Gottesliebe

Worte der Liebe
aus der hinduistischen Welt
 

 





Manikka-Vasagar (9. Jh.)


Aus: ŠIVA PURANA
(I)
DAS ALTER ŠIVAS
DAS ALTER DES ANFANGLOSEN WESENS ŠIVAS
Kundgegeben in Tirupperunturai


7.
Du Intelligenz ohne Fehl,
Die das Nichtwissen zerstöret!
O du, der ohne Entstehen,
Ohne Schranken, ohn' Ende ist!
O Schöpfer, du, o Erhalter,
Zerstörer des ganzen Weltalls!
O Spender, du, der Arul1,
O du, der du aufhören läßt
Das Wiedergeborenwerden,
Der du mich genommen hast
In deinen heiligen Dienst!
O Šiva, der du wandelst
Ohne Fehl und ohne Makel!
O du, der du fern bist denen,
Die dich nicht liebend verehren,
Und nahe allen denen,
Die dich von Herzen lieben!
O Siva, Vedalehrer,
Der du zum Schweigen bringst
Den widersprechenden Manas!2
O Peruman3, der du spendest
Honig im Herzen der Treuen,
Wie wenn du fließende Butter,
Zucker und saure Milch
Miteinander vermischest,
Und der du bereitest ein Ende
Dem Wiedergeborenwerden!
O du Vollbringer der Werke,
Der fünf einzigart'gen!4
Du, der du verborgen bliebst
Vor den Himmlischen allen,
Als sie dich angebetet,
O Peruman, o Šiva!
(S. 2-3)


9.
O du helles Licht, das strahlet
In makellosem Glanze,
O Lichtgestalt, du, o Honig,
O köstlicher Nektar, du!
O Herr der Šivastadt!
O Priester, der du erscheinest,
Zu lösen die Fessel des Paša!5
O du großer Gnadenstrom,
Der du mit meinem Herzen
Unzertrennlich verbunden bist,
Deine liebreiche Arul1
Bescherend dem Karmabelad'nen,
Um zu vernichten die Lüge!
O köstlicher Nektar, du,
Von dem noch keiner genug trank!
Unendlicher Peruman!3
O herrliche Lichtgestalt,
Die du in den Herzen derer,
Die deiner nicht gedenken,
Nur verborgen zugegen bist!
O du, der du mein Herz
Wie Wasser zerfließen läßt
Und als mein Lebensgrund
In mir zugegen bist!
O Šiva, der du frei bist
Von Freude und von Leid
Und doch auf dich genommen
Das Leid und auch die Freud'!
O du, der du ein Freund bist
Von denen, die dich lieben!
O herrliche Lichtgestalt,
Die du alles bist und nicht bist!
O du große Finsternis!
O herrlich Erhab'ner, du,
Der du bist für keinen sichtbar!
O Šiva, o Anfang, du!
O du, der du das Ende
Und der du auch die Mitte
Und doch das alles nicht bist!
O gütiger, großer Vater,
Der du mich zu dir gezogen
Und gnädig dich meiner annahmst!
O Gegenstand der Erkenntnis,
Der du nicht bist zu erkennen
Selbst für das Erkenntnisvermögen
Von denen, die erkennen,
Erleuchtet durch das Wissen,
Das wahre, das alles durchdringt!
O feine Intelligenz,
Die unerreichbar ist
Selbst für das feinste Denken!
O du Tugendsamer, du,
Für den es kein Vergeben,
Für den es kein Entstehen
Und keine Verbindung gibt!
König, der du uns beschützest!
O du schwer zu erkennendes,
Du großes, strahlendes Licht!
O Wonneflut, o Vater,
Der du alles übertriffst
O Wisser, du, der du bist
Das herrlich leuchtende Licht
Für alles, das da besteht,
O Peruman3, des Wissen
Von unbeschreibbarer Feinheit,
Der du in verschiedner Gestalt
Als Erkenntnis dich angeboten,
O Šiva, in dieser Welt
Der Mannigfaltigkeiten!
O Grund, du, alles Wissens!
O du, der in meinem Herzen
Als köstlicher Nektar sprudelt!
O du, aller Dinge Besitzer!
(S. 3-4)


1 Arul - Gnade
2 Manas - einer der Tattva; es ist eines der Denkorgane, das die Eindrücke der Sinne zunächst entgegennehmende Denkorgan
3 Peruman - ein großer königlicher Mann, Bezeichnung für Šiva
4 Die fünf Hauptwerke Šivas sind: Schöpfung, Erhaltung, Zerstörung, Verhüllung, Erleuchtung
5 Paša - Fesselung. Eine Bezeichnung für Mala (das Unreine)
_____



Aus: TIRUVANDAPPAKUTI
(III)
GRUNDFORM DES WELTEIS
DIE GROBE UND DIE FEINE GESTALT ŠIVAS
Kundgegeben in Chidambaram



5.
Dann ertrage ich es nicht!
Hör', wehe! zugrunde geh' ich!
Ich sah ihn mit eigenen Augen,
Ihn - hör'! - der verborgen ist
In der lieblichen Harfe,
Ihn höre! - hab' ich geseh'n,
Der alles sofort erkennt,
Den Höchsten sah ich, o höre!,
Den Erhab'nen, den Alten,
Ihn, den Brahma und Visnu
Nicht haben erreichen können,
Den Wunderbaren sah ich,
Den Vielgestaltigen, höre!,
Den Alten! - o höre! - ihn,
Der jenseits steht aller Worte,
Ihn, der - o höre! - wohnet
In einer Ferne, dahin
Auch der Geist nicht dringen kann,
Ihn, der - höre! - im Netze
Der Bhakti1 zu fangen ist,
Ihn, den Einzigen - höre!
Von dem gesagt werden kann,
Daß er der Einzige ist,
Ihn, der - höre! - seiend
Die ganze Welt durchdringt,
Die ausgebreitete, weite,
Der nicht mehr in Atome
Aufgelöset kann werden,
Ihn, den - höre! - an Größe
Nichts übertreffen kann,
Ihn, der an Wert übertrifft -
Hör'! - alles, das wertvoll ist,
Ihn, der mit allem verbunden,
Der alles wachsen läßt,
Ihn, der - höre! - zu fein ist,
Als daß man ihn könnte erkennen
Durch Bücherwissen und -weisheit!
Ihn, der - höre! - durchdringet
Oben und unten alles!
Ihn, der - o höre! - stehet
Jenseits von Anfang und Ende!
Ihn, der - o höre! - bewirkt
Fesselung und Erlösung,
Ihn, der das Unbewegliche
Und das Bewegliche ist,
Ihn, der - hör'! - überschaut
Geburt und auch den Tod!
Den Herrn, zu dem - o höre!, -
Alle gelangen können,
Šiva hab' ich geseh'n,
Den die Götter nicht kennen,
Ihn, der da ist - o höre! -
Sowohl "er", als "sie" und auch "es"!
Erkannt hab' ich, daß der Nektar,
Der - hör'! - so reichlich triefet
Von liebreicher Arul2,
Daß - höre! - der Allgnäd'ge,
Daß er, des Fuß - o höre! -
Bis auf uns're Erde reicht,
Daß er - o hör'! - Šiva selber,
Der herrlich Erhabene ist!
(S. 12-13)



9.
Das höchste Gut sei gepriesen,
Das die giftige Schlange
Nach seinem Gefallen läßt tanzen!
Gepriesen sei der Große,
Der mir die Sinne verwirrt hat!
Gepriesen sei er, der erscheinet
Im Schmucke der heiligen Asche!3
Gepriesen sei Šiva, der Herr,
Der das Gehende gehen,
Der das Liegende liegen,
Das Stehende stehen macht!
Der Alte sei gepriesen
Der jenseits steht aller Worte,
Der nicht erkannt kann werden
Durch innere Erkenntnis,
Und auch nicht durch das Auge,
Noch durch die andern Organe,
Er, der den Äther und auch
Die andern Elemente
Ins Dasein gerufen hat,
Das herrliche Wesen, das heute
Freiwillig zu mir gekommen,
Und das mir heute gezeigt hat
Sein' erhabene Herrlichkeit,
Die alles unzertrennlich
Erfüllt wie der Duft die Blume,
Und das zum Stillstand gebracht hat,
Die Verknüpfung mit dem Leibe,
Dem vergänglichen Leichnam!
Gepriesen sei er, der gekommen
Heute aus eigenem Antrieb
Um meiner Seligkeit willen!
Gepriesen sei er, der mir
Diesen Körper gegeben,
Der für die Erleuchtung geeignet!
Gepriesen sei er, der erfreut,
Indem er das Inn're erfüllt! (S. 14)



10.
Nicht mag ich sprechen darüber,
Daß ich das Leben ertrug,
Ohne Ihn jauchzend zu preisen,
Während mich umflutete
Die unbeschreibliche, große,
Die ewige Seligkeit!
So daß das Goldlicht strahlte,
Das funkelte wie ein Haufe
Von schimmernden Smaragden,
Wie eine Perlenkette,
Wie ein heller, leuchtender Blitz,
So hab' ich den Dieb geseh'n,
Der selbst denen verborgen bleibt,
Die überall ihn suchen
In jeder Himmelsrichtung,
Der denen verborgen bleibt,
Die mit Ernst sich mühen,
Ihn durch den Veda zu preisen,
Der denen verborgen bleibt,
Die traurig darüber klagen,
Daß die Wissenden leiden
Unter der Einsamkeit,
Der denen verborgen bleibt,
Die mit den Vedateilen
Sich abmüh'n voller Eifer,
Der mit Hilfe der Magie
Denen verborgen bleibet,
Die behaupten, sie könnten
Ihn sehen durch Magie;
Ihn, der verborgen bleibet,
Indem er heiteren Blicks
Almosen in Empfang nimmt,
Und bald als ein Mann erscheinet,
Bald als ein Eunuch umherzieht,
Dann als ein Mädchen auftritt
Mit heller, leuchtender Stirn;
Der völlig verborgen bleibt
Im Innern der Büßer,
Die die fünf Sinne weit weg
Vertreiben, und die durchstreifen
Schwer zugängliche Berge,
Die Essen von sich stoßen
Und nur mit genauer Not
Ihr elendes Leben fristen;
Ihn sah ich, der bleibt verborgen
Für die, die möchten erkennen,
Ob ein höchstes Wesen es gibt,
Oder ob es das nicht gibt;
Der verborgen bleibt, so oft
Man in alter Zeit sich auch mühte,
So oft auch heut' man sich abmüht,
Ihn, den Herrn, zu erkennen!
Er, der sich sogar verbarg
Vor der Zuneigung derer,
Die da singen und sagen:
"Jauchzet, jauchzet, bekränzt seinen Fuß
Mit duftenden, frischen Girlanden,
Huldiget, huldiget ihm,
Weilet in seiner Nähe,
Folgt ihm, verlasset ihn nicht!
Seid herzlich ihm zugetan!"
(S. 14-15)



13.
Ich weiß nicht, was ich dazu sagen,
Was ich davon denken soll!
Weh', ich hab's nicht ertragen!
Ich wußte nicht, was ich tat!
O wehe! ich verging!
Ich wußte nicht, daß er erwies
Mir Geringem seine Huld!
Ob ich auch aß, ward ich nicht satt,
Und ach! - obgleich ich verschlang,
Wurde ich doch nicht gesättigt!
Er machte sich gleich den Wogen
Des tiefen, kühlen Milchmeers,
Er machte, daß es sich ergoß
Über mein Herz wie das Wasser
Des übervollen Meeres,
Daß über den Mund hinaus
Der Nektar, der süße, hat
Umflutet all' meine Glieder.
Keinen von allen Körpern
Hat er, der Herr, sich erwählt.
Doch meinen geringen Leib,
Der vom Fleische sich mästet,
Meinen Leib, der nicht besser
Als der eines Tieres ist,
Den hat er zum Wohnort erkoren,
Goß über mich aus den Honig,
Den süßen, und ließ fluten
Den wunderbaren Nektar,
Den klaren, in vollen Strömen
Über die Öffnungen alle
Meines vergänglichen Leibes,
Als hätte er eine Gestalt
Aus wachsweichem Herzen gemacht,
Verschaffte er mir einen Körper,
So weich wie schmelzendes Wachs!
So daß ich am Ende glich
Dem Elefanten, der suchet
Früchte und Zuckerrohr,
So hat er, der Herr, mich gemacht!
Er ward für mich zum Nektar,
Zum Nektar, der sich über mich
Zusammen mit der Arul2
In reichem Strome ergoß,
So daß der Honig der Gnade
Und ich miteinander sich mischten,
Er, den Brahma und Visnu
Nicht haben erkennen können!
(S. 16)


1Bhakti - liebende Hingabe an einen Gott
2 Arul - Gnade
3 Die heilige Asche ist Asche von verbranntem Kuhdung.
Man bestreicht sich damit besonders die Stirn,
aber auch andere Körperteile, gewöhnlich in der Form
von drei einander parallel laufenden Strichen.
Es ist ein beliebtes Abzeichen der Šivaiten.
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Aus: PORIRITTIRUVAKAVAL
(IV)
DER HEILIGE LOBPREIS
DIE ENTSTEHUNG DES ALLS
Kundgegeben in Chidambaram



6.
Gepriesen seist du, o Herr,
Der du derer dich annimmst,
Die auch im Traum nicht gedenken
Eines andern Gottes;
Die nicht halten das Große
Für etwas, das niedrig und klein ist,
Das Große, daß der Erhab'ne
Zur Erde kommt und erscheint
In der Gestalt eines Guru1,
Der Unvergleichliche, Höchste!
Die gleich unzertrennlichen Schatten
Deinen zwei Füßen folgen,
Ohne daß sie jemals
Des überdrüssig würden;
Deren Gebeine zergehen,
Die seufzen und sich sehnen,
Wenn sie auch nur hinschauen
Nach der Richtung, wo sie
Die heil'gen Füße wissen;
Deren Sinne, o Šiva,
Auf dich allein sich richten,
Als wäre der Fluß der Liebe
Über die Ufer getreten;
Die da rufen: "O Herr, o Herr!"
Deren Worte sich verwirren;
Die mit den flinken Händen
So eifrig Blumen sammeln,
Daß ihre Haare sich sträuben;
Die ihre Liebe so pflegen,
Die unzerstörbare, große,
Daß in voller Blüte stehen
Ihrer Herzen Lotusblumen,
Und daß vor lauter Freude
Den Augen Tränen entquellen!
(S. 19-20)



7.
Sei gepriesen, machtvoller Gott,
Der du mir zum Lehrer wirst,
Der mich die Wahrheit lehret,
Der du mir hilfst, daß aufhören
Meine zweierlei Taten!
Gepriesen seist du, o Šiva
Du König von Madura2,
Dem Schauplatz deines Tanzes!
Gepriesen seist du, Erhab'ner,
Du leuchtender Edelstein
Eines Lehrers in Menschengestalt!
Gepriesen seist du Tänzer
In der Halle Chidambarams3,
Das im Südland gelegen!
Gepriesen seist du, der du bist
Köstlicher Nektar mir heute!
Gepriesen seiest du, Herr
Der heiligen vier Veden,
Die nie und nimmer veralten!
Gepriesen seist du, Šiva,
Mit dem Stier als Siegeswahrzeichen!
Gepriesen seist du, o Herr,
In der Mannigfaltigkeit
Deiner strahlenden Lichtgestalten!
Herrlicher, sei gepriesen,
Der du Sehnen aus Steinen schneidest!
Gepriesen seist du, Šiva,
Du Hüter des goldenen Berges!
Gepriesen seist du, der du
Voll Erbarmen dich meiner annimmst!
Gepriesen seist du, der du
Schaffst, erhältst und zerstörest!
Gepriesen seist du, mein Vater,
Der alles Unheil hinwegnimmt!
Gepriesen seist du, o Herr!
Gepriesen seist du, o Höchster!
Gepriesen seist du, Erhab'ner,
O glänzender Kristallberg!
Gepriesen seist du, o König!
Gepriesen seist du, o Nektar!
Gepriesen seien, o Šiva,
Deine duftenden Blumenfüße!
Gepriesen seist du, o Gott,
Du Herr des Opferaltars!
Sei gepriesen Malaloser!4
Gepriesen seist du, Herr,
Der du der Erste bist!
Gepriesen seiest du,
Der du das Wissen bist!
Gepriesen seiest du,
Der du die Seligkeit bist!
Gepriesen seiest du,
Der du wie eine Frucht bist!
Gepriesen seist du, höchstes Gut,
Du, mit dem herrlichen Zopfe,
In dem die Ganges fließet!
Gepriesen seist du, o Šiva,
Der du bist der Herr aller Dinge!
Gepriesen seist du, der du
Mir dienest als Intelligenz!
Gepriesen seist du, daß du
Mich Geringen als Knecht genommen!
Gepriesen seist du, o Herr!
Gepriesen seist du, o Gott,
Der du klein wie ein Atom bist!
Gepriesen seist du, o Herr,
Der du die Seligkeit bist!
Gepriesen seist du, Haupt aller!
Gepriesen seiest du,
Von dem alles ein Abbild ist!
Gepriesen seist du, o Gott,
Der du bist als Guna5 in allem!
Gepriesen seist du, der du
Allein der rechte Weg bist!
Gepriesen seiest du,
Der du der Gedanke bist!
Gepriesen seist du, der du bist
Für die Götter köstlicher Nektar!
Gepriesen seist du, der du bist
Für die andern ein gnädiger Herr!
Gepriesen seist du, o König,
Der du gnädig bewirkt hast,
Daß meine drei mal sieben
Verwandten nicht sind gekommen
Hinein in die qualvolle Hölle!
Gepriesen seist du, o Freund!
Gepriesen seist du, o Helfer!
Gepriesen seist du, o mein Heil!
Gepriesen seist du, o mein Schatz!
Gepriesen seist du, o Sel'ger!
Gepriesen seist du, o Höchster!
Gepriesen seist du, o Vater!
Gepriesen seist du, o Šiva!
Gepriesen seist du, o Einz'ger,
Der du jenseits stehest
Von Worten und Gedanken!
Gepriesen seist du, der du läßt
Hervortreten unsere Erde
Aus dem weiten, tiefen Meer!
Gepriesen seist du o Šiva,
O unvergleichliche Schönheit!
Gepriesen , seist du, des Auge
Einer schwarzen Wolke gleicht!
Gepriesen seist du, o Herr,
Du ewiger Gnadenberg!
Gepriesen seist du, o Held,
Der du mich sogar gehalten
Für wertvoll genug, zu setzen
Deine machtvollen Füße,
O Herr, auf meinen Kopf!
Gepriesen seist du, o Gott,
Der du bist allen Unheils
Verehrungswürd'ger Zerstörer!
Gepriesen seiest du,
Unausschöpfbares Wonnemeer!
Gepriesen seist du, o Šiva,
Der du jenseits stehst von allem
Vergehen und Entstehen!
Gepriesen seist du, Gemahl
Der Rehäugigen, Schönen!
Gepriesen seist du, der du bist
Eine Mutter für die Götter
In der ganzen Himmelswelt!
Gepriesen seist du, der du
In der Erde alles erfüllst
In Gestalt der fünf Elemente!
Gepriesen seist du, der du
Im Wasser alles erfüllst
In Gestalt der vier Elemente!
Gepriesen seist du, der du
Im Feuer so hell leuchtest
In Gestalt der drei Elemente!
Gepriesen seist du, Šiva,
Der du dich im Winde erfreust
In Gestalt der zwei Elemente!
Gepriesen seist du, der im Äther
Allein tritt in die Erscheinung!
Gepriesen seist du, o Herr!
Der du bist als Nektar zugegen
Im Herzen aller derer,
Die dich, o Vater, lieben!
Gepriesen seist du, der du
Für die Götter auch im Traume
Schwer zu erreichen bist!
Gepriesen seist du, der du
Mir Geringem erschienen bist
Sogar im wachen Zustand!
Gepriesen seist du, o Vater,
Der du wohnest in dem schönen
Tiruvidaimarutur!
Gepriesen seist du, der du trägst
Die Ganges in deinem Zopfe!
Gepriesen seist du, o König,
Der du thronst in Tiruvarur!
Gepriesen seist du, o Herr
Des berühmten Tiruvaiyaru!
Gepriesen seist du, der du wohnst
In Tiruvannamalai!
Gepriesen seiest du,
Du großer Nektarsee!
Gepriesen seist du, o Vater,
Der du wohnest in dem lieblichen
Tiruvekampattu!
Gepriesen seiest du,
Des eine Hälfte die Frau ist!
Gepriesen seist du, Höchster,
Der du erschienen bist
In Tirupparaytturai!
Gepriesen seist du, o Šiva,
Der du erschienen bist
In Tirussirappalli!
Gepriesen seist du, o Herr,
Außerdem ich in dieser Welt
Keine einzige Zuflucht kenne!
Gepriesen seiest du
O Tänzer, der du wohnst
In Tirukkurralam!
Gepriesen seiest du,
O König von Kokali!
Gepriesen seiest du,
O Vater, der du wohnest
In Tiruvihkoymalai!
Gepriesen seist, Herrlicher, du,
Der du wohnst im lieblichen,
Im schönen Tiruppaianam!
Gepriesen seist du, der du thronst
O Schöngestaltiger, du,
Im schönen Tirukkadampur!
Gepriesen seist du, o Vater,
Der du denen Gnade erweist,
Die in Liebe zu dir kommen!
Gepriesen seist du, o König,
Der du unter dem Ficus virens
Den Sechs und dem Elefanten
In Gnaden erschienen bist!
Gepriesen seist du, o Šiva,
Der du Herr des Südlands bist!
Gepriesen seist du, o Gott,
Der du Herr bist aller Menschen!
Gepriesen seist du, der du gnädig
Der jungen Eber dich annahmst!
Gepriesen seiest du,
O Herr des herrlichen, schönen;
Des berühmten Kailasabergs!6
Gepriesen seist du, o Vater,
Der du Gnade erweisen mußt!
Gepriesen seist du, o König,
Der du hast in deiner Gnade
Die Unwissenheit beseitigt!
Gepriesen seist du, Šiva!
Ich bin dein Knecht, leide Pein,
Ich fühle mich verlassen!
Gepriesen seiest du,
Der du gnädig darauf bedacht bist,
Erhab'ner, zu betrügen!
Gepriesen seiest du,
Der du hier auf Erden gnädigst
Uns zurufst: "Fürchtet euch nicht!"
Gepriesen seist du,
Der du Gift wie Nektar liebst!
Gepriesen seist du, o Vater!
Gepriesen seist du, o Herr!
Gepriesen seist du, o Ew'ger,
Gepriesen seist du, o Reiner!
Gepriesen seist du, du Frommer!
Gepriesen seiest du,
O wahrhaft Seiender!
Gepriesen seist du, o Großer,
Gepriesen seist du, o Fürst!
Gepriesen seist du, o Teurer,
Gepriesen, Malaloser!7
Gepriesen seist du, o Weg,
Der du hast angenommen
Die Verkleidung eines Brahmanen!
Gepriesen seist du - o weh! -
Ich ertrage es nicht, o Höchster!
Gepriesen seist du, Šiva,
Der du mir Verwandtschaft bist!
Gepriesen seiest du,
O Seele meiner Seele!
Gepriesen seist Herrlicher, du,
Gepriesen seist du, o Šivam!
Gepriesen seist du, o Schöner,
Gepriesen, du, o Gemahl!
Gepriesen seist du, o Gefährte
Der Frau mit den schönen Füßen,
Die bekleidet mit Baumwolle sind!
Gepriesen seiest du!
Ich, o Herr, erlitt Pein,
Ich Tier, ich Diener, ich Sklave!
Gepriesen seist du, o Šiva,
O Herr mit den glänzenden Strahlen!
Gepriesen seist du, des Auge
Die Spalte der Stirn ausfüllt!
Gepriesen seist du, o König,
Der du so gerne weilest
In dem so viel besuchten,
Dem schonen Tiruppati!
Gepriesen seist du, der du bist
König des bergigen Landes!
Gepriesen seist du, der du bist
Wie ein gewaltiger Löwe
Für Visnu, der ausgerüstet
Mit allerlei Kräften ist!
Gepriesen seist du, o Reicher,
Der du so gerne wohnest
In Tirukkalukkunru!
Gepriesen seist du, o König
Von Tiruppuvanam!
Gepriesen seist du, der du bist
Gestaltlos und gestaltig!
Gepriesen seist du, Herr,
Du herrlicher Gnadenberg,
Der du dich uns freundlich nahst!
Gepriesen seist du, o Licht,
O Šiva, der du stehest
Jenseits des Turiya-Avastha!
Gepriesen seiest du,
O Šiva, der du ganz allein
Bist die Intelligenz,
Die schwer zu erkennende!
Gepriesen seist du, der du glänzest
Wie eine schimmernde Perle,
Eine schöne, fehlerlose!
Gepriesen seist du, der du liebst,
Die deine Knechte geworden!
Gepriesen seist du, o Nektar
Dessen überdrüssig
Man niemals wird, o Arul!8
Gepriesen seist du, Erhab'ner,
Mit deinen tausend Namen!
Gepriesen seist du, der du trägst
Einen Kranz aus rankendem Gras!
Gepriesen seiest du,
O lichtgestaltiger Tänzer!
Gepriesen seist du, o Schöner,
Der du dich bestrichen hast
Mit duftendem Sandelwasser!
Gepriesen seist du, o Šiva,
O schwer auszudenkende,
O ewige Seligkeit!
Gepriesen seist du, der du wohnst
Auf dem Zauberberge Kailasa!
Gepriesen seiest du,
Der du dich uns'rer annahmst,
Damit wir leben können!
Gepriesen seist du, der du
Dem Rehkälbchen hast gegeben
Die Euter eines Tigers!
Gepriesen seist du, der du wandelst
Auf dem wild bewegten Meer,
Der du dich gnädig erwiesest
Dem armen, schwarzen Vogel!
Gepriesen seist du, Šiva,
Der du bewirkst, daß hinschwinden
Unsere kraftvollen Sinne!
Gepriesen seiest du, Herr,
O du, des Feuers Gott,
Der du es verstehst, dich zu nahen
Der Welt, o herrlich Erhab'ner!
Gepriesen seist du, der du bist
Anfang, Mitte und Ende!
Gepriesen seist du, der du schenktest
Dem Pandya-Könige
Die ewige All-Seligkeit,
So daß zurückkehren brauchte
Er weder zur Höll, noch zur Erde
Und auch zum Himmel nicht mehr!
Gepriesen seist du, Einz'ger,
Der du unzertrennlich mit allem
Verbunden, alles erfüllst,
Gepriesen seist du, o König
Der goldenen Šivastadt,
Die lieblich umgeben ist
Von üppigen Blumenhainen!
Gepriesen seist du, der du trägst
Einen Kranz aus Wasserlilien!
Gepriesen seist du, der du wegnimmst
Die Verwirrung der Verehrer!
Gepriesen seist du, der du hast
Den Liederkranz angenommen,
Den ich, Geringer, dir wand,
Ich, der ich weder kenne
Deine Seligkeit, o Šiva,
Noch auch deine Herrlichkeit!
Gepriesen seist du, o Alter,
Der du die drei Städte verbrannt hast!
Gepriesen seist du, Höchster
Im Glanze des hellen Lichtes,
Das alles übertrifft!
Gepriesen, gepriesen seist du,
O Herr der schillernden Schlange!
Gepriesen, gepriesen seist du,
Aller Dinge Ursach', o Alter!
Gepriesen, gepriesen seist du!
Heil sei dir! Gepriesen seist du!
(S. 20-24)


1Guru - Geistlicher Lehrer, als der Siva auftritt,
wenn eine Seele reif ist, die erlösende Unterweisung zu erlangen.
Als Guru soll Siva dem Manikka-Vasagar in Tirupperunturai erschienen sein
2 Madura - Hauptstadt des Pandyalandes
(das südlichste der alten dravidischen Königreiche)
3 Chidambaram - ein den Sivaiten besonders heiliger Ort
mit einem berühmten Tempel.
Hier befindet sich die sog. goldene Halle,
in der Siva seine mystischen Tänze tanzen soll.
4 Mala - das Unreine, umfaßt alle, was nicht Siva und nicht Seele ist
5 Guna - Eigenschaft, Attribut, Grundsubstanz der Materie.
Die Grundsubstant der Materie ist dreifach:
Sattavaguna, Licht-, Freude-, Güte-Substanz;
Rajas guna, Halbdunkel-, Leidenschaft-, Schmerz-Substanz;
Tamas, Finsternis-, Unempfindlichkeit-, Schlechtigkeit-Substanz.
6 Kailasa - der Götterberg, speziell der Sitz Sivas,
vergleichbar dem griechischen Olymp.
Lokalisiert wird er in dem Himalaya
7 Mala - das Unreine
8 Arul - Gnade

_____



Aus: TIRUSATAKA
(V)
DIE HEILIGEN HUNDERT
DAS WUNDERBARE DES EIFERS DER HINGEBUNG
Kundgegeben in Tirupperunturai

Aus: I. DAS ERKENNEN DES WAHREN


1.
Mein Leib bebt vor Verlangen
Nach deinem schön duftenden Fuß,
Anbetend heb' ich die Hände,
Und Tränen entströmen den Augen.
Es zerschmilzt mir das Herz wie Wachs.
Ich lasse fahren die Lüge,
Dir jub'le ich zu ohn' Ermüden,
Nie höre ich auf, dich zu preisen.
Blick', Herr aller Dinge, auf mich!
O, mach' mich zu deinem Knecht!
(S. 25)



3.
Wann endlich wird kommen die Zeit,
Wo, abgestorben der Welt,
Mein Denken in liebender Sehnsucht
Den Fuß des Erhab'nen nur sucht,
Des Herrn, der väterlich mild?
Wann endlich wird kommen die Zeit,
Wo mein zerstörter Sinn
Mich treibet von Ort zu Ort,
Der Welt ein töricht Verzückter?
(S. 25)



10.
O, du meine Perle ohne Fehl,
Ich bin nicht würdig, noch wert,
Zu deinen Getreuen zu zählen!
Du machst mich zu deinem Knecht.
Bin da ich nicht mehr, als mir ziemt?
Daß du mich Verkomm'nen erlöst,
Die Götter aber erniedrigst,
Dies, dein Spiel, o Herr,
Du unerreichbarer Nektar,
Dies ist wahrlich zum Lachen!
(S. 26)



Aus: II. DIE UNTERWEISUNG

1.
Inmitten deiner Getreuen
Such' ich, tanzend wie sie,
Mit Eifer den heiligen Ort
Der Seligkeit zu gewinnen.
O, glänzender Berg von Gold,
O, strahlender Perlenberg,
Verleih' mir die Gnade, o Herr,
Daß in unverrückbarer Liebe
Zu dir, o herrlich Erhab'her,
Mein Herz zergehe wie Wachs!
(S. 27)



2.
Ich fürcht nicht, geboren zu werden.
Was tu' ich, wenn kommt der Tod?
Könnt ich den Himmel erlangen,
Nicht möcht' ich ihn, Herr, o Erhab'ner!
Nicht groß erscheint mir das Glück,
Der Welten Beherrscher zu sein,
O Šiva, herrlich geschmückt
Mit duftenden Cassiablumen,
Mit Blüten, so honigreich!
O, du mein Herr und Gebieter,
Ich schmachte nach dem Tag,
Da deiner Arul, o Šiva,
Ich darf teilhaftig werden!
(S. 27)



5.
Der Äther bist du, die Erde, der Wind,
Das Feuer, der Körper, das Leben,
Das Seiende bist du,
Du bist das Nichtseiende!
Herr, du bist der höchste König,
Ursach, Erhab'ner, bist du
Des Geredes von "Ich" und "Mein"!
Ich finde nicht Worte, o Šiva,
Zu preisen dich, wie sich's geziemt!
(S. 27)



8.
O schwer zu erlangender Gott,
Du Äther, o Herr der Halle,
Der Halle aus schimmerndem Gold,
Ach, ich, der deiner nicht wert,
Den doch du zum Sklaven genommen,
Hab' für deinen herrlichen Fuß
Nicht duftende Blumen gepflückt!
Ich habe dich nicht gepriesen
Mit lauter, jubelnder Stimme,
Zerflossen ist nicht mein Herz,
Vor Sehnsucht, o Herr, nach dir!
Nicht wert bin ich, daß ich lebe!
Ach, sterben werde ich, werd' sterben!
(S. 28)



9.
Mein trügerisches Herze,
Das erbebt, getroffen vom Bogen
Aus Frühlingsblumen gewunden,
Vom Bogen des Liebesgottes,
O Herz, das vergeht aus Sehnsucht
Nach Frauen mit weißen Zähnen,
Mit roten Lippen und Augen,
Den blauen Blumen vergleichbar,
Den stillen Lotusblumen!
Dich zu entflammen vor Liebe,
Ist heute zu dir gekommen
Dein Herr, der im Weltall wohnet!
So wirst du nicht sterben, o Herz,
Nein, leben sollst du, wirst leben!
(S. 28)



Aus: III. DIE BESEITIGUNG DER INDIVIDUALITÄT


3.
Von dem die vier Veden reden,
Du bist's, das sagt mir mein Herz,
Mein Denken sagt es mir, Šiva!
O Herr, wenn ich auch erkenne,
Daß ich vor dir nur ein Tier bin,
Unwürdiger - ach! - denn alle,
So bin ich doch einer, ich fühl' es,
Der dich liebt, o herrlich Erhab'ner!
Mich hast du zum Sklaven erkoren! -
Hast unter deinen Getreuen
Du keinen bessern gefunden
Als mich, den Geringsten von allen?
Wie von Dämonen besessen
Bin ich, o Herr, o Gebieter!
Es ist fürwahr deine Großmut,
Die mich erwählet, o Šiva!
Nie kann ich genug dich preisen,
Du herrlich erhabener Gott!
(S. 29)



6.
Du Nektarmeer des Wissens,
Du hast es also gemacht,
Daß meine Gedanken alle
Auf dich nur gerichtet sind,
Daß meine Augen nur sehen,
Daß ich nur bete an
Den Blumenfuß, den schönen,
Den duftenden Lotusfuß!
Daß deine Perlenworte
Mein Mund nur reden kann! -
Dich ihrer zu bedienen,
Hast die Elemente du,
Die fünf Elemente gewürdigt! -
Mich hast zum Knecht du erkoren,
Hast Wohnung genommen in mir!
O, Berg, du, unvergleichlicher,
O, strahlender Perlenberg,
Du hast einen Körper, Šiva,
Dem Lotuswalde gleich.
Du gabst dich mir zu eigen,
Der ich verlassen bin,
Verlassen im Diesseits, im Jenseits!
(S. 30)



7.
Verlassen und einsam lieg' ich
Und sinne und grüb'le schwer:
Wie soll ich hinfort noch leben,
Erfaßt von den Leidenswellen,
Im Meere der Geburten!
Ach, ohne Halt bin ich!
Es wirft mich hin und her
Der Sturm, den Frau'n entfachen,
Sie, mit den Lippen rot,
So rot wohl wie die Früchte
Vom Bryonia umbellata-Baum!
Betört bin ich und gefangen
Im Rachen des Liebesgotts.
Der Liebesgott - ach! - ist grausam,
Wohl wie der Hai im Meer!
Ich ergreif' einen sicheren Nachen,
Den Nachen der heiligen Fünf.
Ja, die heiligen Lettern ergreif' ich!
O, Höchster, der du ohn' Anfang
Und ohne Ende bist,
Du hast mir Toren gezeiget
Das Ufer der Seligkeit,
Das Ufer, das strotzend reiche,
Vom herrlichen Überfluß!
Mich hast du zum Knecht erkoren,
Mich, heiliger Herr und Gott!
(S. 30)



10.
Der Gott der Götter, er,
Den nicht die Götter erkennen,
Der der Herr der Dreien ist,
Der Dreien, die erschaffen,
Erhalten und zerstören
Die schöne, fruchtbare Welt.
Allvater er, der Erhab'ne,
Und Mutter auch zugleich,
Der Vater, der König aller,
Er ist gekommen zu mir,
Hat mich zum Sklaven erkoren.
Nun sind wir Keines' Sklaven!
Wir fürchten hinfort nichts mehr;
Verbunden sind wir in Liebe
Nun allen seinen Getreuen,
Wir singen und wir tanzen,
Getaucht in ein Wonnemeer!
(S. 31)



Aus: V. DAS GESCHENK


3.
O, du heilig-schöne Gestalt,
Die selbst die erhab'nen Götter
Nicht zu erkennen vermögen,
O, Tänzer, du, der du mich
Zu deinem Knechte erkoren,
O, Erde, du, o Äther,
Die Zeit bist du, in der alles
Entsteht und auch vergeht!
Sag', o du erhabner Herr,
Wann werde ich dich seh'n?
(S. 34)



4.
Höchster, der du erkannt
Und, nicht erkannt kannst werden,
O, du glänzendes Wesen, du,
Du einzigartiger Gott,
So nutzlos wie ein Vogel
Bin ich auf Erden hier! -
Ich weiß nicht, wie los ich komme
Von meinem trüg'rischen Leib,
Noch wie ich soll, Herr, gelangen
Zu dir, du herrlicher Gott!
(S. 34)



5.
Ich habe dich nicht gepriesen,
Noch hab' ich dich gerühmt,
Vor dir im Staube liegend!
Von Liebe überwältigt,
Schrie ich nicht, Gott, nach Dir!
O, Räuber, du trittst entgegen
Uns wie dem Todesgott,
Und nimmst uns, Herr, dennoch auf
Bei deinem Lotusfuß!
O, Herr, sei auch mein Räuber!
(S. 34)



6.
O, Höchster, der du geschmückt bist
Mit zarten Cassiablumen,
Den honigsüßen, den schönen,
Die von Bienen immer umschwärmt,
O, Vater, der du zugegen
In allen Dingen bist,
Ob es inmitten der Dinge,
Ob's oben und unten ist,
Wie Öl in der Frucht des Ölbaums,
O, ruf' mich, der nichts vermag,
Doch auch, wie deine Getreuen,
Zu dir, und mach' mich zum Knecht!
(S. 34)



7.
O, Vater, o Mutter, o Herr,
Der du Vater, Mutter und Herr bist
Allen, nur nicht dir selbst,
Du Reicher, du bist erkennbar
Für keinen durch seine Sinne,
Doch in mein Inn'res bist du
Vor Zeiten schon eingedrungen!
(S. 35)



Aus: VI. DIE REINIGUNG VON DER GEWOHNHEIT


8.
Wenn ich, Herr, denke daran,
Daß für die Erleuchteten du
Bist Honig, Milch und Licht,
Allein das wahrhaft Seiende,
Der Zuckerrohrsaft auch,
Daß du die himmlische Kuh bist,
Danach sie vor Sehnsucht entbrennen,
Und wenn ich denn fühl' und weiß,
Unwürd'ger, der ich bin,
Daß ich nur bin dein Knecht,
Den du in Dienst genommen,
Dann erscheint es mir, o Herr,
Als müßtest du meiner lachen!
(S. 37)




Aus: VII. DAS SCHREIEN NACH GNADE


1.
Dieses ird'sche Leben, Herr,
Ich ertrag' es nicht, o Gebieter!
Šamkara! o, sei gepriesen!
Gepriesen seist du, o Alter!
Heil sei dir, o Höchster!
Heil sei, du Einziger, dir,
Der du unvergänglich bist!
Heil dir, o König der Götter!
Heil dir, du Tänzer Chidambarams!
Heil dir! O, Heil, Malaloser!
(S. 37)



8.
Du Einziger, Heil sei dir!
Heil sei dir, du Sternengleicher,
Heil sei, o Vater, dir,
Heil sei dir, Guru der Götter!
Heil dir, du ewig Junger!
Ruf' mich zu dir, nimm mich' auf!
Heil sei dir, herrlich Erhab'ner!
Nimm auf mich bei deinem Fuß!
Mach End' der Einsamkeit,
Des Einsamen Einsamkeit ende!
Heil sei dir, mein Herr und Gott!
(S. 39)



9.
Heil sei dir, Herr, der du
In Liebe zugetan bist
Denen allen, die
Dich lieben von ganzem Herzen!
Heil dir für deine Großmut,
Daß du ein Ende bereitet
Der Lüge in meinem Herzen
Und mich zum Knechte erkoren!
Heil sei, Wohltäter, dir,
Daß du das Gift, das herabfloß,
Das tödliche Gift gegessen,
Und den Nektar hast gespendet
Den Göttern - Heil, o Heil!
Verleih' die Aufnahme mir
Bei den alles erfüllenden Füßen,
Bei deinen Füßen, o Herr!
Heil sei dir, Herr, Heil dir!
(S. 39)



10.
Heil sei dir, der du die Erde,
Der du Wasser, Feuer und Wind,
Der du der Äther bist!
Heil sei dir, der du bist
Der Urgrund allen Lebens,
Heil dir, der du ohne Anfang,
Heil dir, der du das Ziel
Aller Lebewesen bist!
Heil sei dir, der du ohn' Ende!
Heil sei dir, du Ränkevoller!
Dem auch die Sinne alle
Nicht nahen können, o Herr!
(S. 39)



Aus: VIII. DAS EINGETAUCHTWERDEN IN DIE SELIGKEIT


1.
Wie wenn du dich wolltest vereinen
Mit mir, mein Herr und Gott,
Hast du mich zum Knechte gemacht,
Hast mit dem Blick mich gefesselt!
Als ich erkannte, daß nie
Ich mich dir vereinen könnte,
Herr, da hast du geschaffen,
Da hast du zur Wahrheit gemacht
Das Band zwischen dir und mir!
Nichts wurde die Welt da für mich!
Da ward meine Lieb' deinem Fuße
Herr der Schönäugigen, du!
O, du höchste Seligkeit!
(S. 39)



2.
Mich verlangt nicht nach Genüssen,
Ich begehr' nicht die Seligkeit
Der andern Götter, noch Indras!
Ich sehne mich, Einz'ger, nach nichts
Als nach deinem Fuße, o Herr!
Mein Leib ist mir verschmachtet,
Ein Zittern wandelt mich an,
Ich schlag' über meinem Kopfe
Anbetend die Händ' ineinander!
Ein fließender Strom sind die Augen,
Ein Tränenstrom, Herr, mein Gott!
(S. 39-40)



3.
Mich, den Betrüger zieht es
Zu dir, zu keinem andern!
Ich Lügner hab' mich verschrieben
Der Lüge - ach! - ganz und gar!
O, Höchster, der du die Hälfte
Der Schwarzäugigen ja bist,
Schenk' mir, o Herr, die Liebe,
Die haben deine Getreuen,
Die sich ergaben der Wahrheit!
(S. 40)



4.
Die Liebe zu deinem Fuße
Erweck' in mir, o Herr!
O, tilg' in mir die Lüge,
O, mach' in Wahrheit mich,
Der elend und gering,
Mach' mich zu deinem Knecht!
Erbarm dich meiner, Herr!
Erweis' mir diese Gnade!
Auf daß ich, gefesselt von dir,
Dich anbet' ohne Ende,
O, König, du, o, mein Herr!
Ob ich auch ferner muß
Erleiden Geburt und Tod!
(S. 40)



Aus: IX. DAS ÜBERWÄLTIGTSEIN VON FREUDE


10.
Ich bin der Lüge verfallen!
Mein Herz und meine Liebe,
Auch sie - weh' mir! - sind Lüge!
Doch, wenn ich, der karmabeladen,
Vor dir, Herr, weine und klage,
Darf da ich nicht zu dir kommen?
O Honig, o Nektar, du!
O König, du, so süß
Wie Saft des Zuckerrohres?
Zeig' mir den Weg zu dir,
Sag' mir, wie ich dich erlange!
(S. 43)



Aus: X. DAS AUSGELASSENSEIN VOR FREUDE


5.
Es kann dich nicht erkennen
Die Schar der Himmlischen, Herr,
An dich reicht nicht heran
Des Veda End', o Gott!
Auch können dich nicht erkennen
Der andern Welten Bewohner!
Mich aber hast du gemacht
So freundlich zu deinem Knecht!
Du machtest mein Fleisch erzittern,
Mein Herz hast du erweicht,
Hast mich dahin geführet,
Daß ich dich genießen kann!
Den Weisheitstanz hast du,
O, Herr, mich tanzen lassen!
Das alles tatest du,
Daß ausgetilget werde
All' Unwissenheit in mir,
Die ja am Ird'schen haftet!
(S. 44)



6.
Du, der du Himmel und Erde
Und alles andere auch
Hast ohne Samen geschaffen,
Der du alles erhältst und vernichtest,
Mich, der ich deiner nicht wert,
Der ich ein Betrüger bin,
Mich hast du dahin gebracht,
Daß ich wie ein Verzückter
Am Eingang des Tempels steh'!
Zum Genossen deiner Getreuen,
Der erhab'nen, hast du mich gemacht!
- Es hegen und pflegen den Giftbaum
Die Kinder dieser Welt,
Und ob sie das auch wissen,
Sie hauen ihn nicht ab!
Und ich? Ach, Herr, ich bin töricht
Und tu' es ihnen gleich!
(S. 44)



7.
Heil sei dir, Herr, mein Gott!
Sag', gibt es von nun an noch and'res
Als dich, du herrlich Erhabner,
Wonach ich mich sehnen kann?
Gepriesen seist du, o Vater,
Der du bist der höchste der Götter!
Ich bin von deinen Knechten
Der allerniedrigste, Herr!
Gepriesen seist du, o Šiva,
Gepriesen, du Gnadenreicher!
Du hast mich zum Sklaven erkoren!
Gepriesen seist du, Gebieter!
Gepriesen, seist du, der du Anfang,
Der du das Ende bist,
Gepriesen seist du, o Vater!
(S. 44-45)



8.
Du, der du mir ein Vater,
Der du mir Nektar bist,
Du Sel'ger, o du Honig,
Du Honig, der üppig fließt
Zur Freude meines Herzens!
Du Ausgezeichneter, du,
Der du erschienen bist,
Damit von deinen Getreuen
Ich einer werde auch,
Der dich genießen kann!
Du, mit der strahlenden Krone,
Du Helfer! Der du bist
Die Zuflucht deiner Getreuen,
Die da in Trübsal sind,
Du König, sag', o sage,
Steht, Vater, es dir an,
Daß du mich hineingesetzet
In diese arge Welt,
Nur, daß ich leiden sollt'?
(S. 45)



9.
Du hast mich zu dir gerufen,
O Šiva, ew'ger Herr,
Du, der du warst vor Visnu,
Vor Brahma, vor allen andern,
Du hast mich zu dir gerufen!
O Herr, der du wirst sein,
Wenn alles sonst zugrund' ging,
Du hast mich zu dir gerufen!
Damit ich, entbrannt vor Liebe
Zu deinem duftenden Fuß,
Mit meiner Zung' deinen Namen
Immer wieder und wieder ruf'!
Damit, Herr, ich deinen Ruhm
Besinge, Zerstörer der Sünde,
Hast du mich zu dir gerufen!
(S. 45)



10.
Ich muß dich preisen, Herr,
Dich preisend, muß ich hinschwinden!
Tanzen muß ich, o Šiva,
Bis mir die Kraft versagt!
Heil sei dir! Ich muß erlangen,
Ich, der ich unwürdig bin,
Deinen Lotusfuß in der Halle,
Deinen tanzenden Lotusfuß!
Heil sei dir! O, befreie
Mich von meinem Körper, dem Leichnam!
Tilg' aus, Herr, alle Lügen!
Heil sei dir, der du bist
Ein Getreuer deinen Getreuen!
Erlösen mußt du mich!
Heil, heil sei dir, o Herr!
(S. 45)
_____



Aus: NITTALVINNAPPAM
(VI)
DIE BITTE UM WELTENTSAGUNG
Kundgegeben in Uttarakosamankai


12.
Wenn durch meine Sinne verführt
Ich dich auch verlassen habe,
Wo in Gnad' und Großmut du
Dich meiner angenommen,
Wirst du mich doch nicht verlassen!
O du, der du König bist
Von Uttarakosamankai!
O du, vor dem die Feinde
Erzittern, wenn du nahst!
O du, der du im Speerkampf
Groß und gewaltig bist!
O du klares Nektarmeer!
O großes Meer! Ach, ich Armer!
Ich sehn' mich, zu trinken aus dir!
(S. 48)



16.
Ich irrte müde umher,
Und keiner kam, mich zu trösten!
O du, der dem Blitze gleicht,
Du willst mich doch nicht verlassen?
O du, den man kann vergleichen
Mit keinem als mit dir selbst,
O du, der du König bist
Des Uttarakosamankai,
Des wahrhaft'gen, o Gebieter,
Der du bist wie eine Mutter
Und wie ein Vater zu mir,
O, du mein herrlichster Schatz!
(S. 49)



17.
O du mein höchstes Gut,
Zuflucht, du, für mich Nied'ren!
O Schrecken, du, für alle,
Die verachten deinen Ruhm!
Du wirst mich doch nicht verlassen?
O du Arul1, nach der
Die Getreuen heftig verlangen,
O du, der du König bist
Von Uttarakosamankai,
Das von schönen Blumengärten,
Von duft'gen, umgeben ist!
O Finsternis, du, o Licht!
O du, der du gegenwärtig
Ach! - hier und dort ja bist!
(S. 49)



20.
Ach, der Schlingpflanze gleich,
Die keinen Baum gefunden,
Den sie umschlingen kann,
So schwank' ich hin und her!
Du jugendlich Schöner, du,
Du wirst mich, der nach dir hungert,
Du wirst mich doch nicht verlassen?
O du Himmlischer, du,
Dem Himmlische nicht nahen,
Dem sie nicht nahen können,
O du, der du König bist
Von Uttarakosamankai,
Dem ew'gen, o Gebieter,
O Äther, du, o Erde!
O Feuer, Wind, o Wasser!
(S. 50)



22.
O Herrlicher, der du glänzest
Im hell erstrahlenden Weiß,
Im Weiß der heiligen Asche,
Mit der du dich ganz geschmückt,
Du willst mich doch nicht verlassen?
O du, der nah'den Treuen,
Den andern aber fern!
O du, der schwer zu erkennen,
Der "er", "sie", "es" zugleich ist!
(S. 50)



23.
Weil meine Schuld gewachsen
Durch das, was ich erlangt,
Weil ich an Lieb' zu dir,
O Herr, es fehlen ließ,
Willst darum du mich Armen,
O Šiva, nun verlassen?
O Herr, verlaß mich nicht!
Wenn du dich von mir wendest,
Muß ich zugrunde geh'n,
Ach Herr, da ist ja niemand,
Der meiner sich erbarmt!
Als ich erlangt dich hatte,
Da war ich sehr getrost,
O du, der in mir wohnet!
(S. 50)



26.
Mich, der ich mich fürchten muß,
Wenn von dir getrennt ich bin,
Gleichwie ein Fischlein zappelt
Im ausgetrockneten Fluß,
Mich wolle doch nicht verlassen!
O Edelstein, der du glänzest
So hell wohl wie die Sonne,
O Herr, von deinem Haupte
Wallet als Zopf herab
In blendendweißem Glanze
Des Mondes schmale Sichel,
Einem kleinen Boote gleich
Im Strudel hoch rollender Wogen,
Der Wogen vom Gangesfluß!
(S. 51)



36.
Mich, dem die Glieder zittern,
Weil mich ergriffen hat
Das Feuer meiner Sinne,
Das in mich eingedrungen
Wie in den hohlen Baum,
Mich droht es zu verbrennen,
Das wilde Feuer, Herr!
O - so verlaß mich nicht!
O mächt'ger Himmelskönig,
Wie Honig, süß und schwer,
Wohl triefen deine Locken,
Umschwärmt sind sie von Bienen
Wie der Mandarabaum2,
Der reich von duftendem Honig!
Und die Bienen summen leise
Eine süße Melodie!
(S. 53)


1 Arul - Gnade
2 Mandarabaum - entweder einer der fünf Bäume im Sivahimmel
oder Schuhblumenbaum, Hibiscus Rosa Sinensis
_____



Aus: TIRUVAMMANAI
(VIII)
DAS HEILIGE SPIEL MIT BÄLLEN
DIE FREUDE ÜBER DIE SELIGKEIT
Kundgegeben in Tiruvannamalai


16.
Wie er Leib und Leben ist
Und Wissen auch zugleich,
Wie er wohnt in meinem Innern,
Wie er Zuckerrohr und Nektar,
Und wie er Honig ist,
Er, der Held mit dem Kranz
Aus duftenden Cassiablumen,
Die triefen von süßem Honig,
Wie er zeigt den Weg zur Erlösung,
Den - ach! - die Götter nicht kennen,
Wie er ew'ge Weisheit ist,
Die dem herrlichen Lichte gleicht,
Wie er der König ist
Von all den Lebewesen,
Die nicht zu zählen sind,
Das wollen wir preisen beim Ballspiel!
(S. 69)



17.
Eine Girlande will ich tragen
Von lauter Cassiablumen,
Und damit geschmückt will ich
Umarmen den Nacken Šivas,
Den gewaltigen Nacken des Herrn.
Umarmend ihn komm' ich von Sinnen,
Werd' eifersüchtig ich's doch tun!
Ich werde zerfließen in Sehnsucht
Nach seinem roten Mund,
Zerfließend werde ich sinnen
Über Šivas herrlichen Fuß!
Ach! - ich werd' siechen dahin,
Und doch werd' ich fröhlich sein!
Den herrlichen Fuß des Tänzers,
Der mit der Frau in der Hand tanzt,
Den wollen wir preisen beim Ballspiel!
(S. 69)
_____



Aus: KOYIRRIRUPPATIKAM
(XXII)
LOBPREIS AUF DEN TEMPEL
DIE CHARAKTERISTIKA DES (SELIGKEITS) GENUSSES
Kundgegeben in Chidambaram


1.
Versperre den Weg meinen Sinnen,
Die da trügen, die mich hassen,
Die mich in Verwirrung bringen!
O köstlicher Nektar, fließe!
O du vollkommenes Licht,
Licht meines Herzens, komm' zu mir!
Komm', o erleuchte mich,
Daß ich dich in Wahrheit erkenne!
Der du süßer bist als Honig,
O Šivaperuman, o Šiva,
Der du wohnest, du mein Licht,
In Tirupperunturai!
O du ewige Seligkeit,
Jenseits stehest du
Von den Stufenseligkeiten!
O Šiva, du meine Liebe!
(S. 116)



2.
So daß Leib und Seel' deines Knechtes
Aus Lieb' in Verzückung geraten,
Wie Wachs im Feuer zerfließen,
Hast du mir verliehen, o Šiva,
Deine liebreiche, süße Arul,
Derer ich, Herr, nicht wert bin!
Ach, ich hab' nichts dir zu geben!
Der du vor und nach allem bist,
Der du alles bist, o Sel'ger,
Der du überall gegenwärtig,
Du ewiger Höchster, du,
Du Herr von Perunturai,
Das schön im Südland gelegen,
O Šivaperuman, o König
Der herrlichen Šivastadt!
(S. 116)



3.
O König der Getreuen,
Mein Vater, o du mein Herr,
O du wahrhaftiges Licht,
Das in mein Herz gekommen,
Du hast es zum Schmelzen gebracht,
O Licht, du hast vertrieben
Die Finsternis der Lüge,
So daß vor Liebe entbrennen
Bis in die tiefsten Tiefen
Mein Leib und meine Seele!
O du ewiges, wogendes Meer,
O du klarer Nektarsee!
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai,
O einzigartiges Wissen,
Das weiß, ob es auch stehet
Jenseits von Wort und Gedanken,
Verleihe mir rechte Erkenntnis,
Damit ich dich preise, o Šiva!
(S. 116)



4.
O Šiva, höchstes Wesen,
Das unerreichbar ist
Für das Wissen der wissenden Muni,
Der Himmlischen und der andern!
O Unvergleichlicher, du,
O Leben alles Lebens!
O Heiltrank, der mich befreit
Vom Geborenwerdenmüssen,
O helles Licht, das vertreibet
Die dichte Finsternis,
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai,
O ewige, eigenschaftslose,
O wahrhafte Seligkeit!
Hab' ich noch einen Mangel,
Da ich dich, o Herr, erlangt?
(S. 117)



5.
Vollkommenheit ohne Makel,
O tadelloser Nektar,
Üppiger Lichtberg, du,
Du bist der Veda, du bist
Der Gegenstand des Veda,
O König, der du wohnest
In meinem armen Herzen,
O Šiva, der thronest
In Tirupperunturai,
Der du dich ergießt in mein Herz
Wie uferloses Wasser,
O Herr, du hast dir erkoren
Zur Wohnung meinen Leib!
Was könnt' ich noch weiter erbitten
Von dir, du herrlich Erhab'ner?
(S. 117)



6.
O helles Licht, das aufgehet
In meinem dunklen Innern,
So daß vor Verlangen nach dir
Wie Wachs ich vergehe und bettle,
O du mit dem herrlichen Fuß,
Der wie eine Lotusblume
Auf dem Kopfe der Götter glänzt,
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai,
Du bist der dichte Äther,
Das Wasser, die Erde bist du,
Das Feuer und der Wind,
Und doch auch, Šiva, bist du
Dies alles wieder nicht!
O du, der eine Gestalt hat,
Die also verborgen ist,
Heut' bin ich froh, ich bin selig,
Daß ich dein Antlitz geseh'n!
(S. 117)



7.
Ohne daß ich es wußte,
Sann über dein Wesen ich nach,
Der du wie eine Sonne
Heut' in mir aufgegangen
Und, mich erleuchtend, hast
Die Finsternis vertrieben.
Ohne dich, Šiva, ist nichts,
Du bist das Eine, o Herr,
Das überall ist und das
Auch im Atom gegenwärtig,
Im Atom zerrieben wird!
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai,
Nichts bist du, und doch gibt es nichts,
Das ohne dich, Šiva, ist!
Wer könnte, o Herr, dich erkennen?
(S. 117)



8.
Die Erde bist du, o Šiva,
Du bist die obere Welt,
Der Ort für die Seligkeit,
(Für die Stufenseligkeit)
Alles bist du, Erhab'ner!
Alles, was allüberall
In die Erscheinung tritt
Und das ganze Weltall erfüllet,
Das alles bist du, o Šiva,
Du allgegenwärtiges Lichtmeer,
Du einzigartiges, du!
Wasser bist du und Feuer,
O du Unausdenkbarer, du,
O herrlicher Malaloser!
In meinem Herzen, das hat
Erfahren die Herrlichkeit
Deiner süßen Gnadenflut,
Hast Wohnung du genommen,
O du unvergleichlicher Honig,
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai!
Ach, wer ist mir verwandt
In dieser argen Welt,
Und wer ist mir befreundet?
O Licht, verleihe du mir
Die ewige Seligkeit!
(S. 117-118)



9.
O Lichtgestalt, o Einz'ger
Der du gestaltlos bist,
O unbeschreibbarer Anfang,
O Mitte, du, o Ende,
O großes Seligkeitsmeer,
In dem gelöst werden
Die Fesseln, die uns drücken!
O du guter Gnadenberg,
In dem nichts Böses verborgen,
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai,
Was ist es, daß du mich verläßt?
Komme zu mir und verleihe
Mir deine beiden Füße!
Rüste mich aus mit deiner Arul!
(S. 118)



10.
Was du mir gegeben hast,
Das bist du selber, o Šiva!
Und was du empfangen hast,
Das, Herr der Halle, bin ich!
O Wohltäter, sage doch,
Wer von uns beiden war klüger?
Unvergängliche Seligkeit
Hab' ich von dir empfangen.
Was aber empfingst du von mir?
Zu deinem Tempel, o Šiva,
Hast du mich Armen erhalten!
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai,
O Vater, o Herr, meinen Leib
Hast du zur Wohnung erkoren!
Und ich - ach! - hab' nichts dir zu schenken!
(S. 118)
_____




Aus: ASAIPATTU
(XXV)
ZEHN HYMNEN ÜBER DIE BEGIERDE
DIE BESCHAFFENHEIT DER SEELE
Kundgegeben in Tirupperunturai


7.
O Höchster, den die Bewohner
Der Erde und des Himmels
Anbeten und verehren,
O vollkommenes Licht,
Komm', bringe mich dahin,
Von wo man nie mehr zurückkommt!
Nimm mich in deinen Dienst!
Ich wollte, o Nektar, du,
Von dem man nie genug hat,
Ich könnt' deine tausend Namen
Preisend im Lande umherzieh'n,
Könnt' überall dich rühmen
Mit Lobeshymnen und -sprüchen,
O herrlicher, gütiger Vater!
(S. 127)
_____




Aus: PUNARCCIPPATTU
(XXVII)
ZEHN HYMNEN ÜBER DIE VEREINIGUNG
DAS WESEN DES ADVAITA
Kundgegeben in Tirupperunturai


4.
Wann werde ich mit ihm,
Der einen Ruf hat, daß ihn
Verehren Brahma, der thronet
Auf einer Lotusblume,
Und Visnu und andere Götter,
Ja - auch der Götterfürst,
Wann werd' ich mit dem Lichte,
Das Worte und Gedanken
Bei weitem übertrifft,
Wann mit dem klaren Honig,
Mit der köstlichen Frucht,
Wann mit der schäumenden Milch,
Wann mit dem so süßen Nektar,
Wann werd' ich vereinigt werden
Mit dem fehllosen Edelstein,
Wann werd' ich ihn umarmen?
(S. 132-133)



5.
Wann werde ich preisen können
Die große Freundlichkeit,
Mit der der Herrliche
Mir half vor aller Welt,
Mich nahm in seinen Dienst
Und voll Mitleid mir verlieh
Seine heilige Arul?
Er, den weder Visnu noch Brahma
Erkennen noch sehen konnten,
Ob sie auch, um zu sehen
Seinen hell glänzenden Fuß
Und sein herrliches Haupt,
Die Erde mit Fleiß durchwühlten,
Ob bis zu den Wolken sie flogen!
Wann werde ich wohl mit ihm,
Dem fehllosen Edelstein,
Ihn preisend, vereinigt werden?
(S. 133)



6.
Wann wird kommen die Zeit,
Wo ich in Gedanken daran,
Daß ich, als er kam zu mir
In Freundlichkeit und mir schenkte
Die höchste Seligkeit,
Frei vom ihm in der Welt
Ein Leben unter der Herrschaft
Der Maya führt', ja wann kommt die Zeit,
Wo ich stehe, ganz übermannt
Von sehnsüchtig verlangender Liebe,
So daß mit den Tränen zugleich
Die Eigenschaften der Seele
Sachte zu Boden fließen
Und sich das Haar mir sträubt? -
Wann werde ich wohl mit ihm,
Dem fehllosen Edelstein,
Ihn preisend, vereinigt werden?
(S. 133)



8.
O wann wird erweicht mein Herz,
Wann wird es zergehen wie Wachs?
Wann werd' ich ihn, sei es im Stehen,
Im Sitzen oder beim Aufsteh'n,
Sei's beim Sichschlafenlegen,
Unter Weinen oder Lachen,
Wann werd' ich ihn anbeten,
Ihn preisen und ihm zu Ehren
Tanzen den vierfachen Tanz?
Wann werd' ich erglänzen seh'n
Seine himmelblaue Gestalt?
Wann werd' ich zu ihm gelangen,
Am ganzen Leibe zitternd?
Wann endlich werd' ich mit ihm,
Dem fehllosen Edelstein,
Ihn rühmend, vereinigt werden?
(S. 133-134)



9.
Wann werde ich ihn preisen
Als den Vater und die Mutter
Der sieben alten Welten,
Als den Narren, der mich genommen
In seinen heiligen Dienst,
Als den unvergleichlichen Heiltrank
Gegen die böse Krankheit
Des Wiedergeborenwerdens,
Als die köstliche Weisheitsperle,
Die ununterbrochen ausspeit
Honig in großer Menge?
Wann werde ich Tag und Nacht
Über seinen Blumenfuß,
Den schönen, sinnen nach?
Und wann zu ihm gelangen?
Wann werde ich mit ihm,
Dem fehllosen Edelstein,
Ihn preisend, vereinigt werden?
(S. 134)



10.
Wann werde ich ihn preisen
Als den Schöpfer und Erhalter
Und als den Zerstörer des Alls?
Wann als das Haupt aller Götter
Im hohen, weiten Himmel,
Als den nie alternden Ersten,
Als den ewigen Herrn aller,
Als den Brahmanen, der mich
In seinen Dienst einst genommen,
Als unsern höchsten Gott?
Wann werd' ich hingelangen
Zu seinem Blumenfuß?
Wann werde ich mit ihm,
Dem fehllosen Edelstein,
Ihn preisend, vereinigt werden?
(S. 134)
_____



Aus: VALAPPATTU
(XXVIII)
ZEHN HYMNEN
ÜBER DEN LEBENSVERDRUSS
DAS MITTEL ZUR ERLANGUNG DER MUKTI
Kundgegeben in Tirupperuntarui


1.
O Höchster, o Erhab'ner,
Der du Erde und Himmel erhältst,
Ich kenne kein andres Verlangen
Als nur allein nach dir!
O heller, strahlender Glanz,
O König der Šivastadt,
O Šiva, der du thronest
In Tirupperunturai,
Bei wem soll ich mich beklagen?
Wem klag' ich meine Not?
Wenn du, der du mich einst
Hast in deinen Dienst genommen,
Mir deine Arul nun nicht gibst,
Dann mag ich nicht länger leben
Auf dieser weiten Erde,
Von großen Meeren umspüllt!
Rufe mich, Herr, doch zu dir
Und schenk' mir deine Arul!
(S. 135)



2.
O du Juwel, o Höchster,
Der du mich Karmabelad'nen
In deinen Dienst genommen,
Ich kenne kein andres Verlangen
Als nur allein nach dir!
O Unvergleichlicher, du,
Den selbst die Himmlischen alle
Ach! - nicht erkennen können,
O rotgestalt'ger Peruman,
Der du für die Zwei unerreichbar
Alle Welten durchdringst!
O König der Šivastadt,
O Šiva, der du thronest
In Tirupperunturai,
Peruman, o mein Gebieter!
Rufe mich, Herr, doch zu dir
Und schenke mir deine Arul!
(S. 135)



8.
O Gefährte der mit Juwelen
Reichlich beringten Frau!
Ich kenne kein andres Verlangen
Als nur allein nach dir!
Du gleichst einem roten Feuer,
O König der Šivastadt,
O Šiva, der du thronest
In Tirupperunturai!
O endloser Nektar, du,
O wertvoller, großer Schatz,
O schwer zu erlangender Nektar,
Damit ich erlöset würde,
Bist du zu mir gekommen
Und hast mich in Dienst genommen!
Ich mag hier nicht mehr leben!
Rufe mich, Herr, doch zu dir
Und schenke mir deine Arul!
(S. 137)
_____



Aus: UYIRUNNIPPATTU
(XXXIV)
ZEHN HYMNEN ÜBER DEN SEELENESSER
DAS ÜBERMANNTWERDEN VON DER ALL-SELIGKEIT
Kundgegeben in Tirupperunturai


7.
Mich verlanget nicht nach Ruhm,
Nach Reichtum, Himmel und Erde,
Nach Geborenwerden und Sterben!
Nie mehr will Umgang ich pflegen
Mit solchen, die sich nicht sehnen
Von Herzen nach Erlösung!
Erlanget hab' ich den Fuß
Des großen, herrlichen Königs
Von Tirupperunturai,
Ich werd' ihn nicht wieder verlassen,
Mag mich von ihm nicht mehr trennen!
(S. 153)



8.
Wem soll ich dich vergleichen?
Dem wilden Honig im Baum?
Dem Nektar, der aufsteigt vom Meer?
Ich vermag es nicht, dich zu preisen,
O Hara, o köstlicher Heiltrank,
O König, o Malaloser,
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai,
Von fruchtbaren Feldern umgeben,
Von schönen, wasserreichen,
Der du deinen Körper schmückst
Mit weißer, heiliger Asche!
(S. 153)



9.
Ich weiß, Herr, was mir fehlet,
Ich weiß nicht, was in mir ist!
Weh, o wehe, o Hara!
O köstliche Arzenei,
O König, der du schmückest
Mit Girlanden deinen Körper
Aus Ixora coccinea-Blumen,
O Šiva, der du wohnest
In Tirupperunturai,
Ununterbrochen bist du
In mir, in meinem Herzen;
Zu meinem "Ich" geworden
Bist du, o Höchster der Götter!
(S. 153-154)
_____




Aus: TIRUVENPA
(XLVII)
DAS HEILIGE VENPA
DER ZUSTAND DERER, DIE ERREICHT HABEN
Kundgegeben in Tirupperunturai


6.
Der Herr von Perunturai,
Der Vater hat mich genommen
In seinen heiligen Dienst!
Er, der mir ein Heiltrank ist,
Hat gnädig mich angeschaut,
Die endlose Seligkeit
Ist selbst zu mir gekommen,
Hat mich zum Wahnsinn gebracht
Und hat ein Ende bereitet
Meinem Geborenwerden,
Mein Herz in Verzückung versetzet,
Die niemand beschreiben kann!
(S. 186)



10.
Mein Herz, o sinne und grüb'le
Über die Füße Šivas,
Der hier mich genommen hat
In seinen heiligen Dienst,
Und erflehe von ihm alles,
Was du nötig hast und ersehnst,
Damit er, der Gnadenreiche,
Der Herr von Perunturai
Als Heiltrank in dich, mein Herz, kommt
Und dir alles gibt, was du wünscht!
(S. 186)



11.
Er vermehrt meine Seligkeit,
Die Finsternis verscheucht er,
Er machte für immer ein Ende
Der Verfolgung durch die Leiden!
In Gestalt des Lichtes erwies er
Mir seine Lieb' und erwählte
Mein Herz als Wohnung sich,
Er, der herrliche Herr
Des schönen Perunturai!
(S. 186)
_____




Namen für Gott Šiva
(den anderen, hier nicht veröffentlichten, Hymnen entnommen)


O Erhab'ner, der du erhältst
Den Himmel und die Erde
O hell strahlendes Licht,
Unbegrenzter, Unendlicher, du.
_____


O Herrlicher, die Erlösung!
O Šiva, wahres Wesen,
Der du gegenwärtig bist,
O Herr, in meinem Herzen
In Gestalt des heil'gen Om,
damit ich erlöset werde!
O Šiva, Malaloser,
Der du reitest auf einem Stier!
O Feingestaltiger, du,
Der du ja oben und unten
Alles bewahrst und erhältst.
_____


O du Gewaltiger!
O Warmer, du, o Kalter!
O Šiva, Malaloser,
Der du der Opferherr bist!
O du wahrhaftiges Licht,
Das herabgestiegen ist,
Zu zerstören, zu verbrennen
Das lügenhafte Wissen.
_____


Du Intelligenz ohne Fehl,
Die das Nichtwissen zerstöret!
O du, der ohne Entstehen,
Ohne Schranken, ohn' Ende ist!
O Schöpfer, du, o Erhalter
Zerstörer des ganzen Weltalls!
O Spender, du, der Arul.
_____


O Peruman, der du spendest
Honig im Herzen der Treuen.
_____


O wahrhaft Seiender, du.
_____


O du helles Licht, das strahlet
In makellosem Glanze,
O Lichtgestalt, du, o Honig,
O köstlicher Nektar, du!
O Herr der Šivastadt!
O du großer Gnadenstrom
O köstlicher Nektar, du
Unendlicher Peruman!
O herrliche Lichtgestalt
O du, der du mein Herz
Wie Wasser zerfließen läßt
Und als mein Lebensgrund
In mir zugegen bist!
O du, der du ein Freund bist
Von denen, die dich lieben!
O herrliche Lichtgestalt,
Die du alles bist und nicht bist!
O du große Finsternis!
O herrlich Erhab'ner, du
O Šiva, o Anfang, du!
O gütiger, großer Vater
O feine Intelligenz,
Die unerreichbar ist
Selbst für das feinste Denken!
O du Tugendsamer, du
O König, der du uns beschützest!
Du großes strahlendes Licht!
O Wonneflut, o Vater,
Der du alles übertriffst!
O Wisser, du, der du bist
Das herrlich leuchtende Licht
Für alles, das da besteht
O Grund, du, alles Wissens!
O du, der in meinem Herzen
Als köstlicher Nektar sprudelt!
O du, aller Dinge Besitzer!
_____


O Šiva, o Herr, o König!
_____


O Herr, der du auch tanzest
In der dichtesten Finsternis,
O du, Chidambarams Tänzer!
O König des Pandyalands,
Im schönen Südland gelegen!
_____


Den Höchsten sah ich, o höre!,
Den Erhab'nen, den Alten,
Den Wunderbaren sah ich,
Den Vielgestaltigen
Den Alten - o höre! - ihn,
Der jenseits steht aller Worte.
_____


Šiva, das Seligkeitsmeer
Šiva, der Herr!
_____


Heil sei dem Wolkenherrn,
Dem schwer zu erreichenden
Heil sei Šiva, dem Höchsten
Heil ihm, der Nektar spendet,
Denen, die zu ihm kommen!
Heil der Zuflucht in aller Not
Für die, die von Herzen ihn lieben!
_____


Das höchste Gut sei gepriesen,
Gepriesen sei der Große
Gepriesen sei Šiva, der Herr.
_____


Šiva, der Seiende, unser Herr,
Šiva, der Himmlischen Herrscher,
Šiva, unser Beschützer,
Er, der selbstmächtige Fürst.
_____


O, du meine Perle ohne Fehl
O Herr,
Du unerreichbarer Nektar.
_____


Erhab'ner
Mein Gott
O Höchster
O Šiva, mein Herr
O du, der du warst und bist
Ohn Anfang und ohne Ende!
O Herr, o Gebieter!
Du herrlich erhabener Gott!
_____


O Herr, o Vater
Der herrlichste Vater bist du!
Mein Herr und Gott
O mein Vater.
_____


Du Nektarmeer des Wissens.
_____


O, Höchster, der du ohn' Anfang
Und ohne Ende bist,
Heiliger Herr und Gott!
_____


Der Gott der Götter
Allvater er, der Erhab'ne,
Und Mutter auch zugleich,
Der Vater, der König aller.
_____


Du Einz'ger unter den Göttern!
_____


O Wissender, du
O, du Nektar!
_____


O Herr, o Höchster,
Du väterlicher Fürst,
O Lichtgestalt,
Herr der Halle!
_____


Du Honig, o du Nektar,
Du Zuckerrohrsaft, du,
O, Šiva, Herr Chidambarams.
_____


Du Einziger
Du Sternengleicher
Guru der Götter!
Heil dir, du ewig Junger!
_____


O, du höchste Seligkeit!
_____


O Šiva, himmlisches Licht,
O du, der du Mann und Frau bist,
O du köstlicher Nektar, du
O Höchster.
_____


O Offenbarer, o König,
O Honig du, o Nektar,
O du, der nicht erreichbar ist
Für unser Denken!
O König!
_____


O Šiva, wahres Wesen,
Der du ohne Lüge bist!
_____


Herr,
O Honig, o Nektar, du!
O König, du so süß
Wie Saft des Zuckerrohres.
_____


O großer Gnadensee,
Der du immer derselbe bist.
_____


Du herrlich Erhab'ner
Du Schöngestaltiger, du
Der du strahlst im Schmuck der Asche,
Der heiligen Asche, Herr.
_____


O du klares Nektarmeer!
O großes Meer!
_____


Herr,
O du, der du König bist
Von Uttarakosamankai!
O du, der du wohnst in den Herzen
Der Treuen, die dich nie verlassen!
O Herr, du Palmyrawein,
O Edelstein, du, o Nektar!
O du süße Honigflut!
_____


O Schöner!
_____


Du jugendlich Schöner, du,
O du Himmlischer, du,
O Äther, du, o Erde!
O Feuer, Wind, o Wasser!
_____


O Schöner, der du bist
Für mein Herz, dem Karma verfallen:
Ach! - Honig, Milch und Nektar,
Und Saft des Zuckerrohrs,
Du, der du läßt vergehen
Mein Fleisch und mein Gebein!
_____


O Edelstein, der du glänzest
So hell wohl wie die Sonne.
_____


O du reiner Edelstein
Du höchster Gott!
O Šiva.
_____


O Šiva,
Erhab'ner,
O Unvergleichlicher, du.
_____


O du, in dem vereinet
Ist alles, was da ist,
O Gaukler, der du bist:
Der Äther, das sehr kühle Wasser,
Der Wind, die Erde, das Feuer!
_____


Du leuchtender Edelstein!
_____


O höchstes Wesen, du!
O Hara
O Gott!
_____


O du, der du gleichst dem Feuer,
Das immer weiter frißt!
Des Brennplatzes Herr bist du!
O Nektar, du, für Getreue,
Du Unerreichbarer, du!
Du unvergleichlicher Helfer.
_____


O Letzter Grund, der du bist
Von meinem Wohlbefinden!
Notpfennig, du Erhab'ner
O Herr.
_____


Allgütiger, der du bist
Das Haupt des Kailasabergs,
Gatte der Bergtochter, du!
O letzter Grund, Erhab'ner,
Von meinem Wohlbefinden!
_____


O Šiva, o Erhab'ner,
Du höchste Seligkeit!
_____


O Herrlicher, du!
O König!
_____


O König,
O Herrlicher, du, o Vater,
Den Worte nicht erreichen,
O du, der du dich zeigest
Den Getreuen, die dich ehren,
O du, der alles erfüllt,
Das Jenseits und das Diesseits!
_____


Der Herr,
Der als das Licht gekommen,
Das Licht so klar und hell,
Wie der honigsüße Nektar!
_____


Er ist das wahrhaft Seiende,
Er ist das wahrhaft Beständige,
Das Haupt aller Dinge ist er!
Er ist allein der Eine,
Der allen geben kann,
Die Seligkeit ohn' Ende!
_____


Gepriesen seiest du, Šiva!
Gepriesen, o höchstes Gut!
Du Grund meine Seligkeit!
_____


Erhab'ner, herrlicher Šiva,
Der du, o Gebieter, wohnst
In Tirupperunturai,
O Berg der Seligkeit, du,
Der du so gern schenkest
Den Schatz deiner süßen Arul!
O Wonnemeer, du, o Herr.
_____


O höchstes Wesen, du
O König, du o Honig,
O Šiva, du Nektarsee,
Du Saft des Zuckerrohrs.
_____


O Licht!
O Herr,
O Gott, o Vater, o Tänzer,
O du Grund uns'rer Seligkeit!
_____


O du, der Himmlischen Herr
O Meer der Gnade, o Vater,
Erhab'ner!
O Gnadenauge, o Herr!
O Herr, mein Gott.
_____


O Edelstein meines Herzens.
_____


O Nektar, der du mich befreit
Von meinem großen Leiden,
O köstliche Perle, o du,
Der du gleichst einem hellen Licht,
Das ohne Aufhören brennt.
_____


O Herr, unverrückbares Meer,
Unvergängliches, unverlierbares,
O Herr, du unversiegbares,
Unendliches Seligkeitsmeer!
_____


O Götterkönig, o Höchster,
O Heiltrank, du, o Nektar
O Bürgschaft der Wahrheit, du,
O herrlicher Blumenfuß,
O unermeßlicher Schatz,
O Šivaperuman, o Vater.
_____


O großes Gnadenmeer.
_____


O Mutter, o Vater, o Schatz,
Unvergleichlicher Edelstein,
O köstlicher Nektar, du,
Der aus der Liebe herausquillt
O Šivaperuman, o Herr
O Vater.
_____


O Gnadenlicht, o Šiva,
Einzigartige, reife Frucht,
O König der machtvollen Büßer,
O alles umspannendes Wissen,
O herrliches Labsal, du!
O Šiva, vollkommene,
O sinnende Betrachtung,
O unermeßlicher Schatz,
Der du eingetreten bist
Ins Herz der erleuchteten Treuen,
O Šivaperuman, o Herr.
_____


O Einziger, der du nicht hast
Irgendwo Deinesgleichen,
O Licht, das da leuchtet hell
Im Herzen deines Knechtes,
O Liebe,
O schwer zu beschreibende, helle,
O schöne Lichtgestalt,
O Schatz, o Šivaperuman.
_____


O Gott,
O fehlloser Edelstein,
O großes Licht, das verscheuchet
All' Unreinheit, wie das Leid,
Wie Tod, Geburt und Nichtwissen!
O meine Seligkeit, du,
O Šiva!
_____


O Alter, nie alternder Höchster,
Unsterblicher Herr des Veda,
O höchstes Gut, o Šiva
O Peruman!
_____


O Erster aller Muni!
O König, der du schenktest mir
Die ewige Seligkeit
O Herr meines Lebens, du.
_____


Aus: Die Hymnen des Manikka-Vasagar (Tiruvasaga)
Aus dem Tamil übersetzt von H. W. Schomerus
[Hilko Wiardo Schomerus 1879-1945]
Verlegt bei Eugen Diederichs Jena 1923
(Religiöse Stimmen der Völker Hrsg. von V. Walter Otto
Texte zur Gottesmystik des Hinduismus)


 


Kurzbiographie:

Von der Person Manikkavasagars wissen wir aus sicheren historischen Quellen leider gar nichts. Einiges über seine Person können wir allerdings aus seinen Hymnen entnehmen. (...)

Auf Grund der Andeutungen, die sich in den Hymnen des Tiruvasagam finden, dürfen wir uns von dem Leben und dem Charakter Manikkavasagars wohl folgendes Bild machen.

Die Legende macht ihn zu einem Angehörigen der Kaste der Amattiya-Brahmanen. d.h. der Ministerkaste. Aufgewachsen ist er anscheinend in großem Luxus. Besonders scheint er auch den Verkehr mit Frauen gepflegt zu haben. In den Hymnen kommt er wenigstens sehr oft darauf zu sprechen, wie sehr er der Sinnlichkeit verfallen gewesen sei. Trotzdem er in seiner Jugend das Leben genossen zu haben scheint, hat er es doch nicht versäumt, allerlei Studien zu treiben. Daß er wirklich am Hofe des Königs von Madura einen Ministerposten bekleidet gehabt hat, wie die Legende zu berichten weiß, ist nicht ausgeschlossen. Die Hymnen lassen wenigstens hier und dort durchblicken, daß er im öffentlichen Leben eine nicht ganz unbedeutende Rolle gespielt hat. Ein Erlebnis besonderer Art ist es aller Wahrscheinlichkeit nach gewesen, das ihn später dazu bewogen hat, das Weltleben aufzugeben und sein Leben in den Dienst des Gottes Šiva zu stellen.

Der Ort, wo er dieses Erlebnis gehabt hat, ist sowohl nach der Legende als nach den Hymnen Tirupperunturai gewesen. (...)

Von welcher Art war das Erlebnis, das unser Dichter in Perunturai gehabt zu haben scheint? Die Legende läßt ihn in der Nähe dieser Stadt in einem Haine mit dem Gott Šiva in der Gestalt eines religiösen Lehrers zusammengetroffen sein, der ihn dann in der erlösenden Lehre unterwies. In den Hymnen deutet Manikkavasagar wiederholt an, daß ihm Šiva in Perunturai in besonderer Weise erschienen ist. Von welcher Art diese Erscheinung des Gottes gewesen sein mag, läßt sich mit Sicherheit aus den Hymnen nicht entnehmen. (...) Was im einzelnen auch immer in Tirupperunturai geschehen sein mag, so viel steht wohl fest, daß unser Dichter dort eine Art Bekehrung erlebt hat, die tiefen Eindruck auf ihn gemacht und die er nie wieder hat vergessen können.

Die Hymnen lassen an vielen Stellen deutlich durchblicken, daß die Wendung, die das Erlebnis von Tirupperunturai in ihm hervorgerufen hat, ihm im weitgehenden Maße den Spott und die Verachtung der Mitwelt eingebracht hat. (...)

Nach der Legende rühren die Schwierigkeiten innerer und äußerer Art nach seiner Bekehrung daher, daß er seine Pflichten als Minister des Königs nicht nur vergaß, sondern ihnen sogar geradezu zuwiderhandelte. (...)

Der Dienst, den er Gott Šiva leistete, bestand vor allem darin, daß er durch die Lande zog, die dem Šiva geweihten Tempel besuchte und diesem Gotte zu Ehren Lieder sang.

Aus: Die Hymnen des Manikka-Vasagar (Tiruvasaga)
Aus dem Tamil übersetzt von H.W. Schomerus
Verlegt bei Eugen Diederichs Jena 1923
(Religiöse Stimmen der Völker Hrsg. von V. Walter Otto
Texte zur Gottesmystik des Hinduismus)


siehe auch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Manikkavasagar



 

 


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