Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Nun

III. (3)

Mein hohes Liebchen, voll Liebkosungen,
Hat die Enthaltsamkeit mir abgekürzt.

Siehst du, was Alter, Tugend, Wissenschaft
Mir angethan hat, sprach ich zu dem Liebchen.

Die Thränen haben mich in Gluth gestürzt,
Sie haben mein Geheimniß ausgeplaudert.

Mein Freund ist trunken, denk' des Freundes nicht.
Der Schenke gnädig für die Armen lebe.

Ich fürchte meiner Frömmigkeit Ruin.
Der Brauen Hochaltar raubt mir die Ruhe.

Wie Kerzen lächelnd wein' ich über mich. 1
O steinern Herz, was macht die Fluth und Flamme!

Ich mahl' ein Bild auf meiner Thränen Fluth,
Wann wird, o Herr! das Bildliche erst wirklich?

O Herr! wann weht der Hauch des Morgenwinds,
Durch dessen Duft ich einst gerettet werde?

O Mönch! Nichts kömmt aus dem Gebet heraus,
Viel besser ists, bey Tag und Nacht zu trinken.

Der Gram verzehrt Hafisen, sag's, o Wind!
Dem Schah, der Freunde nährt, und Feinde sengt.

1 Die brennende Kerze ein Sinnbild des treuen Liebenden, der sich verzehret, indem er heiße Thränen weinet, wie die Kerze zerschmolzne Wachstropfen, und dabei ein frohes Gesicht macht, wie die heitere Farbe; die Kerze lacht flammend und flackernd, sie weint schmelzend und zergehend, so flackert der Geist des Dichters lachend in lichter Lohe auf, so weint er in heiße Thränen zerschmelzend.


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