Gottesliebe

Worte der Liebe
aus der christlichen Welt
 

Christus - 7. Jh., Koptisches Museum, Alt-Kairo




Aurelius Augustinus
(354-430)


. . . und unser Herz ruhelos bleibt,
so lang es nicht ruhet in dir.


Aus: Bekenntnisse


Erstes Buch I.

Groß bist du Herr und hoch zu loben, groß ist die Fülle deiner Kraft und unermeßlich sind die Spuren deiner Weisheit. Und preisen will dich der Mensch, ein Theilchen deiner Schöpfung, der Mensch, sich tragend mit seiner Sterblichkeit, die das Zeugnis seiner Sünde über ihn ablegt, ein Zeugnis, daß du den Stolzen widerstehst. Auch ein solcher Mensch will dich preisen, will dich preisen, eben weil auch er ein Theilchen deiner Schöpfung ist. Du reizest zur Freude an deinem Lobe, weil du für dich uns erschufest und weil unser Herz ruhelos bleibt, so lang es nicht ruhet in dir. So gib denn, Herr, mir zu erkennen, was eher ist:
dich anrufen oder dich preisen, dich erkennen oder dich anrufen. Wer vermöchte dich anrufen, ohne daß er dich erkennete? Kann er ja Eines statt des Andern anrufen, so lang er dich nicht erkennt. Oder wirst du zuvor angerufen, damit du erkannt werdest? Aber wie wollen sie den anrufen, an den sie nicht zuvor glaubten und wie wollen sie glauben ohne Prediger? Ja, loben werden den Herrn die nach ihm fragen, denn die ihn suchen werden ihn finden und die ihn fanden ihn loben. Ich will dich suchen, Herr, da ich zu dir rufe und will zu dir rufen, da ich dich glaube, denn du bist uns verkündigt. So ruft denn zu dir mein Glauben, mir von dir gegeben, den du mir einhauchtest durch die Menschwerbung deines Sohnes, durch den Dienst deines Predigers.
(S. 3)
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Erstes Buch IV.

Mein Gott, was bist du? Was frage ich? Wer als mein Herr! Denn wer ist Herr außer dem Herrn, und wer ist Gott außer unserm Gott! Du Höchster, Bester Mächtiger, Allvermögender! Du Erbarmungsvoller und Allgerechter, Verborgenster und Allgegenwärtiger, voll Schönheit und voll Stärke! Der du fest stehst und doch nicht zu fassen bist; selber wandellos, Alles wandelst, niemals neu wirst und niemals alt, der du Alles erneuest und die Uebermüthigen hinhalten läßest und vergehen, ohne daß sie darauf merken! Du, immer thatenreich und immer ruhevoll, der sammelt und doch nichts bedarf, der trägt, erfüllt da nichts dir abgeht, liebest ohne aufzuwallen, eiferst ohne daß es dich anficht! Dich schmerzt deine Rene nicht; du zürnst und bleibst die Milde, wandelst deine Werke, und dein Rathschluß bleibt unwandelbar! Auf nimmst du, was du findest, und hast es doch nie verloren; bedarfst nichts, und freuest dich des Gewonnenen; nie habsüchtig treibst du dir Zinsen ein! Dir wird dargeliehen, daß du zum Schuldner werdest, und wer hat etwas, das nicht dein wäre? Schuld entrichtest du, die du Keinem schuldest; erläßest Schuld und verlierst nichts. - Wie vermögen wir dich auszusprechen, o du mein Gott und mein Leben, meine Süße, heilige Wonne! Was weiß der Mensch zu reden, wenn er redet von dir? Der Beredten Mund verstummt vor dir, aber webe denen, die von dir schweigen!
(S. 5-6)
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Erstes Buch V.

Wer wird mir verleihen, in dir zu ruhen, wer wird mir helfen, daß du in mein Herz kommest und es beseligend sättigest, bis ich vergeße alle meine Schmerzen, und dich umfange, mein einziges Gut? Was bist du mir? Sieh mich erbarmend an, daß ich wage zu reden. Und was bin ich dir, daß du gebeutst von mir geliebt zu werden, und wenn ich's nicht thue, mir zürnst und unermeßliches Elend drohst? O, ist denn das Elend klein, dich nicht zu lieben? Weh mir! Herr, mein Gott, bei deiner reichen Erbarmung verkünd' es mir, verkünd' es mir, was du mir bist! Meiner Seele sage: Ich bin Heil (Psalm 35, 5). So sprich du, daß ich vermöge zu hören. Siehe, meines Herzens Ohren sind vor dir, schließ sie auf und sprich zu meiner Seele: Ich bin dein Heil! Eilen will ich dieser Stimme nach und dich ergreifen. Verbirg dein Angesicht nicht vor mir; streben will ich, um nie zu sterben, damit ich diese sehe! Will ersterben der Welt und mir, damit ich zu leben beginne meine todesfreie Ewigkeit, bis ich in dir lebe und du in mir! Aber eng ist meiner Seele Haus. Wie wirst du einziehen? Mach' es weit! Es ist hinfällig, bau' es neu. Ja, in ihm ist, was deine Augen beleidigt; ich bekenne es, denn ich weiß es; wer kann es reinigen? Wen kann ich rufen, außer dir! Reinige mich von den verborgenen Fehlern und bewahre deine Knecht vor den Fremden. Ich glaube, darum rede ich. Herr, du weißest es; habe ich ja dir meine Schuld bekannt und mich vor dir verklagt, vergabest du mir doch die Sünde meiner Seele! Denn nimmer will ich mit dir rechten, der du die Wahrheit bist, will mich selbst nicht betrügen, damit meine Sünde nicht sich selbst belüge; nein, ich will nicht rechten mit dir; denn wer kann bestehen, wenn du die Sünden zurechnest!
(S. 6-7)
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Zweites Buch X.

Wer wird diese so verworrene und verwickelte Verknotung lösen? Sie ist so häßlich, ich will mich nicht mehr nach ihr kehren, will sie nimmer sehen. Dich will ich, Gerechtigkeit und Reinheit, die du schön bist und geschmückt mit heiligen Lichtern voll nie ersättlicher Sättigung. Bei dir ist Ruhe und nie getrübtes Leben. Wer in dich eingeht, geht in die Freude seines Herrn ein, nichts wird er fürchten, wird sich am Besten befinden im Besten. Von dir verlief ich mich und weit irrte ich von meiner Stütze weg in meiner Jugend, mir selbst ein Land des Darbens werdend.
(S. 40)
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Siebentes Buch X.

Dadurch gemahnt, zurückzukehren zu mir selbst, gieng ich unter deiner Führung ein in mein Innerstes, und ich vermochte es, denn du warest mein Helfer. Ein gieng ich mit dem Auge meiner Seele, wie schwach es auch war. Und siehe, ich schaute erhoben über meines Geistes Auge, erhoben über meinen Geist, das wandellose Licht; nicht dieß gemeine, jedem Fleische sichtbare, nicht auch, als ob es dieser Art, nur größer wäre, und weit, weit heller noch erglänzend über Alles schiene. Nicht war es dieß, es war hoch, hoch verschieden von dem Allen. Auch war es nicht so über meinem Geist, wie das Oel ist über dem Wasser, noch wie der Himmel ist über der Erde; es war erhabener, weil es mich selber schuf, und tiefer ich, weil ich geschaffen bin von ihm.
Wer die Wahrheit kennt, der kennt es, und wer sie kennt, der kennt die Ewigkeit. Die Liebe kennt es. Die ewige Wahrheit und wahre Liebe und liebe Ewigkeit! Du bist mein Gott, und Tag und Nacht seufze ich zu dir! Sobald ich dich kannte, nahmst du mich auf, damit ich sähe, es sei da in Wahrheit, was ich sehe, und doch noch sei ich der nicht, der da sehe. Du schlugest weg die Schwäche meiner Sehkraft, da du strahltest über mir in deiner Kraft. Und beben mußte ich in Lieb und Schreck, und finden mußte ich, ich sei fern von dir in weiten Abstand meiner Unähnlichkeit mit dir; da war mir, als hörte ich aus der Höhe deine Stimme: »Ich bin die Speise der zur Mannheit Erstarkten; wachse,
und genießen wirst du mein. Nicht wirst du mich in dich wandeln, gleich der Speise deines Fleisches, du wirst gewandelt werden in mich.« - Und ich erkannte, wie du den Menschen züchtigst um der Sünde willen, und wie du, gleich einem zerstörten Spinngewebe, meine Seele verschrumpfen ließest. Da rief ich: ist denn die Wahrheit nichts, da sie weder im endlichen, noch im unendlichen Raume verbreitet ist? Und du riefst aus der Ferne: »Ja sie ist, denn ich bin, der ich bin!« Da hörte ich, wie man hört im Herzen, und nimmer war, woran ich zweifeln sollte. Eher hatte ich daran gezweifelt, daß ich lebe, als daß nicht Wahrheit sei, die ich erkannte, an dem, das erschaffen ist.
(S. 158-159)
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Zehntes Buch VI.

Mein Bewußtsein bezeugt mir in fester Zuversicht, daß ich dich liebe, Herr, denn mit deinem Wort hast du mein Herz getroffen, da mußte ich dich lieben. Ja auch Himmel und Erde, und Alles was darin ist, siehe, sie sagen mir überall, ich soll dich lieben, sie sagen es ohne Aufhören Allen, also daß sie keine Entschuldigung haben. Und derer du dich erbarmt hast, ihrer wirst du dich weiter erbarmen, daß sie nicht taub bleiben, da Himmel und Erde dein Lob verkünden, daß sie dich fühlen in Liebe, du Leben ihres Lebens.
Aber was liebe ich, wenn ich dich liebe? Nicht Körpergestalt, nicht zeitliche Schöne, nicht des Lichtes Glanz, der diesen Augen so freundlich ist, nicht das süße Tönen alles dessen, was da singt und klingt, den lieblichen Duft der Blumen nicht, und alles dessen,
was ihn aushaucht, nicht Manna und Honig, nicht der Glieder Reiz, der die Umarmung empfängt. Das Alles liebe ich nicht, wenn ich, meinen Gott liebe, und liebe doch irgend ein Licht und eine Stimme, einen Duft und eine Speise, liebe eine Umarmung, wenn ich meinen Gott liebe, ihn, das Licht und die Stimme, den Duft, die Speise und die Umarmung meines innern Menschen; wo meiner Seele zustrahlt, was kein Raum erfaßt, wo ihr tönet, was in keiner Zeit verhallt, wo ihr duftet, was kein Lufthauch verweht, wo sie kostet, was durch kein Speisen vermindert wird, wo sie nimmer satt wird, zu liegen in der seligen Umarmung. Das liebe ich, wenn mein Gott liebe. Und was ist dieses? Ich fragte die Erde und sie sprach: ich bin es nicht, und Alles was auf ihr ist, hat mir dasselbe bekannt. Das Meer fragte ich und seine Gründe alle und
belebten Wesen, und sie antworteten: wir sind nicht dein Gott, such' ihn über uns. Ich fragte die wehenden Lüfte, und der Luftraum sprach mit allen seinen Bewohnern: Anaximenes irrt, ich bin nicht Gott. Den Himmel fragte ich, die Sonne, den Mond und die Sterne, und ihre Rede war: wir sind Gott nicht, den du suchst. Da sprach ich zu Allen, die sich darstellten meiner Augen Gesichtskreis: wohl sagtet ihr mir, ihr wäret nicht mein Gott; was ist es, das ihr von ihm mir sagen könnt? Und sie riefen zusammen Alle mit großer Stimme: er selber schuf uns! Und siehe, ihre Schönheit war ihre Antwort. - Da wendete ich mich zu mir und fragte mich: Du, was bist du? Und ich antwortete: ich bin ein Mensch aus Leib und aus Seele, die sind an mir das Aeußere und Innere. In was hier habe ich meinen Gott zu suchen, der ich mit meinem Leibe schon suchen gieng von der Erde bis zum Himmel, so weit ich senden konnte meine Boten, die Strahlen meiner Augen? aber höher steht mein innerer Mensch, denn der war der Herr jener Boten, er sandte sie, und vor sein Urtheil brachten sie der Antworten jede, die ihnen Himmel und Erde gaben, da sie sprachen: wir sind nicht Gott, aber er schuf uns. Das erfuhr der innere Mensch durch den Dienst des äußern; ich, ich die Seele erkannte das durch die leiblichen Sinne. Die ganze Welt fragte ich über meinen Gott und sie hat mir geantwortet: ich bin er nicht, aber er selbst hat mich bereitet. Und derselbe Anblick wird Allen, denen gesunde Sinne wurden, und doch nicht Alle vernehmen die hohe Runde. Die Thiere alle, die kleinen und großen, sehen dasselbe und vermögen doch nicht zu fragen, denn ihre Boten, die Sinne, haben keine Vernunft, die sie sendet und ihre Antwort
beurtheilt. Die Menschen aber vermögen zu fragen, damit Gottes unsichtbares Wesen von ihnen erkannt werde durch die leibliche Schöpfung. Aber sie werfen ihre Liebe nur auf diese und werden ihr unterthan, und in ihrer Unterwerfung vermögen auch sie nicht, jene hohe Runde zu beurtheilen; denn die Körperwelt steht denen nur Antwort, die mit des befreiten Geistes Urtheil forschen. Und doch spricht die Körperwelt keine verschiedenartige Sprache, sie hat verschiedenerlei Gestalt, so daß der gedankenlos und der im Geiste fragende Verschiedenes schaute und sie dem Einen so, dem Andern anders erschiene. Sie ist dieselbe überall, aber Jenen ist sie stumm, zu Diesem redet sie: ja sie redet zum Allen, aber die nur vernehmen ihre Sprache, welche sie mit der urtheilenden Wahrheit vergleichen, die in ihnen selber spricht. Denn diese Wahrheit sagt mir: weder Himmel noch Erde, noch alles Leibliche sind dein Gott. Das sagt ihre Natur dem Schauenden, und sie ist nur Körpermasse, kleiner im Einzelnen als im Ganzen. Schon du bist höher, meine Seele, denn du belebst deine Körpermasse, du reichst ihr das Leben, was kein Körper kann dem Körper reichen; dein Gott aber, meine Seele, ist das Leben deines Lebens, der es belebt, der es dir erhält.
(S. 237-240)
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Zehntes Buch XXVII.

Ich habe spät dich geliebt, die Schönheit, so uralt und so neu, ich habe spät dich geliebt! Und siehe, du warst im Innern, aber ich war draußen und suchte dich dort. Und in deine schöne Schöpfung stürzte ich mich in meiner Häßlichkeit, denn du warest mit mir und ich nicht mit dir! Ferne von dir hielt mich die Außenwelt, und wäre doch nicht, wenn sie nicht wäre in dir. Du
riefest laut und lauter und durchbrachtest meine Taubheit. Du schimmertest strahlend und strahlender und schlugest meine Blindheit. Du wehte stund ich kam zu Odem wieder und Leben, und athme in dir. Ich kostete dich und hungre und dürste. Du berührtest mich und ich lebte auf in deinem Frieden.
(S. 258-259)
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Aus: Augustinus: Die Bekenntnisse. Aus dem Lateinischen übertragen von Georg Rapp. Vierte, durchgesehene Auflage Stuttgart: S. G. Liesching 1863



 

 


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