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Gertrud von Helfta
(1256-1302)
Andachtsübungen
zu Ehren der heiligsten Dreifaltigkeit
Fünf Lobgesänge
während der
Vesper zu beten
Diese Lobgesänge
sind aus den Exerzitien
der hl. Gertrudis genommen
und enthalten ihre eigenen Worte
Der erste Lobgesang
Gepriesen seist du, Adonai, in der Grundveste des Himmels. Dich lobe und
preise das Innerste und alle Kraft meines Geistes.
Dich verherrliche mein ganzes Inneres, dir juble und frohlocke all mein
Verlangen, weil du allein in Ewigkeit lobenswerth glorreich bist.
Wann, o wann wird meine Seele den Ort deines Zeltes betreten, damit mein
Mund mit den Heiligen dich lobe und frohlockend vor deinem
allerheiligsten Antlitze in Ewigkeit ausrufe: Heilig, heilig, heilig?
O wie herrlich, liebenswürdig und lobenswerth bist du, o mein Gott, auf
dem herrlichen Throne deiner Gottheit! Wie herrlich schön ist das Lob,
das dir von Millionen dargebracht wird!
O wie groß ist deine Herrlichkeit, o mein süssester, heiligster
dreieiniger Gott vor dem hehren Throne deiner Majestät, wo alle Engel
und Heilige dich in Ewigkeit loben und preisen.
Dich sollen all deine wunderbaren Werke und freigebigsten Gnadengaben,
welche du gespendet hast, loben, preisen und verherrlichen.
Lobpreisen sollen dich deine großen, zahllosen Erbarmungen und
Wohlthaten, womit du o Gott meines Herzens, meine Seele überhäuft hast.
Dich lobpreise mein ganzes Inneres, all mein Wesen und meine Kraft, weil
du der Gott meines Heils und die Zuflucht meiner Seele bist.
Ehre sei Gott dem Vater etc.
Der zweite Lobgesang
Dich, o dreieinige, ewig
gleiche, göttliche Majestät sollen meine innigsten Wünsche und Begierden
loben und preisen und dir Dank sagen für deine zahllosen Wohlthaten und
Gnadengaben.
Dich sollen loben und preisen die Seufzer und Thränen meiner
unglückseligen Verbannung und jene meine lange und geduldige Erwartung,
die du mein Gott selbst bist.
Dich lobpreise meine Hoffnung und mein Vertrauen, das ich zu dir hege,
weil du o mein Gott, mich endlich einmal aus dem Staube zu dir, meinem
glückseligsten Leben, emporheben und zurückführen wirst.
Dich lobpreise das Siegel der Treue, womit du mich in der Taufe an dich
geheftet hast, weil ich glaube, daß ich dich meinen Gott, einst in
meinem Fleische schauen werde.
Dich lobpreise mein sehnliches Verlangen und mein heißer Durst nach dir,
weil ich nach diesem Leben endlich zu dir, o mein Gott, in mein wahres
Vaterland kommen werde.
Dich preise deine unendliche Liebe selbst, welche mich verpflichtet, daß
ich dich unaufhörlich liebe. Dich lobpreise ich über Alles, weil du
Herr, meine süsse Liebe und mein in aller Ewigkeit allein gebenedeiter
Gott bist.
Ehre sei Gott etc.
Der dritte Lobgesang
Dein glorreiches und
wundervolles Licht, o einiger höchster Gott, dreifaltig in den Personen,
soll für mich preisen und loben die unendliche Schönheit deiner höchsten
Majestät.
Dich preise deine unermeßliche Glorie, dich lobe die herrliche Kraft
deiner Allmacht.
Dich preise der unermeßliche Glanz deiner ewigen Klarheit und lobe die
hellschimmernde Lieblichkeit deiner strahlenden Schönheit.
Dich preise der unermeßliche Abgrund deiner Urtheile und lobe der
unergründliche Umfang deiner ewigen Weisheit.
Dich preise die zahllose Menge deiner Erbarmungen und lobe die
grenzenlose Fülle deines Mitleids.
Dir juble und jauchze das ganze Innere deiner Güte und der Überfluß
deiner Milde.
Dir juble deine übergroße Liebe zu den Menschen und deine grenzenlose
Freigebigkeit.
Dir juble die siegreiche Kraft deiner überfließenden Süssigkeit und die
Fülle aller Glückseligkeit, welche in dir deinen Auserwählten
vorbehalten ist.
Mein Gott und Herr, Niemand ist dir ähnlich, und Nichts kann mit dem
unermeßlichen Reichthum deiner Glorie verglichen werden.
Wer hat den Abgrund deiner Weisheit erforscht; wer die unendlichen
Schätze deiner Erbarmungen gezählt? Wahrlich Niemand ist so beschaffen.
Niemand so groß und erhaben, wie du, o mein Gott und König der
Unsterblichkeit.
Wer sollte die Glorie deiner Majestät schildern, wer könnte den Anblick
deiner Klarheit ertragen? Du allein bist wunderbar und glorreich; du
allein bist groß und lobenswerth, süß und liebenswürdig, schön und
lieblich, angenehm und wonnevoll.
O wären doch alle Geschöpfe mir untergeben, ich würde sie alle zu deinem
Lobe und zur Verherrlichung aller Werke deiner Hände vereinigen!
Dort wo Millionen dich Tag und Nacht umgeben und unaufhörlich dir
zurufen: Heilig, heilig, heilig! dort will auch ich mich hinwerfen zu
deinem beständigen Lobe, zu deiner ewigen Verherrlichung, o Gott meines
Herzens, mein Antheil in Ewigkeit!
Ehre sei Gott etc.
Der vierte Lobgesang
Es lobpreise dich, o mein
süssester Gott, die heilige Glorie deiner Gottheit, womit du neun Monate
lang den keuschen Leib der reinsten Jungfrau Maria zu bewohnen und zu
bewahren dich gewürdigt hast.
Es lobpreise dich die höchste Kraft deiner Gottheit, welche sich zu der
Demuth des jungfräulichen Schooßes herabgelassen hat.
Es lobpreise dich, o höchster Gott, deine kunstreiche Allmacht, womit du
der jungfräulichen Rose solche Tugend, Schönheit und Zierde verliehen
hast, als du nur selbst immer wünschen konntest.
Es lobpreise dich deine starke, weise und süsseste Liebe, welche dich
bewogen hat, der Sohn einer Jungfrau, die Blume und der Bräutigam der
Jungfrauen zu werden.
Es lobpreise dich deine wunderbare Weisheit, deren unerschöpfliche Gnade
bewirkt hat, daß Marias ganzes Leben, ihr Leib und ihre Seele zugleich
deiner Würde angemessen wurden.
Es lobpreise dich die Annahme unserer Menschheit, welche mich zur
Theilnahme an deiner Gottheit berufen hat.
Es mögen dich lobpreisen die dreiunddreissig Jahre deiner Verbannung auf
Erden, um meine verlorne Seele zur Quelle des ewigen Lebens
zurückzuführen.
Es lobpreisen dich alle Mühseligkeiten, Schmerzen und Leiden der
Menschheit des Heilandes, womit du all meine Angst, Bedrängniß und
Schwachheit geheiliget hast.
Es lobpreise dich die Bitterkeit des kostbarsten Todes des Heilandes,
den deine starke, unendliche Liebe ihm auferlegt hat, damit ich Erlösung
finde vom ewigen Tode.
Es lobpreise dich für mich die siegreiche Herrlichkeit des Heilandes,
womit er in meinem Fleische sitzet zu deiner Rechten gebenedeit in alle
Ewigkeit.
Es lobpreise dich deine eigene Klarheit, Ehre und Kraft, wodurch alle
himmlischen Heerschaaren wunderbar erfüllt und ersättiget werden. Amen.
Ehre sei Gott etc.
Der fünfte Lobgesang
Dir lobsinge, dich preise
und verherrliche, allerhöchster, unbegreiflicher Gott, die Erhabenheit,
unveränderliche Ewigkeit, ursprüngliche Heiligkeit, vollkommene und
glorreiche Glückseligkeit deiner unbegreiflichen Würde.
Dir lobsinge das honigfließende, göttliche Herz meines Jesus, welches im
Tode aus Liebe zu mir gebrochen ist.
Dir lobsinge das gütigste und getreueste Herz meines Jesus, in welches
die Lanze mir den Weg gebahnt, daß mein Herz in dasselbe hineingehe und
darin ruhe.
Dir lobsinge für mich das würdigste Herz und die reinste Seele der
glorreichen, jungfräulichen Mutter Maria, welche du, um mich zu erlösen,
meinem Heilande zur Mutter erwählt hast, damit mir allzeit die Arme
ihrer mütterlichen Zärtlichkeit offen ständen.
Dir sollen für mich jene sieben Geister lobsingen, welche vor deinem
Throne stehen.
Dir sollen die zahllosen Chöre heiliger Engel lobsingen, welche du
herabsendest zum Dienste deines auserwählten Volkes.
Dir sollen lobsingen die 24 Ältesten mit allen Patriarchen und
Propheten, welche ihre Kronen ablegend vor deinem Throne niederfallen
und dir unendliche Lobpreisungen und Danksagungen darbringen.
Dir sollen lobsingen die heiligen Apostel, durch deren Fürbitte du deine
Kirche wunderbar erhaltest.
Dir sollen lobsingen die siegreiche Schaar der Martyrer, die ihre
Kleider im Blute des Lammes gewaschen.
Dir sollen lobsingen die heilige Schaar der Bekenner, deren Geist mit
wunderbarem Lichte leuchtet.
Dir soll lobsingen die unbefleckte Schaar der Jungfrauen, welche deine
Reinheit mit dem Kleide der Unschuld geschmückt hat.
Dir lobsinge die Heerschaar all deiner Auserwählten, dein eigentümliches
Volk, mit dem du bist in Ewigkeit.
Dir sollen lobsingen alle wunderbaren Werke, welche die unermeßlichen
Hallen des Himmels und die Abgründe der Erde enthalten.
Dir lobsinge mein Herz und meine Seele mit der ganzen Wesenheit meines
Fleisches und Geistes aus allen nur immer möglichen Kräften.
Dir also, aus dem, in dem und durch den Alles ist, sei Ehre und Ruhm in
alle Ewigkeit. Amen.
Ehre sei Gott etc.
Drei Lobsprüche
zur Ehren der heiligsten Dreifaltigkeit
1. Ich lobe und preise dich, o hochheilige
Dreifaltigkeit, in Vereinigung jenes preiswürdigsten Lobes, mit welchem
der Vater in seiner Allmacht den Sohn und den heiligen Geist ehret in
Ewigkeit.
2. Ich lobe und preise dich, o hochheilige Dreifaltigkeit, in
Vereinigung jenes ehrwürdigsten Lobes, mit welchem Gott der Sohn durch
seine unerforschliche Weisheit den Vater und den heiligen Geist lobet in
Ewigkeit.
3. Ich lobe und preise dich, o hochheilige Dreifaltigkeit, in
Vereinigung des ehrwürdigsten Lobes, mit welchem Gott der heilige Geist
durch seine unwandelbare Güte und Liebe den Vater und Sohn lobet in alle
Ewigkeit. Amen.
Englisches Lob
der allerheiligsten Dreifaltigkeit
O Wesen aller Wesen, Leben alles Lebens,
hochheilige Dreifaltigkeit, Gott Vater, Sohn und hl. Geist, du Quelle
aller Gnaden, du alles vermögende Kraft und Macht, du ewig süsse Ruhe,
du unerschöpflicher Abgrund aller Vollkommenheit, du unversiegbare
Quelle alles Erbarmens. Niemand kann würdig dich loben als du selbst,
denn du allein kennest dich selbst und kennest deine Größe, du allein
weißt dich genügsam zu loben. Doch will ich nicht schweigen, denn zu
deiner Verherrlichung hast du mich erschaffen. Darum erhebe ich meine
Stimme und lobe und preise deine ewige Gottheit, deine unergründliche
Weisheit, deine unerschöpfliche Güte. Ich lobe und preise deine
unermeßliche Milde, deine ewige Barmherzigkeit, deine unveränderliche
Gerechtigkeit. Alle Worte, die je zu deinem Lobe im Himmel und auf Erden
gesprochen worden, möchte ich zusammenfassen und dir als ein Opfer des
Lobes und Dankes darbringen für alle Gnaden und Gaben, die du mir und
allen Geschöpfen mitgetheilt hast.
Dich, o großer Gott und Herr, möge loben und verherrlichen die
hochwürdigste Menschheit Jesu, meines Erlösers, sein heiliger Wandel,
seine Tugenden, sein Gebet, sein Leiden, sein Schweiß, sein Blut, seine
heiligen Wunden, sein bitterer Kreuzestod, den er um deiner
Verherrlichung willen erlitten hat.
Dich möge loben und preisen die erlauchteste Königin des Himmels, die
heilige Jungfrau und Mutter Maria und mit ihr die unzählbare Schaar der
seligen Geister, deren Königin sie ist, und die ihr dienen.
Dich sollen loben und in dir soll frohlocken die heilige, streitende,
triumphierende und leidende Kirche; dich mögen verherrlichen ihre
heiligen Sakramente, all ihre heilige Ceremonien und Gebräuche, all ihre
Gebete und Andachten, all ihre Tugenden; all ihre inbrünstige Liebe, die
sie zu dir trägt, all die Bußwerke, die ihre Glieder geübt, all ihre
Thränen, die sie in ihrem Schmerze geweint.
Dich sollen loben und verherrlichen und erheben, o Gott meines Lebens,
alle Gaben und Wohlthaten, die du mir verliehen, dich sollen loben alle
Kräfte meines Leibes und meiner Seele, alle Adern meines Blutes, all
meine Gebeine, alle meine Begierden und mein Wille, mein Verstand und
mein Gedächtniß und mein ganzes Herz, so oft es sich regt und bewegt.
Dieses Lob und diese so schwache Verherrlichung deines Namens, o mein
Gott, lege ich dir zu Füssen und bitte dich in aller Demuth, daß du es
mit Wohlgefallen annehmen und nicht verschmähen mögest. Amen.
Aufopferung dieser Lobgesänge
Mit diesen Lobgesängen, o
mein Gott und Herr, schließe meine Liebe unzertrennlich in dich ein, und
bewirke dadurch, daß aus dem Innersten meines Herzens unaufhörlich dein
Lob erschalle, ich in aller Geduld das Elend meiner Verbannung ertrage,
immer nach deinem Lobe glühend verlange, bis ich einst zu dir, meinem
Schöpfer, zurückkehre und, nach abgelegter Bürde dieses Leibes, in
deinem Heiligthume vor dir erscheine, wo durch den Anblick deines
göttlichen Antlitzes mein Herz mit Freude, meine Zunge mit Jubel erfüllt
wird, und wo ich in Ewigkeit über dich frohlockend, mich im ewigen
Genuße deines unerforschlichen Wesens erfreue. Amen.
Dreifaches Bekenntniß
Himmlischer Vater, ich danke dir aus all meinen Kräften durch das
Verdienst dessen, der zu deiner Rechten sitzt, für die so vielen
herrlichen Gaben, welche ich von deiner Freigebigkeit empfangen habe;
denn ich bekenne gar wohl, daß dieß nicht von der Macht irgend eines
Geschöpfes herkommen, sondern nur eine Wirkung deiner göttlichen
Allmacht seyn könne, welche aus eigener Kraft alle erschaffenen Wesen
erhält.
Göttlicher Heiland, ich bekenne aufrichtig, und werde es bis zum letzten
Seufzer meines Lebens bekennen, daß deine Vorsehung mich an Leib und
Seele im Glück und Unglück weit besser geleitet als alle erschaffene
Weisheit vom Anfange der Welt bis jetzt vermocht hätte, und daß nur du,
o mein liebenswürdigster Heiland, allein im Stande warst, dies zu thun,
weil du die unerschaffene Weisheit bist, welche von einem Ende bis zum
andern reicht, und alle Dinge mit Kraft und Sanftmuth leitet und ordnet.
Heiliger Geist, du göttlicher Tröster, ich danke dir durch die
Verdienste desjenigen, der durch deine Wirkung im Schooße einer Jungfrau
Mensch geworden ist, dafür, daß du mir unwürdigen in Allem so liebreich
mit deinen unverdienten, süssen Segnungen zuvorgekommen bist; und ich
bin überzeugt, daß du mir aus keiner andern Ursache so viel Gutes gethan
hast, als aus unsäglicher Liebe, in der wohnen, aus der hervorgehen und
aus welcher uns zu Theil werden alle Gattungen des Guten.
Erneuerung des
Glaubensbekenntnißes
Allmächtiger Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! ich glaube und bekenne
feierlich vor dir und allen Engeln und Heiligen, und wenn es seyn muß,
vor der ganzen Welt, daß ich all das glaube und bis zu meinem letzten
Athemzuge glauben werde, was die heilige römisch-katholische Kirche
glaubet und uns zu glauben vorstellt; denn sie ist die Säule und
Grundveste der Wahrheit und du bist es, der ihr dieses alles offenbart
hat.
Obschon ich aber nicht begreifen kann, wie alle Geheimnisse, welche der
Glaube lehrt, möglich seien, so gebe ich doch meinen Verstand und meine
Vernunft dem Glauben gefangen und bringe sie dir zum Opfer. O laß mir,
gütigster Gott, diesen Glauben immer zum Heile seyn! Es ist ja mein
fester Wille, nie von diesem heiligen, seligmachenden Glauben abzustehen
und lieber will ich mein Leben lassen als daß ich meine Mutter, die
heilige römisch-katholische Kirche verlasse, in der ich geboren und
erzogen worden bin, für deren heilige Lehre so viele Millionen den
Martertod erlitten und durch deren Lehre so viele heilig und selig
geworden sind.
In diesem heiligen Glauben will ich leben und sterben so wahr ich von
dir, o Gott, Hilfe hoffe und durch dein heiliges Evangelium erlangen
werde.
Dieses feierliche Bekenntniß meines Glaubens, o ewiger Vater! empfehle
ich deiner Allmacht mit der demüthigen Bitte, daß du mich durch deine
göttliche Kraft in diesem Glauben so stärkest und befestigest, daß ich
demselben nie untreu werde. Ich empfehle ihn auch, o Jesus Christus,
deiner unerforschlichen Weisheit und bitte dich, daß du mein Inneres mit
dem Lichte deiner Erkenntniß so erleuchtest, daß ich nimmermehr durch
den Geist des Irrthums davon abgezogen werde. Ich empfehle diesen meinen
Glauben, o göttlicher heiliger Geist, deiner Güte, und bitte, daß dieser
mein Glaube auch lebendig und in Liebe thätig werde, damit ich in der
Stunde des Todes dadurch selig werde. Amen.
Übung des Vertrauens
auf Gott
O mein Gott, du mein einziger Trost und meine festeste Zuversicht!
obgleich ich deine göttliche Majestät tausendfältig beleidiget und dafür
jegliche Strafe verdient habe, so hoffe ich und vertraue ich doch so
unerschütterlich auf dich, daß ich eher an dem Glanz der Sonne als daran
zweifeln wollte, daß du mir verzeihen und mich wieder zu Gnaden
aufnehmen wollest.
O unendliche Güte, ich habe ein solch großes Vertrauen auf dich, daß,
wenn ich auch tausendmal mehr gesündigt hätte, als ich es wirklich
gethan, dennoch nicht verzagen, ja, obgleich du mein gerechter Richter
bist, dennoch zu dir meine Zuflucht nehmen würde in der festen Hoffnung,
daß ich ein gnädiges Urtheil erlangen werde, wenn ich mich reuevoll dir
unterwerfe, da du mein bester Vater bist und nicht willst, daß auch nur
Ein Sünder verloren gehe.
Freilich, wenn ich einen Menschen so oft und schwer beleidigt hätte, wie
ich es an dir gethan, ich wüßte gewiß, daß ich keine Verzeihung
erhielte, auch wenn es meine Mutter wäre. Allein bei dir o Gott ist
immer Erbarmen, und deine Barmherzigkeit geht über alle deine Werke, und
so darf ich auch Vergebung zuversichtlich hoffen und erwarten.
Was mir aber dieses unerschütterliche Vertrauen einflößt, das ist das
Blut deines göttlichen Sohnes, Jesus, das er am Kreuze für mich
vergossen hat, und das nicht um Rache, wie das Blut Abels, sondern nur
um Gnade und Erbarmen zu dir empor ruft. Ich hätte keine Vergebung zu
hoffen, aber dein Sohn, der zu deiner Rechten sitzt, ist mein Fürbitter
geworden und seitdem du seine Wunden siehst, kennt dein Vaterherz nur
Erbarmen für die Sünder. - Wie soll ich also kleinmüthig und verzagt
werden können? Ich will vielmehr unerschütterlich auf dich meinen Gott
vertrauen und nichts soll mich hierin wankend machen, weder meine
Sünden, noch irgend eine Versuchung noch auch Tod und Hölle; denn "wenn
ich auch in die Tiefe der Hölle versenkt würde, so wirst du mich daraus
erlösen und wenn du mich auch tödten würdest, soll will ich dennoch
meine Hoffnung auch dich setzen". Amen.
Übung der Liebe Gottes
O allerliebreichster Gott, du Abgrund der Güte, du Quelle aller Liebe!
ich liebe dich und verlange dich zu lieben in alle Ewigkeit. O hätte ich
in meinem Herzen alle Herzen, welche dich lieben, vereiniget, damit ich
dich lieben könnte, wie ich verlange! O wenn doch in meinem Herzen alle
Liebesglut der Cherubim und Seraphim brennete, von welcher diese seligen
Geister vor deinem Angesichte ganz entflammt sind, damit ich dich lieben
könnte, wie ich verlange! O wenn ich doch dich so lieben könnte, wie
Maria, die seligste Jungfrau, die Mutter der schönen Liebe mit allen
Heiligen dich liebt! Was soll ich denn ausser dir lieben, o Gott meines
Herzens! Alles was schön ist, was gut ist und herrlich, das ist nur
durch dich schön und gut; und alle Schönheit und Herrlichkeit der Welt
vergeht; du allein o Gott bleibst unendlich schön, unendlich gut in alle
Ewigkeit. Und ich sollte das lieben, was heute ist und morgen vergeht
und dich das unvergängliche Gut, die ewige Schönheit sollte ich nicht
lieben? Hinweg mit aller Liebe zu den Geschöpfen aus meinem Herzen; du
allein mein Gott, sollst der Gegenstand meiner einzigen Liebe seyn. Dir
übergebe ich mein Herz, besitze es ganz und erfülle es mit dem Feuer
deiner Liebe. O möchten dich doch aller Menschen Herzen lieben! O wie
sehr betrübt es mich, daß so viele Herzen so kaltsinnig sind gegen dich,
dich so wenig verherrlichen und nur in den vergänglichen Freuden der
Erde ihre Lust suchen. Ach ihr Herz bleibt ja doch unbefriedigt! O
könnte ich durch meine Liebe diesen Kaltsinn ersetzen, o könnte ich doch
aus Liebe für dich sterben. Könnte ich doch durch mein Blut austilgen
all die Schmach, die dir durch die Lieblosigkeit der Menschen, o du
höchstes unendliches Gut, angethan wird! Da ich aber dies nicht vermag,
so laß dir doch mein Verlangen wohlgefallen und gib mir die Gnade, daß
ich keinen Augenblick aufhöre dich zu lieben. Amen.
Funken der Liebe Gottes
O Gott der Liebe, du allein bist meine wahre, meine einzige Liebe! Werfe
mich in die verzehrende Flamme deiner lebendigen Liebe. O Liebe, du bist
jene ausnehmende Wohlgestalt, jene ursprüngliche Schönheit, welche auf
dieser Welt nur im Spiegel geschaut wird. O wie schön, o Gott, ist deine
Liebe, wie lieblich und wunderbar, wie entzückend und wonnevoll! O mein
Gott, mein Herz sehnt sich und glühet nach dem Kusse deiner Liebe.
Deine Liebe verzehre und verschlinge mich ganz. O möchte doch mir
Elenden das Glück zu Theil werden auch nur einen einzigen Augenblick in
der süssesten Umarmung deiner Liebe zu ruhen; nach dir o Gott, verlangt
ungestüm mein Herz; ja du allein bist das einzige, theuerste Wesen
meines Herzens. O göttliche Liebe, du bist mein theuerster Besitz;
ausser dir hoffe, will und wünsche ich nichts mehr, weder im Himmel noch
auf Erden. Du bist meine wahre Erbschaft und ganze Erwartung, worauf
alle meine Absicht, all meine Meinung gerichtet ist.
O Liebe, du mein freundlicher Abendstern! laß mich am Abende meines
Lebens sanft in dir entschlummern und jene glückseligste Ruhe finden,
welche du deinen Auserwählten bereitet hast!
O Gott der Liebe, wie nahe bist du denen, welche dich suchen, wie süß,
wie lieblich bist du denen, die dich finden!
O Gott der Liebe, wer immer dich nicht liebt, ist stumm und ein
unbehilfliches Kind. Nur der allein geht vorwärts, welcher dir ganz
anhanget und dich unaufhörlich liebt. Erhebe dich, meine Seele, erhebe
dich, schüttle den Staub der Welt von dir, stehe auf und tritt hin vor
das Antlitz Gottes und werfe dich hinein in die Glut seiner Liebe, damit
dich dies Feuer ganz verzehre und neuerschaffe, und du ausruhen kannst:
Nicht mehr ich lebe, die Liebe allein lebt in mir. Amen.
Lobspruch der heiligen Gertrudis
zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit
Ehre sei dir, o allmächtige, vortrefflichste glorreiche, erhabenste,
süsseste, unveränderliche und unbegreifliche Dreifaltigkeit, die du, Ein
und derselbe Gott, vor allen Jahrhunderten warst, jetzt bist und in
Ewigkeit dieselbe seyn wirst. Amen.
Aus: Gertrudenbuch oder Gebete, Andachten und Belehrungen
zum Gebrauche römischkatholischer Christen
gezogen aus den Schriften und Offenbarungen
der beiden heiligen Schwestern
Gertrudis und Mechthildis,
neu herausgegeben, verbessert und vermehrt von
Georg Ott [1811-1885]
Regensburg 1852 (S. 232-255)
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