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Jacopone da Todi
(1230-1306)
Gott und Ewigkeit
XXII.
Mach' mir auf, Herr Jesus Christ,
Der du Heil und Leben bist.
Mach' mir auf, mein Heil und Leben,
Dem ich ganz in Lieb' ergeben;
Nicht vergebens sei mein Streben,
Laß mich ein zu dieser Frist.
Mach' mir auf, du mein Verlangen,
Eh' die letzte Kraft zergangen;
Bist du fern, fühl' ich mit Bangen,
Daß die Seele mein vergißt.
Woll' in Milde zu mir treten,
All die Nacht hab' ich gebeten;
Thränen mir die Augen röthen,
Und der Gram mein Herz zerfrißt.
Mach' mir auf und laß dich sehen;
Ferne dir muß ich vergehen
In so grausen Todeswehen,
Die kein Menschenherz ermißt.
Thür' und Arm' erschließe schnelle,
Zeig' dein Antlitz mir, das helle,
Eh' die Seele durch die grelle
Finsterniß vernichtet ist.
Mach' mir auf und hold verhüte,
Daß die Sehnsucht länger wüthe;
Todestrüb ist mein Gemüthe,
Bleibst du fern, Herr Jesus Christ. -
Als der Herr sah, was ich litte,
Da gewährt' er meine Bitte,
Und als Gast in meine Hütte
Trat er ein zu jener Frist.
Als in Lieb' er mir verbündet,
Fühlt' ich also mich entzündet,
Daß es nimmermehr verkündet
Menschenred' und Menschenlist.
Meine sünd'ge Seel' erheben
Wollt' er sich zur Braut und geben
Frieden ihr und Wonneleben,
Daß sie nichts hinfort vermißt.
Und er machte, daß ich rein bin,
Fern der Welt und nicht mehr mein bin;
Und er sprach: "So wie ich dein bin,
Sorge, daß du mein nun bist.
Ohne mich erwirbst hienieden
Nimmer Ruhe du und Frieden;
Nimm das Kreuz und trag's zufrieden,
Wie ich's trug, von dieser Frist."
(S. 187-188)
_____
XXIII.
Erflehe doch vom Heiland,
O Jungfrau, daß er nahe
Und mich in Lieb' umfahe;
Ihn sucht des Herzens Brand.
Ihn sehn' ich zu erreichen,
Den Blumen lieblich schmücken,
Jesu, den liebereichen,
Der Liebenden Entzücken;
Folgt ihm mit Liebesblicken,
Bis jeder sich in ihn verwandelt fand.
Nicht find' ich den Geliebten
In den erschaffnen Dingen;
Erst muß zur ungetrübten
Wahrheit ich Lieb' erringen;
Doch wenig will's gelingen,
Und fern von ihr noch ist mein Liebesstand.
Es ruhn der Sehnsucht Triebe,
Seit ich das Lamm geschauet;
Die Mutter spricht voll Liebe:
Nimm, nimm, dir sei's vertrauet!
Und nehm' ich's hocherbauet,
Ist gleich im Herzen Eifersucht entbrannt.
Die Eifersucht erneut es;
Denn Miene macht's, zu fliehen;
Lockspeise so mir beut es,
Mich mächt'ger anzuziehen;
So muß ich schmachtend glühen
Und halt' es doch mit Armen fest umspannt.
Fest darf umspannt ich halten
So Jesum Christ, mein Leben;
Mir hat sein Gnadenwalten
Die Würdigkeit gegeben;
Mein Hoffen und mein Streben
Bleibt einzig, der für Sünden Heil mir fand.
All meines Lebens Sünden
Großmüthig wollt' er sühnen;
Mich muß zur Lieb' entzünden,
Der so voll Huld erschienen;
Lust glänzt in meinen Mienen,
Und Wonn' erfüllet Sinn mir und Verstand.
Und der Verstand ausrastet
Nun in der höchsten Einheit,
Die Seele jubelnd gastet
Inmitten der Dreieinigkeit,
Und in vollkomm'ner Reinheit
Nun ruhen Braut und Bräut'gam Hand in Hand.
(S. 189-190)
_____
XXVI.
Nicht halt' ein Liebesstreben
Ein liebend Herz vollendet,
Wenn Lieb' es dem nicht spendet,
Der einst ihm gab das Leben.
Nicht halt' ein Liebesstreben
Ein liebend Herz vollendet,
Wenn's dem, der ihm das Leben
Verlieh, nicht Liebe spendet.
Zur höchsten Wonne wendet
Sich einzig dann die Liebe,
Wenn Gottgeweiht die Triebe
Nur seiner Süße leben.
Da fehlt die wahre Minne,
Wo nicht die Triebe währen;
Doch wenn mit Herz und Sinne
Wir Christus nur begehren:
Lieb' ist's, die nichts versehren
Kann, die nicht kennet Reue;
So voll ist sie der Treue
Und dem Gesetz ergeben.
Die Probe schlecht bestände,
Wer Christi Liebe miede;
Sprich, wo ein Mensch sich fände,
Dem Freud' es wär' und Friede,
Daß Leid er auf sich lüde,
Um And're zu erhalten;
Und Christi Liebeswalten
Für Sünder gab das Leben.
Wer recht erwägt die Liebe,
Muß hoch geliebt sich achten,
Da Qual und Tod die Triebe
Als Lohn dem Heiland brachten;
Er sah uns all verschmachten,
Und wollt' auf's Kreuz sich betten,
Uns aus der Glut zu retten,
Der Höll' uns zu entheben.
Ihm müssen drum wir schenken
Mehr Lieb' als allen Dingen
Und eifrig darauf denken,
Stets fest ihn zu umschlingen,
Daß wir den Weg erringen
Zu Paradieses Auen,
Um droben einst zu schauen
Sein Antlitz, glanzumgeben.
(S. 197-198)
_____
XXXII.
O stumme Liebe,
Du schweigst, um tief im Herzen
Zu bergen deine Triebe.
O Liebe, die du allwärts
Dich birgst und jede Stunde,
Daß keiner die Empfindung
Gewahr' im Herzensgrunde,
Kein Räuber sie erkunde
An den erworb'nen Schätzen
Und Raub an ihr verübe.
Je tiefer du verborgen,
So heißer wird dein Glühen;
Wo man dich hehlt im Dunkel,
Da werden Flammen sprühen;
Und wer sich will bemühen,
Mit Macht dich fern zu halten,
Empfängt nur Stich' und Hiebe.
Wer viel und gerne plaudert
Von seinem Liebesstreben, -
Wie immer rein sich zeige
Des Funkens erstes Leben:
Es wird ein Wind sich heben
Und streuen in die Runde,
Was er gefaßt von Liebe.
Ein Mensch, der eine Kerze
Steckt auf ein Lichtgestelle,
Auf daß sie still und lieblich
Das Zimmer ihm erhelle,
Schließt Thür und Fenster schnelle,
Daß nicht der Wind herwehe
Und an ihr Löschung übe.
Und solche Lieb' hat Schweigen
Den Seufzern aufgetragen;
Am Thore steht bereit sie,
Den Ausbruch zu versagen,
Wenn sie hervor sich wagen,
Daß nichts die Seel' entäuß're
Und nicht der Schatz zerstiebe.
Wird doch mit jedem Seufzer
Gar leicht die Seele ziehen
Und tändeln unbekümmert
Um das, was ihr verliehen;
Und will zurück sie fliehen,
So kann sie nicht mehr finden,
Was sie besaß an Liebe.
Und solche Lieb' hat Falschheit
Verbannt aus ihren Reichen
Und sorgt, daß nie sie könne
In ihre Nähe schleichen;
Der falsche Ruhm muß weichen;
Sie jagt ihn und verstößt ihn
Und tödtet solche Triebe.
Drum acht' auf dich, o Seele,
Und sei in Furcht und Bangen
Beflissen, stets zu bergen
Dein Lieben und Verlangen;
Durch falscher Ehr' Erlangen
Verlörst du große Schätze,
Die Keiner wieder hübe.
(S. 215-217)
_____
XXXIII.
O Jesu, Liebesquelle,
Mit deinem Strahlenlicht
Das Herze mir erhelle,
Das Finsterniß anficht.
O süße Lebensquelle,
Mit deinem klaren Schein
Das Herze mir erhelle,
Daß licht es mög' und rein
Von jedem Dunkel sein
Und fürder nicht sich trübe;
O du allmächt'ge Liebe,
Die Glut versag' ihm nicht.
Dein brennend Liebesfeuer
Entzünde mir die Brust,
Daß ich als dein Getreuer
Vergeh' in heil'ger Lust,
Daß aller Sündenwust
Mir ferne mög' entfliegen,
Indeß ich aufgestiegen
Zu deinem Angesicht.
Im Anschau'n sei erhoben
Mein Herz zu dir empor,
Und liebend mög' es loben,
Den Liebsten, den es kor;
Laß mich mit Aug' und Ohr
In Sehnsucht an dir hangen,
Ganz in dich aufgegangen
Durch Lieb', o Herzenslicht.
Mein Herz sei eingegangen
In dich, Herr Jesu Christ,
Daß ich es fühl' umfangen
Von dir zu jeder Frist;
Daß jede böse List
Nach außen sei vertrieben
Und, Jesu, dich mein Lieben
Im Stillen stets umflicht.
Laß gnädig meine Triebe
Dich halten für und für,
Und nie, o höchste Liebe,
Sich sättigen an dir,
Daß stets ich in der Zier
Mich deines Lichts ergehe
Und fest in dir bestehe,
Der einzig Ruh' verspricht.
In dir ist Ruh' zu finden,
Geliebter, nur allein;
Du gibst dem Geist, dem blinden,
Erneuten Lichtes Schein;
All and're Trieb' entschwinden
Der Brust, die dir sich traute;
Wer draußen nach dir schaute,
That schon auf dich Verzicht.
(S. 217-219)
_____
XXXIV.
Liebe lenkt das Herz; Verstand
Leistet harten Widerstand.
Lieb' eroberte die Veste
Willen, die gar hoch und feste,
Schießt in's Herz Lustpfeil' aufs Beste
Und bethört es gar gewandt.
Und Verstand, voll Rath und Listen,
Eilt mit Reizen sich zu rüsten;
Um sich bei Vernunft zu fristen,
Nimmt bei ihr er seinen Stand.
Liebe läßt Vernunft nicht sprechen,
Und beginnt ein Lanzenstechen,
Sucht den Leib durch Leid zu brechen
Und das Herz durch Wundenbrand.
Und Verstand rückt an auf's Herze
Und bedrängt es arg mit Schmerze;
Fleisch erliegt der Wucht der Erze
Und ergibt sich dem Verstand.
Liebe säumt nicht; näher dringt sie,
Heiß erglühte Speisen bringt sie;
Herz genießt sie, ja verschlingt sie,
Und die Kost ist so bewandt,
Daß Verstand beginnt zum Herzen:
"Willst du mein Gebot bescherzen,
Sei versichert, deiner Schmerzen
Wilder Glut nicht hältst du Stand".
Liebe hört's, und sonder Weile
Schießt sie heimlich kleine Pfeile;
Fleisch verspürt's und merkt in Eile,
Unerträglich sei der Brand.
Und Verstand spricht, seinen Willen
Nun dem Herzen zu enthüllen:
'Schleiche dich davon im Stillen,
Eh' dich Siechthum übermannt.'
Liebe nennt das Thorenwerke,
Und sie hofft in ihrer Stärke,
Daß mit Gnad' ihr Herr sie stärke,
Der sie schützt mit seiner Hand.
Und Verstand spricht: 'Sei verständig!
Großen Leuten, wenn unbändig
War ihr Wunsch, sah ich beständig
Wort und Werk in nichts gewandt.'
Liebe läßt das unerwogen,
Spannt mit Eifer ihren Bogen,
Trifft das Herz, und Gluten wogen
Auf zum Herrn im Liebesbrand.
Zu Vernunft spricht Fleisch mit Bangen:
"Gern dir geb' ich mich gefangen;
Laß mich Hülfe nur erlangen,
Eh' mich Liebe steckt in Brand.
"Tausend Leiber nicht genügen,
Daß sie ihre Füll' ertrügen;
Glaubt sie doch, in vollen Zügen
Gott zu trinken, sich im Stand;
"Will mit Armen ihn umwinden,
Weiß nicht, was sie will, zu künden,
Läßt nicht Ruh, noch Rast mich finden,
Ist mit Qual stets bei der Hand.
"Sie genießt des Himmels Wonnen
Und hat Streit mit mir begonnen,
Hält mit List mich klug umsponnen
Und mit süßer Worte Tand.
"Reden weiß sie zu erdenken,
Die mich leicht von allem lenken,
Und sie fesselt Sinn und Denken,
Daß der Athem mir entschwand.
"Wollt mir Beistand nicht versagen,
Kommt und zügelt ihr Betragen,
Alles, was sie denkt, sind Plagen,
Was sie sinnt, ist Glut und Brand.
"Den Entschluß will ich erfüllen:
Nimmer bin ich ihr zu Willen;
Weilt bei mir sie ganz im Stillen,
Fehlt mir Kraft zum Widerstand.
"Welt, ich will mit dir mich ein'gen;
Daß mich Liebe nicht kann pein'gen,
Stör' ich sie, wenn, fern dem Dein'gen,
Zur Betrachtung sie gewandt."
Doch Vernunft spricht: 'Kann das frommen,
Wenn zum Sieg will Liebe kommen?
Hast du Tags die Flucht genommen,
Setzt sie Nächten dich in Brand.'
(S. 219-223)
_____
XXXVI.
Der Heiland, der uns Liebe
Einflößt und süßes Hoffen,
Macht singen uns von Liebe.
Will ich die Liebe künden,
So weiß ich nichts zu sagen;
Mit Hast und Band umwinden
Den Geist mir Angst und Zagen;
Jedoch nachdem geschlagen
Mir drinnen ward die Wunde,
Fühlt sich das Herz zur Stunde
Bewältigt durch die Liebe.
Die Lieb' erscheint, um Freude
In's Herze mir zu bringen;
Doch leb' ich stets in Leide,
Kann nicht, was Lieb' ist, singen.
Mit Bitten will ich zwingen
Die Tugenden, zu künden,
Wo ohne Fehl zu finden
Uns sei der Pfad der Liebe.
Die rufen laut und sagen,
Und keine will da schweigen:
Willst du nach Liebe fragen,
Den Weg wir gern dir zeigen;
Mach' Sehnsucht dir zu eigen,
Daß nie dein Herz sich theile
Und stets dein Auge weile
Am Orte deiner Liebe.
Es pflegen Menschenblicke
Nach oben sich zu heben,
Weil dorther alles Glücke
Die Lieb' uns wollte geben
Und Rast, die wir erstreben,
Dort oben nur uns blühet;
Mehr als Magnetstein ziehet
Empor der Duft der Liebe.
Es steigt zu Himmelshöhen
Das Herz mit regem Triebe,
Darf es erfüllt sich sehen
Mit Gottes hehrer Liebe,
Ihr Schimmer hellt die Trübe
Des Herzens, und der Blöße
Leiht Kraft die hehre Größe,
Die würdig höchster Liebe.
Vor jenem Glanzgesichte,
Das sich der Seele kündet,
Wird jedes Schau'n zu Nichte,
Das unter Gott sich findet,
Weil Liebe sie empfindet,
Die so sie zieht nach oben,
Daß Zugang aufgehoben
Jedweder ird'schen Liebe.
Und hat die Seel' in Gnaden
Gekostet, trunken weilet
Sie dort und überladen
Vom Manna, das sie heilet.
O Jubelschall, ertheilet
Auf neuem Tongeräthe,
Das jeden Laut verschmähte,
Wenn fern dem Herzen Liebe.
Die Leiter der Betrachtung,
Dem Pilger angegeben,
Kann ihn aus Erdumnachtung
Zum höchsten Himmel heben,
Wo in Beschauung leben
Und Gottversenkt die Heil'gen,
Und alle sich betheil'gen
Am süßen Lamm der Liebe.
Nun strebt das Herz und ringt es
Durch Tugend aufzusteigen;
Doch nur mit Kampf gelingt es,
Weil nicht die Wünsche schweigen
Und doch zur Welt sich neigen;
Dann seufzt es unter Weinen:
Wann wird der Tag erscheinen,
Der mich belehrt, was Liebe?
O Lieb', ich muß vergehen,
Soll ich dich lange missen;
Kein Trost ist zu erspähen,
Mir ist das Herz zerrissen;
Nur Schritt um Schritt beflissen, -
Komm' ich nicht an zur Stunde;
Gibt's eine schlimm're Wunde,
Als sehnsuchtsvolle Liebe?
O Lieb', es steht die Leiter,
Zu dir sich hinzuwenden,
Geschmückt so hell und heiter
Mit Tugend aller Enden;
An Künsten und an Spenden
Hat Lust die Seel', an allem;
Doch wird ihr nichts gefallen,
Wenn sie empfand die Liebe.
Und wer empfängt die Zeichen
Von so entbranntem Lieben,
Deß Flug wird weiter reichen,
Nicht wird er rückgetrieben;
Doch wenn so hoch er drüben
Nun steht in solchen Ehren:
Mag er zum Staub auch kehren,
Ihm bleibt die Kraft der Liebe.
O Seele, hoch erhoben,
Hast hohen Weg gefunden;
Ich seh' erhöht dich droben,
Daß fast du mir entschwunden;
Schnell hat dich Lieb' umwunden
Und dich zu sich gezogen;
Aus dir emporgeflogen,
Siehst nichts du mehr, als Liebe.
Du, Seel' im Erdgetümmel,
Willst tragen Christi Züge;
In dir ist Erd' und Himmel,
Doch gibt's dir nicht Genüge;
Kein Ort, wo Ruh' dich wiege,
Ist irgend zu erkunden,
Bis du hast aufgefunden
Die Stufe solcher Liebe.
Vier Element' erhalten
Die Welt in Kraft und Leben,
Die kaum ein Nichts dir galten;
Denn höher zielt dein Streben.
Zu stehn ist dir gegeben
Ob den geschaff'nen Dingen;
Was Form ist, muß zerspringen;
Dein ist vollkomm'ne Liebe.
Hast du vollkomm'ne Liebe,
Herrscht Ruh in dir und Schweigen;
Nichts, das den Geist dir trübe,
Will außen er sich zeigen;
Ward dir Umwandlung eigen,
Siehst nichts du mehr hienieden;
Dir folgt der volle Frieden,
Den in sich trägt die Liebe.
Seit Liebe dich entrissen
Dem Weg durch Gottes Gnade,
Deß sonst du dich beflissen,
Dünkt Wissenschaft dir fade;
Du steigst hinauf die Grade
Der Leiter ganz entbronnen
Und hast nicht Ruh' gewonnen,
Bis du erreicht die Liebe.
Wenn jede Stuf' erstiegen,
Hat Liebe dich durchdrungen;
Du gibst ihr Wohlgenügen,
Und sie hält dich umschlungen;
Nicht könnten tausend Zungen
Die Wonn' und Eintracht künden,
Noch Wort und Weise finden,
Die würdig solcher Liebe.
O Seele, die du kamest
Zu also hohem Stande,
Die Gottesliebe nahmest
Sogleich du dir zum Pfande;
Ich sehe dich vom Bande
Der Liebe licht umwunden;
Du, Seele, Gottverbunden,
Kannst singen wohl von Liebe.
O Seel', emporgestiegen,
Wo hoch die Wahrheit thronet,
Erst führten dich die Stiegen
Hinab, wo Demuth wohnet;
Nicht hab' ich mich geschonet,
O Bruder, tief zu gehen;
Dann riß es mich zu Höhen,
Ich fand mich bei der Liebe.
Du fandest solche Liebe,
Die jeder Form entgangen,
Erflogst in feur'gem Triebe
Höh'n, die kein Maß befangen;
Dort hast du, Braut, empfangen
Ein neu und rein Gepräge,
Seit Kraft in dir ward rege
Zu dauern in der Liebe.
Du kannst von Liebe singen
Seit Gott du bist verbunden,
Und Kleider dich umfingen,
Die Lieb' um dich gewunden;
Dies Sein ist dir entschwunden,
Das du versagst den Sinnen;
Mit ihnen kann gewinnen
Niemand den Preis der Liebe.
Seit du Umwandlung funden
In die vollkomm'ne Liebe,
Ist dir sofort entschwunden
Die Erdenlust voll Trübe;
Die Glut der hehrsten Triebe
Hat völlig dich durchdrungen;
Du hast, o Seel', errungen
Den Glanz der reinsten Liebe.
Nie wird die Frucht erworben
Der Liebe, die vollkommen,
Wenn nicht das Herz gestorben
Dem Ird'schen und entnommen;
So steigt, in Lieb' entglommen,
Die Seel' in heil'ges Schauen
Und Freud' und Fried' entthauen
Für sie der wahren Liebe.
Die du, o Lieb', errungen,
Daß du in Gott anlandest,
Hier bist du tief gesprungen,
Als du die Demuth fandest;
Je mehr du unterwandest
Dich ihr, so höher stiegst du,
In jedem Ding ersiegst du
Dein Ziel, die höchste Liebe.
Wer sich zur Fahrt bereitet,
Daß hin zur Lieb' er eile,
Sein Angesicht schon deutet
Durch Blässe, wo er weile;
Hinan die Himmelssteile
Blickt er, wo Lieb' ihm wohnet,
Er bleibt vom Fall verschonet,
Aufrecht hält ihn die Liebe.
O Seele, die erflogen
Der Wonnen höchste Blüthe,
Von Liebesmacht gezogen
Aus Liebeshuld und Güte;
Heil, Demuth im Gemüthe!
Sie ließ so hoch dich steigen;
Wohl war ihr Kühnheit eigen
Und Willenskraft und Liebe.
Nun weilet dort die Reine
Hoch über allen Sphären,
Mit Demuth im Vereine,
Und kann der Welt entbehren;
Sie hat den dreimal Hehren
Durch Tugend sich erworben;
Ein Herz, das sich gestorben,
Ist werth der höchsten Liebe.
Der Gaben hier sind sieben,
Vom Geist der Lieb' ertheilet;
Auf tiefster Stufe hüben
Der Fuß der Furcht verweilet,
Die höchste Stuf' ereilet
Lieb' auf der Leiter Gipfel;
Das Herz seufzt nach dem Wipfel
Und ruft nach solcher Liebe.
Stark sind der Liebe Bande,
Kein Mund vermag's zu sagen;
Wie bist du, Herz, im Stande,
So Mächt'ges zu ertragen?
Vor Schmachten und Verzagen
Rings keine Hülfe schirmet;
Es wird das Herz umstürmet
Von Liebe, nur von Liebe.
Stark muß sich Lieb' erweisen,
Sie fürchtet keine Ketten;
Sie sprenget Thor und Eisen,
Sich aus der Haft zu retten;
Entflieh der Sorge Stätten,
O Geist, und werde heiter;
Denn du besiegst als Streiter,
Mit der du kämpfst, die Liebe.
(S. 229-238)
_____
XL.
O Herzens Jubeldrang,
Du treibst zu Wonnesang.
Wenn Jubeldrang entglommen,
Da treibt er an zum Singen;
Die Zunge lallt verschwommen,
Kein Wort will ihr gelingen;
Das Herz kann nicht bezwingen
So süßen Überschwang.
Steht Jubeldrang in Flammen,
Schreit auf der Mensch in Liebe;
Ihm bricht das Herz zusammen
Vor übermächt'gem Triebe;
Als ob die Scham zerstiebe,
Jauchzt er in süßem Hang.
Wem Jubeldrang das Herze
In Liebe hält besessen,
Der dient zu Spott und Scherze
Dem Volk, dem sinnvergessen
Sein Reden scheint, indessen
Der Liebe Glut ihn zwang.
O Jubeldrang, o Wonneschwung,
Der ganz durchzuckt die Seele!
Vorsichtig wird das Herz genung,
Daß es den Grund verhehle,
Obgleich sich aus der Kehle
Der Jubelschrei entrang.
Ein Narr wirst dem du scheinen,
Der solches nie empfunden;
Nüchterner Sinn wird meinen,
Dich hielt' Ohnmacht gebunden,
Wie wem der Schmerz von Wunden
Besinnung ganz verschlang.
(S. 257-258)
_____
XLI.
O Jesu, der mich schlug in Liebesbande,
Vom letzten Stande gib mir Sicherheit.
Gib Sicherheit mir von dem letzten Stande,
Daß ich ob langer Zög'rung nicht vergehe;
Verleih, daß durch den Dritten im Verbande,
O reines Licht, ich umgeformt mich sehe
Und stets mit jedem stehe
In so vollkommner Liebe,
Daß meine Triebe jubeln hocherfreut.
Wohl sind im dritten Stand wir neu geboren
Durch jene große Kraft der offnen Seite,
Die uns zur Sühn' und Reinigung erkoren,
In Blut und Wasser uns zur Liebe weihte;
Fern steht dem innern Streite,
Wer dir, o Herr, ergeben;
Vom ew'gen Leben hat er Sicherheit.
Dem wandte sich der große Krieg in Frieden,
Der deine Fahne, Christ, sich hat erlesen;
Er weiß, daß ew'ges Leben ihm beschieden,
Und kann erfreut dich hier in allem lesen,
Er schaut in allen Wesen,
O süßer Christ, dein Bilde
Und deine Milde, deine Lieblichkeit.
Jedoch dem Elend kann ich nicht entgehen,
Bevor vernichtet ward der eig'ne Wille;
So will ich denn zum ew'gen Sohne flehen,
Der Herz und Geist erneut mit seiner Fülle;
Sein hehres Licht enthülle
Mir der Vollendung Pfade,
Die uns aus Gnade seine Liebe beut.
Wenn solchen Vorgang nun die Seel' empfindet,
So hört sie neue Weisen hell ertönen;
Voll Staunen hebt sie sich empor und kündet
Vor ihrem Gott den neuen Stand, den schönen;
O süßerfülltes Sehnen,
Dem, fern der Erdumnachtung,
Die Gottbetrachtung hohe Macht verleiht.
In's heil'ge Land kannst du den Fuß nicht setzen,
Hast Meer und Wüste kühn du nicht durchschritten;
Noch wird das Manna laben dich und letzen,
Willst du Aegypten's Kost nicht von dir schütten;
Der ird'schen Wünsch' und Bitten
Muß dich Verzicht entbinden,
Willst du empfinden seine Süßigkeit.
Das heil'ge Land ward denen zum Gewinne,
Die sich des letzten Standes Frücht' errangen;
Erneuert ist ihr Herz durch neue Sinne,
Mit Gott hat Einung ihre Seel' empfangen,
Ist in Ihm aufgegangen
Durch ganz vollkomm'ne Liebe;
Die ird'sche Trübe deckt Vergessenheit.
Sein mächt'ges Lieben kann ich nicht empfinden,
Bevor der Welt ich und dem Fleisch ersterbe;
Mir selber muß ich völlig erst entschwinden,
Dann wird mir seine Lieb' ein sich'res Erbe;
Ich suche rings und werde
Und muß doch schier verschmachten;
Und all mein Trachten bist du alle Zeit.
Wie der Magnetstein an sich zieht das Eisen,
So eilt die Seele, wenn sie Glut empfindet;
Ein neu Gepräge wird sich dann erweisen
Am Liebenden, wenn solche Lieb' ihn bindet;
Von Liebesbrand entzündet,
Lebt er in diesem Stande,
Frei aller Bande, ganz und gar erneut.
Göttliche Kunst, du hast es uns erschlossen,
Daß neuen Stand wir müssen all erjagen;
Jedweder, der von diesem Duft genossen,
Kann solche Süße nimmermehr ertragen
Und scheint im Herzen Plagen
Und Qualen zu erleiden,
Da er den Freuden nimmer Ausdruck leiht.
(S. 258-261)
_____
XLIV.
O Heiland, süße Liebe,
Ich schmacht' in Lieb', und du willst Trost verleihn.
Ich schmacht' in Lieb', und du willst Trost verleihn,
Will ich nur dein gedenken mir zum Heile;
Und Süßigkeit fühl' ich im Herzen mein,
Lust trägt sie ein für alle meine Theile;
Zu hoher Wonne steigt mein ganzes Sein
Und sinkt in den hinein, zu dem ich eile,
In dich, o Christ, den meine Arm' umfahn;
Darf dir ich nahn, muß ich dem Tanz mich
weihn.
Für Nazareth entflammt mich Liebesdrang,
Wie ich in diesem Sang es werde zeigen;
Jetzt sing' ich, tanz' und lach', einst war mir bang;
Ihm, den mein Arm umschlang, ward ich zu Eigen;
So groß ist des Ergetzens Überschwang,
Daß mein Gesang kann wiederum nicht schweigen;
Und an der ew'gen Lieb' hängt so mein Herz,
Nicht kann am Höllenschmerz mir Zweifel sein.
Furcht vor der Hölle geht mich nimmer an,
So reine Hoffnung rann in meine Seele;
Dem Herrn vertraut' ich, was ich sorgt' und sann;
Hell ist das Dunkle, wann ich's ihm befehle.
Hoch ob dem Schmutze Reinheit ich gewann,
Und leben kann in Gott ich rein von Fehle;
Gleichwie aus dunkler Höhle froh ich stieg,
Mit Leib und Geist im Sieg mich Gott zu weihn.
Ganz ihn zu kosten hier verleiht mir Christ,
Daß mir's unmöglich ist, mich zu betrüben;
Betracht' ich ihn, ist all mein Leid versüßt,
Und Wonn' umfließt mich, wie im Himmel drüben.
Und so entflammt mit Liebesglut mich Christ,
Daß Schmerz zu dieser Frist die Wonnen üben;
Noch einen Schritt stieg höher ich empor
Und Christ am Kreuz erkor mich zum Verein.
Da Christ im Herzen ich gebracht zum Tod,
Vergoß in meiner Noth ich bitt're Zähren;
Stets unter Weinen dieses Bild sich bot:
Er drin, wie draußen todt; so mußt' es währen.
In Irrthumsnebel schien kein Morgenroth,
Und Sehnsuchtsnoth stets mußte mich verzehren;
Darum hat reich mit Trost er mich bedacht
Und Frieden mir gebracht in's Herz hinein.
Gekommen bin ich zu des Friedens Lust,
Mit Sehnsucht in der Brust muß schwer ich
schmachten;
Durch Christ bin ich der Ruhe mir bewußt
Und darf den Wust der Welt nunmehr verachten.
Vor's Aug' ihn stellen mir hab' ich gemußt,
Was ist Verlust, darf ich auf ihn nur achten?
Fast macht die große Wonne mir Beschwer;
Doch, frei nicht mehr, zwingt mich's, mich ihm zu
weihn.
Ich muß ihn lieben; so in Fesseln trieb
Mich Jesu Lieb' und unnennbare Wonne,
Daß, ganz erglüht, von mir nichts übrig blieb,
Da mich zerrieb der Strahl der höchsten Sonne;
Leicht fühlt sich Seel' und Leib im süßen Trieb;
Wohl trifft des Todes Hieb mich ob der Wonne,
Leb' ich in solchem Zustand lange Zeit;
Doch kann für jetzt das Leid mich nur erneuen.
(S. 267-269)
_____
XLVI.
Jesu, Glutheerd ohne Gleichen,
Der das Herz zur Flamm' entfacht,
Wolle Trost der Seele reichen,
Die zu deiner Lieb' erwacht.
Du erscheinst, ihr Glut zu zünden,
Die entbrennt zu solchen Lohen,
Daß sie Raum nicht scheint zu finden,
Der umfassen mag die hohen;
Darauf ladest du zum frohen
Tanz sie wunderbarer Einheit,
Daß sie schauet Gottes Reinheit,
Außer der nicht Ruh' ihr lacht.
Ruhe wird sich dem verwehren,
Wer da steht in solchem Fühlen,
Und die andachtvollen Zähren
Wachsen so im Lieberwühlen,
Daß er Rast nicht kann erzielen
Und in Wonnen immer lächelt;
Wie von Himmelsluft umfächelt,
Also süß sein Sang erwacht.
Dann, wenn über ihn die feine
Salbung kommt im Überschwange,
Einet Wonn' und Lust all seine
Sinn' in süßem Jubelsange;
Große Tröstung läßt ihn lange
Fest in seinem Gotte gründen,
Und kein Mund vermag zu künden
Solcher Wonnen Übermacht.
Hohes Herz, voll Lustaccorden!
Dem im Innern Christus thronet;
Haus des Herrn ist es geworden;
Darin keine Trauer wohnet;
Wen ein solches Lieben lohnet,
Redet in so neuen Zungen,
Wenn sein Wort vom Lamm erklungen,
Daß ein End' er ungern macht.
Dann entsendet er zum dritten
So gewaltig seine Pfeile,
Daß der Leib', zur Erd' entglitten,
Liegt, als ob ihn Tod ereile;
Gottes Trost wird ihm zu Theile;
Mit den heil'gen Engeln schweben
Kann er nun im ew'gen Leben,
Nicht auf and'res mehr bedacht.
Kein Gedanke will sich regen,
Nach dem Ird'schen noch zu blicken;
Dinge denkt er, gar entlegen
Fortgerafft hat ihn Entzücken;
Umgeformt in allen Stücken
Ist er zu so großer Klarheit,
Höchster Schönheit, reinster Wahrheit,
Gern dort hielt' er stets die Wacht.
Viertes ist Genuß; - Begrüßen
Gottes macht ihn jubilieren;
Nun beginnt er zu genießen
Jenes, was er mocht' erspüren;
Nicht zur Sätt'gung kann's ihn führen,
Also süß ist diese Speise;
Lieb' entrafft ihn solcher Weise,
Daß sie ihn verstummen macht.
Stehen muß er stumm und stille,
Kann auf Worte gar nicht denken;
Solche sel'ge Wonnefülle
Bringt's, in Christ sich zu versenken;
Kein Gedanke kann ihn lenken,
Als sich mit der Liebesflamme
Ganz zu füllen zu dem Lamme,
Das sich so ihm dargebracht.
Auf der fünften zeigt die Höhe
Sich der heil'gen Gottbetrachtung;
Denn er schaut den Herrn in Nähe
Ohne Theilung und Umnachtung;
In so staunende Beachtung
Tritt er seiner Güt' und Zierde,
Seiner Majestät und Würde,
Daß er stumm vor solcher Pracht.
Keiner ist, der auserzähle
Jenes Jubeln und Ergetzen,
Das sich eingießt in die Seele,
Will aus ew'gen Lichtes Schätzen
Sie das höchste Gut erletzen.
Ganz geblendet stehn die Augen,
Die das höchste Licht einsaugen,
Einzig nur auf's Schau'n bedacht.
Ruh' im sechsten wird sie pflegen,
Von dem Bräutigam umschlungen;
Alles Handeln ist erlegen,
Drin und draußen Ruh' errungen;
Einen Ort hat sie erschwungen,
Dem sie nimmer kann entfallen;
Sie genießt solch Wohlgefallen,
Daß sie nichts mehr zögern macht.
Nicht hier zögern will sie länger,
Ganz hält Jubel sie umschlossen,
Und der Geist schließt eng und enger
Stets sich Gott an, als Genossen;
Fast schon ist er überflossen
In das ew'ge Gotteswesen;
Selbst die Engel, auserlesen,
Sehn mit Staunen seine Macht.
Doch das letzt' ist nicht zu künden:
Bei den Sel'gen lebt er droben,
Wo die Seraphim entzünden
Flammend sich, in Lieb' erhoben,
Und mit lauter Stimme loben:
"Heilig, heilig, heilig Ehre
Sei dir Herr der Himmelsheere!"
Ihren Herrn bei Tag und Nacht.
Nimmer denken sie zu enden
Mit so süßem Hochgesange;
Christ zu schauen, stets sie wenden
Sich mit neuem Liebesdrange;
In der Liebe Überschwange
Stets die Geister sie erneuen,
Wie sie seines Lichts sich freuen,
Umgeformt in seine Pracht.
Nun für uns auch wollet flehen,
Die ihr fest steht in der Liebe,
Daß er gnädig uns ansehen
Woll' und sätt'gen uns're Triebe.
Daß er unser Herz erhübe,
Zu dem unschuldvollen Lamme
Richtend uns're Liebesflamme,
Das der Welt das Heil gebracht!
(S. 272-276)
_____
XLVII.
Der Jesusblick durchflammt mich tief im Herzen,
Und ohne Schmerzen wird aus diesem Leben
Mich noch entheben seine Lieblichkeit.
Der Jesusblick muß Jedem Glut entzünden,
Allmählich schwinden fühl' ich mich im Brande;
Er läßt das Herze nirgend Ruhe finden;
Den Schmerz zu künden, bin ich nicht im Stande;
Kurz nur die Bande nenn' ich: Glut versengt mich;
Wahnsinn befängt mich, will ich Weit'res sagen;
Das läßt mich Liebe tragen alle Zeit.
Im reinen Geist verborg'ne Liebeswehen, -
Hinauszugehen drängt sie kein Verlangen;
Du wirst dich oft durch sie verwandelt sehen,
Wie Wachs dastehen, von der Glut umfangen;
Nach außen drangen stets nur schwache Schimmer;
Im Innern immer werden sie verweilen
Und lassen heilen nie der Seele Leid.
O hehre Feinheit, in der Seel' entsprungen!
Nie ist erklungen, was in ihr enthalten;
Uns selbst in ihrem Glanz sind wir entrungen;
Ihr Sein, - nie ist's gelungen zu entfalten;
Des Herren Walten strahlend sie umglänzet;
Sie flieht, begränzet rings, in keiner Weise;
Es nährt sie Speise, die ihr Leben leiht.
(S. 277)
_____
XLVIII.
Deine Lieb', o Jesu, zwingt mich,
Dich in Liebe zu umfangen;
Wenn ich wehre dem Verlangen,
Will die Seele von mir scheiden.
Trennen will sich Leib und Seele,
Wenn um Christ sie sich bemühte;
Und es gibt ihr himmlisch Sein
Der ein Meister ohne Fehle;
Darauf fliegt die Lieberglühte
Rasch zum Kaiserhof hinein. -
Wer kann Worte mir verleihn,
Ihrer Schwingen Kraft zu schildern?
An Vergleichen fehlt's und Bildern,
Der Verstand muß sich bescheiden.
Keine Zunge kann erklären
Und berichten, welche Wonnen
Christ im sel'gen Herzen schafft;
Als ein Narr wird sich bewähren,
Wer vermeint, er hab' ersonnen
Wort und Weise für die Kraft;
Denn der Leib wird hingerafft
Und verliert so Läng' und Breite;
Maßlos hebt er sich in's Weite
Und entschwebt der Erde Leiden.
Ob dem Aufschwung liebentglommen
Freut sich und frohlockt die Seele
In der wonnesel'gen Nacht;
Hört sie nun den Liebsten kommen,
Daß er ihr sich anvermähle,
Wird sie ganz zur Glut entfacht;
Umgeformt, entkleidet lacht
Nun in Reinheit die Erfreute,
Die sich gleich der Schlang' erneute;
Neue Sehnsucht wird sie weiden.
Alles muß sich neu gestalten,
Was die Liebe sich erwählte
Und beschlossen hält der Geist;
Ihre Freude kann nicht alten,
Denn sie ward die Anvermählte
Christi, der sich treu erweist.
Seine Füß' umfaßt sie dreist;
Süße Thränen, liebe Worte
Bringt sie ihrem Herrn und Horte;
Denn ihr Herz vergeht in Freuden.
Eine Seele, welche trachtet,
Ihren Bräutigam zu finden,
Wird von Liebesglut verzehrt;
Doch er flieht, wie sehr sie schmachtet,
Um sie mehr noch zu entzünden,
Daß der Liebesrausch sich mehrt.
Hat sie treu sich ihm bewährt,
Dann erscheint er ihren Blicken,
Um in seligem Entzücken
Alles Fremd' aus ihr zu scheiden.
(S. 278-280)
_____
IL.
Ich konnt' es nie mir denken,
Zu tanzen in dem Reigen;
Dein liebevolles Neigen
Hat mich dazu gebracht.
Nie konnt' ich mir es denken,
Es könne je geschehn,
In Glut mich zu versenken
So tief bis zum Vergehn;
Doch wollte stark mich lenken
Des Liebsten Liebesflehn:
Nicht sollt' ich ferne stehn
Dem süßen Festesreigen;
Dein liebevolles Neigen
Hat jubeln mich gemacht.
Nicht wundert euch der Kunde,
Daß ich dem Tanz geweiht;
Mit Brüdern zwölf im Bunde
Ging ich und war bereit;
Sagt, sprach ich, Liebewunde,
Warum ihr nicht euch reiht.
Erinn'rung liegt mir weit,
Ob man mich zog zum Reigen;
Kein Wort vermag zu zeigen
Der Wonnen Übermacht.
Mich legte Lieb' in Bande,
Als ich im Tanz mich schwang
Und Jubel ob dem Pfande
Des Himmels mich durchdrang;
Da ich im Heimatlande
Antheil am Mahl errang,
Ließ ich der Welt den Gang,
Den schlechten, der ihr eigen,
In Christi Festesreigen
Zu tanzen nur bedacht.
Wer könnte nun erzählen
Von jener hohen Lust
Der lieberglühten Seelen?
Nur die aus tiefster Brust
Des Heilands Lieb' erwählen,
Sind ihrer sich bewußt.
Drum hab' ich heiß gemußt
Die Menschen all beschwören,
Nicht wolle man mich stören,
Hab' ich des Tanzes Acht.
Ihr, die ihr's übel deutet,
Wenn man im Tanz sich schwenkt,
Um's Himmelswillen schreitet
Doch näher und bedenkt
Die Lust, die Christ bereitet
Und jenen Seelen schenkt,
Die seine Liebe tränkt;
Es sprühn beim wohlgemuthen
Tanzspiele so die Gluten,
Daß alles hell entfacht.
O Christus, voll der Güte,
Der Wonnen Ziel und Hort,
Du rett' uns und behüte
Vor bösem Werk und Wort;
Des ew'gen Lebens Blüthe
Gib uns am Gnadenort,
Daß wir den Reigen dort
Mit allen Sel'gen schlingen
Und ihre Wonn' erringen,
Die keiner kund gemacht.
(S. 280-282)
_____
LI.
Die du die Liebe
Getödtet, o Liebe,
O laß mich vergehen vor Liebe.
Du kamst zu geleiten
Den Liebegeweihten
Zu gar so schmerzlichem Sterben;
Aus welchen Gründen
Soll ich nicht finden
Gleiches Geschick und Verderben?
O laß mich herben
Schmerz immer erwerben,
Daß ich sterb' in den Armen der Liebe.
Wenn das du verübtest
An dem, den du liebtest,
So thu' an mir doch des Gleichen.
Liebst du mich, setze
Um mich deine Netze,
Daß ich fürder dir nicht kann entweichen.
O laß dich erweichen
Und unter den Streichen
Mich sterben, getödtet von Liebe.
Am Kreuze gefangen,
Hat Liebe gehangen,
Und es ließ sie nicht scheiden;
Ich eil' und dränge,
Daß dran ich mich hänge,
Denn ich darf's nicht vermeiden;
Fern ihm, in Leiden
Müßt' ich verscheiden,
Nicht ständ' ich im Buche der Liebe.
O Kreuz, an dich heft' ich
Und fest' ich mich kräftig,
Daß sterbend ich koste das Leben;
O Tod, du beglückter,
Mit Leben geschmückter,
Ach! Daß du mir nicht gegeben!
Herz, woll' ohn' Erbeben
Den Wunden nachstreben,
Daß ich sterb' in den Schmerzen der Liebe.
Ich dräng' und haste
Zum Kreuz, bis ich faßte
Das Buch, das mit Blute begossen;
Wer es gelesen,
Dem ist das Wesen
Des Wissens, der Weisheit erschlossen;
Buch, wonnenumflossen,
Es keimten und sprossen
Rings in dir die Blüten der Liebe.
O Liebesgluten,
Gewalt'ge Meerfluten,
Wer kann eure Tiefen erspähen?
Wer in euch ertrunken,
Ist völlig versunken
Und kann seine Stätte nicht sehen;
Thorheit begehen
Heißt hohes Verstehen,
Wenn thöricht uns machte die Liebe.
(S. 302-304)
_____
LII.
O Liebe, Gottesliebe,
Was hältst du mich umsessen?
Dein hast du ganz vergessen
Und strebst nach mir allein.
Ich seh' dich auf fünf Seiten
Bereit zum Angriff stehen,
Im Fühlen, Riechen, Schmecken,
Im Hören und im Sehen;
Will ich nach außen gehen,
So dringst du auf mich ein.
Geh' auch ich durch die Augen,
Rings seh' ich Liebe walten;
Gemalt bist du in allen
Den Farben und Gestalten,
Und willst dich mir entfalten,
Um Gast bei mir zu sein.
Und geh' ich durch die Pforte
Des Ohres, mich zu letzen,
An dich, o Herr, erinnert
Mich jedes Tons Ergetzen,
Kann nicht entgehn den Netzen
Und höre Lieb' allein.
Geh' ich durch den Geschmack aus,
Dich kündet jedes Schmecken;
O Liebe, Gottesliebe,
Wer kann sich dir verstecken?
Mehr Lieb' in mir zu wecken,
Machst du mich völlig dein.
Und geh' ich durch die Pforte,
Die den Geruch wir nennen,
Muß deine Form in allen
Geschöpfen ich erkennen
Und gleich in Lieb' entbrennen;
Du fängst auch hier mich ein.
Und geh' ich durch die Pforte,
Die das Gefühl verwaltet,
Seh' dein Gepräg' in allen
Geschöpfen ich gestaltet;
Und Thorheit mit mir schaltet,
Gedenk' ich frei zu sein.
Mein Herz versucht, o Liebe,
Vor deiner Macht zu fliehen;
Doch seh' ich, du umformst mich,
Mich ganz in dich zu ziehen;
Umsonst ist mein Bemühen,
Nicht bin ich fürder mein.
Erblick' ich Schmerz und Leiden
An Menschen, die ich liebe,
Wär's möglich, daß mein Herze
Dann ohne Mitleid bliebe?
Du unermess'ne Liebe,
Wem wolltest du dich weihn?
Gekreuzigter Erlöser,
Entreiße mich dem Meere;
Schmerz faßt mich, wenn ich sehe,
Wie dich die Qual verheere;
Daß Leid mich nicht versehre,
Ertrugst du Noth und Pein.
(S. 304-306)
_____
LIII.
Ohne Gleichen lieblich ist
Deine Liebe, Jesu Christ.
Liebe bist du, die verbindet;
Wer dich liebt, der wird entzündet,
Doch du salbst, und es entschwindet
Wund' und Schmerz zu gleicher Frist.
Liebe, du kannst nicht verlassen
Und beleidigt nimmer hassen;
Ruhm und Glanz wird den umfassen,
Dessen Herz demüthig ist.
Herr, vergib in Huld und Gnade,
Wenn wir ließen deine Pfade;
Und zu deiner Lieb' uns lade,
Der du nichts als Liebe bist.
Süßer Jesu, reich an Labe,
Wie des Manna Himmelsgabe,
Deine Huld uns reich begabe,
Die kein Menschengeist ermißt.
Liebe, hehr und reich an Wonnen,
Endest nie, hast nie begonnen;
Seraphim, in Lieb' entbronnen,
Jauchzen dir zu jeder Frist.
Du erlabst mit Wonn' und Ehre
Aller Himmel Engelchöre,
All der Heil'gen lichte Heere,
Süße Liebe, Jesu Christ.
Patriarchen und Propheten,
Die um Liebe zu dir flehten,
Gabest du, was sie erbeten
Sehnsuchtsvoll die lange Frist.
Süße Liebe, deinen Frieden
Hast du allen uns beschieden,
Gibst uns Wonne schon hienieden,
Weil du gut und gnädig bist.
Allen, die zu dir sich richten
Und auf Erdenlust verzichten,
Bist ein Tisch du, reich an Früchten,
Dessen Preis kein Geist ermißt.
Welche Liebe du getragen,
Kann uns deine Marter sagen,
Als man dich an's Kreuz geschlagen
Und verhöhnt mit Lug und List.
Liebe, groß und ohne Schranken,
Huldverheißung ohne Wanken,
Lieben muß dich, dir muß danken
Alles, was erschaffen ist.
Jedem willst du Lieb' erzeigen,
Wer dich will, dem wirst du eigen;
Allen, die zu dir sich neigen,
Weihst du Liebe, Jesu Christ.
Süßer Jesu, Liebesbronnen,
Deine Huld sei mir gewonnen,
Daß mein Herze liebentbronnen
Deiner Liebe nie vergißt.
Dein, o Liebe, zu gedenken,
Soll in Lust mein Herz versenken
Und von meinem Blick ablenken
Erdenlust und Erdenlist.
Wer dich, süßer Trost, betrachtet,
All die Welt ist ihm umnachtet,
Als ein Thor wird er betrachtet,
Weil auf alles er vergißt.
Du bist Liebe voll der Gnaden,
Trug ist ferne dir und Schaden;
Wolle doch zu dir mich laden,
Süße Lieb', in kurzer Frist.
(S. 306-309)
_____
LIV.
O Liebe höchster Liebe,
Was schlugst du solche Wunden?
Mein Herz ist hingeschwunden,
Das hell in Flammen stand.
Es glüht und brennt und findet keinen Frieden,
Nicht fliehen kann's, dieweil es fest gebunden;
Wie Wachs zu schmelzen, das ist ihm beschieden;
Schmachtend vergeht's, hat lebend Tod gefunden;
Ein wenig Ruhe wünscht es sich hienieden;
Im Feuerofen liegt's zu allen Stunden; -
Weh, zu so schweren Wunden
Wie bin ich doch gekommen?
Ich bin zum Tod beklommen,
So furchtbar steigt der Brand.
Eh' ich's erfahren, trug ich das Verlangen,
Den Herrn zu lieben; süß mir wollt' es scheinen;
Ein holder Friede sollte mich umfangen,
Gar hoch gestellt, den Schmerzen fern und Peinen;
Nun fühl' ich ungekannte Qual und Bangen;
Daß mir vor Glut das Herz springt, muß ich meinen,
Und Ausdruck find' ich keinen
Für jenes, was ich sehe;
Ich sterb' in süßem Wehe,
Leb', ob mein Herz entschwand.
Das Herz verlor ich sammt den Sinnen allen,
Und Wollen, Freud' und jegliches Empfinden;
Zu Boden scheint die Schönheit mir gefallen,
Reichthum und Lust gilt mir ein Raub den Winden;
Ein Liebesbaum, dem reiche Frücht' entwallen,
Muß mir gepflanzt im Herzen, Nahrung gründen;
Denn solchen Wandel finden
Ließ schnelle mich sein Lieben,
Weil er aus mir vertrieben
Kraft, Willen und Verstand.
Um Liebe hab' ich alles hingegeben,
Die Welt und mich und alles ihr zum Preise;
Und wäre mein all das geschaff'ne Leben,
Um Liebe gäb' ich's hin auf jede Weise;
Und doch hat Liebe nun getäuscht mein Streben;
Ich gab ihr alles, und mir sind die Gleise
Nicht kund, darin ich reise;
So macht sie mich zum Thoren;
Und traun! verkauft, verloren
Mein ganzer Werth entschwand.
Zurückzurufen glaubten mich die Leute,
Die Freunde, von den eingeschlag'nen Wegen;
Doch nimmer kehrt die preisgegeb'ne Beute,
Nicht Diener wird, wer floh den Herrn verwegen;
Mich hält, dem Felsen gleich, in Kampf und Streite
Die Liebe fest in ihrer Macht Gehegen;
Konnt' ich noch Wollen hegen,
Hat Liebe ganz umstrickt es,
Verwandelt und erstickt es,
Und hat mich übermannt.
Nicht Feuer kann hier je, noch Eisen scheiden,
Nicht wird so fest Geeintes sich entrungen,
Und nimmermehr kann steigen Tod und Leiden
Zur Höh', auf die der Wille sich erschwungen;
Am Wechsel unten sich die Dinge weiden,
Hoch über sie empor ist er gedrungen;
Wie, Seel', ist dir gelungen
Doch der Besitz des Glückes?
Dir kam von Christi Blick' es,
Ihn lieb' in süßem Brand.
Der Anblick der Geschöpf' ist mir entnommen,
Zum Schöpfer schreit empor mein ganzes Sinnen;
Nicht Himmel und nicht Erde beut mir Wonnen,
Nichts kann ob Christi Lieb' ich fürder minnen;
Verdunkelt scheint mir selbst das Licht der Sonnen,
Seitdem er mich sein Antlitz ließ gewinnen;
Um Liebe zu beginnen,
Nicht g'nügen Seraphinen,
Um Lehr', nicht Cherubinen
Dem, welcher Christus fand.
So tadle Niemand denn mein Herzverlangen,
Läßt solche Liebe mich als Thoren gehen;
Wie könnt' ein Herz, das Liebe so gefangen,
Entfliehen und der Liebe widerstehen?
Wie kommt's, o Herz, daß du nicht bist zergangen,
Und hast ertragen solche Glut und Wehen?
O könnt' ich nur erspähen
Ein Herz, das mich verstände
Und jenen Schmerz empfände,
Der mich zerschmelzt im Brand!
Ist's doch, als ob stets lauten Ruf erhübe
So Erd' als Himmel, lieben mög' ich immer;
Ein jedes ruft: Von ganzem Herzen liebe
Die Liebe, die zu lieben aufhört nimmer;
Es schuf die Liebe, die dir ihre Triebe
Geweiht, uns all für ihren Glanz und Schimmer,
Und also fließt der Flimmer
Von jenem Licht der Güte
Uns mächtig in's Gemüthe,
Daß sichtbar wird der Brand.
Mehr wollt' ich lieben, hätt' ich das Vermögen,
Allein das Wie weiß nicht das Herz zu künden;
Mehr als mich geben, - mag den Wunsch ich hegen, -
Ich kann es nicht; dies muß sich wahr befinden.
All was ich hatte, daran mußt' ich's legen,
Ihn zu besitzen, der mich neu will gründen;
Wie kann dein Glanz mir schwinden,
Seitdem ich dich besessen,
Du Schönheit unermessen,
Der keine gleich sich fand.
Ich sah die Schönheit, und ich ward gezogen
Ganz außer mich; wohin, kann ich nicht sagen;
Das Herz zerschmilzt, wie Wachs, in Feuerwogen,
Nach Christi Bildniß ist es neu geschlagen;
Wo ward ein solcher Wechsel je erwogen,
In Christ sich kleiden und sich ganz entsagen?
Da dies sich zugetragen,
Schreit Liebe, daß sie's fühle,
Und taucht im Lustgefühle
Die Seel' in solchen Brand.
Die Seele liegt in Haft von Süßigkeiten,
Daß sie sich ganz ausdehnet zum Umschlingen;
Und sieht sie Christi Glanz die Strahlen breiten,
Läßt sie aus sich in Christus all ihr Ringen
Und all ihr Wollen mehr hinübergleiten;
Nichts kann von sich sie in's Gedächtniß bringen,
Nicht will ihr mehr gelingen
Für sich ein sorgend Denken,
Nicht kann noch Reiz ihr schenken,
Was ehmals sie empfand.
In Christus umgeformt, wird sie zu Christe,
Und göttlich wird sie, ganz mit Gott verbunden;
Am höchsten steht sie in der Hoheit Liste,
Als Christi Königin wird sie befunden;
Wie könnt' es sein, daß sie von Kummer wüßte,
Und Heilung noch entbehrten ihre Wunden?
Kein Schlamm wird mehr gefunden,
Drin Sünde sich geleget;
Die alt' ist weggefeget
Und jeder Schmutz verbannt.
In Christus ward ein neu Geschöpf geboren,
Verscheucht der alte Mensch, geformt der neue;
Hoch flammt die Glut der Seel', also erkoren;
Ein Messer, scheint es, hier das Herz bedräue,
In solche Glut sind Seel' und Sinn verloren;
Christ zieht mich ganz in seiner Schönheit Weihe;
Ihn zu umarmen freue
Ich mich und ruf' aus Liebe:
O Liebe, die ich liebe,
Laß sterben mich im Brand.
Schmachtend um dich muß, Lieb', ich mich verzehren
Und rufend gehn umher, dich zu umfangen;
Lebendig sterb' ich, willst du nicht mehr kehren,
Und wein' und seufz', auf's Neu dich zu erlangen;
Und kehrst du, kann die Enge nicht mehr währen,
Es wächst das Herz, das in dich aufgegangen;
O stille mein Verlangen,
Komm, heile meine Wunden;
Lieb' hält mich so gebunden,
Die letzte Kraft entschwand.
Sieh her, o süße Liebe, sieh mein Wehe,
Nicht kann ich fürder solche Glut ertragen;
Mich faßte Lieb', - ich weiß nicht, wo ich stehe,
Und weiß hinfort nicht um mein Thun und Sagen,
Und einem Thoren gleich umher ich gehe;
Vor Sehnsucht oft befällt mich Angst und Zagen;
Nicht weiß ich, wie die Plagen
Ich länger kann erleiden,
Und weiß nicht zu entscheiden,
Wodurch das Herz mir schwand.
Mir ward geraubt mein Herz; ich kann nicht sehen,
Was thun ich soll und thu' in manchen Zeiten;
Und wer mich ansieht, spricht und will verstehen;
Soll That nicht deine Lieb', o Herr, begleiten?
Geschieht das nicht, wohin dann soll ich gehen?
Die Liebe kommt, mir Fesseln zu bereiten,
Die nimmermehr entgleiten;
Das Wort will sie entraffen,
Das Wollen mir und Schaffen,
Und mein Empfinden schwand.
Zu reden wußt' ich, stumm nun muß ich schweigen,
Einst sah ich, doch bin jetzt ich gleich den Blinden;
Nie konnte noch sich solch ein Abgrund zeigen;
Stumm red' ich, fliehe, während sie mich binden;
Mich senkend steig' ich, eign', indem ich eigen,
Bin draußen in mir, scheuch' und muß verschwinden;
Du, der kein Maß zu finden,
Was machst du mich zum Thoren,
Warum bin ich verloren,
O Lieb', in solchem Brand?
Du, der mich liebt, ach, ordne diese Liebe,
Wird Tugend auch, wo Ordnung fehlt, gefunden?
Du weihest mir so mächt'ge Liebestriebe,
Daß neu der Geist mit Tugend ist verbunden;
So komm und hebe der Unordnung Trübe,
Mit Gotteslieb' im Bund dich zu bekunden;
Der Baum wird gut befunden
Nach dem Geschmack der Früchte,
Sie zeigen klar im Lichte
Der Dinge Werth und Stand.
"Wie ich sie schuf, so wurden alle Wesen
An's Licht gebracht nach Maßen und nach Zahlen,
Nach Ordnung all zu ihrem Ziel erlesen,
Und Ordnung läßt nie ihren Werth verschalen;
Auch ist die Lieb' in Ordnung so gewesen,
Und mehr als alles sonst zu vielen Malen;
Wie hat ob Glut und Qualen
Nun Thorheit dich beschlichen,
Daß Ordnung dir entwichen?
Setzt dir kein Ziel der Brand?"
Du sprichst, o Herr, der mir das Herz entwendet,
Daß nun den Geist zur Lieb' ich ordnen möge,
Als ob, seitdem ich ward in dich gewendet,
Hinfort ein Pakt mit dir anheim mir läge;
Wie Eisen, das im Feuer sich vollendet,
Und wie das Frühroth auf dem Sonnenwege
Einbüßen ihr Gepräge,
Und and'res Sein gewinnen:
Der reine Geist so drinnen
Trägt, Liebe, dein Gewand.
Doch hat er all sein Eignes nun verloren,
So kann er nichts aus sich zu Wege bringen;
Da eine neue Macht ihm ward erkoren,
Kann ihr gemäß sein Werk ihm nur gelingen;
Weil umgeformt in dich er neugeboren,
O Christ, der süß du bist ob allen Dingen:
Auf dich zurück wie gingen
Nicht meine Thaten alle?
Wenn dir ich nicht gefalle,
So wirkt' es deine Hand.
Drum wisse, hab' als Thor ich mich bekundet,
Hast, höchste Weisheit, du's in's Werk gerichtet;
Und dies geschah, sobald du mich verwundet
Und deiner Liebe mich zuerst verpflichtet,
Als nackt, neu überkleidet, ich gesundet
Durch dich zu neuem Sein empor geflüchtet,
Und ganz in mir vernichtet
Mir Liebeskraft verhängte,
Daß ich die Thore sprengte
Und dir im Arm mich fand.
Was hast du mich zu solcher Glut geführet,
Wenn du gewollt hast, daß ich mäßig glühte?
Als du, dich maßlos gebend, mich gerühret,
Nahmst jedes Maß du mir aus dem Gemüthe;
Gabst du als klein dich, - G'nüg' hätt' ich gespüret,
Als groß, - umsonst ich alle Kraft aufbiete;
Wenn Mangel im Gebiete,
Ist dein er, nicht der meine;
Weil diesen Weg alleine
Mich führte deine Hand.
Du konntest dich der Liebe nicht erwehren,
Zur Erde zog sie dich aus Himmelshöhen;
Du stiegst so tief herab von deinen Sphären,
Um ganz verachtet hier einherzugehen;
Nicht Haus, noch Hof hier wolltest du begehren,
Nur weil für Reichthum du uns ausersehen;
Im Leben und in Wehen
Des Todes sollt' erglänzen
Das Lieben ohne Gränzen,
Das dir im Herzen stand.
Als barfuß du allhier umhergegangen,
Hat Lieb', als wärst verkauft du, dich geleitet;
In allem zeigtest du dein Liebverlangen,
Gleichgültig, ob für dich du nichts erbeutet;
Im Tempel war's, als deine Wort' erklangen:
Wen durstet, komm, hier ist ihm Trank bereitet,
Wenn Lieb' ihn nur begleitet;
Denn hier wird ihm gegeben
Endloses Liebeleben,
Das nährt mit süßem Brand.
Du, Weisheit, hast dich nicht zurückgehalten,
Dein Lieben in uns oftmals zu ergießen;
Nur Liebe, Fleisch nicht, konnte dich gestalten,
Vermenschte Lieb', um Heil uns zu erschließen;
Uns zu umarmen, wolltest du erkalten
Am Kreuz; drum wolltest du den Mund verschließen
Als sie dich grausam stießen
Vor Pontius Gerichte,
Damit dir nicht zu Nichte
Geh' deiner Liebe Pfand.
Die Weisheit, seh' ich, hat sich hier verhehlet,
Die Liebe nur allein war zu gewahren;
Jedweder Anschein deiner Macht hier fehlet,
Hier durfte nicht die Macht sich offenbaren;
Groß war die Liebe, die du da erwählet,
Da nichts als Liebe hier sich ließ bewahren;
Will' und Gewohnheit waren
Im Liebesbann verschwunden,
Da Lieb', am Kreuz gebunden,
Die Menschheit fest umwand.
Und bin ich nun versenkt in Liebverlangen
Und liebetrunken von so großer Süße,
Kannst tadeln du's, wenn Thorheit mich befangen,
Wenn Sinn ich und Verstand und Kraft einbüße,
Da du aus Lieb' in solche Haft gegangen,
Als ob in nichts all deine Macht zerfließe?
Wo ist's, daß Kraft mir sprieße,
Dir, Herr, zu widerstehen,
Der Thorheit zu entgehen,
Die mich mit dir verband?
Denn jene Liebe, die mich macht zum Thoren,
Hat, wie mir scheint, die Weisheit dir genommen,
Und jene, drin ich schmachtend bin verloren,
Sie ließ für mich um alle Macht dich kommen;
Kein and'res Loos sei fürder mir erkoren;
Nicht widersteh' ich länger liebentglommen;
Mir wird der Ausspruch frommen:
Vor Liebe will ich sterben;
Nicht kann ich Trost erwerben,
Als Tod in solchem Brand.
O Liebe, Liebe, die mir gab die Wunden,
Nichts and'res mehr als Liebe kann ich schreien;
O Liebe, Lieb', in eins mit dir verbunden,
Kann dein Umarmen nur mich noch erfreuen;
O Liebe, Liebe, hast mich mir entwunden,
Stets weitet sich mein Herz, sich dir zu weihen;
Ich möchte mich befreien
Vom Leib, bei dir zu weilen;
Mich mög', o Lieb' ereilen
Der Tod im Liebesbrand.
O Liebe, Lieb', ich ruhe nun im Hafen;
O Liebe, Liebe, du hast mich geführet;
O Liebe, Liebe, deine Flammen trafen,
O Liebe, Liebe, sei mir Trost erküret;
O Liebe, Liebe, Noth ist's, laß mich schlafen;
Laß mich umarmen stets dich, - sei gerühret! -
Umformt und eingeführet
In dich in Liebesklarheit,
Und in der höchsten Wahrheit
In dich ganz umgewandt.
O Liebe, Liebe! durch die Welt erschallet,
O Liebe, Liebe! rufen alle Wesen;
O Liebe, Liebe, tief dein Strom hinwallet,
Und mehr dich sucht, wer mehr in dir genesen;
O Liebe, Liebe, die in sich rückwallet,
Ein Kreis, daß, wer in dir, sich nie kann lösen;
Du Aufzug, stets gewesen,
Und Einschlag! wer sich kleidet
In dich, ist süß geweidet
Und preist dein Liebesband.
O Liebe, Liebe, schafft mir solche Leiden,
O Liebe, Lieb', ich kann es nicht ertragen;
O Liebe, Liebe, du willst so mich weiden,
O Liebe, Liebe, Kraft muß da versagen;
O Liebe, Liebe, füllest mich mit Freuden,
O Liebe, Lieb', in dich mich ganz zu tragen;
O Liebe, süßes Zagen,
O sehnsuchtsvolle Liebe,
Ergetzungsreiche Triebe!
Nimm hin mich, Liebesbrand.
O Liebe, Liebe, hast mein Herz gespalten,
O Liebe, Lieb', ich fühle bitt're Wunden;
O Liebe, Lieb', es reißt mich hin dein Walten,
O Liebe, Lieb', in dich bin ich geschwunden;
O Liebe, Lieb', es muß mein Sein erkalten,
O Liebe, Lieb', ich bin mit dir verbunden;
O Lieb', in allen Stunden
Kann nichts von dir mich scheiden;
Warum muß so ich leiden
Von deiner strengen Hand?
O Liebe, Liebe, Jesus, mein Verlangen,
O Liebe, dich umfassend will ich sterben;
O Liebe, Liebe, die ich halt' umfangen,
O Liebe, Liebe, Tod möcht' ich erwerben;
O Liebe, Lieb', in dich ganz aufgegangen,
Umfass' ich dich und darf dich ganz ererben;
Sieh meine Kraft in Scherben,
Weiß nicht, wo ich mich finde;
Mich senk' in die Abgründe
Der Liebe deine Hand.
(S. 309-322)
_____
LVI.
Zu sehr verliert die Zeit, wer dich nicht liebt,
O süßer Jesus, mehr als alle Liebe.
Wer dir sich weiht, kann nimmer säumig stehen,
So sehr muß, dich zu kosten, ihn erfreun;
Unausgesetzt wird er voll Sehnsucht spähen,
Wie heiß're Lieb' er dir noch könne weihn;
Lust wird und Freude so sein Herz durchwehen,
Wer's nicht erfuhr, kann Wort' ihm nicht verleihn,
Wie süß es ist, zu kosten deine Liebe.
O süßes Kosten, dem nichts zu vergleichen
Ach, daß mein Herz so wenig dich genießt!
Nichts kann auf Erden Lob' und Trost mir reichen,
Wenn mein Besitz auch alle Welt umschließt;
O süßer Jesus, meiner Hoffnung Zeichen,
Mein Herze lenk', auf daß es nichts erkiest,
Und nichts es fesseln mög', als deine Liebe.
O Liebe, die in deine Süßigkeiten
Du wandelst Zwang und Noth und jedes Ding;
Die Heil'gen zeugen dies aus allen Zeiten,
Die bitt'rer Tod, als wär' er süß, umfing.
Du stärktest sie, o Herr, in Kampf und Streiten
Mit deinem Trost, das Herbe ward gering;
So süß war ihren Herzen deine Liebe.
Elend ist jedes Herz, das dich nicht liebet,
O Jesu, du der Menschen Wonn' und Lust!
Wem Trost du nicht verleihst, der bleibt betrübet;
Ach, daß in Liebe glüht' auch meine Brust!
Ja, wenn gesammt der Erde Schätz' ihr hübet
Und hättet ihn nicht, wär' es nur Verlust;
Nur Bitterkeit liegt außer seiner Liebe.
Kein Herze kann je Bitterkeit empfinden,
Dem deine Süßigkeit sich hat geeint;
Doch wird dein Wohlschmack keinem je sich künden,
Der dich verläßt, weil and'res süß ihm scheint;
Kein ird'scher Sinn kann diese Lieb' ergründen,
Zu hehr ist ihre Wonne, zu verfeint;
Er kann den Herrn nicht schaun in seiner Liebe.
O Glanz, der aller Welt das Licht verleihet,
O Lieb', o Christ, der Engel Schöne du,
Durch den der Sphärenkreis zum Tanz sich reihet,
In allem sehn wir deinem Wirken zu;
Es strebt zu dir das All und dir sich's weihet,
Und nur dem Sünder wird in dir nicht Ruh;
Er trennt vom Schöpfer sich und schmäht die Liebe.
O Mensch, wie hast du alles Danks vergessen,
Weit mehr, als jede and're Kreatur!
Du trennst für nichts vom Schöpfer dich vermessen,
Der dich gemacht, und folgest and'rer Spur;
Er ruft dich mild zurück; denn ungemessen
Ist seine Huld; indeß du zögerst nur
Und denkst des Heilands nicht und seiner Liebe.
O Heiland, den die Jungfrau uns geboren,
Gib deine Liebe mir, versag' es nicht;
Daß du für uns das bitt're Kreuz erkoren,
Das flößt mir Hoffnung ein und Zuversicht;
Du schriebst in deine Hand uns, die verloren,
Daß droben einst wir säh'n dein Angesicht;
Lies deine Schrift, du Schreiber voll von Liebe.
Du schriebst uns auf das heil'ge Holz des Lebens,
So wahre deine Güt' uns alle Zeit,
Und gib, daß deiner Schrift nicht sei vergebens,
Kein Trug der Name, den du uns geweiht;
Und wend' uns zu die Früchte deines Strebens,
Daß wir dich kosten, Herr der Süßigkeit,
Und zugethan dir sind mit treuer Liebe.
O Glut, die allen Frost in uns verzehret,
Das Herz uns reinigt und den Geist erhellt;
Gar schnell ist alles dem in Nacht verkehret,
Der dich nicht sieht in jedem Ding der Welt;
Drum sei von uns kein and'res noch begehret,
Daß deine Liebe nichts in Schatten stellt
Und nimmermehr erkalte deine Liebe.
O Liebe, die erregt der Seele Schmachten
Und unser Herz zerschmelzt in süßem Brand;
Kein Mund verkündet's trotz Bemühn und Trachten,
Nie ahnt ein Herz es, das es nicht empfand.
O wolle huldreich du mein Flehn beachten,
Mein Herz erwärmen, das im Froste stand,
Daß nicht die Kält' entferne deine Liebe.
O kalte Sünder, schmerzenvolles Feuer
Ist in dem Höllenschlund für euch bereit,
Wenn in der kurzen Zeit, die also theuer,
Die Liebe nicht vom Frost das Herz befreit;
Drum üb' an jedem Ort sich ein Getreuer,
Auf daß die Liebe Christi ihn erneut
Und kräftigt mit dem würz'gen Duft der Liebe.
O Duft, der übertrifft die würz'gen Oele,
Wer dich nicht liebt, thut großes Unrecht dir,
Und, die dich nicht empfindet, jene Seele,
Sie modert oder ist gestorben schier;
O Wonnequell, Ergetzung ohne Fehle,
Die jeden Schmutz verbannt mit heil'ger Zier
Und Todten Kraft und Leben gibt durch Liebe.
Doch kräftiglich verkosten deine Freuden
Im Himmel jene, die dahin erhöht,
Indem sie sich an würz'gen Bissen weiden,
Die Christus jedem gibt, der nah' ihm steht,
Die solche Wonn' und Süßigkeit vergeuden,
Daß, wer sie kostet, all die Welt verschmäht,
Als ob kein Sinn mehr für die Erd' ihm bliebe.
Ihr Faulen und Saumsel'gen, euch besinnet,
Euch sei genug die Zeit, die schon verging;
Bedenkt, wie kleinen Dank von euch gewinnet
Der Liebevollste, den die Welt umfing,
Der nur auf Himmelsgaben für uns sinnet
Und keinem lohnte jemals zu gering;
Sein Diener ist, wer voll für ihn von Liebe.
Wer seinen Dienst dir, süßer Jesus, weihet,
Dem bist du süßer, als jed' and're Lust;
Nicht wissen kann, wer dir zu dienen scheuet,
Wie deine Liebe süß erfüllt die Brust,
Weil and'rer Rast das Herz sich nicht erfreuet,
Als wenn es dein, o Jesus, sich bewußt;
Denn deiner Diener Trost ist deine Liebe.
Niemals gereicht zum Trost ein Ding auf Erden
Dem Geiste, der gemacht nach deinem Bild;
Geschätzt muß höher, als die Welt, er werden,
Und mehr als jeder and're Stoff er gilt;
Nur du, o Herr, gibst Ruh' ihm in Beschwerden,
Durch dich wird jedes Sehnen ihm erfüllt,
Weil größer du allein und deine Liebe.
Nicht größ're Thorheit gibt es, will mir scheinen,
Als das zu wollen, was zu finden nicht;
Und große Thorheit ist's, so muß ich meinen,
Das kosten wollen, woran es gebricht;
So thut, wer ließ den rechten Weg, den einen,
Wer G'nüge sich von dieser Welt verspricht,
Als könnt' ein Klein'res füllen seine Triebe.
Ein nied'res Herz will so weit sich erniedern,
Daß es sich nennt befriedigt durch die Welt
Und, statt dir, Herr, dein Lieben zu erwiedern,
Auf ird'sche Dinge sein Begehren stellt.
Es zählt sein Gaumen zu den kranken Gliedern;
Schmeckt' ihm die Lust, die du uns zugestellt,
Nichts and'res wünscht' er mehr als deine Liebe.
Nichts Höh'res kann, als deine Lieb' ersehnen,
O Jesu Christ, auf Erden je ein Geist;
Drum sollt' in Sehnsucht sich das Herze dehnen,
Der Geist mit dir verkehren allermeist
Und all der nicht'gen Dinge sich entwöhnen
Ob deiner Liebe, so daß dein er heißt
Und einzig dein gedenkt, der uns're Liebe.
Wer seinen Geist will rein, o Herr, dir geben,
Der geb' ihn dir und denk' an and'res nicht;
Weil oft der Geist durch ird'sches Thun und Streben
Sich dir entzieht und mit der Welt verflicht;
Wohl scheint es süß, für ein Geschöpf zu leben,
Doch deine Lieb' ist süßer; - drum Verzicht
Soll leisten unser Herz auf and're Liebe.
Besorgniß hegt die dir ergeb'ne Seele,
Sie könne je mißfällig, Herr, dir sein;
Und daß es nie an deiner Lieb' ihr fehle
Will keine Freundschaft sie der Menge weihn;
Der Wesen jedes scheint ihr voll von Fehle,
Dein Angesicht, o Jesus, schön allein,
Der Schönheit Schöpfer du, o Gott der Liebe.
Laß deiner mich, o Jesu, stets gedenken
Und and'res Sinnen scheuch' aus meiner Brust;
In kein Geschöpf kann meinen Geist ich senken,
Daß er sich voller G'nüge sei bewußt;
So woll', o Schöpfer, Gnad' und Huld mir schenken,
Daß dich zu lieben meine Lieb' und Lust,
Der jede Gnad' uns zugetheilt aus Liebe.
Gib so viel Liebe mir zu dir, als g'nüget,
Um dich zu lieben, wie es meine Pflicht,
Daß für die Rettung, die du mir ersieget,
Es mir an Dankbarkeit gebreche nicht,
Weil schwer auf mir, Herr, die Verpflichtung lieget,
Dich mehr zu lieben, doch die Kraft gebricht;
Zu schwach sind ohne dich des Herzens Triebe.
Richt' auf das Herz, das nahe dem Verschmachten,
Das keine Tröstung außer dir begehrt;
Soll's länger darben, wird es Tod umnachten,
Und lebend stirbt's, wird's nicht von dir genährt;
Doch lebt es auf, willst mild du seiner achten;
So sei denn, Herr, der Hafen uns gewährt,
Der ohne dich stets unerreicht uns bliebe.
O hilf mir, Herr, daß ich nicht untergehe,
Aus Liebe hilf, o Lieb', ich bitte dich;
Gewähre deine Liebe mir, ich flehe,
Mein mächt'ges Seufzen höre gnädiglich;
Doch willst du, daß mich tödte Sehnsuchtswehe,
Laß sterben mich vor Lieb', ich füge mich,
O süßer Heiland, gern ob deiner Liebe.
O mein Erlöser, dieses ist mein Wille,
Nach Kräften Dienst und Liebe dir zu weihn;
O süßer Jesus, mein Verlangen stille,
Dein Lieben nehme ganz das Herz mir ein;
Den einen Wunsch der Seele mir erfülle,
Daß ich im Herzen hege dich allein,
Und du mit dir befriedest meine Triebe.
Ernähre mich mit dir, du Himmelsspeise,
Und außer dir mach' alles sonst mir leid;
Brod, das uns nähret auf der letzten Reise,
Wer recht dich liebt, stirbt nicht in Ewigkeit;
Und die besond're Gnade mir erweise,
Daß deiner Liebe ganz mein Herz sich weiht,
Du Herr der Huld, Ausspender aller Liebe.
O laß mich, süßer Jesus, dich genießen!
Da süßer du, als alle Süßigkeit,
Will ich für jedes and're mich verschließen;
Wer dich gekostet, dem wird allezeit
Der Mund von Milch und Honig überfließen;
All and're Lieb' entferne von mir weit
Und meinen Geist erneu' in deiner Liebe.
Dem werd', o Jesus, Liebesglut zu Theile,
Wer immer singt dies hocherhab'ne Wort;
So lang' es noch allhier im Fleische weile,
Erhalt' ihn rein und sei ihm Schirm und Hort;
Dann führe droben ihn zu seinem Heile,
Daß deines Anschauns er sich freue dort
Und deine Herrschaft theil', o wahre Liebe.
(S. 325-333)
_____
LVII.
Verachtet will ich leben und verschmäht,
Dieweil das Herz für dich in Flammen steht.
Ich will verschmäht einhergehn und verachtet,
Dein Licht verhindert, daß es je mir nachtet;
Du riefst mich, Herr, und trägst mich hold im Herzen
Drum will ich allzeit singen, tanzen, scherzen,
Gibt deine Liebe, was mein Herz erfleht.
Die Liebe säumt nicht, bei mir einzukehren,
Da Liebesglut und Sehnsucht mich verzehren;
Es scheint das Herz zu Gott sich aufzuschwingen
Und wünscht, ihn fest mit Armen zu umschlingen,
So daß es vor Verlangen ganz zergeht.
Mitleidig ist die Lieb' und stillt das Schmachten,
Sobald der Wonne Flammen sich entfachten;
Sie nimmt die Qualen, die das Herz zerrissen,
Und läßt mich selig ruhn auf ihrem Kissen,
So selig, daß es kein Verstand versteht.
Kein Geist erfaßt und keine Zunge kündet
Die süße Wonne, die das Herz empfindet;
Doch Ehrfurcht ist und Kühnheit hier verschlungen,
Weil hoch zum Herrn das Herz sich aufgeschwungen,
Der mild zu solchem Wonnerausch es lädt.
Und wenn ich wie bethört nun und verrückt bin,
Wie könnt' ich anders, da ich ganz entzückt bin?
Vor Liebe schmilzt mein Herz; doch unermattet
Versucht's, ob größre Lieb' ihm noch gestattet,
Wenn Kraft genug die Lieb' ihm zugesteht.
(S. 333-334)
_____
LVIII.
Jedweder, der da liebt den Herrn im Glanze,
Frohlock' in Lieb' und komm' herbei zum Tanze.
Er komme lieberfreut und tanz' und singe
Voll Sehnsucht nach dem Schöpfer aller Dinge,
Der Liebe Glut so mächtig ihn durchdringe,
Daß er sich schwinge, wie im Feuerkranze.
Im Feuerkranze, ganz von Glut entbronnen,
Dem Thoren gleich, der keine Rast gewonnen,
Mit Armen halte fest den Herrn umsponnen,
Bis daß zerronnen dir das Herz, das ganze.
Das Herz zerrinnt, wie Eis zergeht am Feuer,
Wenn ich den Herrn umarme, der mir theuer;
Berauscht vergeh' ich, doch ist Stütz' und Steuer
Mir und Erneuer, den durchfuhr die Lanze.
Berauscht von Liebe jauchzt, ihr meine Brüder,
Und singt dem Herrn und Heiland neue Lieder;
Es hall' im Engelchor der Jubel wieder;
Uns all beschied er zu so wonn'gem Glanze.
Er stieg herab, um uns empor zu heben,
Und will von uns zum Danke Lieb' und Leben;
Auf ihn gerichtet sei all unser Streben;
Er hat's gegeben, du empfingst das Ganze.
Den Herrn empfängst du, der dich kam zu lösen,
Er naht sich dir, wenn er es so erlesen;
Sprich, Seele, wie bist fähig du gewesen,
Daß Christi Wesen sich in dich verpflanze?
Mit dem Verstande kannst du's nicht ergründen,
Des Herzens Neigung nur vermag's zu künden;
Drum laß die Arbeit des Verstandes schwinden
Und froh entzünden sich dein Herz am Glanze.
Die Lieb' umfang', und sie wird dich umfangen,
Entäuß're deiner dich und, aufgegangen
In deinen Führer, wirst du Gnad' erlangen,
Geschmückt zu prangen mit dem Ehrenkranze.
O Lieb', o Liebe, wohin bin ich kommen?
O Lieb', o Liebe, mir bin ich entnommen,
O Lieb', o Lieb', ich bin in Glut entglommen,
Und wie verschwommen ist mein Geist im Glanze.
Ich brenn' in Feuersglut, die sich entfachte,
Ich sterbe lebend, leb', ob Tod mir nahte,
Ich liebe nicht, doch nach der Lieb' ich schmachte,
Und heiß ich trachte nach der Liebe Tanze.
Jedweder, der da liebt den Herrn im Glanze,
Frohlock' in Lieb' und komm herbei zum Tanze.
(S. 335-336)
_____
LIX.
Vollkomm'ne Lieb' erfreut
Kein Lohn; mit frohem Triebe
Gibt Liebe sie um Liebe,
Ob Leid sie gleich bedräut.
Die ganz vollkomm'ne Liebe
Ist nur bestrebt zu leiden;
Sie liebt, da müssen Freuden Schmerz ihr bieten;
Und mit erglühtem Triebe
Begehrt sie, Lust zu meiden,
Und will vor Gram und Leiden nie sich hüten;
Es schwelgt in Wonneblüthen
Das Herz der Liebesfrohen,
Wenn alles Lieb' entflohen
Und ihr das Kreuz sich beut.
Nimmt Lohn ein Knecht entgegen
Und sucht nur sich zu letzen,
So hat er im Ergetzen, was ihm lohne;
Des Dienstes so zu pflegen,
Muß seinen Werth zerfetzen,
Darfst nicht vollendet schätzen ihn im Frohne;
Ist Liebe schmerzenohne,
Entbehrt sie Kraft und Würde;
Ihr fehlen Ruhm und Zierde,
Wenn Leid und Qual sie scheut.
Sich selber muß die echte,
Die wahre Liebe hassen,
Weil ihren Trieb' umfassen enge Schranken;
Das Ird'sche wird die rechte,
Die reine Liebe lassen,
Nie kommen, es zu fassen, ihr Gedanken;
Es hebt sich ohne Wanken,
Zur ew'gen Lieb' ihr Streben;
Ihr wird ein Sohn gegeben,
Der ihre Lieb' erneut.
Der Sohn, deß sie genesen,
Die wahrste Liebe heißt er,
An Tugend reich erweist er sich, an Schätzen;
Und dort hat ihr erlesen
Schmerzhafte Glut ihr Meister;
Mit Ruhm sie tränkt und speist er, mit Ergetzen;
Stets muß sie Freud' erletzen
Und so die Glut sich mehren,
Daß Worte nicht erklären
Den Stand, der sie erfreut.
(S. 337-338)
_____
LX.
Dir, Christ, gab ich mich hin;
Verschmäh', o Herr, mich nimmer;
Ergriffen will ich immer
Von deiner Liebe glühn.
Der Seel' erschienst du drinnen
Ohn' sichtbarliche Mienen;
Da ist das Herz erschienen
Glut vor so heißem Minnen;
Ich sank schon im Beginnen;
Der Macht von Flammenkienen
Konnt' meine Kraft nicht dienen;
Sie wandelt Herz und Sinnen;
Da ließ ich sie gewinnen,
Um den Versuch zu wagen,
Christ Dienste anzutragen,
Der lang auf mich sah hin.
Mein Herz hast du gerühret,
Obgleich's nicht war mit Händen;
Die Lieb' hast du geschüret,
Des Lieb' ein Liebverschwenden;
Zur Welt sich wollt' es wenden,
In Irrthum nur geführet;
Scheinsüßigkeit gespüret
Nur hatt' es im Verblenden;
Ich floh nach allen Enden,
Als ich den Trug erkannte,
Der Schaden mir zuwandte
In Irren und in Müh'n.
Mein Lieb, mir so entgangen,
Begann mich jetzt zu lieben;
Er wollte Kund' erlangen
Von meiner Liebe Trieben;
Daher mein Unterfangen
Zu thun, was vorgeschrieben;
Ich wollte Demuth üben,
Um Höchstes zu erlangen;
Nicht um allhier zu prangen
In diesem Thränenthale;
Nein, daß im Ehrensaale
Mir möchte Glück erblühn.
Schwer ist's mir, auszuschlagen
Gen Liebesstachels Drohen;
Nicht läßt sie ab mit Plagen,
Stets fühl' ich ihre Lohen;
Mein Herz fühl' ich verzagen,
Da Flammen mich umlohen;
Nicht seh' ich einen frohen
Platz für mich aufgeschlagen;
Kein Ding auch seh' ich tragen
Die Farbe so wie jene;
Hoch Süßigkeit und Schöne
Empor den Geist mir ziehn.
Du, unbekanntes Lieben,
Hast neue Form gegeben;
In deiner Kraft Ausüben
Erblickte dich mein Leben;
Nicht kann ich euch angeben,
Was ich tief drinnen fühle;
Nie locken and're Ziele,
Und sollt' ich ewig leben.
Mir scheint ein neues Leben,
Kann ich's gleich nicht erwahren,
Die Lust, die ich erfahren,
In meinem Wonneglühn.
Durch meines Fensters Spalten
Her wollt' er mich berühren
Durch geist'gen Fingers Walten,
Ein übermenschlich Rühren;
Es war ein inn'res Spüren
Ohn' alle Fleischesregung
Und sinnliche Bewegung;
Das Herz kann Gaben spüren
Von solchem Liebberühren,
Daß Sprach' es kündet nimmer;
Und also steht es immer
Voll heißer Liebe Glühn.
Der Geist ist mir durchstrahlet
Von einem heitern Lichte;
Was äuß'res Licht bemalet,
Von jenem wird's zu Nichte;
Des rechten Weges Richte,
Sagt's, könn' es nimmer weisen;
Als Thorheit will's beweisen
Jedwede ird'sche Liebe,
Als einzig nur die Wonne
Im Herzen des Weltenalles,
Deß Lied voll süßen Schalles
Sie wollte an sich ziehn.
Seitdem der Täuschung Mienen
Durch's Wahre ich erkannte,
In frohem Amt zu dienen,
Ward ich sogleich bestimmet;
Es sollte, zornergrimmet,
Mein Geist dem widerstehen,
Was falsche Welt ersehen,
Mich in ihr Garn zu ziehen;
Nicht treu ist ihr Bemühen,
Nein, trüg'risch und voll Tücke;
Gift bergen Honigblicke,
Zum Abgrund mich zu ziehn.
Seit Wahrheit mir gefallen,
Ließ ich die Falschheit ziehen;
Da ist mir eingefallen:
"Such' Tod im Liebesglühen".
In froher Freude Sprühen
Der Hoffnung Tugend übe
Ich immerdar in Liebe;
Mit jenem ehrbar'n Kleide,
Drin ich sie sah, mich kleide;
Mir sei es sich're Brüstung
Selbst ohne Waffenrüstung,
Auf daß ich trotze kühn.
Seit ich die Tugend funden,
Mußt' ich mich selbst verachten;
Mich ließ ich unumwunden,
Mußt' mich als Sklavin achten,
Die Keiner durft' beachten;
Auf mich wollt' ich verzichten,
Christ ließ es mich verrichten,
Der niedrig sich ließ höhnen,
Und, uns sich zu versöhnen,
Sich nicht den Spott ließ rühren,
Um aufwärts uns zu führen
Zu Engelmelodien.
Nachdem ich das verrichtet,
Durft' ich den Geist erheben,
Ganz sehend mich vernichtet
Und umgeformt mein Leben;
Ein Stand ward mir gegeben,
Daß Christ ich fühlt' in mir;
Und als ich trat herfür,
Durft' auf Affectes Schwingen
Die Heit're ich durchdringen,
Ganz voll von Gottesliebe;
Rückwandt' ich nicht die Triebe,
So stark fühlt' ich mich ziehn.
Nichts war dem zu vergleichen,
Wie da mir war zu Muthe;
Nicht kann's Vernunft erreichen,
Nicht in Natur es ruhte;
Nicht stammt aus Fleisch und Blute
Das neuerwachte Lieben;
Natur war ausgetrieben,
Wie ein verderbtes Wesen
Und wie ein Weg vom Bösen,
Der nur uns führt zu irren,
Der nur uns kann verwirren,
Dem Ruf nicht nachzuziehn.
Hoch ob Natur und Sinnen
Und Kunst, klar konnt' ich's sehen,
War die Bewegung drinnen
Und dieses Festbegehen;
Sie konnt' ich nicht verschmähen
Als Last, ob ihrer Höhe;
Vielmehr, der Geistessehe
Pflegt Süßes sie zu zeigen;
Sie macht mir Einsicht eigen
Und lehrt mich ohne Laute;
Ihr Ton mich so erbaute,
Daß ich verklärt mir schien.
(S. 339-344)
_____
LXI.
In Glut mich Liebe zückte,
In Glut mich Liebe zückte.
In Glut mich Liebe zückte;
Mein Bräut'gam war's, der neue,
Als mir das Ringlein schickte
Das Lamm voll Liebestreue;
In Haft er mich entrückte,
Als mir sein Stahl das scheue
Herz traf und mir's zerstückte;
In Glut mich Liebe zückte.
Mir ward zerstückt das Herze,
Am Boden blieb ich liegen;
Der Liebe Flammenerze,
Die von der Armbrust fliegen,
Durchschossen mich mit Schmerze;
Aus Frieden ward ein Kriegen;
Ich sterb' in süßem Scherze;
In Glut mich Liebe zückte.
Ich sterb' in Wonnebeben,
Nicht staunet ob der Kunde;
Vom Liebesspeer gegeben
Ward mir die tiefe Wunde;
Am breiten Stahl erheben
Sich Stacheln in der Runde,
Die ganz im Herzen schweben;
In Glut mich Liebe zückte.
Der Speer zersprang schon lange,
Und Wurfwerk ward gerichtet,
Zum Schilde griff ich bange,
Doch Streich auf Streich sich schichtet;
Nichts bot mir Schutz im Drange;
Ganz ward ich da vernichtet,
So spannt' er jede Stange;
In Glut mich Liebe zückte.
Als er zu straff sie spannte,
Zersprangen Sträng' und Stricke,
Drob ich dem Tod' entrannte,
Der stand vor meinem Blicke;
Mit lautem Schrei bemannte
Er drauf ein Schleuderstücke,
Das and're Blöck' entsandte;
In Glut mich Liebe zückte.
Die Blöcke waren runde
Mit Blei gefüllte Steine,
Und tausend wucht'ge Pfunde
Wog deren jeder eine;
Der Zahl hab' ich nicht Kunde,
So dicht schlug im Vereine
Mir Wurf auf Wurf 'ne Wunde;
In Glut mich Liebe zückte.
Kein Wurf ging Ziels verlustig;
Gut wußt' er sie zu lenken;
Zu Boden stürzen mußt' ich,
Nichts konnte Schutz mir schenken;
Wund war an Kopf und Brust ich,
Besinnung schwand und Denken;
Mein war nicht mehr bewußt ich;
In Glut mich Liebe zückte.
Bewußtlos, nicht entseelet,
Durch Wonn' und Lust von Sinnen;
Dann lebt' ich auf, gestählet
So fest im Herzen drinnen,
Daß ich den Steig erwählet
Zu einer Hofburg Zinnen,
Der nicht mir blieb verhehlet;
In Glut mich Liebe zückte.
Als zu mir selbst ich kommen,
Mit Jesus Christus stritt ich;
Zu Waff' und Wehr gekommen,
In seine Lande ritt ich;
Hab' ihn zum Ziel genommen,
Nicht wich nur einen Schritt ich,
Bis Rach' ich nun genommen;
In Glut mich Liebe zückte.
Als Rach' ich nun gefunden,
Hab' Frieden ich geschlossen,
Weil schon in ersten Stunden
Wahrhafte Lieb' entsprossen;
Und Christ, dem liebewunden,
Ward nun ich zum Genossen,
Dem stets mein Herz verbunden;
In Glut mich Liebe zückte.
In Glut mich Liebe zückte,
In Glut mich Liebe zückte.
(S. 345-348)
_____
LXIII.
O heil'ges Licht,
Das in die Seele bricht,
Du löschest dessen Licht,
Dem du dein Licht willst geben.
O Licht, so rein,
Nicht wirst du verleihn
Getrübtem Schein,
Zu nahen deinem Leben.
O Licht, nie erkundet,
Dein Lichtglanz verwundet;
Zum Ort, wo man gesundet,
Willst du empor uns heben.
O Licht, das durchzückt,
Umformt und entrückt,
Daß scharf man erblickt,
Was nimmer kund zu geben.
O Licht, hochbenedeit,
Wen reich du hast geweidet,
Der ist gar bald entkleidet,
Um himmelwärts zu schweben.
O Licht, benedeit,
Zu Gotte Geleit!
Licht leuchtet alle Zeit,
Dem du Geleit willst geben.
O Licht, viel erbeten,
Wo du in's Haus getreten,
Wird Lichtglanz sich röthen
Und alles umschweben.
O Licht, süß zu wählen,
Du läuterst die Seelen,
Nie kann es ihnen fehlen
An sel'gem Liebesleben.
O Licht, sonder Gestade,
Voll jeder Huld und Gnade;
Hoch führst du die Pfade
Zum ewig sel'gen Leben.
O Licht, voll und helle,
Du unversiegte Quelle,
Wer trinkt von deiner Welle,
Wird Lichtes Schätze heben.
O Licht, süßer Lohn,
Du einst dem Gottessohn
Die Seele, die entflohn
Durch dich unreinem Leben.
O wahrhaftes Licht,
Dem Friede nie gebricht,
Wer dich besitzt, kann nicht
Fortan der Sünde leben.
O Licht, das Flammen sprüht,
Durchzuckst du ein Gemüth,
So muß es lieberglüht
Hoch ob den Himmeln schweben.
O Licht, du wirkst in Eile,
Gleichwie erglühte Pfeile,
Daß Brand das Herz zertheile
Und Flammen es durchbeben.
O Licht, hehr, unerreichlich,
Gut gibst du unvergleichlich;
Verderben, unausweichlich,
Trifft, fern dir, jedes Leben.
O Licht, hoch und unendlich,
Deß Wirken unverständlich;
Stets warst du unabwendlich
In allem deinem Streben.
O Licht sonder Gestade,
Wer kennet deine Pfade?
Nur der gelangt zur Gnade,
Dem du dich hast gegeben.
O Licht, dein Strahlenglanz
Erlöscht der Sterne Kranz,
Du machst die Seele ganz
In Huld und Gnade schweben.
O Licht, klar und schön,
Du lehrst die Seele gehen
Den Weg zu hehren Höhn,
Der Wenigen gegeben.
O Licht, das vergnügt
Und dem sich freundlich fügt,
Dem es am Herzen liegt,
Stets himmelan zu streben.
O Licht, fest und gediegen,
Kein Band kann dich besiegen;
Es muß zerrissen liegen,
Wenn du dich willst erheben.
O Licht voll Glut,
Du nimmst die Seel' in Hut
Vor Sünd' und Frevelmuth,
Die stets bedräu'n ihr Leben.
O Licht, hochbeglückt,
So jedem Maß entrückt,
Daß Seelen entzückt
Durch deinen Abgrund schweben.
O Licht, ungetrübt,
Dem Herzen, das dich liebt,
Enthüllst du das geübt,
Was Schleier sonst umgeben.
O Licht voll Güte,
Gibst Ruh' dem Gemüthe,
Das Leid und Reu' durchglühte,
Weil sündenvoll sein Leben.
O Licht, sanftes Trösten,
Den schmerzenvoll Entblößten;
Durch dich gelingt's Erlösten,
Dem Hafen zuzuschweben.
O Licht voll Frieden,
Durch dich allein hienieden
Ist Müden es beschieden,
Der wahren Ruh' zu leben.
O Licht, lieb und lind,
Dein Gnadengut gewinnt,
Wer darauf denkt und sinnt,
Dir ganz sich zu ergeben.
O Licht, o Glut,
Wer treu dich liebt und gut,
Dem gibst du keuschen Muth,
In ihm der Ruh' zu leben.
(S. 360-365)
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LXV.
Das Haupt zur Erde kehrt,
Weß Herz die Demuth ehrt.
Lieb' hat mir zugelacht
Und Fesseln mir gebracht.
Tief seufz' ich auf vor Schmerz,
Die Liebe traf mein Herz.
Wenn stete Treu' ich übe,
Ist wahrhaft meine Liebe.
Bleibt treu mein Herz und Sinn,
Wird Gott einst mein Gewinn.
Die Lieb' hat mich verwundet,
Mir hat's die Glut bekundet.
Ich salbe Gott mit Thränen,
Er will mein Herz ausdehnen.
Ich schau' im Geist nach oben
Zum Himmel aufgehoben.
Ich will mich selber hassen,
Mehr Liebe noch zu fassen.
Mein Herz ist liebentloht,
Daß es zu schmelzen droht.
Ich schmacht' in Sehnsuchtswehe,
Weil ich den Herrn nicht sehe.
Mein Herz erliegt dem Triebe,
So überfüllt mit Liebe.
Das Herz senkt in Vergessenheit
Der Wonnen Unermessenheit.
(S. 383-384)
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Aus: Ausgewählte
Gedichte Jacopone's da Todi.
Deutsch von C. Schlüter [Christoph Bernhard Schlüter 1801-1884]
und W. Storck [Wilhelm Storck 1829-1905]
Münster Druck und Verlag der Theissing'schen Buchhandlung 1864
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