Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ain

IV. (4)

Durch Treue bin ich berühmt bei Schönen wie die Kerze,
Ich sitze bei der Nacht mit Trunknen, wie die Kerze.

Bei Nacht und Tage kommt kein Schlaf in meine Augen,
Ich weine, und bin krank durch Trennung, wie die Kerze.

Den Faden der Geduld zerschnitt die Scheer des Grames,
Ich lach' in der Gluth der Liebe, gleich der Kerze.

Den Schmetterling der Lust send' in die Nacht der Trennung, 1
Sonst werde ich die Welt verbrennen wie die Kerze.

Wenn blut'ge Thränen nicht dem Auge heiß entströmten, 2
So wär' der Welt nicht kund mein Innres wie die Kerze.

Mein weinend Herz, o schau' es zwischen Gluth und Wasser,
Beständig klaget es, es jammert wie die Kerze.

Der Felsen der Geduld zerschmilzt wie Wachs vor Schmerzen,
Seit deine Liebe mich zerschmelzet wie die Kerze.

Mein Tag ist finster ohne deine Weltenschönheit,
Doch unvollkommen ist die Liebe wie die Kerze. 3

Ergriffen hat Hafisen deiner Liebe Flamme,
Wann löschet Wasser diesen Brand aus wie die Kerze. 4

1 Ich tappe herum in der finstern Nacht der Trennung: O sende mir doch den Schmetterling des Genußes um mich in dieser Finsterniß zu trösten, denn sonsten zehre ich mich an aus heißer Sehnsucht, wie die Kerze.

2 Wie die Kerze in heißen Tropfen schmilzt, so zerschmilzt mein Auge in heiße blutige Thränen, welche mein Inneres der Welt verkünden und offenbaren, wie sich die Kerze durch ihre Flamme zeigt und offenbaret.

3 Die Kerze opfert ihren Geist auf, indem sie sich selbst brennend verzehret, so opfern wir auch unsere Seele auf.

4 Die Kerze ist allen morgenländ'schen Dichtern das Bild eines aus Liebsucht sich anzehrenden, in heiße Thränen zerschmelzenden, treuen Liebenden, Hafis vergleicht sich derselben in allen Stücken.



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