Deutsche Liebeslyrik - Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2024

(die neuesten Gedichte oben)



O du mein Herzbräutigam . . .

O du mein Herzbräutigam
Du mein Land wo Milch
Und Honig fliessen
Du stilles Begehren
Und helles Vergnügen
Du mein Licht und Atem
Mein unendliches
Sehnen und Erfüllung

I. S.
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Abschiedsgaben

Mein Herr gab, als zur Reise
Er sich hat angeschickt,
Mir eine Seidenrolle,
Zwei Sprüche drauf gestickt.

Auch liess, als grade nahte
Der Trennungsaugenblick,
Er mir zum Angedenken,
Dies Kissen noch zurück.

Es hält die beiden Sprüche
Mein Herz in treuer Hut,
Und bei dem Kissen denk' ich,
Wie wir darauf geruht.

Seit meines Gatten Abschied
Gar mancher Tag verfloss,
Doch fühlt' ich meine Liebe
Niemals so stark und gross.

Pau Ling-hui
(Sung-Epoche 420-479 n. Chr.)
chinesische Dichterin

Übersetzt von Alfred Forke (1867-1944)
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Gleich den Göttern selig erscheint der Mann mir . . .

Gleich den Göttern selig erscheint der Mann mir,
Dem dir Aug' in Auge zu schau'n vergönnt ist,
Der an deiner Seite der trauten Stimme
Lieblichen Wohllaut

Schlürfen, deinem reizenden Lachen lauschen
Darf; das macht im Busen das Herz mir beben.
Denn sobald mein Auge dich schaut, versagt mir
Jeder Gedanke;

Gleich ist mir die Zunge gelähmt, und heiße
Fieberglut durchbrauset die vollen Adern;
Vor den Augen dunkelt der Tag; ein Sausen
Dröhnt in den Ohren;

Kalter Schweiß entrieselt der Haut; ein Frösteln
Schüttelt mir die Glieder; es welkt der Wange
Frischer Schmelz dahin wie das Gras: in Todes-
Grauen verschmacht' ich.

Dennoch, Atthis, will ich ja gern des Schicksals
Härte still erdulden, sogar des trüben
Alters Einsamkeit, wenn die Götter dir nur
Segen verleihen.

Sappho
(630-612 v. Chr. - um 570 v. Chr.)
griechische Dichterin

Übersetzt von Theodor Kock (1820-1901)
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April

Laß deine alten Bücher, küsse mich!
Mach alle Fenster auf: April ist da!
Rings hauchen Veilchendüfte.
Horch, wie die Schwalben zwitschern!
Komm in die sonnigen Lüfte!
Mein Sinn trägt wie mein Kleid des Himmels Farbe;
Sieh, auch die Augen. Komm! April ist da.

Die Sonne hat der Erde weißes Kleid
Gelös't und ungeduldig sie besiegt.
Mit ihren Feuerblicken
Sieht sie sie an und eilt sich,
Mit Rosen sie zu schmücken.
Die Blumen wehn im Wind wie Schmetterlinge,
Ein jedes Ding setzt Flügel an und fliegt.

Und giebt's nicht auszumerzen alten Groll,
Nicht zu vergüten Unrecht, Schimpf und Schand'?
Für alle Feindestücke
Verzeihung zu gewähren,
Das Herz so voll vom Glücke?
Hinaus, hinaus, die undankbaren Menschen
Zu grüßen, die April noch traurig fand!

Und wer uns übel will, dem reichen wir
'nen großen Strauß von Primeln und die Hand.

Annie Vivanti
(1866-1942)
italienische Dichterin

Übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)
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Gott mein Alles

Ist deine Liebe, Gott, zu mir
So wie die meine ist zu dir:
So sag' mir an, wo ich verweile,
Und sag', worin auch du verweilest.

O Seele, was begehr'st du von mir?
O Gott, nicht mehr, als dich zu schauen.
O Seele, was besorg'st du von mir?
Am meisten, daß ich dich verliere.

Gib Liebe nur, die dich gewinne,
Laß meine Seele dich erfassen,
Daß sie ein Nestlein sich bereite,
Wo es am besten ihr behagt.

O Seele, du in Gott geborgen,
Was bleibet dir zu wünschen noch,
Als Lieb' und immer mehr der Liebe,
Und von der Liebe ganz entzündet
Zur Lieb' auf's Neu zurückzukehren?

Theresa von Avila
(1515-1582)
spanische Dichterin und Mystikerin

In der Übersetzung von Magnus Jocham (1808-1893)
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In Schmerzensglut dreht sich mein Herz . . .

In Schmerzensglut dreht sich mein Herz
Als Braten um und um,
Zum Himmel steigt der Seufzerrauch
Mit Funken um und um,

In meinem Herzen flammet ewig
Die Liebe als ein Licht,
Es dreht mein Leib nach Deinem Bild
Sich immer um und um,

Sieh doch den Zauberer das Haar
Zukommen zu dem Mund,
Wie es sich ringelt, Kraus' auf Kraus',
Sich drehend um und um.

Mihri Hatun
(etwa 1470 - nach 1515)
türkische (osmanische) Dichterin

In der Übersetzung von
Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856)
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Der Erde Antlitz ist verwandelt, seit . . .

Der Erde Antlitz ist verwandelt, seit
Zuerst ich deiner Seele Tritt vernommen!
Ganz leise, leise bist du nah gekommen
Und stellt'st dich zwischen mich und alles Leid,

Du stellst dich zwischen mich auch und den Tod,
Da du den Tod durch Liebe überwunden!
In neuem Rhythmus ist mein Sein gebunden
Und selbst der Kelch der Schmerzen, den mir Gott

Zu kosten gab, mir süss und lieblich scheint,
Seit ich dich habe! Meine Heimat ist,
Mein Himmel, mein Geliebter, wo du bist,

Weil, bist du bei mir, nah und fern sich gleicht.
Und meine Lieder sind mir nur noch wert,
Weil stets dein Name darin wiederkehrt.

Elizabeth Barrett-Browning (1806-1861)

(Aus dem Englischen von Elsbet Paulus)
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Halte still

Halte still, Geliebter, still,
Lass das Küssen, Neigen,
Nur in Stille kann der Gott
Seine Wunder zeigen.
Das Gefühl Unendlichkeit,
Echter Liebe eigen,
Fühl ich still von dir zu mir
Auf und nieder steigen.

Mia Holm (1845-1912)
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Die Lichtung

Ich denk an dich. Ich denke an die Liebesstunden
Die wir im Waldesinnern süß erlebten.
Auf feuchtem Laub, vorbei an ernsten Tannen,
Buchen, braunen Pilzen. Auf kaum begangenem
Wege kamen wir zu einer Lichtung.
Der Himmel weitete sich plötzlich leuchtend über uns.
Du riefst »Wie schön das ist!« Die Sonne strahlte mild,
Umfing mit ihrem Gold die dunklen Bäume
Und das helle Grün der Himbeersträucher,
Von denen wir die reifen Früchte nahmen,
Einander lachend auf die Lippen legten.

Dann sanken wir beseligt in das weiche Moos
Dein Kopf lehnte an meiner Schulter, sanft,
Du hieltest meine Hand. Die alten Tannen rauschten
Feierlich. Und aus dem Dickicht
Trat ein Reh ... das lange lauschend blieb.

Da blickten wir uns tiefer in die Augen,
Die das klare Blau des Himmels hatten.
Wir sprachen nichts, wir dachten kaum etwas.
Wir ahnten nur die Ewigkeit des Augenblicks,
Und daß die Seelen sich ganz nahe waren.

Francisca Stoecklin
(1894-1931)
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Was ist mir nur geschehen . . .

Was ist mir nur geschehen,
Daß ich so glücklich bin?
Noch gestern schritt wie träumend
Ich meines Wegs dahin.
Noch gestern lag ein Nebel
Auf Wasser, Wald und Feld, -
Wie bist du nur verwandelt,
Wie anders heut', o Welt!

Kein Reif mehr auf den Wiesen,
Kein Raum für Frost und Leid,
Und kein Gefühl im Herzen
Als lauter Freudigkeit.
Es hebt mich zu den Wolken,
Es webt um mich wie Duft;
Es tönt mir, wo ich schreite,
Wie Grüßen aus der Luft.

Hat sich ein neuer Frühling
Auch in mein Herz gesenkt?
Ist's einer Knospe Treiben,
Die sich zum Lichte drängt?
War mir ein Engel nahe?
Ich staune, frag' und sinn':
Was ist mir nur geschehen,
Daß ich so glücklich bin?

Ilse Frapan
(1849-1908)
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Mädchenlied

Von deinem heißen Kusse
zittert noch mein Haar,
mir ist noch wie im Traume:
fremd und wunderbar.

Du machst mich ganz zum Weibe,
so stolz und frei:
An deinem Halse lernt' ich,
was Liebe sei; -

du machst mich ganz zum Kinde,
so jung und rein:
ich weiß von keiner Sünde,
seit ich dein.

In dunkler Sommerreife
glänzt heute Feld und Flur;
ich sitze still und träume
von deiner Güte nur;

und weich wie deine Hände
streichelt die Sonne mein Haupt; -
nimmer, nimmer hätt' ich
an soviel Liebe geglaubt!

Margarete Bruns
(1873-1944)
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Ist Lieb ein Feur / und kan das Eisen schmiegen  . . .

Ist Lieb ein Feur / und kan das Eisen schmiegen /
bin ich voll Feur / und voller Liebes Pein /
wohrvohn mag doch der Liebsten Hertze seyn?
wans eisern wär / so würd eß mir erliegen /

wans gülden wär / so würd ichs können biegen
durch meine Gluht; solls aber fleischern seyn /
so schließ ich fort: Eß ist ein fleischern Stein:
doch kan mich nicht ein Stein / wie sie / betriegen.

Ists dan wie Frost / wie kalter Schnee und Eiß /
wie presst sie dann auß mir den Liebesschweiß?

Mich deucht: Ihr Herz ist wie die Loorberblätter /
die nicht berührt ein starcker Donnerkeil /
sie / sie verlacht / Cupido / deine Pfeil;
und ist befreyt für deinem Donnerwetter.

Sibylla Schwarz
(1621-1638)
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Ich denke Dein . . .

Ich denke Dein, wenn Sommerlüfte wehen,
Aus grünen Saaten sich die Lerche schwingt,
Im Glührothschein ihr frohes Liedchen singt,
Und Thauestropfen auf den Halmen stehen.

Selbst wenn zum Erntefest die Schnitter gehen,
Zu muntern Tänzen sich die Jugend schlingt,
Ein reicher Segen Landmann's Mühe winkt,
Hörst Du um Trost in Trennungsnacht mich flehen.

Ich denke Dein, wenn Myrth' und Lilie blühen,
Der Schmetterling sich sonnt auf Wiesenpracht,
Von Blumentriften heim die Heerden ziehen,

Der Liebe Stern erglänzt in stiller Nacht.
Bei fort und fort sich wechselnden Gestalten
Wird stets im Herzen die Erinn'rung walten.

Pauline von Brochowska
(1795-1853)
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Die Geigen sangen die ganze Nacht . . .

Die Geigen sangen die ganze Nacht,
Wir haben bei froher Tafel gelacht.

Ich sass glückselig neben dir,
Dein Blick wie Sonne über mir.

Da hat dein Fuss sich scheu verirrt,
Ich war erschrocken, jäh verwirrt.

Ich schloss die Augen lusterstarrt,
Da dir mein Fuss zu eigen ward.

Die Geigen sangen die ganze Nacht,
Wir beide haben nicht mehr gelacht.

Verstummt der Jubel, ich bin allein
Im dunkel-stillen Kämmerlein,

Und träume und träume, wie es wird,
Wenn sich dein Mund so süss verirrt.

Thekla Lingen (1866-1931)
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Maßliebchen

Kennst du das weiße Blümchen?
- Man findt's in jedem Land -
Es hat ein Blätterkränzchen,
Maßliebchen wird's genannt.

In dieser kleinen Blume
Steckt ein Orakel drin;
Man muß die Blättchen pflücken,
Dann merkt man ihren Sinn.

Doch giebt's dazu ein Verslein,
Du weißt wohl, wie es spricht;
Wer fragte nicht im Leben:
"Er liebt mich? liebt mich nicht?" -

Angelika von Michalowska
(1830-?)
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Freudeschrei!

Du bist ja meines Lebens Brot!
Du tust mir not, du tust mir not,
Du wohnst in meinen Armen!
Du tust mir not zu jeder Stund,
Gib deinen Mund, gib deinen Mund,
Den großen Mund, den warmen.

Grete Gulbransson
(1882-1934)
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Zauberhafte Mondnacht

Ich steh an den Balkon gelehnt,
Es ist so tiefe, tiefe Nacht – – –
Ich kann nicht ruhn – – –
So hab ich dich noch nie gesehnt –!
War ich das Mondlicht doch,
Das über deinem Körper spielt,
Und sich an deinem Mund verfängt,
– In deinem Barte zitternd wühlt,
Und zart an deinen Händen hängt.
Es leuchtet Liebe die lichte Welt!
Alle Blätter haben sich aufgestellt
Und sehen träumend die blaue Nacht –
Die Amsel ist nach bangem Sinnen stumm –
– Alle Blumen lächeln und fürchten sich
Und wissen doch nicht warum, – – –
O fühlst du nichts?
Die Sehnsucht steht an deiner Tür
Und reckt die Brüste
Und spannt die Arme weit
Und glüht nach deiner Seligkeit – – –
O wärst du hier!

Elsa Asenijeff
(1867-1941)
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Talismann
(Spätherbst 1849)

Daß dieses Herz, das unruhvolle,
Nicht ganz in sich verzagen darf,
Auf welche öde, kalte Scholle
Es auch ein hartes Schicksal warf!

Daß meine Augen leuchtend glänzen,
Als schauten sie gelobtes Land,
Als weilten sie auf Siegeskränzen,
Anstatt auf Kett und Sklavenband!

Das dank ich einem Talismane,
Den mir ein Bote Gottes gab,
Ein Engel mit der Friedensfahne,
Erhaben über Tod und Grab.

Und soll ich noch das Kleinod nennen?
O liebe nur - dann ist es Dein!
Dann magst Du's einer Welt bekennen:
Im Lieben nur ist Trost allein!

Louise Otto (1819-1895)
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An Levin Schücking

O frage nicht, was mich so tief bewegt,
Seh' ich dein junges Blut so freudig wallen,
Warum, an deine klare Stirn gelegt,
Mir schwereTropfen aus den Wimpern fallen.

Mich träumte einst, ich sei ein albern Kind,
Sich emsig mühend an des Tisches Borden;
Wie übermächtig die Vokabeln sind,
Die wieder Hieroglyphen mir geworden!

Und als ich dann erwacht, da weint' ich heiß,
Daß mir so klar und nüchtern jetzt zu Mute,
Daß ich so schrankenlos und überweis',
So ohne Furcht vor Schelten und vor Rute.

So, wenn ich schaue in dein Antlitz mild,
Wo tausend frische Lebenskeime walten,
Da ist es mir, als ob Natur mein Bild
Mir aus dem Zauberspiegel vorgehalten;

Und all mein Hoffen, meiner Seele Brand
Und meiner Liebessonne dämmernd Scheinen,
Was noch entschwinden wird und was entschwand,
Das muß ich Alles dann in dir beweinen.

Annette von Droste-Hülshoff
(1797-1848)
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Der Kuß

Dein Kuß allein will mir nicht genügen!
Ein Kuß nicht mein Begehren stillt!
Trankst Du ihn je in vollen Zügen
Und empfandst noch nicht, was aus ihm quillt?

Ein Kuß - ein Blitz unter Sturmes Toben -
Ein süß Gewittern der Sinnenflut
Im tiefsten Mark, das nach unten, nach oben
Das Sein im Zickzack durchrast mit Glut.

Gewitter, das nicht sich löset in Regen ...
In den Wolken bleibt und wühlend drin schwebt ...
Und wetterleuchtend auf allen Wegen
Mit peinvollen Schauern uns durchbebt ...

Sidonie Grünwald-Zerkowitz
(1852-1907)
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Aphrodite

Mir ist, als wär dem Meergrund ich entstiegen
Aus dunkler Muschel enger Kerkerhaft,
Um froh im Strom der Liebe mich zu wiegen,
Umstürmt von deiner kühnen Leidenschaft.

Als zögen Genien dienend mich zu grüßen
Im Wellenspiele winkend ihre Bahn,
Und Vögel locken mich mit flötensüßen
Gesängen überm schwanken Ozean.

Ich aber hör' nur dich, dein wildes Raunen,
Und seh nur dich im lichten Wogeschein
Und zieh beglückt mit seligem Erstaunen
In deiner Liebeswelt Mysterium ein.

Maria Scholz (Ps. Maria Stona)
(1861-1944)

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Roter Mohn

Der Wald steht grün. Die Wiese ist mit Blüten
so reich besät wie dort das Aehrenfeld
mit rotem Mohn – dem vollen, lichtdurchglühten.

Es strotzt im Frühlingsschmuck die ganze Welt;
rings um mich her ein üppig Blühen, Prangen,
voll von Begehrlichkeiten und Lichtverlangen.

Hoch steht das Gras, gewiegt vom Windesfächeln.
Ganz still-verträumt seh ich den Halmen zu,
um meine Lippen spielt ein mattes Lächeln.

Der Wind küßt meine Stirn – warum nicht Du? ..
O du, o du, daß jetzt in dieser Stunde
dein Arm mich nicht umschlungen hält im Mohn,
daß heiße Küsse nicht von deinem Munde
auf meinen sehnsuchtsoffnen Lippen lohn! . . . . .

Else Galen-Gube
(1869-1922)
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Wunsch eines Verliebten

Bacchus! Vater froher Scherze!
Lehre doch mein Mägdchen scherzen!
Lehre sie die Sorgen hassen:
Denn sie machen sie nur mürrisch!
Lehre sie, den muntern Scherzen
Geist und Anmuth zugesellen!
Lehre sie, so oft zu trinken,
Als ich ihr den Kelch will bringen,
Daß sie recht die Lust empfindet,
Die der Trauben Säfte geben.
Hast du ihr den Scherz gelehret,
Und trinkt sie dir, liebster Vater,
Täglich frischen Most zu Ehren;
O! so lehre sie auch lieben;
Lehre sie recht feurig küssen,
Und noch täglich mehr zu küssen:
Dann hast du sie recht gelehret.

Johanne Charlotte Unzer
(1725-1782)
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Einmal nur!

Einmal nur so von Entzücken,
So von dunklem Gram erfüllt
Ueber deine Hand mich bücken,
Und mein Sehnen wär' gestillt.

Einmal traulich bei dir säumen,
Glückesstill dir lächeln zu,
Selig dir am Herzen träumen
Eines Augenblickes Ruh'!

Einmal nur es glaubend fassen,
Daß dein Lieben nimmer ruht,
Daß dir nimmer werd' erblassen
Meines Bildes Farbenglut.

Einmal in dein Auge sinken
Thränenheiß mein Blick hinein -
Dann hinweg! wo Sterne winken,
Schlumm're meine Seele ein!

Helene Branco
(Ps. Dilia Helena)
(1816-1894)
Einmal nur!

Einmal nur so von Entzücken,
So von dunklem Gram erfüllt
Ueber deine Hand mich bücken,
Und mein Sehnen wär' gestillt.

Einmal traulich bei dir säumen,
Glückesstill dir lächeln zu,
Selig dir am Herzen träumen
Eines Augenblickes Ruh'!

Einmal nur es glaubend fassen,
Daß dein Lieben nimmer ruht,
Daß dir nimmer werd' erblassen
Meines Bildes Farbenglut.

Einmal in dein Auge sinken
Thränenheiß mein Blick hinein -
Dann hinweg! wo Sterne winken,
Schlumm're meine Seele ein!

Helene Branco
(Ps. Dilia Helena)
(1816-1894)
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Glück

Nein, ich suche nicht das Glück,
Das da sitzt auf vollen Truhen,
Will nicht vorwärts, nicht zurück,
Will genießen nur und ruhen.
Meine Seele will nicht ruhn,
Und ihr frommt nicht Lust allein,
Will von Schmerzen umgepflügt,
Will vom Sturm geschaukelt sein.

Glück ist hoher Wogengang
Einer tiefbewegten Seele,
Jubelschrei und Psalmensang
Aus befreiter reicher Kehle . . .
Glück ist Flug in hohen Weiten,
Sieg nach heißem, kühnem Streiten,
Überquellend Kraftentbinden,
Reichster Fülle Lustempfinden.

Glück will wandern und will schweifen,
Duldet weder Ring noch Reifen,
Schließt du's in den Käfig ein,
Wird es bald gestorben sein.

Ella Hruschka (1851-1912)
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Einen Menschen heiß zu lieben . . .

Einen Menschen heiß zu lieben
Mit der ganzen Menschenbrust,
Sich bewußt der Gegenliebe -
Das ist höchste Erdenlust!

Was auch Sterbliche hoch preisen,
Was das Leben Großes beut,
Alles, Alles überstrahlet
Solcher Liebe Seligkeit!

Tugend, Schönheit, Ruhm und Größe,
Wohl den Menschen ehrt und schmückt,
Doch von ganzer Seele lieben -
Das allein - allein - beglückt! -

Mathilde Wesendonck (1828-1902)
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Gewiss, wir werden Alles, Alles vergessen
und verschmerzen,
und nur ein Hochgefühl wird bleiben,
das Bewusstsein,
dass hier ein Wunder vorging,
das die Natur nur in Jahrhunderten
einmal webt,
das ihr so edel aber vielleicht
noch nie gelang.
Lass' allen Schmerz!
Wir sind die Glücklichsten!
Mit wem wollten wir tauschen? –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
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An deiner Brust

An deiner Brust ist meine Stelle,
In deinen Armen mein Asyl!
Mich warf des Sturm's empörte Welle
An dieses bang ersehnte Ziel.

Die Gaben, die das Leben zieren,
Jedwedes Gut, das köstlich heißt,
Was ich besaß, mußt' ich verlieren,
Daß du fortan mir Alles sei'st.

Jetzt, da ich Alles hingegeben,
Wird mir's durch dich zurückgeschenkt,
Wenn unter wonnevollem Beben
Dein Mund auf meine Stirn' sich senkt.

Betty Paoli (1814-1894)
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Nil

Die Liebe ist wie der mystische Nil,
der aus dunkeln Gründen zum Meere fließt,
und die Ufer verheerend, ohne Damm, ohne Ziel
sich über die schauernden Lande gießt.

Und wenn verebbt der gewaltige Strom,
ein seliges Leben zu keimen beginnt,
eine Welt voll Blüten zum Himmelsdom
drängt sich, noch ehe die Flut verrinnt.

So ist die Liebe der mystische Nil,
ohne den meiner Seele Ufer verdorrt,
mit dem sie wächst zu göttlichem Ziel
und Blüten und Früchte trägt, fort und fort.

Hermione von Preuschen
(1854-1918)
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Wie ein Rausch …

Wie ein Rausch ist deine Liebe,
Deine Küsse wie der Wein -
Trank ich mich an deinen Lippen
Selig satt, so schlaf ich ein.

Und dein Arm ist meine Wiege,
Heimlich singst du mir ein Lied,
Daß ein Glanz von Glück und Liebe
Noch durch meine Träume zieht.

Anna Ritter (1865-1921)
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Und dem Karfreitag nur folgt Auferstehn ...

Es gibt Gesetze, die sich nur dem Leid
Und nur der heißen Qual sich offenbaren.
Nur, wo wir aller Schrecken Opfer waren,
Empfangen wir der Weihe Sternenkleid.

Und bindender als Fahnenschwur und Eid,
Und Ketten sprengend, gleich den wunderbaren
Gesängen hoher, weihnachtlicher Scharen,
Ist ihr unwiderruflicher Entscheid.

An ihrer Wahrheit felsenhafter Größe
Muß Zweifel sommerwellenmatt zerrinnen
Und wie ein blasses Wolkenbild zergehn.

Denn Menschenmacht bannt nicht Gewissensstöße;
Erlösungswunder kann man nicht ersinnen;
Und dem Karfreitag nur folgt Auferstehn.

Alma Heismann
(1885-1943)
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Frühling

Düfte wallen - tausend frohe Stimmen
jauchzen in den Lüften um mich her;
die verjüngten trunknen Wesen schwimmen
aufgelös't in einem Wonnemeer.

Welche Klarheit, welches Licht entfliesset
lebensvoll der glühenden Natur!
Festlich glänzt der Äther, und umschliesset,
wie die Braut der Bräutigam, die Flur.

Leben rauscht von allen Blüthenzweigen,
regt sich einsam unter Sumpf und Moor,
quillt, so hoch die öden Gipfel steigen,
emsig zwischen Fels und Sand hervor.

Welch ein zarter wunderbarer Schimmer
überstrahlt den jungen Blüthenhain!
Und auf Bergen, um verfallne Trümmer,
buhlt und lächelt milder Sonnenschein.

Dort auf schlanken silberweissen Füssen
weht und wogt der Birken zartes Grün,
und die leichten hellen Zweige fliessen
freudig durch den lauen Luftstrom hin.

In ein Meer von süsser Lust versenket,
wallt die Seele staunend auf und ab,
stürzt, von frohen Ahndungen getränket,
sich im Taumel des Gefühls hinab.

Liebe hat die Wesen neu gestaltet;
ihre Gottheit überstrahlt auch mich,
und ein neuer üpp'ger Lenz entfaltet
ahndungsvoll in meiner Seele sich.

Lass an deine Mutterbrust mich sinken,
heil'ge Erde, meine Schöpferin!
Deines Lebens Fülle lass mich trinken,
jauchzen, dass ich dein Erzeugter bin!

Was sich regt auf diesem grossen Balle,
diese Bäume, dieser Schmuck der Flur:
Einer Mutter Kinder sind wir alle,
Kinder einer ewigen Natur.

Sind wir nicht aus Einem Stoff gewoben?
Hat der Geist, der mächtig sie durchdrang,
nicht auch mir das Herz empor gehoben?
tönt er nicht in meiner Leier Klang?

Was mich so an ihre Freuden bindet,
dass mit wundervoller Harmonie,
meine Brust ihr Leben mitempfindet,
ist, ich fühl' es, heil'ge Sympathie!

Schwelge, schwelge, eh' ein kalt Besinnen
diesen schönen Einklang unterbricht,
ganz in Lust und Liebe zu zerrinnen,
trunknes Herz, und widerstrebe nicht.

Sophie Mereau (1770-1806)
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Kleines Liebeslied

Vor vielen tausend Jahren,
als wir noch beide Engel waren,
hab ich dich schon geliebt.
Und daß dein liebes Angesicht
der strenge Gott noch immer nicht
in meine Hände gibt,
macht abertausend Jahr bereit
für meiner Liebe Ewigkeit.

Else Rüthel (1899-1938)
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Der Morgenkuss nach einem Ball

Durch eine ganze Nacht sich nahe seyn,
So Hand in Hand, so Arm im Arme weilen,
So viel empfinden ohne mitzutheilen -
Ist eine wonnevolle Pein!

So immer Seelenblick im Seelenblick
Auch den geheimsten Wunsch des Herzens sehen,
So wenig sprechen, und sich doch verstehen -
Ist hohes martervolles Glück!

Zum Lohn für die im Zwang verschwundne Zeit
Dann bey dem Morgenstrahl, warm, mit Entzücken
Sich Mund an Mund, und Herz an Herz sich drücken -
O dies ist – Engelseligkeit!

Gabriele von Baumberg
(1768-1839)
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Was ist mir nur geschehen . . .

Was ist mir nur geschehen,
Daß ich so glücklich bin?
Noch gestern schritt wie träumend
Ich meines Wegs dahin.
Noch gestern lag ein Nebel
Auf Wasser, Wald und Feld, -
Wie bist du nur verwandelt,
Wie anders heut', o Welt!

Kein Reif mehr auf den Wiesen,
Kein Raum für Frost und Leid,
Und kein Gefühl im Herzen
Als lauter Freudigkeit.
Es hebt mich zu den Wolken,
Es webt um mich wie Duft;
Es tönt mir, wo ich schreite,
Wie Grüßen aus der Luft.

Hat sich ein neuer Frühling
Auch in mein Herz gesenkt?
Ist's einer Knospe Treiben,
Die sich zum Lichte drängt?
War mir ein Engel nahe?
Ich staune, frag' und sinn':
Was ist mir nur geschehen,
Daß ich so glücklich bin?

Ilse Frapan (1849-1908)
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Eros

Vom Sturm getragen zieht der Frühling ein,
Er zürnt der Flur, die lang ihm widerstanden;
In der gepeitschten Wellen stürmisch Branden
Stöhnt und frohlockt der wetterschwangre Hain.

Noch flieht die Erde trotzig dem Verein,
Doch ahnt sie schon die Freuden, die ihr schwanden,
Und zu den alten, den geliebten Banden
Drängt sie tief innen aus des Todes Schrein.

So, Eros, zogest du einst in mein Herz.
Auf Wolken donnerte dein Siegeswagen,
Und willig trug ich deinen großen Schmerz.

Ich wähnte, wie nach stürmevollem März
Die Fluren wieder bunte Blumen tragen,
So würd' auch mir dereinst ein Maitag tagen.

Ricarda Huch (1864-1947)
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Ein Gedenkblatt

Du gingst so vorschnell aus der Welt
Und liessest so das Leben stehn,
Wie, wenn sie Müdigkeit befällt,
Die Kinder abends schlafen gehn.

Du schwebst mir vor so licht und wert.
Durch harte Manneskämpfe blieb
Auf deinen Lippen, unversehrt,
Ein Knabenlächeln zart und lieb.

Im Walde liegt so tief der Schnee,
Wie liegt er hoch auf deinem Grab!
Du bist dahingegangen, eh
Dein Schicksal dir Genüge gab.

Weiss wer, wo sich der Wind erhebt?
Kennt wer der Wanderwolke Fahrt?
Du schweiftest fern und bist entschwebt
Nach Windesweise, Wolkenart.

Hedwig Lachmann
(1865-1918)
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Du bist so mild

Du bist so mild . . . auf allen Wegen
Des jungen Lenzes such' ich dich,
Und meine Lippe flüstert Segen,
Und meine Hände falten sich.

Durch Nacht und Nebel will ich dringen,
Bis meine Seele dich erspäht
Und alle Saiten mir erklingen
Zu einem einzgen Dankgebet.

Und blüh' ich auch an deinem Pfade
Wie eine wilde Blume nur, -
Schon deine Nähe ist mir Gnade,
Und Frieden haucht mir deine Spur.

Und dürft' ich nie dir mehr begegnen,
Und müßt' ich fremd am Wege stehn . . .
In Ewigkeit will ich dich segnen
Ja nur für dein Vorübergehn.

Hedwig Dransfeld
(1871-1925)
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Sieh mich, das Meer, das dir zu Füßen brandet,
Laß dich umschlingen, küssen, schmelzen, komm!
Wie Well um Welle stürmend dich erklomm,
Bist du ein Gott, in Element gewandet.

Laß deinen Leib von meinem Leib umgleiten!
Kein Flor, kein Hauch, kein Strahl mehr, der uns trennt.
Nur du, nur du, soweit der Blick erkennt,
Umbraust vom Mantel meiner Zärtlichkeiten.

Den Ozean, den ihre Glut durchdrungen,
Verläßt die Sonne, und mit Huld zerstörend
Tilgt ihre Schönheit die geballte Nacht.

Du laß die Welt in ewgen Dämmerungen!
Geduldger Andacht Ungestüm erhörend
Begrabe dich in meine Liebesmacht.

Ricarda Huch
(1864-1947)
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Trennung

Jeden stillen Abend bet ich für dich,
sonst fänd ich nicht Schlaf noch Rast.
Mit gefalteten Händen nehm ich auf mich,
was vielleicht du gesündigt hast.

Jeden stillen Abend küss ich dein Bild,
- ich hab mich bescheiden gelernt -
dein Antlitz, das als mein Himmel mir gilt,
ist ganz von Küssen besternt.

Du schreibst mir: "- ich lieb dich, so wahr und so tief,
wie's jeden nur einmal trifft ..."
Es malt sich dein lieber, zerknitterter Brief
mir am Herzen in Spiegelschrift.


Alma Johanna Koenig
(1887-1942)
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Poem

(...) Ich möchte leben.
Schau, das Leben ist so bunt.
Es sind so viele schöne Bälle drin.
Und viele Lippen warten, lachen, glühn
und tuen ihre Freude kund.
Sieh nur die Straße, wie sie steigt:
so breit und hell, als warte sie auf mich.
Und ferne, irgendwo, da schluchzt und geigt
die Sehnsucht, die sich zieht durch mich und dich.
Der Wind rauscht rufend durch den Wald,
er sagt mir, daß das Leben singt.
Die Luft ist leise, zart und kalt,
die ferne Pappel winkt und winkt.

Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen
und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein!
Nein.
Das Leben ist rot,
Das Leben ist mein.
Mein und dein.
Mein. (...)

Selma Meerbaum-Eisinger
(1924-1942)
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Mein Leib ...

Mein Leib ist nur
wie eine Spur
von deinen Händen.

Laß dich nicht blenden:
ich bin kein Ziel.
Ich bin nur ein Saitenspiel.
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An Anatol

Du bist ein Glanz.
Du bist das Lied der Bäume,
das sich in meine Träume
einsingt wie ein Tanz.
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Wie meine Tage ...

Wie meine Tage ihr Gesicht
verlöschen lassen,
wenn sie in deinem nicht
sich widerspiegelnd fassen.


Hertha Kräftner (1928-1951)
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Phantasie

Mir war, ich hätt' an deiner Brust geruht
Eine jauchzende Stunde lang.
An meinem Herzen hätt' ich deins gefühlt,
Eine jauchzende Stunde lang.

Und alle Sünde war so fern,
Und schuldlos ich und du.
Wie Ausruhn war's vom Wanderweh
Und Heimkehr in ein Kinderglück.

Und draussen lag die Welt so fremd,
Schwer schlief die grosse, öde Stadt!
Der Herbstwald stand im Nebelmeer.
Und rieselt gold'ne Blätter ab.

In ihren weichen Mantel hüllt
Die Mitternacht uns dicht;
Und nur ein grosses Leuchten ging
Von deinem Haupt auf mich.

Da wusst' ich's, dass mein Leben war
Ein einzig Wandern nur zu dir;
Ein einzig Harren auf Erlöserkuss:
Mein Heiland du - nun gib ihn mir.

Thekla Skorra
(1866-1943)

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