Gottesliebe

Worte der Liebe
aus der islamischen Welt
 

 



Sajib
(Ende des 16. Jahrhunderts)


Aus dem Diwan


Gebet am Anfang seines Diwans

Herr aus Deiner Quelle schenk mir einen vollen Becher ein,
Sehend laß mein Aug' beständig und mein Herze wachsam seyn!
Jedes Härchen meines Geistes seine eigne Straße zieht,
Bei dem Mahl der Einheit sammle mein zerstreuetes Gemüth!
Wein vergießen wir, wenn zitternd unsre Hand den Becher hält,
Herr, stärk' mir des Arms Gelenke, wenn er Deinen Becher hält!
Düster ist des Herzens Kammer, daß ich Dich nicht sehen kann,
An der Liebe Gluthen zünde Herr! mir eine Leuchte an!
Ungelenk der Liebe Gang wird durch des Leibes schweres Kleid,
Gieb dem Geiste ein Gewand Herr! das ihm passe, leicht und weit!
Zwingt zu Windungen mich Sehnsucht, läßt mich Liebe nimmer ruhn,
Solche Windungen sind Faden, dran Demanten hängen thun.
Drum o Herr! nimm andre Schätze, aufgehäuften Reichthum hin,
Nach den Krümmungen der Schlange steht alleine mir der Sinn.
Eng und düster die vier Wände der vier Elemente sind,
Hier kein Tanzsaal ist der Liebe, größern Tanzsaal gieb geschwind!
Eine Zeit hast du ertragen mein Geschwätze, sonder Werk,
Jetzt nun laß mein Schwatzen ruhen, gieb mir nun zu Werken Stärk!
Ach, so lange war ich Umkreis, jede Stund' an andrem Ort,
Laß mit ehrnem Fuß mich stehen jetzt als Centrum immerfort!
Heldenblick beständig schauen, nicht beständig Segen schafft,
Hast Dein Schauen Du verstattet, gieb mir auch zum Schauen Kraft!

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Preis der lockenden Liebe Gottes

O selig wer einmal den Blick schaut, dran alle Secten entglüht!
O selig wer einmal die Lipp' küßt, draus ewiger Frühling erblüht!
Blickt lockend dein Auge zum Himmel, entglühn die Sterne vor Lieb',
Sie kommen vom Himmel zur Erde, gelockt durch der Liebe Trieb.
Leichtfüßige Geister sie stürzen kopflos in's Vernichtungsgemach,
Es bleiben Verstände wie Schuhe an der Thür', sie können nicht nach.
Mein Wunsch und all mein Verlangen ist all' in Einem erfüllt;
Ich wünsche den Schleier der Wangen, und dieser Wunsch ist erfüllt.
Ich liebe das Dunkel der Nächte, seit einst ich, selig beglückt,
Im Dunkel des düstern Zeltes den Mond des Geliebten erblickt.
Nicht bloß im Dunkel der Nächte Liebfunken im Herzen mir glühn,
Nein, auch im Glanze der Sonne mich diese Planeten umziehn.
Nicht bloß beim Glanze der Sonne umfliegt mich der Liebe Skorpion,
Er wacht im Dunkel der Nächte, theilt aus der Liebe Lohn.

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Starker, der in seiner Locken Ketten Löwen überwunden führt,
Schickst in's Feld du deiner Augen Blicke, scheu das Wild vor diesen Löwen wird.
Willst du wissen was die Wesen fühlen, die für dich in Lieb' entbrannt,
Öffnet Morgenwind die Rosenknospen, wird das Sehnen der Natur bekannt.
Schöner! vor deß himmelhellem Auge Dornen selbst im Rosenauge sind,
Schönste Rose, trittst du auf den Marktplatz, fällt der Rosen Preis geschwind.
Nachtlang hat der Herzensmänner Auge Ströme heißen Bluts geweint,
Einer deiner Blick' wird Morgenlabtrunk, strahlend das Gesicht erscheint.
Kleinstes Spiel bei unsrer Liebe Brennen, Leben in Vernichtung geben ist,
In der Kinder Hand auf diesem Ballplatz, statt des Balls ein Sina (Sinai) ist.
Ewigkeit ist Eine Stufe zu dem Nest der Liebestriebe.
Tauschen Tag und Nacht im Wechsel unaufhörlich die Gewänder,
Nimmer kennen Sonn' und Mondschein, Tag und Nacht, der Liebe Länder.
Spricht die Lieb' auch ihr Geheimniß stets bei unbewachten Thüren,
Kann Verstand, so viel er horchet, nimmer doch die Lieb' capiren.
Zwar behende unaufhörlich kreiset sich der Sphären Himmel,
Doch noch schneller unaufhörlich kreiset sich der Liebe Himmel.
Sajib dankt Gott, daß am Ziele endlich seines Lebens Streben,
Keine als der Liebe Freunde sind zu Freunden ihm gegeben.

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Närrisch, weiß ich, der Verstand ist, doch die Liebe Weisheit ist,
Schwertschlag, weiß ich, der mich tödtet, nur ein Labebecher ist.
Tugend in der Welt Ruine Trunkenen ein Räthsel ist,
In der Liebe Garten, weiß ich, Glück 'ne fremde Pflanze ist.
Wenn das Glück mir schmeichelnd lispelt, weiß ich daß es Zauber ist,
Wenn vor Weinen laut ich schluchze, es des Darbens Anfang ist.
In dem Würfelspiel der Liebe Kopfverlieren Kleinstes ist,
Ocean voll Well' und Woge, weiß ich, nur ein Körnchen ist.
Kreist der Himmel um die Sonne, Liebeslust der Mück' es ist,
Reines Herz, auch dieses weiß ich, des Geliebten Wohnsitz ist.

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Untergang des Einzelwesens im Urwesen

Meines Leibes Schiff in Trümmern in dem Meergrund untersank,
Jetzt hab' ich das Meer durchbrochen, Aufgang ist mein Untergang! Jelleli!
Wahrheit ward mir mein Elias, zeigt den Weg mir ohne Müh'n,
Aus der Regenbogenfarben Täuschung will ich kühn entfliehen! Jelleli!
Perlenthau bin ich der Sphären, der entsank dem Blüthenthron,
Perlenthau im Staube weilt nicht, wird auf's Neu' der Rose Kron'! Jelleli!
Fort mit dir du Kleid aus Staube, hurtig wirst du abgelegt;
Wasser ist mein Kleid nun worden, Wasser jetzt mein Bildniß trägt! Jelleli!
Himmelstropf krystallhell war ich, Erdenstaub ließ mich nicht rein,
Nun geborgen werd' ich, setz' mich in des Demants Herz hinein. Jelleli!
Ach, vor Sehnsucht ward ich längst schon dem gespannten Bogen gleich,
Doch der Bogen ist zerbrochen, bin dem Herrn der Welt nun gleich! Jelleli!
Von der Erd' des Körpers riß mich auf Muhammeds Blitzesroß,
Führt zum Gastmahl mich der Kindschaft, führt mich in der Heimath Schooß! Jelleli!
Flüchtig baute sich mein Körper, wie die Welle webt der Wind,
Drum zerdrück' die Wasserblase ich im Augenblick geschwind! Jelleli!
Hin an der Vergessung Kuppel häng' die Flasch' ich mit dem Wein,
Trunken will ich jetzt alleine von des Freundes Augen seyn! Jelleli!
Also bin ich jetzt betrunken, daß bei meiner Kindschaft Mahl
Ich die Gläser angebunden an der Himmel Himmel Saal! Jelleli!
Sonn' gab mir den goldnen Becher, Mond den silbernen Pokal,
In dem Rausch zerschlug ich beide, jubelnd hundert tausendmal! Jelleli!
Götzendiener werden Löwen ob der Lust am Götzendienst,
Löwe bin auch ich geworden ob der Lust am Menschendienst. Jelleli!
Meister dieses Lieds ist Sajib, Gotterfüllung hat's geschenkt,
Sonder Müh' ist es gezeichnet, Bild an Bild ohn Müh' gehängt.

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übersetzt von Friedrich August Gottreu Tholuck (1799-1877)


aus: Blüthensammlung aus der Morgenländischen Mystik
nebst einer Einleitung über Mystik überhaupt
und Morgenländische insbesondere
von F. A. G. Tholuck [Friedrich August Gottreu Tholuck 1799-1877]
Berlin bei Ferdinand Dümmler 1825 (S. 289-296)


 

"Sajib, welcher am Ende des sechzehnten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung lebte, ist einer der ausgezeichnetsten mystischen Dichter. Die hervorstechendsten Eigenschaften seiner Dichtungen sind: Energie, Ideenfülle, Feuer. - Das eine seiner Gedichte, welches wir hier mittheilen, das den Untergang des Menschengeistes in Gott besingt, hat einen so bacchantischen Schwung, daß ihm kaum irgend etwas Großartigeres zur Seite gestellt werden kann. Wohl mag man von Sajid sagen, was ein Perser von ihm aussprach:
Sajibs Feder ist der Schnabel einer holden Nachtigall,
Seine pergamentnen Hefte Rosenblätter allzumal.
Wenn zu Blatt du nun und Feder um die Dint' verlegen bist,
Wisse, unsers Sajibs Dinte duftend Rosenwasser ist."

aus: Blüthensammlung aus der Morgenländischen Mystik
nebst einer Einleitung über Mystik überhaupt
und Morgenländische insbesondere
von F. A. G. Tholuck [Friedrich August Gottreu Tholuck 1799-1877]
Berlin bei Ferdinand Dümmler 1825 (S. 288-289)


 

 


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