Deutsche Liebeslyrik -
Gedicht der Woche
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für das Jahr 2025
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Das Lied des Gesalbten
Zebaoth spricht aus dem Abend:
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Denn ich will Dir Perlen meiner Krone schenken,
In goldträufelnden Honig Dein Blut verwandeln
Und Deine Lippen mit den Düften süsser Mandeln tränken.
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Und mit schmelzendem Jubel meine Feste umgolden
Und die Schwermut, die über Jerusalem trübt,
Mit singenden Blütendolden umkeimen.
Ein prangender Garten wird Dein Herz sein,
Darin die Dichter träumen.
O, ein hängender Garten wird Dein Herz sein,
Aller Sonnen Aufgangheimat sein,
Und die Sterne kommen, ihren Flüsterschein
Deinen Nächten sagen.
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Tausend greifende Aeste werden Deine Arme tragen
Und meinem Paradiesheimweh wiegende Troste sein.
Else Lasker-Schüler
(1869-1945)
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Ich will dich
Ich will
deine Nasenflügel beben lassen,
deine Lippen mit Blut anfüllen,
den Schweiß in deine Haare treiben,
ich will
im Steigbügel deiner Ohren sitzen,
durch deine Mundhöhle wandern,
in deinem Delta eine Strömung sein,
ich will
in deinem Leib das Cello streichen,
aus deinen Augen Funken schlagen
und in deinem Herzen einen Gong,
ich will
der Frühling sein in deinem Garten,
der Sommerwind auf deiner Haut,
die Wintersonne, wenn’s dich friert,
ich will
den Weizen deiner Brüste ernten,
mich an deinem Lächeln wärmen
und in deinem Herzen überwintern
Manfred Ach
Homepage:
http://www.m-ach.de
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O Sternen Äugelein! O seiden Härelein/
O Rosen Wängelein/
Corallen Lippelein/
O Perlen Zänelein/
O Honig Züngelein/
O Perlemutter Oehrelein/
O Helffenbeinen Hälßelein/
O Pomerantzen Brüstelein/
Bißher an euch ist alles fein:
Abr O du steinern Hertzelein/
Wie daß du tödst das Leben mein?
O grüne Wälderlein! O Myrtensträuchelein/
O kühle Brünnelein/
Cristallen Bächelein/
O grüne Wieselein/
O schöne Blümelein/
O Felßen klufft/ O Berg und Thal/
O Eccho Trewer Wiederschall/
O Pan O Schäffr und Schäfferin/
Seht doch wie ich so Elend bin/
Der grimmig Todt mich greiffet an/
Ach helffet/ wer da helffen kan?
O wahre Lieb und Trew! O falsche Heucheley/
O Hoffnung Sicherheit/
O Forcht/ Schwermütigkeit/
O süsse Lust und Frewd/
O Angst und Hertzeleid/
O Music edler Frewden Schall/
O seufftzen/ heulen/ Hertzensknall/
O Leben Lieb O bitter Todt/
Ach wechselt umb es ist die Noht/
Wie könnet ihr doch alle seyn/
Ein liebend Hertz zu trümmern gehn?
Johann Hermann Schein
(1586-1630)
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Wie Er wolle geküsset seyn
NIrgends hin/ als auff den Mund/
da sinkts in deß Herzen grund.
Nicht zu frey/ nicht zu gezwungen/
nicht mit gar zu fauler Zungen.
Nicht zu wenig, nicht zu viel.
Beydes wird sonst Kinder-spiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise/
Bey der Maß' ist rechte weise.
Nicht zu nahe/ nicht zu weit.
Diß macht Kummer/ jenes Leid.
Nicht zu trucken/ nicht zu feuchte/
wie Adonis Venus reichte.
Nicht zu harte/ nicht zu weich.
Bald zugleich/ bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam/ nicht zu schnelle.
Nicht ohn Unterscheid der Stelle.
Halb gebissen/ halb gehaucht.
Halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterscheid der Zeiten.
Mehr alleine/ denn bei Leuten.
Küsse nun ein Jederman
wie er weiß/ will/ soll und kan.
Ich nur/ und die Liebste wissen/
wie wir uns recht sollen küssen.
Paul Fleming
(1609-1640)
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Zum neuen Jahr
Wie heimlicher Weise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füßen
Die Erde betritt,
So nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
Ein heilig Willkommen,
Ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!
In Ihm sei's begonnen,
Der Monde und Sonnen
An blauen Gezelten
Des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, dir in die Hände
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt!
Eduard Mörike (1804-1875)
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