Deutsche Liebeslyrik -
Gedicht der Woche
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für das Jahr 2025
(die neuesten Gedichte oben)
Wie Er wolle geküsset seyn
NIrgends hin/ als auff den Mund/
da sinkts in deß Herzen grund.
Nicht zu frey/ nicht zu gezwungen/
nicht mit gar zu fauler Zungen.
Nicht zu wenig, nicht zu viel.
Beydes wird sonst Kinder-spiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise/
Bey der Maß' ist rechte weise.
Nicht zu nahe/ nicht zu weit.
Diß macht Kummer/ jenes Leid.
Nicht zu trucken/ nicht zu feuchte/
wie Adonis Venus reichte.
Nicht zu harte/ nicht zu weich.
Bald zugleich/ bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam/ nicht zu schnelle.
Nicht ohn Unterscheid der Stelle.
Halb gebissen/ halb gehaucht.
Halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterscheid der Zeiten.
Mehr alleine/ denn bei Leuten.
Küsse nun ein Jederman
wie er weiß/ will/ soll und kan.
Ich nur/ und die Liebste wissen/
wie wir uns recht sollen küssen.
Paul Fleming
(1609-1640)
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Zum neuen Jahr
Wie heimlicher Weise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füßen
Die Erde betritt,
So nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
Ein heilig Willkommen,
Ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!
In Ihm sei's begonnen,
Der Monde und Sonnen
An blauen Gezelten
Des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, dir in die Hände
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt!
Eduard Mörike (1804-1875)
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