Gottesliebe

Worte der Liebe
aus der christlichen Welt
 

Christus - 7. Jh., Koptisches Museum, Alt-Kairo




Gertrud von Helfta
(1256-1302)


Aus: Exercitia spiritualia Geistliche Übungen


Einzig Geliebter meines Herzens,
du süßer Liebhaber,
Geliebter, Geliebter, Geliebter
hoch über allem, was je geliebt worden ist!
Nach dir, o du blühender Frühlingstag voller Leben,
nach dir seufzt und vergeht
in liebevoller Sehnsucht mein Herz.
O wenn es mir doch gelingen könnte,
daß ich zu einer werde,
die mit dir vereint ist,
dir ganz nahe.
Daß dann von dir, der wahren Sonne,
ersprießen sollen die Blüten
und die Früchte meines geistlichen Fortschritts.
Voller Erwartung erwartete ich dich.
Komm also nun zu mir
wie der Turteltauber zu seiner Gefährtin.
Verwundet hast du mir das Innerste meines Herzens
durch deines Anblicks Schein
und deine Schönheit.
Geliebter mein, Geliebter mein:
werde ich mit dir nicht vereint sein,
werde ich in Ewigkeit
nicht froh sein können.
Eia, deine Sehnsucht und die meine -
 lieber Freund, Freund, Freund! -:
erfülle sie und bringe sie ans Ziel.

[Drittes Exercitium: Geistliches Brautversprechen und Weihe,  Seite 79]
_____



Dich allein liebe ich,
dich ersehne ich,
dich habe ich lieb,
dich begehre ich,
nach dir dürste ich,
dich liebe ich.
In dich schwinde ich ganz dahin,
Geliebter mein,
Geliebter mein.
Eia, bringe mich hinüber,
hin in die Flamme deines lebendigen Brandes,
und mach, daß ich nun mich schmiege
so voll und ganz an dich,
daß, wenn in der Todesstunde
zurückgelassen ist der Körper,
mir auf ewig wohl sei in dir.
Denn meine Seele liebt dich,
mein Herz ersehnt dich,
meine Tugendkraft hat dich lieb,
und mein ganzes Leben ist,
während es von mir zu dir hinübergeht,
schon weggegangen hin zu dir.
O Jesus, Liebenswertester von allen,
die liebenswert sind,
dir sagt mein Herz:
du bist mein liebenswertestes Liebenswertes,
meine ganze wahre und sorgenfreie Freude,
mein bester Teil:
dich allein liebt und hat lieb meine Seele.

[Viertes Exercitium: Die Seele legt vor Gott ihre Profeß ab, Seite 119f]
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Eia, o Gott-Liebe:
du allein bist meine ganze wahre Liebe.
Du, du bist mein liebstes teuerstes Heil,
meine ganze Hoffnung und Freude,
mein höchstes bestes Gut.
Vor dir, mein Gott,
der liebsten teuersten Liebe mein,
werde ich am frühen Morgen stehen,
und schauen werde ich,
daß du allezeit
die Lieblichkeit selbst bist
und die süße Wonne.
Du bist es, nach dem dürstet mein Herz.
Du bist es, der in allem Genüge gibt
meinem Lebensgeist und Atem.
Je mehr ich von dir koste,
desto mehr bin ich hungrig;
je mehr ich trinke,
desto mehr bin ich durstig.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 129]
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O Liebe: dich zu schauen, ist,
im Geist aus mir in Gott zu entrücken.
Dir anzuhangen, ist,
mit Gott vermählt zu werden
in hochzeitlichem Bunde.
O meiner Seele höchstes heiteres Licht
und herrlichst strahlender Morgen:
eia, werde endlich in mir Tag
und laß mir so licht werden,
daß ich in deinem Lichte schaue das Licht,
und daß durch dich sich wandelt
meine Nacht in Tag.
O mein liebster Morgen,
alles, was nicht Du bist,
das mag ich aus Lieb zu deiner Liebe
gleichsam für nichts erachten
und für nichtig.
Eia, suche mich auf am Morgen schon,
wenn es licht wird,
daß ich in dich ganz und gar
umgewandelt werde gleich sofort.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 131]
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O Anblick, höchst liebenswert mir:
wann sättigst du mich mit dir?
O könnte ich doch die zarten Strahlen
deines Liebreizes schon hier empfangen,
wenn auch nur für kurze Zeit,
daß ich einen Vorgeschmack
von deiner Süßigkeit haben darf,
wenigstens ein Weilchen,
und daß ich dich, meinen besten Teil,
im voraus kosten darf
mit süßem Wohlgefallen.
Eia, wende dich nun hin zu mir,
nur ein ganz klein wenig,
daß ich auf dich,
du Blüte aller Blüten,
heften kann meinen Blick.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 131]
_____




O Liebe, o du volle Süße mittäglicher Hitze,
deine heiligen Ruhestunden,
voll des Friedens,
erfreuen mich weit mehr
als alles.
Deine weihevollen Sabbattage
verlaufen ruhig durch Gottes Gegenwart,
und das strahlend heitere Gesicht
der Braut überströmen sie
mit Grazie und Gnade.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 135]
_____




O Liebe, dich zu genießen,
das ist,
wenn das göttliche Wort und die Seele
sich in größter Huld und Würde
inniglich verbinden,
bewirkt durch die vollkommene
Einung mit Gott.
Mit dir zu verkehren,
das ist,
sich mit Gott zu verflechten.
Dich zu genießen,
das ist,
mit Gott eins zu werden.
Du bist jener Friede,
der alles Sinnen übersteigt,
und du bist dort der Weg,
auf dem man hingelangt zum Brautgemach.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 135f]
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O, wenn es doch auch mir gelänge
in meinem Elend,
wenn auch nur für einen Augenblick,
in Ruhe zu verweilen
unter deinem gar so liebenswerten Mantel
der Liebe und Neigung,
auf daß mein Herz gestärkt werde,
auch nur mit einem einzigen Trostspruch
deines lebendigen Worts.
Und hören soll dann
meine Seele aus deinem Munde
dieses gute und liebliche Wort:
Dein Heil bin ich;
siehe,
schon steht dir offen
meines Herzens Ruhekammer.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 137]
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Eia, o innige Liebe:
in des Todes Stunde
sollen mich erquicken deine Worte,
die weit besser sind als Wein,
und trösten sollen mich
deine Lippen,
die weit süßer sind
als Honig und Honigwabe.


[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 137]
_____




Eia, o Liebe, süß im Kuß.
Du bist jener Quell,
nach dem ich dürste.
Siehe, zu dir wallt auf mein Herz.
O wenn, o wenn du doch,
o volles Meer,
mich unbedeutenden Tropfen
in dich aufsaugen wolltest!
Du bist meiner Seele
der lebendige süßeste Eingang,
auf daß ich dann
von mir in dich
- so geschehe es! -
finde des Lebens Ausgang.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 139]
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Eia, es öffne sich mir
deines liebsten Herzens
heilbringender Eingang.
Siehe, mein Herz
habe ich nicht mehr bei mir;
doch du, o Liebster, mein Schatz,
du bewahrst es auf
in deiner Kammer bei dir.
Du, du bist meines Herzens einziges,
ganzes,
liebstes
Wesenskernchen;
dir allein hat sich glutvoll
angeschmiegt meine Seele.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 139]
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O, wie ist es doch,
mit dir zu sein als Genosse!
Wahrlich, wahrlich,
mit dir trauten Umgang zu haben,
ist weit besser
als jede Art von Leben.
Dein Duft,
er ist wie tief nach innen dringender Balsam
göttlichen Friedens
und göttlicher Huld.
Du bist der göttlichen Tröstung Vorratskammer,
überströmend im Überfluß
und allzu reich.
O wenn du doch, o innige Liebe,
du Königin,
mich hineinführtest in deine Weinkeller,
damit ich mit süßem Wohlgefallen
koste deine edleren Weine,
die dort verborgen liegen.
Ja, alle deine Krüge sind Gottes übervoll,
und von heiligem
lebenspendenden Geist quellen sie über.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 139]
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O wenn es mir schon hier gelänge,
was ich begehre,
und wenn mir gegeben würde,
daß zu mir kommt
mein lieber Wunsch
und du wahrhaftig zu mir umkehrst
und mich erquickst
im überaus lieblichen Kuß
deiner gnädigen Huld.
O könnte ich doch,
o mein liebstes Lieb,
ganz tief in meinem Inneren
dich ergreifen
und mit Küssen überhäufen,
um, wahrhaft mit dir vereint,
mich dir anzuschmiegen unzertrennlich.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 139f]
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O süßester Kuß,
mich winziges Stäubchen
soll nicht auslassen
dein Fesselband:
nicht schonen soll mich
deine Berührung und
- in gleicher Weise –
deine Umarmung,
bis daß ich werde
mit Gott
ein einziger Geist und Atem.
Mach, daß ich wahrhaft erfahre,
wie groß die Wonnen sind,
dich,
den lebendigen Gott,
die süßeste Liebe mein,
in dir selber zu umfassen
und mit dir geeint zu werden.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 141]
_____




O wann,
wann wirst du dich selbst mir zeigen,
daß mit freudigem Empfinden
ich dich schaue
und in mich schöpfe,
dich, Gott,
den lebendigen Quell?
Dann werde ich trinken
und werde trunken werden
von der reichen vollen Süße
des lebendigen Quells,
der herniederträufelt
aus den Wonnen
des honigfließenden Angesichts dessen,
nach dem sich meine Seele sehnt.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 145]
_____


 

Selig die Augen, die dich schauen, o Gott-Liebe.
O wann, wann werde ich dorthin gelangen,
wo du bist, Gott, wahres Licht, Gott und Lamm?
Ich weiß, daß ich dich endlich schauen werde
mit meinen eigenen Augen,
o Jesus, Gott, du mein Heil.

Selig die Ohren, die dich hören, o Gott-Liebe,
du Wort des Lebens.
O wann, wann wird deine Stimme,
von Honig fließend und voll Süßigkeit,
mir Tröstung geben, wenn sie mich ruft zu dir?
Eia, vor bösem Hörensagen
möge ich mich nicht fürchten,
sondern schnell möge ich hören
deine ruhmvolle Stimme.
Amen, so geschehe es.

Selig die Nase, die dich atmet, o Gott-Liebe,
du des Lebens süßester würziger Duft.
O wann, wann wird zu mir hinatmen
deiner honigfließenden Gottheit duftender Wohlgeruch?
Eia, schnell möge ich kommen
zu den fetten Weiden voller Anmut,
wo ich immerdar dich schaue.
Amen, so geschehe es.

Selig der Mund, der kostet, o Gott-Liebe,
deine trostreichen Worte,
süßer als Honig und Honigwabe.
O wann, wann wird erfüllt werden
meine Seele mit deiner Gottheit nährendem Fett,
und trunken werden
durch die reiche Fülle deiner Lust?
Eia, so möge ich hier schon kosten,
wie lieblich du bist, Herre mein,
daß ich in ewigem Glück dich,
o Gott meines Lebens,
voll genieße dort.
Amen, so geschehe es.

Selig die Seele, die in der Umarmung
unzertrennlicher Liebe sich hingeschmiegt hat an dich,
und selig das Herz,
das spürt deines Herzens Kuß,
o Gott-Liebe,
und mit dir eingeht den Bund
unauflöslicher liebender Freundschaft.
O wann, wann soll ich
durch deine seligen Arme fest umschlungen werden,
und dich, o Gott meines Herzens,
ganz unmittelbar anblicken?
Eia, schnell doch, schnell möge ich,
dem Verbanntsein hier entrissen,
dein honigfließendes Angesicht schauen im Jubilus.
Amen, so geschehe es.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 157]
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O Gott-Liebe, Allmächtigster:
in deiner Liebe bestärke mich.
O Liebe, Weisheitsvollste:
gib mir, in Weisheit zu lieben dich.
O Liebe, Süßeste:
gib mir, lieblich zu kosten dich.
O Liebe, Liebenswerteste:
gib mir, dir allein zu leben.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 159]
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O Liebe, Treueste:
in all meiner Drangsal
tröste und unterstütze mich.
O Liebe, vertrauteste Gefährtin:
alle meine Werke wirke du in mir.
O Liebe, Siegreichste:
gib mir, bis zum letzten Ziel
auszuharren in dir.
O Liebe, Herzinnerste,
du hast niemals verlassen mich:
dir vertraue ich an
meinen Lebensgeist und Atem.

[Fünftes Exercitium: Die göttliche Liebe, Seite 159]
_____




Du bist mein Leben.
Du bist mein Genügen.
Du bist mein Ruhm und meine Herrlichkeit.
Du der Barmherzigkeit augenscheinliche Offenbarung,
die widerstrahlt in meiner Seele.
Dir sei Lobpreis und höchster Dank.
O, wann werde ich das Mark meiner Seele
auf deinem Altare gänzlich verbrennen,
und werde mit jenem heiligen Feuer,
daß es dort glüht ohne Unterlaß,
mein Herz entfachen,
und werde mich selber ganz und gar
als Opferlamm zu deinem Lob dir opfern?

[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 167]
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Eia, o Gott,
meine heilige süße Wonne,
du,
dehne aus mein Herz in dich,
und meine Seele mache weit,
daß alle Gefäße meines Inneren
erfüllt werden von deiner Glorie.


[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 167]
_____




Preis und Heil ist dir, Adonai,
mein Herr,
gesagt am Firmament,
das den Himmel trägt.
Preis und Heil sage dir
die ganze Kraft aus dem Mark meines Lebensgeistes.
Preis und Heil sage dir
mein ganzes Wesen, Seele und Leib.
Dich rühme alles,
was innen in mir ist.
Dir vereine sich im Jubilus alles,
was sich sehnt in mir;
denn du allein bist wert des Lobes
und bist des Ruhmes voll in alle Weltenzeit.

[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 169]
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O wie glorreich bist du, mein Gott,
wie liebenswert,
wie wert des Lobes,
auf dem heiligen Thron deiner Gottheit.
Wie ergötzlich ist den Augen dein Licht.
Wie selig, dich zu schauen,
die wahre Sonne.
Wie glanzvoll, wie erfreulich,
wie reich an Zier ist dein Lobpreis,
wo an deiner Seite stehen
tausend und abertausend.
Dort hüpft aus mir heraus in dich,
den lebendigen Gott,
und springt schon jauchzend empor
mein Herz und die Seele.
O, von welcher Größe und von welcher Art
ist deine Glorie, mein Gott,
du meine heilige süße Wonne,
vor dem heiligen Throne deines Königtums,
wo dich lobpreisen alle Engel und die Heiligen dein.

[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 169]
_____




Jubeln soll dir jede Sehnsucht
aus der Tiefe meines Herzens,
jedes sehnende Gebet,
und laut sollen sie vor dir kundtun
die Liebesdienste deiner vielen Gnaden.
Jubeln soll dir jedes Seufzen
meines Aufenthalts in diesem Elend,
jeder Seufzer meines Lebensatems.
Und Preis und Heil sage dir all das,
was du, mein Gott, selber bist:
jenes Harren, die Geduld
und die Erwartung, die so lange in mir ist.
Jubeln soll dir die Hoffnung und das Zutraun,
das ich habe zu dir;
denn du wirst endlich aus dem Staub zu dir,
o höchst seliges Leben,
o mein Gott,
zurückführen mich.


[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 171]
_____




Eia, o Geliebter meiner sehnenden Gebete,
verstehe meinen Schrei!
Hab Acht auf mein Gebet
und erhöre mich;
denn dich, o mein König und mein Gott,
dich ruft, dich will, dich sucht meines Herzens Seufzer
und meiner Seele Sehnsucht.
Nach dir läßt Tränen tropfen mein Auge,
und auf dich hin richtet sich mein Blick.
Du selbst, mein Gott, süße Wonne
und Liebe und Neigung mein,
meine Hoffnung von meiner Jugend auf:
du selber bist ganz das, was ich will,
was ich hoffe, was ich begehre.

[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 173]
_____




Mein König und mein Gott,
meine Liebe und Freude:
dir singt den Jubilus meine Seele
und mein Herz.
Dich, das Leben meiner Seele,
meinen Gott,
Gott den lebendigen und wahren,
den Quell allen immerwährenden Lichts,
aus dessen honigfließendem Angesicht
sich das Licht mir, der Unwürdigen,
aufgeprägt hat als Zeichen -
dich zu grüßen,
zu lobpreisen,
deine Größe hoch zu rühmen
und dir Preis und Heil zu sagen:
dies ersehnt mein Herz.


[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 175]
_____




Du, mein Herr,
du bist meine Hoffnung,
du der Ruhm,
du die Freude,
du meine Seligkeit.
Du bist der Durst meines Lebensgeistes.
Du das Leben meiner Seele.
Du der Jubilus meines Herzens.
Wohin wird mich, hinaus über dich, mein Gott,
führen meine Bewunderung?
Du,
du bist des gesamten Guten Anfang und Vollendung;
und so auch haben alle, die zusammen fröhlich sind,
in dir ihre Wohnung.
Du bist der Lobpreis meines Herzens und Mundes.
Du errötest ganz und erblühst
wie der Frühling in der Anmut deiner festlich heiteren Liebe.
Deine Gottheit, die hoch über allem steht,
soll deine Größe und deinen Ruhm
und deine Herrlichkeit preisen,
denn du bist der Ursprung unaufhörlichen Lichts
und der Quell des Lebens.
Und kein Geschöpf kann würdig genug dich loben.
Du allein bist dir genug,
der du in dir nie Mangel hast.
Dein Angesicht, das von Honig fließt
mehr als Honig und Honigwabe,
gibt den Seelen der Heiligen nahrhafte Speise.

[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 175]
_____




Gott, mein Gott,
du allein bist der Bewunderung wert
und des Ruhmes voll.
Du allein groß und wert des Lobes,
du allein süß und liebenswert,
du allein schön und reich an Anmut,
du allein glanzvoll in deinem Anblick
und voller Wonnen,
du allein von solcher Größe
und von solcher Art,
daß in allem Ruhm und aller Herrlichkeit
des Himmels und der Erde
nicht einer wird gefunden,
der dir gleich.
Dein Licht, bewundernswert,
ist meinem Herzen mehr
als aller Ruhm und alle Herrlichkeit liebenswert,
denn dies Licht allein kann fröhlich machen
meinen Geist und Lebensatem,
und den Ekel über dieses Leben
kann es völlig wandeln
in Jauchzen und in Freude.

[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 183]
_____




Dort, dort,
in deines göttlichen Herzens
goldenes Rauchgefäß,
in dem zu deinem Lobpreis
ohne Unterlaß verbrennt
der ewigen Liebe
lieblichst duftender Weihrauch:
dorthin werfe auch ich
des Herzens winzigst kleines Korn;
und so begehre und ersehne ich,
daß auch dies mein Herzenskörnlein,
das wertlos und unwürdig ist,
im Anhauch deines Lebensatems
mit stürmischer Gewalt
lebendige Flamme wird
und übergeht in das eine Glutbecken,
aus dem dein Lob aufsteigt.


[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 185]
_____





Eia, o Geliebter meiner sehnenden Gebete,
zu dir hin dürstet tief
aus seinem Innersten mein Herz.
Eia, mach schnell,
daß ich gelange hin zu dir,
Gott, dem lebendigen Quell,
auf daß ich in dir ewiges Leben
schöpfe für immerdar.
Eia, schnell,
laß dein Angesicht aufleuchten über mir,
auf daß ich freudig
von Angesicht zu Angesicht dich schaue.
Eia, schnell,
schnell
zeige mir dich selbst,
auf daß ich glücklich mich freue
an dir auf ewig.

[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 195]
_____




Wie lange noch,
wie lange werde ich noch darauf warten,
o mein Geliebter,
dich zu genießen
und dein liebenswertes Angesicht
zu betrachten?
Du bist meiner Seele Durst.
Himmel, Erde und alles,
was auf ihnen ist:
ohne dich sind sie mir
so wie ein eisiger Frost des Winters.
Dein liebenswertes Angesicht
ist mir die einzige Tröstung,
und Trost des Frühlings.

[Sechstes Exercitium: Lobpreis und Dank, Seite 199]
_____




O Herz, strömend von Süßigkeit.
O Herz, sich ergießend von treuer Güte.
O Herz, überreich ausströmend von inniger Liebe.
O Herz, träufelnd von süßer Lieblichkeit.
O Herz, voll des Erbarmens.
Eia, mach, daß ich sterbe vor Liebe,
die liebend sich dir zuneigt.
O liebstes teuerstes Herz,
in dich, so bitte ich, sauge ganz auf mein Herz.
Meines Herzens gar zu liebe teure Perle,
zu deinem Mahl,
das Kraft zum Leben gibt,
lade mich ein. (…)

Entzünde mich, zu lieben dich!
Erleuchte mich, zu erkennen dich!
Ziehe zu dir mich, erfreut zu werden durch dich!
Errege mich, zu genießen dich!

[Siebtes Exercitium: Wiedergutmachung der Sünden
und Vorbereitung auf den Tod, Seite 233
]
_____


Aus: Gertrud von Helfta
Exercitia spiritualia Geistliche Übungen
Lateinisch und deutsch
Herausgegeben, übersetzt und kommentiert
von Siegfried Ringler
Buchverlag Oliver Humberg 2001
siehe auch: http://www.gertrud-von-helfta.de/
 

 

 


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