Aus: Der Buchstabe Sa
I. (1)
Ich bins, der's Auge aufgethan
Den Freund zu seh'n,
Wie dank' ich dir, o Gott,
Vermitteler!
Wisch' nicht von deinem Angesicht
Der Bitte Staub,
Denn er ist für den Wünschenden
Der Weisen Stein.
Zwey Thränen, welche du, o Aug'!
Geweinet hast,
Versichern die Liebkosungen
Von deinem Glück.
Wenn sich der Liebende mit Blut
Nicht reiniget,
Gilt sein Gebet vor dem Mufti
Der Liebe wohl? 1
O Herz! Lenk' nicht ob schlechtem Weg
Den Zügel ab,
Es denken Reisende nicht auf
Berg auf, Berg ab.
Was nützet mir der Schwätzermund
Des Frühlingswind's
Wenn die Cypreße selber nicht
Geheimniß birgt.
In diesem Fabelort ergreiff'
Nichts als das Glas,
In diesem Spielerhause spiel'
Nun Minnespiel.
Bedarf gleich deiner Schönheit Reiz
Der Liebe nicht,
So kehr' doch ich nicht mehr zurück
Vom Liebesspiel.
Wie soll ich dir beschreiben wohl
Des Innern Brand,
Frag' meine Thränen, denn ich bin
Kein Schwätzermund.
Das Glück Mahmuds bedarf des Haars
Ajasen's nicht 2
Liebkosung ist der einz'ge Zweck
Von ihrem ein Bund.
Das Lied des Morgensternes tönt 3
Verstimmten Tons,
Sobald Hafis die Stimme zum
Gesang erhebt.
1 Anspielung auf die gesetzliche
Reinigung vor dem Gebete, ohne welches dasselbe nicht
gültig ist.
2 Ajas
der schon oben einmal genannte Liebling Schah Mahmuds Seboktegin
des mächtigsten Fürsten der Familie Gesnewi. Das
Glück Mahmuds bedurfte nicht der Liebe Ajasens,
Liebe war der einzige Zweck ihres Freundschaftsbundes.
3 Das
hohe Lied, welches Sohre oder Venus als
Lautenschlägerin des Himmels beim Reigen der Sterne
anstimmt. Sohre ein schönes tugendhaftes Weib, umsonst
versucht von den zwey Engeln Harut und Marut,
welche die Erde durchreisten um Menschenkinder zum Falle
zu bringen. Harut und Marut wurden in dem
Brunnen von Babel bei den Füßen aufgehängt bis zum
jüngsten Tage, Sohre unter die Sterne versetzt,
wo sie als Nahid die Laute spielt beim
Sphärentanz.
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