Deutsche Liebeslyrik - Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2025

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Erstes Gefühl des Glücks

Den 9. März 1824, früh 8 Uhr,
als der erste Vogel sang.

Der erste holde Frühlingston
Ist mir in's kranke Herz gedrungen!
Der langen Qualen ersten Lohn
Hat mir ein Vöglein zugesungen.

Der Frühling kommt, und Er kommt mit!
Und jung und hell wird dann das Leben!
Natur und Treue halten Schritt,
Der Frühling ist zurückgegeben!

Der rauhe Nord hat mir den Freund,
Der Winter Dir den Sang genommen!
Weil nun die Frühlingssonne scheint,
So werden Beide wieder kommen.

Adele Schopenhauer
(1797-1849)
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Ihre schöne Arme
Sonnet

Ihr Arme / die ihr nicht an Schönheit arme seyt!
ihr Liebesfässel ihr / dergleichen Venus dorte
warf um Adonis Hals! ihr macht / die stummen Worte
der Augen / redend oft; gebt angenehmes Leid.

Beseeltes Marmor du / Gränz jener Trefflichkeit
des schönen Hügel-paars dort an der Herzenspforte!
du neugefallner Schnee / der bleibet fort und forte!
ach! solt ich sehen dich und küssen allezeit /

wie ich dann thu' itzund. Diß sey dann mein Verlangen:
daß ich von euch allzeit / ihr Fässel / werd umfangen?
Die gröste Freyheit ist / also gefangen seyn.

Will meine Wangen dann der blasse Tod entfärben:
so schlaff' ich ja bey euch auch sanft und seelig ein /
ihr himmelische Arm! ich kan nit süsser sterben.

Sigmund von Birken
(1626-1681)
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An Levin Schücking

Kein Wort, und wär' es scharf wie Stahles Klinge,
Soll trennen, was in tausend Fäden Eins,
So mächtig kein Gedanke, daß er dringe
Vergällend in den Becher reinen Weins;
Das Leben ist so kurz, das Glück so selten,
So großes Kleinod, einmal sein statt gelten!

Hat das Geschick uns, wie in frevlem Witze,
Auf feindlich starre Pole gleich erhöht,
So wisse, dort, dort auf der Scheidung Spitze
Herrscht, König über alle, der Magnet,
Nicht fragt er, ob ihn Fels und Strom gefährde,
Ein Strahl fährt mitten er durchs Herz der Erde.

Blick' in mein Auge, - ist es nicht das deine,
Ist nicht mein Zürnen selber deinem gleich?
Du lächelst - und dein Lächeln ist das meine,
An gleicher Lust und gleichem Sinnen reich;
Worüber alle Lippen freundlich scherzen,
Wir fühlen heil'ger es im eignen Herzen.

Pollux und Kastor, - wechselnd Glühn und Bleichen,
Des einen Licht geraubt dem andern nur,
Und doch der allerfrömmsten Treue Zeichen. -
So reiche mir die Hand, mein Dioskur!
Und mag erneuern sich die holde Mythe,
Wo überm Helm die Zwillingsflamme glühte

Annette von Droste-Hülshoff
(1797-1848)
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Wunsch

Im Frühling, wenn die Welt noch jung
und alle Nächte - nur ein Quell
der Sehnsucht und Erinnerung -
aufrauschen selig, rein und hell,
wenn aller Kronen Blütenglanz
und neuer Winde sanfter Schwung
umfangen alle Länder ganz,
wenn selbst das müde Herz vergisst
den schmerzhaft unvernarbten Sprung
und voller eitler Wünsche ist -

Im Frühling möcht' ich durch das Tal
mit dir, Geliebte, Hand in Hand
hinschreiten so wie dazumal,
als ich zu meinem Glück dich fand.

Camill Hoffmann
(1878-1944)
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Uralt...

Schweig, mein Geliebter; Mund auf Mund
Wurden wir groß, wurden wir alt
In einem nie gestillten Bund,
Alt wie der uralte Wald.

Alt wie der Mond, mein Lichtgesicht,
Bist du am Himmel tausend Jahr
O schmale Sichel aufgericht,
Der ich die Ernte war.

Alt wie das Meer, die dunkle Saat,
Nach dir gereift, sehnsüchtige Flut,
Steigt zwischen uns den ewigen Pfad
Dunkel das ewige Blut.

Maria Luise Weissmann
(1899-1929)
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Er ist's

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
- Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!

Eduard Mörike (1804-1875)
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Ich weiß noch Wälder, in denen Gott wohnt . . .

Ich weiß noch Wälder, in denen Gott wohnt.
Da geht er groß und gelassen im Schweigen
heiliger Bäume, die sich schützend verzweigen,
auf Wegen, die noch jeder Fuß verschont.

Und um ihn her sind nur die unschuldigen
Tiere, die träumend im Moose ruhn,
und die mit ihren stillen, geduldigen
Augen einander nichts Böses tun;

die dicht am Rand seines Kleides spielen
und doch nicht wissen, wem sie nahe sind.
Aber die Gräser und Blumen auf hohen Stielen
beugen sich ihm entgegen im singenden Wind.

Wer, du mein Freund, weist uns den Weg ins Gehege.
Ob wir in Ewigkeit wandern, wir finden ihn nie.
Und doch wartet Gott auf einen, der an sein Knie
kindlich gelehnt das Haupt in den Schoß ihm lege ...

Ite Liebenthal
(1895-1941)
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Lenz

Nun klingen durch die Wintergruft
Die Auferstehungsstimmen,
Und Sonnenglanz und Veilchenduft
Die blaue Luft durchschwimmen.

Nun lacht der Frühling siegesstolz
Mit goldnem, goldnem Strahle,
Die Knospe schmückt das dürre Holz,
Es schwillt das Grün der Tale!

Nun wird der trübe Sinn erhellt,
Die Schwermut, nachtumflossen,
Mir ist, als hielt die Blütenwelt
Durch dich mein Herz umschlossen.

So sicher sah ich nie im Grund
Am Hag die Knospen treiben:
Dich hält mein Arm, dich küßt mein Mund,
Und Frühling muß es bleiben.

Adolf Stern
(1835-1907)
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Uralter Worte kundig kommt die Nacht . . .

Uralter Worte kundig kommt die Nacht;
Sie löst den Dingen Rüstung ab und Bande,
Sie wechselt die Gestalten und Gewande
Und hüllt den Streit in gleiche braune Tracht.

Da rührt das steinerne Gebirg sich sacht
Und schwillt wie Meer hinüber in die Lande.
Der Abgrund kriecht verlangend bis zum Rande
Und trinkt der Sterne hingebeugte Pracht.

Ich halte dich und bin von dir umschlossen,
Erschöpfte Wandrer wiederum zu Haus;
So fühl ich dich in Fleisch und Blut gegossen,

Von deinem Leib und Leben meins umkleidet.
Die Seele ruht von langer Sehnsucht aus,
Die eins vom andern nicht mehr unterscheidet.

Ricarda Huch
(1864-1947)
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Feier

Im Garten meiner Seele
Da ist es wunderbar,
Da gehn meine weißen Träume
Mit Chrysanthemen im Haar.

Im Garten meiner Seele
Da singen sie märchentief
Von der großen Sehnsucht der Liebe,
Die jahrelang in mir schlief.

Und leise wandelt der Abend
Wie eine verwunschene Frau
Mit großen, verträumten Augen -
Die Fernen leuchten blau. -

Durch's stille Land geht leise
Die Liebe und winkt mit der Hand,
Sie trägt einen goldenen Gürtel
Wie flammenden Sonnenbrand. -

In mir ist ein heiliges Singen,
Es tönt tief wundersam
Von der großen Sehnsucht der Seele,
Von der Liebe, die endlich kam.

Paul Leppin
(1878-1945)
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Das Lied des Gesalbten

Zebaoth spricht aus dem Abend:
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Denn ich will Dir Perlen meiner Krone schenken,
In goldträufelnden Honig Dein Blut verwandeln
Und Deine Lippen mit den Düften süsser Mandeln tränken.
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Und mit schmelzendem Jubel meine Feste umgolden
Und die Schwermut, die über Jerusalem trübt,
Mit singenden Blütendolden umkeimen.
Ein prangender Garten wird Dein Herz sein,
Darin die Dichter träumen.
O, ein hängender Garten wird Dein Herz sein,
Aller Sonnen Aufgangheimat sein,
Und die Sterne kommen, ihren Flüsterschein
Deinen Nächten sagen.
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Tausend greifende Aeste werden Deine Arme tragen
Und meinem Paradiesheimweh wiegende Troste sein.

Else Lasker-Schüler
(1869-1945)
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Ich will dich

Ich will
deine Nasenflügel beben lassen,
deine Lippen mit Blut anfüllen,
den Schweiß in deine Haare treiben,

ich will
im Steigbügel deiner Ohren sitzen,
durch deine Mundhöhle wandern,
in deinem Delta eine Strömung sein,

ich will
in deinem Leib das Cello streichen,
aus deinen Augen Funken schlagen
und in deinem Herzen einen Gong,

ich will
der Frühling sein in deinem Garten,
der Sommerwind auf deiner Haut,
die Wintersonne, wenn’s dich friert,

ich will
den Weizen deiner Brüste ernten,
mich an deinem Lächeln wärmen
und in deinem Herzen überwintern

Manfred Ach
Homepage: http://www.m-ach.de
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O Sternen Äugelein! O seiden Härelein/
O Rosen Wängelein/
Corallen Lippelein/
O Perlen Zänelein/
O Honig Züngelein/
O Perlemutter Oehrelein/
O Helffenbeinen Hälßelein/
O Pomerantzen Brüstelein/
Bißher an euch ist alles fein:
Abr O du steinern Hertzelein/
Wie daß du tödst das Leben mein?

O grüne Wälderlein! O Myrtensträuchelein/
O kühle Brünnelein/
Cristallen Bächelein/
O grüne Wieselein/
O schöne Blümelein/
O Felßen klufft/ O Berg und Thal/
O Eccho Trewer Wiederschall/
O Pan O Schäffr und Schäfferin/
Seht doch wie ich so Elend bin/
Der grimmig Todt mich greiffet an/
Ach helffet/ wer da helffen kan?

O wahre Lieb und Trew! O falsche Heucheley/
O Hoffnung Sicherheit/
O Forcht/ Schwermütigkeit/
O süsse Lust und Frewd/
O Angst und Hertzeleid/
O Music edler Frewden Schall/
O seufftzen/ heulen/ Hertzensknall/
O Leben Lieb O bitter Todt/
Ach wechselt umb es ist die Noht/
Wie könnet ihr doch alle seyn/
Ein liebend Hertz zu trümmern gehn?

Johann Hermann Schein
(1586-1630)
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Wie Er wolle geküsset seyn

NIrgends hin/ als auff den Mund/
da sinkts in deß Herzen grund.
Nicht zu frey/ nicht zu gezwungen/
nicht mit gar zu fauler Zungen.

Nicht zu wenig, nicht zu viel.
Beydes wird sonst Kinder-spiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise/
Bey der Maß' ist rechte weise.

Nicht zu nahe/ nicht zu weit.
Diß macht Kummer/ jenes Leid.
Nicht zu trucken/ nicht zu feuchte/
wie Adonis Venus reichte.

Nicht zu harte/ nicht zu weich.
Bald zugleich/ bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam/ nicht zu schnelle.
Nicht ohn Unterscheid der Stelle.

Halb gebissen/ halb gehaucht.
Halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterscheid der Zeiten.
Mehr alleine/ denn bei Leuten.

Küsse nun ein Jederman
wie er weiß/ will/ soll und kan.
Ich nur/ und die Liebste wissen/
wie wir uns recht sollen küssen.

Paul Fleming
(1609-1640)
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Zum neuen Jahr

Wie heimlicher Weise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füßen
Die Erde betritt,
So nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
Ein heilig Willkommen,
Ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!

In Ihm sei's begonnen,
Der Monde und Sonnen
An blauen Gezelten
Des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, dir in die Hände
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt!

Eduard Mörike (1804-1875)
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