugen, o laß es! und sei wieder glücklich in Deiner Liebe! Mich freut noch heute Abend der Gedanke, daß ich Dich doch noch gesehen, Gott! wenn Du in dieser Stimmung gegangen wärest, sieh! ich könnte dankend beten daß der Genius der Liebe mich so unsichtbar leitete! und in diesen Betrachtungen will ich einschlafen und Segen Dir wünschen. - - -
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Morgends

Ich habe gut geschlafen mein Bester, und noch einmal muß ich Dir sagen wie viel Freude mir Dein Brief machte, und Dir danken für alle die stille Seligkeit die Du mir bereitet, ach lies Du meinen Brief nicht mehr wenn er Dich bekümmert hat, und halte Dich an den vorletzten der Dir so lieb war, ich mußte gestern noch viel über Leidenschaft nachdenken, --- Die Leidenschaft der höchsten Liebe findet wohl auf Erden ihre Befriedigung nie! Fühle es mit mir! diese suchen wäre Torheit. - - - Miteinander sterben! - - - Doch still, es klingt wie Schwärmerei, und ist doch so wahr, - - - ist die Befriedigung. - Doch wir haben heilige Pflichten für diese Welt. Es bleibt uns nichts übrig als der seligste Glaube an einander, und an das allmächtige Wesen der Liebe das uns ewig unsichtbar leiten und immer mehr und mehr verbinden wird. - - Stille Ergebenheit! Vertrauen auf das Herz, auf den Sieg des Wahren und Besten dem wir uns hingegeben. Und wir könnten untergehen? - - - Dann, ja dann, müßte alles aus dem Gleichgewichte kommen und die Welt in ein Chaos sich verwandeln, wenn nicht der nämliche Geist der Harmonie und Liebe sie erhielte der auch uns erhält; lebt er ewig in der Welt, warum! wie! könnte er uns verlassen; dürfen wir uns wohl mit der Welt vergleichen? und doch kann es nicht anders in uns sein, wie im Großen so im Kleinen, und wir sollten nicht vertrauen? Wir! die wir täglich Beweise der herrlichen auch uns belebenden Natur haben, die uns nur Liebe zeigt, wir sollten Kampf und Uneinigkeit in unserer Brust hegen, wenn alles uns zur Ruhe der Schönheit ruft! - - - O gewiß nicht mein Bester! wir können nicht unglücklich werden, weil diese Seele in uns lebt. Und ich weiß es, der Schmerz wird uns nur besser machen und uns inniger verbinden. (...)
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Wie gerne, Lieber! möchte ich Dir treu erzählen, wie ich die traurigen Tage unserer Trennung zugebracht, wenn nur nicht die Wiederholung dieser Zeit für mich so peinlich wäre. Seit einigen Tagen bin ich wieder allein, und es ist schon etwas besser, das Schlimmste war, daß ich mir keine einsame Viertelstunde zusichern konnte, und ich auch, selbst wenn ich allein war, meine Gefühle so gewaltsam zusammenpressen mußte, damit meine nassen Augen mich nie verraten und zu lästigen Fragen Anlaß geben möchten. Aber die ersten einsamen Stunden waren für mich schrecklich, nun wollte ich mich meinem Gefühl wieder ganz überlassen, ich durfte auch das nicht, denn die Sehnsucht nach Dir wurde so groß, daß ich mir nicht zu helfen wußte, und ein gewaltiger Kampf in mir entstand. Ich suchte mit allen Kräften Dein verlöschendes in mir gewordenes Traumbild mit lebendigen Farben wieder in meine Einbildung zu rufen, ach! es war mir versagt, ich fühlte den Wunsch und die Ohnmöglichkeit zugleich, ich dachte wohl an Deine Briefe, Deine Bücher, DeineHaare, aberich wollte keine Hülfe, wollte ganz aus mir selbst Dich in mir erneuen, doch mein töricht Herz mußte bald vor der Vernunft erröten, und Entschuldigung finden; einige Tage nachher kramte ich mir Deine lieben Sachen, und Briefe von ältern Zeiten aus, die mir damals als ich Dich noch hatte wenig waren, und wovon nichts mehr in meinem Gedächtnis war; welch einen Schatz von lieben Worten, welch einen Trost, welch ein lieblich Bild von Dir fand ich darin, wie lockten sie liebliche Tränen der Zärtlichkeit mir ins Auge, wie stärkten sie mein Herz, wie halte ich mich jetzt daran in jeder bangen Stunde. Aber ach! das ist Vergangenheit! - Was ist Gegenwart? - Was Zukunft? - - - - jetzt frage ich mich mit jedem Tage - »Wie muß ein vereinzelt Wesen, in sich, und durch sich selbst bestehen, welches die Liebe zu einem edlen und schönen Wesen erhoben?« - Träumen möchte ich immer, doch träumen ist Selbstvernichtung! Selbstvernichtung Feigheit! - - - Fühlen! - Mein Herz fühlt noch in dieser armen, alles tötenden Zeit lebendig und warm, sehnt sich nach Würklichkeit, nach dem Widerhall der Liebe, nach Mitteilung, Einklang, Harmonie! Seligkeit! soll ich es tadeln? Doch ruft jedes Gefühl in mir meine ganze Sehnsucht vermischt mit tausend Schmerzen zurück. Selbst durch meine tiefsten Gedanken finde ich nichts Wünschenswertes als die innigste Beziehung der Liebe, denn was kann uns leiten durch dies zweideutige Leben und Sterben, als die Stimme unsers bessern Wesens, welches wir einer gleichen liebenden Seele anvertrauen, diese Stimme die wir aus uns selbst nicht immer hören können. Verbunden sind wir stark, und unwandelbar, im Schönen und im Guten, über alle Gedanken hinaus im Glauben und im Hoffen. Aber diese Beziehung der Liebe bestehet in der würklichen Welt die uns einschließt nicht durch den Geist allein; auch die Sinne (nicht Sinnlichkeit) gehören dazu, eine Liebe, die wir ganz der Würklichkeit entrücken, nur im Geiste noch fühlen, keine Nahrung und Hoffnung mehr geben könnten, würde am Ende zur Träumerei werden oder vor uns verschwinden, sie bliebe, aber wir wüßten es nicht mehr und ihre wohltätige Wirkung auf unser Wesen würde aufhören. Da ich dies alles klar vor Augen habe, und es so schwer ist aus der Dumpfheit herauszufinden, sollte ich mich selbst noch täuschen und in Schlummer wiegen, - - sollte ich träumen! soll ich mein Herz verstocken! soll ich anders denken! - - Wozu ich dies alles frage, Lieber! - »Ich habe ja Dich noch.« Ach! weil seit dem Tage unserer Trennung eine Angst in mir ist, daß einmal alle Beziehungen zwischen uns aufhören möchten, weil ich über die Zukunft keine Gewißheit habe, über Deine künftige Bestimmung; ich zittre für die Zeit der Revolutionen die uns nahe sein kann, weil vielleicht sie uns für immer von einander reißt. Wie oft tadle ich Dich und mich, daß wir so stolz alle Beziehungen uns ohnmöglich gemacht, uns nur auf uns selbst verlassen haben; wir müssen jetzt vom Schicksal betteln, und durch tausend Umwege einen Faden zu leiten suchen, der uns zusammenführt. Was wird aus uns werden, wenn wir für einander verschwinden sollten? - - -(...)
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Sonntag den 31ten Abens 9 Uhr

Ich bin ganz allein, und kann nicht schlafen gehen, ohne Dir, bestes liebstes Herz! gute Nacht zu sagen, könntest Du jetzt fühlen wie innig ich Dich fühle, wie die heiligsten Momente unserer Liebe vor meiner Seele schweben! wie glücklich würde ich sein! wenn ich das wissen könnte! – Schlaf sanft, und süß, mein Bild umschwebe Dich! - - -
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Meine Ahndung daß Du heute im Kalender Dich irren würdest, hat mich richtig geleitet, denn wir haben heute erst den letzten im Monat. - Jetzt ist es wieder gut mit mir, aber ich war krank, mein Lieber, an dem Tage wo Du das letztemal wieder hinübergingest, bekam ich eine Art von Erkältungs-Fieber, und so heftiges Kopfweh daß ich einige Tage mich ganz still halten mußte, ich nahm wieder mein gewöhnliches Mittel (ein Vomitiv) und auch China, es währte aber doch über 14 Tage, ich dankte nur dem Himmel daß ich Dich noch hatte abwarten können, und wünschte nur zu dieser Zeit wieder gesund zu sein. Wie viel ich an Dich gedacht, und mich bei Dir fühlte, kann ich nicht sagen, wenn ich Abends einsam und still war (denn ich mochte niemand um mich leiden). Meine lebendigere Phantasie malte, mir dann unsere Vergangenheit so schön, besonders die seligen Stunden unserer ersten ganz neuen Liebe, wo Du einmal sagtest: O! wenn das Glück ein halbes Jahr nur dauret!

Wenn dann so viel süßes himmlisches Gefühl wieder vor meinen Sinn kam, ward ich nachher so voll Sehnsucht, und ich meinte dann, wenn Du nur da wärest, würde ich wohl wieder gesund sein. Ich zerbrach mir dann den Kopf darüber ob es nicht möglich sei, in der würklichen Welt auf eine natürliche gute Art wieder mit Dir zusammenzukommen; wenn ich dann einschlief, träumte mir, ich fände Dich in irgend einer Gesellschaft, auf einem Spaziergang, ich sah Dich ungezwungen wie sonst unsere Treppe heraufkommen und ich öffnete Dir die Türe, wir waren beisammen, ganz ohne Angst mit leichtem Herzen, und meine Augen freuten sich in den Deinen zu ruhn; wenn ich dann erwachte, war das Herz mir so sanft bewegt, und ich war würklich auf einige Stunden gestärkt; nachher aber wußte ich nicht wie mir war. Ich fühlte es lebhaft, daß ohne Dich mein Leben hinwelkt und langsam stirbt, und zugleich weiß ich gewiß, daß jeder Schritt den ich tun könnte Dich auf eine heimliche ängstliche Art zu sehen, mit alle den Folgen die es haben könnte, eben so sehr an meiner Gesundheit, und meiner Ruhe nagen würden. Ich muß fast an Wunder glauben, weil ich nicht einsehen kann wie wir wieder zusammenkommen sollen, und dies täglich mein innigster Wunsch ist, aber ohne Angst, sorglos wie in den ersten Zeiten unserer Liebe.
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Wie ich es wünsche! nur einmal wieder bei Dir zu sein! mein lieber guter Herzens-Junge! - Verzeih mir Bester daß ich es so hinsage, nur, wenn ich Dich fühle und Dein Bild gesehen habe, fühle ich die ganze Herzlichkeit meines Herzens, ich erstaune oft über mich daß ich schon so weit in die Jahre derVernunft fortgerückt bin, und doch so jung mir scheine, ich denke dann auch, besser ein Opfer der Liebe! als ohne sie noch leben. Wer weiß wie es noch kommen kann, die Wege des Schicksals sind ja dunkel. - - - Nur laß uns nie gegen die Liebe fehlen und immer gegen einander wahr sein! Leere Worte! denn wenn wir anders wären, liebten wir ja nicht mehr. Vertrauen auf die Liebe, die die gütige Natur uns ins Herz legte um da sie reifen zu lassen zu ihrem höchsten Zweck, uns kurzsichtigen Wesen hier noch ein Rätsel! aber veredelt zu etwas Großem uns fühlend und strebend, jedem nichtswürdigen Gefühl Nahrung zu geben unfähig! Und in diesem Glauben gewiß bewahrt für alle Ansteckung der schlechten Welt. (...)
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Wie sehr mich Deine letzten Briefe freuten mein Bester, kann ich Dir nicht genung sagen, sie belohnten mir reichlich die Angst die ich, um sie zu bekommen, gehabt hatte, denn ich kann es nicht beschreiben, welche Furcht mich ergriff als ich unten am Fenster Dich nirgends erblickte, ich dachte der helle Mondenschein hätte Dich wohl verraten, und wie ich nun von einem Fenster zum andern lauschte und Du Dich nicht sehen ließest, fingen mir die Knie so gewaltig zu zittern an daß ich mich kaum noch halten konnte; in Ungewißheit zu bleiben war mir schrecklich, und nun dachte ich immer, es würde irgend jemand hinter mir ins Zimmer kommen, und ich mich auch verraten, als Du zum Glücke noch kamest. Ich eilte nun mit meinen Schätzen, in mein stilles Stübchen, da konnte ich aber vor Herzklopfen, und Wallung kein Wort lesen, ich fing Deine Briefe von hinten und vorne an, konnte aber diesen Abend den wahren Sinn nicht finden, bis ich die Tage nachher ruhiger wurde, da erfreuten und stärkten sie mein Herz, und stiller Dank segente Dich und flog zu Dir hinüber.

Meine Furcht hat mich nun fast bestimmt es diesen Winter nicht wieder zu versuchen, auf solche Art Nachrichten zu bekommen, um so mehr da wir in einigen Monaten schon Frühlings-Anfang haben; solltest Du mir notwendig etwas zu sagen haben, ist es immer noch weniger gewagt, wenn Du mir in einigen alten Büchern eingeschlossen unter meiner Adresse ein Paket schickest nach der letzten Abrede, so daß ich die Stunde wissen kann. (...)
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Donnerstag

Du bist würklich gekommen! - Ich hoffte es nicht, bist Du gar nicht fort gewesen? hast doch nicht um meinentwillen Dich einer Freude beraubt? - Gute! beste Seele! möchtest Du doch Freude haben und ich sie Dir noch geben können! - - Ich weiß nicht ich bin so ängstlich ich meine immer wir möchten verraten werden, und die Hindernisse die schon jetzt fast nicht zu zwingen sind sich noch vermehren; wenn Du nur diesmal noch meine Worte hättest, dann wollte ich gerne entbehren, ich weiß ja doch, Du hast mich lieb, wie ich Dich, und das kann mir niemand nehmen.

Sahest Du nicht blaß aus? Du wirst doch nicht krank gewesen sein? Du erhältst Dich ich weiß es um meinetwillen - - - Und versagst Dir auch keine Freude, die sich Dir darbietet, Du suchest sie nicht? aber Du weisest sie auch nicht unfreundlich von Dir! nicht wahr mein Teurer? -

Wenn Du morgen kömmst, kann ich ruhig sein! Ich bin es gewiß und habe Ursache genung mich zu freuen.

Leb wohl leb wohl nahe oder ferne doch immer bei mir. Und so mit mir verwebt bist Du, daß nichts Dich von mir trennen kann, wir sind beisammen wo wir auch sind, und bald hoffe ich Dich wiederzusehen.

Sage es mir ja recht deutlich wie Dir ist. - Und sorge auch um meinentwillen für Dich.

Zeerleder ist immer noch in Hamburg und ich weiß nicht wann er wiederkommt und ob er sich hier aufhalten wird, doch ich glaube wohl wenn er kann wird er ein wenig hier bleiben.

Deine lieben Gedichte habe ich alle mit unaussprechlicher Freude gelesen! Deine Briefe habe ich mir alle wie ein Buch zusammengelegt, und wenn ich einmal lange nichts von Dir hören sollte, will ich darinnen lesen, und denken, es ist noch so! tue Du das nämliche, und glaube nur, im innersten Leben bleibt, so lange wir bleiben,was aneinander uns kettet, und ich kann den Glauben nie aufgeben, daß wir uns wiederfinden in der Welt, und noch Freude haben werden. Sei nur noch glücklich (wie wir es meinen) und glaube daß, wie Du es anfängst, wenn es nur gelingt, mir gewiß lieb ist. Nur wähle nicht was Dir nicht anpaßt. Könntest Du fühlen wie Dein schönstes Bild oft lebendig in mir aufblüht, dann würdest Du auch fühlen wie alles alles was mich umgibt ihm weichen muß, und wie jede leise Empfindung in mir die Große Einzige für Dich nur weckt und mich ganz Dir hingibt! - - Darum scheue Dein Herz nicht und glaube wie ich daß wir ewig unser und nur unser sind.
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Aus den Briefen (Entwürfen) Hölderlins
an Diotima (Susette Gontard)
 

[Entwürfe]
[vermutlich Ende Juni 1799]

Täglich muß ich die verschwundene Gottheit wieder rufen. Wenn ich an große Männer denke, in großen Zeiten, wie sie, ein heilig Feuer, um sich griffen, und alles Tote, Hölzerne, das Stroh der Welt in Flamme verwandelten, die mit ihnen aufflog zum Himmel, und dann an mich, wie ich oft, ein glimmend Lämpchen, umhergehe, und betteln möchte um einen Tropfen Öl, um eine Weile noch die Nacht hindurch zu scheinen - siehe! da geht ein wunderbarer Schauer mir durch alle Glieder, und leise ruf ich mir das Schreckenswort zu: lebendig Toter!

Weißt Du, woran es liegt, die Menschen fürchten sich voreinander, daß der Genius des einen den andern verzehre, und darum gönnen sie sich wohl Speise und Trank, aber nichts, was die Seele nährt, und können es nicht leiden, wenn etwas, was sie sagen und tun, im andern einmal geistig aufgefaßt, in Flamme verwandelt wird. Die Törigen! Wie wenn irgend etwas, was die Menschen einander sagen könnten, mehr wäre als Brennholz, das erst, wenn es vom geistigen Feuer ergriffen wird, wie der zu Feuer wird, so wie es aus Leben und Feuer hervorging. Und gönnen sie die Nahrung nur gegenseitig einander, so leben und leuchten ja beide, und keiner verzehrt den andern.

Erinnerst Du Dich unserer ungestörten Stunden, wo wir und wir nur umeinander waren? Das war Triumph! beede so frei und stolz und wach und blühend und glänzend an Seel und Herz und Auge und Angesicht, und beede so in himmlischem Frieden nebeneinander! Ich hab es damals schon geahndet und gesagt: man könnte wohl die Welt durchwandern und fände es schwerlich wieder so. Und täglich fühl ich das ernster.

Gestern Nachmittag kam Muhrbeck zu mir aufs Zimmer. »Die Franzosen sind schon wieder in Italien geschlagen«, sagt' er. »Wenns nur gut mit uns steht, sagt ich ihm, so steht es schon gut in der Welt«, und er fiel mir um den Hals, und wir küßten uns die tiefbewegte freudige Seele auf die Lippen, und unsre weinenden Augen begegneten sich. Dann ging er. Solche Augenblicke hab ich doch noch. Aber kann das eine Welt ersetzen? Und das ists, was meine Treue ewig macht. In dem und jenem sind viele vortrefflich. Aber eine Natur, wie Deine, wo so alles in innigem unzerstörbarem lebendigem Bunde vereint ist, diese ist die Perle der Zeit, und wer sie erkannt hat, und wie ihr himmlisch angeboren eigen Glück dann auch ihr tiefes Unglück ist, der ist auch ewig glücklich und ewig unglücklich.
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[zweite Hälfte September 1799]

Teuerste!

Nur die Ungewißheit meiner Lage war die Ursache, warum ich bisher nicht schrieb. Das Projekt mit dem Journale, wovon ich Dir schon, nicht ohne Grund, mit so viel Zuverlässigkeit schrieb, scheint mir scheitern zu wollen. Ich hatte für meine Wirksamkeit und mein Auskommen und meinen dasigen Aufenthalt in Deiner Nähe mit so viel Hoffnung darauf gerechnet; jetzt hab ich noch manche schlimme Erfahrung machen müssen zu den vergebenen Bemühungen und Hoffnungen. Ich hatte einen sichern, anspruchlosen Plan entworfen; mein Verleger wollte es glänzender haben; ich sollte eine Menge berühmter Schriftsteller, die er für meine Freunde hielt, zu Mitarbeitern engagieren, und wenn mir gleich nichts Gutes bei diesem Versuche ahndete, so ließ ich Tor mich doch bereden, um nicht eigensinnig zu scheinen, und das liebe allgefällige Herz hat mich in einen Verdruß gebracht, den ich Dir leider! schreiben muß, weil wahrscheinlich meine zukünftige Lage, also gewissermaßen das Leben, das ich für Dich lebe, davon abhängt. Nicht nur Männer, deren Verehrer mehr als Freund ich mich nennen konnte, auch Freunde, Teure! auch Solche, die nicht ohne wahrhaften Undank mir eine Teilnahme versagen konnten - ließen mich bis jetzt - ohne Antwort, und ich lebe nun volle 8 Wochen in diesem Harren und Hoffen, wovon gewissermaßen meine Existenz abhängt. Was die Ursache dieser Begegnung sein mag, mag Gott wissen. Schämen sich denn die Menschen meiner so ganz?

Daß dies nicht wohl der Fall vernünftigerweise sein kann, zeugt mir doch Dein Urteil, Edle, und das Urteil einiger weniger, die mir auch wahrhaft treu in meiner Angelegenheit sich zugesellten, z.B. Jung in Mainz, dessen Brief ich Dir beilege. Die Berühmten nur, deren Teilnahme mir armen Unberühmten zum Schilde dienen sollte, diese ließen mich stehn, und warum sollten sie nicht? Jeder, der in der Welt sich einen Namen macht, scheint ja dem ihrigen einen Abbruch zu tun; sie sind dann schon nicht mehr so einzig und allein die Götzen; kurz, es scheint mir bei ihnen, die ich mir ungefähr als meinesgleichen denken darf, ein wenig Handwerksneid mitunter zu walten. Aber diese Einsicht hilft mich nichts; ich habe fast 2 Monate unter Zubereitungen zu dem Journale verloren, und kann nun, um mich nicht von meinem Verleger länger herumziehen zu lassen, wohl nichts Besseres tun, als ihm zu schreiben, ob er nicht lieber die Produkte, die ich für das Journal bestimmt hatte, geradezu annehmen wolle, was dann freilich in jedem Falle meine Existenz mir nicht hinlänglich sichern würde.

Und so hab ich denn im Sinne, alle Zeit, die mir noch bleibt, auf mein Trauerspiel zu wenden, was ungefähr noch ein Vierteljahr dauern kann, und dann muß ich nach Hause oder an einen Ort, wo ich mich durch Privatvorlesungen, was hier nicht tunlich ist, oder andere Nebengeschäfte erhalten kann.

Verzeih, Teuerste! diese gerade Sprache! Es wäre mir nur schwerer geworden, dann Dir das Nötige zu sagen, wenn ich das, was mein Herz gegen Dich, Liebe, äußert, hätte laut werden lassen, und es ist auch fast nicht möglich, in einem Schicksal, wie das meinige ist, den nötigen Mut zu behalten, ohne die zarten Töne des innersten Lebens für Augenblicke darüber zu verlieren. Eben deswegen schrieb ich bisher
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[Anfang November 1799]

Hier unsern "Hyperion", Liebe! Ein wenig Freude wird diese Frucht unserer seelenvollen Tage Dir doch geben. Verzeih mirs, daß Diotima stirbt. Du erinnerst Dich, wir haben uns ehmals nicht ganz darüber vereinigen können. Ich glaubte, es wäre, der ganzen Anlage nach, notwendig. Liebste! alles, was von ihr und uns, vom Leben unseres Lebens hie und da gesagt ist, nimm es wie einen Dank, der öfters um so wahrer ist, je ungeschickter er sich ausdrückt. Hätte ich mich zu Deinen Füßen nach und nach zum Künstler bilden können, in Ruhe und Freiheit, ja ich glaube, ich wär es schnell geworden, wonach in allem Leide mein Herz sich in Träumen und am hellen Tage, und oft mit schweigender Verzweiflung sehnt.

Es ist wohl der Tränen alle wert, die wir seit Jahren geweint, daß wir die Freude nicht haben sollten, die wir uns geben können, aber es ist himmelschreiend, wenn wir denken müssen, daß wir beide mit unsern besten Kräften vielleicht vergehen müssen, weil wir uns fehlen. Und sieh! das macht mich eben so stille manchmal, weil ich mich hüten muß vor solchen Gedanken. Deine Krankheit, Dein Brief - es trat mir wieder, so sehr ich sonst verblinden möchte, so klar vor die Augen, daß Du immer, immer leidest, - und ich Knabe kann nur weinen darüber! - Was ist besser, sage mirs, daß wirs verschweigen, was in unserm Herzen ist, oder daß wir uns es sagen! - Immer hab ich die Memme gespielt, um Dich zu schonen, - habe immer getan, als könnt ich mich in alles schicken, als wär ich so recht zum Spielball der Menschen und der Umstände gemacht und hätte kein festes Herz in mir, das treu und frei in seinem Rechte für sein Bestes schlüge, teuerstes Leben! habe oft meine liebste Liebe, selbst die Gedanken an Dich mir manchmal versagt und verleugnet, nur um so sanft wie möglich um Deinetwillen dies Schicksal durchzuleben, - Du auch, Du hast immer gerungen, Friedliche! um Ruhe zu haben, hast mit Heldenkraft geduldet, und verschwiegen, was nicht zu ändern ist, hast Deines Herzens ewige Wahl in Dir verborgen und begraben, und darum dämmerts oft vor uns, und wir wissen nicht mehr, was wir sind und haben, kennen uns kaum noch selbst; dieser ewige Kampf und Widerspruch im Innern, der muß Dich freilich langsam töten, und wenn kein Gott ihn da besänftigen kann, so hab ich keine Wahl, als zu verkümmern über Dir und mir, oder nichts mehr zu achten als Dich und einen Weg mit Dir zu suchen, der den Kampf uns endet.

Ich habe schon gedacht, als könnten wir auch von Verleugnung leben, als machte vielleicht auch dies uns stark, daß wir entschieden der Hoffnung das Lebewohl sagten.

Aus: Hölderlins Diotima Susette Gontard
Gedichte - Briefe - Zeugnisse
Mit Bildnissen herausgegeben von Adolf Beck
Insel Verlag 1980
 

 

 

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