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Seid Hatif Isfahani (gest. 1783)
Ein mystisches Gedicht
O du, dem Herz und Seele sind zu Dienst,
Auf dessen Pfad sie ausgegossen beide!
Dir dient das Herz, weil du das Herz gewinnst,
Die Seele dir, weil du der Seelen Freude;
Schwer ist's das Herz aus deiner Hand befrei'n,
Leicht ist's zu deinen Füssen opfern Seelen,
Pfad deiner Ein'gung ist ein Pfad voll Pein,
Schmerz deiner Liebe - Schmerz dem Mittel fehlen;
Wir Diener weihen Herz und Seele dir,
Das Aug - am Wink, das Ohr - am Richtspruch hangt es:
Willst Frieden du, - hier - nimm das Herz uns, hier,
Hier - nimm die Seele, wenn dein Zorn verlangt es!
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Von Liebe heiss, vom Sehnsuchtsdrang erfasst,
So irrt' ich gestern unstätt durch die Weiten,
Bis dich zu schauen des Verlangens Hast
Mich trieb dem Feuertempel zuzuschreiten.
Sieh dort, - ihm fern sei Unheil! - ein Verein
Wo Erden- nicht, nein, Gottes-Lichter flimmern.
Und ringsum Gluth gleich jener, deren Schein
Einst Moses nächtlich sah am Horeb schimmern.
Sieh dort, - ein Alter schürend Flammenlicht,
Um ihn in Ehrfurcht kreisend Priester, junge,
Jasmin die Wangen, Rosen das Gesicht,
Schmalmundig alle und von süsser Zunge,
Und Harfe, Zither, Trommel, Laute, Rohr,
Wein, Fackeln, Speisen, Königskraut und Rosen,
Mondschöner Schenken moschuslock'ger Chor
Und heit'rer Sänger anmuthvolles Kosen,
Und Magierpriester jedes Ranges dann,
Geschürzt zum Werke, ihren Dienst beschickend;
Doch ich, voll Schaam dass ich ein Muselman,
Stand dort mich scheu in einen Winkel drückend.
Da frug der Greis: "Wer da?" die Antwort war:
"Ein Liebender der umirrt ohne Rasten." -
"Reicht reinen Weins", rief er, "ein Glas ihm dar,
Ob ungeladen, mag er heut' hier gasten!"
Der Schenk der Magier mit der Feuerhand
Liess in den Becher rinnen lohe Flammen;
Ich trank, - und wegschwand Denkkraft und Verstand,
Unglaube, Glaube, schmolz im Brand zusammen;
Hinstürzt' ich trunken, und im Rausche dort
Mit einem Laut, umsonst dass ich beschreib' es,
Aus meinem Innern plötzlich scholl diess Wort,
Durch alle Fibern dröhnend meines Leibes:
Nur Einer ist und Nichts als dieser Eine,
Ein Einz'ger Gott, sonst keine Gottheit, keine!
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O Freund, von dir werd' ich mich trennen nie,
Eh' schwertgetrennt soll Glied für Glied mir krachen,
Und hätt' ich hundert Seelen, gäb' ich sie
Für deines Mund's ein halbes Zuckerlachen.
Halt, Vater, ein zu rathen Liebe mir,
Nie wird diess Kind zum Meister sich erheben;
Die Menge auch, sie räth mir, - ach, von dir,
Von deiner Liebe, könnt' sie Rath mir geben!
Zum Gau des Heils ich kenn' den Pfad doch, - ach, ich
Bin, wo hinaus, in Fallen hier gefangen! -
Zur schönen Christin in der Kirche sprach ich:
Du, die mein Herz in deinem Netz siehst hangen,
Du, deren schmalen Büsserstrick so gern
Ich für mein Haar, das lose, wählt' zum Bande,
Wie lang' wirst du, dem Pfad der Einheit fern,
Den Einen lästern durch der Dreiheit Schande?
Gott ist ein Einziger, warum demnach
Als Vater, Sohn und Heil'gen Geist ihn grüssen? -
Da that sie auf den lieben Mund und sprach,
Indess die Lippen Zucker tropften, süssen:
"Erst wenn der Einheit Räthsel dir ward klar,
Wirst du, dass ich ungläubig nicht, erkennen:
Eins ist die Seide und nicht drei, ob zwar
Du Seide, seta, soie sie kannst benennen;
Drei Spiegel sind's, in die der Gottheit Braut
Die Strahlen wirft des Flammenhaupts, die hellen," -
So stritten wir, als eine Glocke laut
Ich diese Worte plötzlich hörte gellen:
Nur Einer ist und Nichts als dieser Eine,
Ein Einz'ger Gott, sonst keine Gottheit, keine!
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Zur Schenke gestern einen Ausflug macht' ich,
Als mir im Herzen Liebesflammen tobten,
Dort sah ein Festmahl schimmernd und voll Pracht ich,
Den greisen Wirth zu oberst, den erprobten,
Die Diener sah ich stehend reihenweis,
Die Zecher sitzend, Mann an Mann sich lehnend,
Den Greis erhöht, um ihn der Gäste Kreis,
Theils ganz berauscht, im Taumel theils sich dehnend,
Doch alle voll von Gottes Huld, ihr Blick
Für Wahrheit scharf, ihr Ohr das Recht erkundend,
Des Einen Trinkspruch: Sei der Wein zum Glück!
Des Andern Rückgruss: Sei er lieblich mundend!
Im Busen Frieden und sein Innres rein,
Die Lippen stumm, die Herzen voll von Worten,
So sassen sie bei Harfenklang und Wein,
Im Arm die Seligkeit von hier und dorten.
Ich aber traf voll Ehrfurcht vor und sprach:
"Greis, dem als Knecht der Greis Verstand muss dienen!
Ich bin verliebt und kummervoll und schwach,
Schau meine Schmerzen und gieb' Heilung ihnen!"
Darauf der Greis, den Lächeln überkam:
"Dess Herz als Ruhplatz Engeln dient im Fluge!
Bei mir was suchst du, du vor dem aus Schaam
Der Rebe Kind verschleiert sitzt im Kruge?!"
Ich aber rief: "Mein Innres brennt, gieb Fluth
Und diesen Brand lass aus der Seele weichen!
Schon gestern, ach, ergriff mich diese Gluth,
Soll auch das Heute, weh, dem Gestern gleichen?!"
Da rief er lächelnd: "Fass den Becher du," -
Ich setzt' ihn an, - "doch nicht zu viel lass schenken!"
Ich trank, - ein Schluck, - und los war ich im Nu
Der Qual: Bewusstsein, und der Bürde: Denken.
Darauf erwachend konnt' ich Einen nur, -
Sinnbild und Wort war alles and're, - schauen,
Bis solchen Spruch urplötzlich ich erfuhr,
Den Engel riefen aus dem Hort im Blauen:
Nur Einer ist und Nichts als dieser Eine,
Ein Einz'ger Gott, sonst keine Gottheit, keine!
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Des Herzens Aug' schliess auf: die Seele schaust du,
Ja solches selbst, das nicht zu schauen, schaust du,
Wählst du das Reich der Liebe dir zum Ziel,
Das ganze All voll Rosenauen schaust du,
Dem Winke dess, der Bürger jenem Reich,
Dienstbar, sich dreh'n des Himmels Sphären schaust du,
Was du dort schaust, dein Herz begehrt es gleich,
Und was dein Herz dort wird begehren, schaust du
Den ärmsten Bettler in der Liebe Land
Als Weltregenten stolzer gehen schaust du.
Und manchen auch, der früher baarfuss stand,
Dort auf der Sterne Scheitel stehen schaust du,
Und manchen auch, der nackten Hauptes schweift,
Dort unter Gottes Thron sich zelten schaust du,
Und jeden, jeden, den der Geist ergreift,
Verachtend schau'n auf beide Welten schaust du,
Dort in zwei Hälften die Atome scheide:
Ein Sonnenbild in jedem Stäubchen schaust du.
Was dein, giebst hin in Liebe du's, ein Heide
Bin ich wenn Schadens nur ein Quentchen schaust du,
Im Liebesfeuer wenn dir schmilzt die Seele,
Als Goldtinktur der Seele Liebe schaust du,
Von allem los, was Schranken heisst, dich zähle:
Unendlichkeit, kein Hemmniss bliebe, schaust du;
Dort wirst du hören was gehört kein Ohr,
Was keinem Auge schaubar, keinem, schaust du,
Bis Einen nur, - so hoch dringst du empor, -
Aus Welt und Weltbewohnern Einen schaust du,
Denn Einer ist und Nichts als dieser Eine,
Ein Einz'ger Gott, sonst keine Gottheit, keine!
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Trotz Thor und Wall siehst du enthüllt den Freund,
Bist du ein Seher, in Verklärung funkeln,
Du suchst ein Lämpchen - und die Sonne scheint,
Der Mittag blendet - und du irrst im Dunkeln;
Der Nacht, die in dir selbst wohnt, dich entrücke,
Und alle Welt voll Osten schaust du flimmern,
Nicht Blinden gleich nach Führer schrei und Krücke
Auf eb'nem Weg, wo allwärts Lichter schimmern.
Schau an im Garten, wenn dein Auge wach,
Die klare Quelle um die Blumen kosen:
Ob farblos selbst, in Farben tausendfach
Erkenn am Schmelz von Tulpen sie und Rosen.
Den Pfad des Strebens schreite, und als Zehrung
O woll' zur Reise Liebe mit dir nehmen,
Sie, die so leicht zu manchem giebt Gewährung
Wozu Verstand nur schwer sich wird bequemen.
Ruf an den Freund bei Früh- und Abendlicht,
Ruf ihn bei Tages Auf- und Niedergängen,
Ob hundertmal "Mich schaust du nie," er spricht
Du hör nicht auf dem Schauen nachzuhängen,
Bis endlich du erreichen wirst den Ort,
Den Phantasie und Denkkraft nicht erreichen,
Und schau'n den Freund im Heiligthume dort,
Daraus voll Scheu selbst Gabriel muss weichen.
So, - und nun kennst du Zehrung, Pfad und Ziel:
Bist Mann des Wegs du, nimm sie und ihn gehe,
Und bist du's nicht, wie Andere so viel,
So ruf: "O Freund!" und still entsagend stehe.
Doch Hatif du, den der Geweihten Schaar
Bald schilt als trunken und bald preist als weise,
Vom Schenken, Sänger, Glas und Weine klar,
Vom Büsserstrick, Geliebten, Magiergreise -
Der Sinn, du weisst es, ein geheimer ist er,
Den man bald ausspricht, bald kaum wagt zu nennen,
Des Sinnbilds Sinn doch wenn sich dir erschliesst er,
Wirst diess als Räthsels Räthsel du erkennen:
Nur Einer ist und Nichts als dieser Eine,
Ein Einz'ger Gott, sonst keine Gottheit, keine!
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übersetzt von Ottokar
Freiherr von Schlechta-Wssehrd (1825-1894)
Aus: Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft
Band 5 Erstes Heft Leipzig 1851 in Commission bei F. A. Brockhaus (S.
80-89)
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