„Roberta, Roberta!“
von Philip Achter
(poetische Prosa)
„Roberta, Roberta!“, dachte ich und klopfte eifrig an das U-Bahnfenster
als ich sie Richtung Heiligenstadt sitzend im gegenüberliegenden Wagon
erblickte. Es war dies in der U-Bahnstation Meidling. Die Distanz
zwischen den beiden entgegengesetzten Zügen war in dieser Station die
größte. Vielleicht sogar größer als im restlichen Streckenverlauf.
Dazwischen eine große asphaltierte Innenfläche mit insgesamt vier Reihen
an Sitzbänken mit geräumigem Abstand dazwischen. Unmöglich konnte sie da
mein Klopfen hören oder meine Gedanken empfangen. War sie es überhaupt?
Dieser dunkelhaarige kleine Pagenkopf auf dem aufrechten schlanken Hals
zwischen den zarten geraden Schultern einer vierzigjährigen Frau, die
ohne jegliche Übertreibung und erst Recht aus der Ferne, auch wenn
dieses Addendum das Kompliment schwächt, wie vierzehn aussah, konnte
doch nur ihr gehören!
Unsere Züge setzten sich in Bewegung und zwar gleichzeitig und in die
gleiche Richtung. Entgegengesetzt war bloß ihre Sitzposition.
An den weißen Zwischenmauern im Stationsbereich, die jeweils nur kurz
die Sicht versperrten, vorbei, ging es draußen weiter Richtung
Heiligenstadt. Die Züge näherten sich an, das heißt der Abstand
verringerte sich, nach wie vor saß sie auf gleicher Höhe und sah nach
wie vor gerade aus. Endlich erblickte sie mich und winkte, während ich
noch immer behämmert klopfte. Schließlich gab mir ihr gewinnendes
Lächeln die nötige Selbstsicherheit und ich lächelte zurück. Nun da
unsere Gesichter einander zugewandt waren, sahen wir auch in die
entgegensetzte Richtung, bloß die Züge fuhren noch immer in dieselbe.
Das war herrlich, denn sie hörte nicht auf zu lächeln und gelegentlich
zu winken und nur sie konnte dies auf eine Art meistern, die es auch
über einen größeren Zeitraum hinweg nicht lächerlich wirken ließ. Den
Zeitraum einer gefühlten glückseligen Ewigkeit, in der ich wiederum
verzückt dasaß wie ein Mondkalb und nicht anders konnte als dämlich zu
grinsen und mir auch nichts anderes wünschte. Dann kam jedoch plötzlich
der entsetzliche Gedanke, dass ihr Zug ja schließlich in einen anderen
krachen müsste, der diesem entgegenkam! Ich musste sie unbedingt warnen,
kam aber aus der grinsenden Lähmung nicht heraus. Sie schien nun meine
Gedanken zu erraten und winkte ab statt zu. Mit einer Handbewegung die
deutete, es würde schon nichts passieren. Genieße doch das Leben!
Tatsächlich, der Knall blieb aus. Ich war lediglich verknallt und
träumte süß.
(c) Philip Achter E-Mail:
philipachter@outlook.com