Aus: Der Buchstabe Nun
XIII. (13)
Herein zur Thür!
Erleuchte nächtliches Dunkel,
Durchwürz' die Luft
Des Kreises geistiger Männer.
Dem Geist das Herz
Empfehl' ich Augen und Brauen,
O komm', o komm',
Und schaue die Aussicht, den Bogen. 1
Bring' einen Staub
Von uns edenisches Lüftchen
Ins Paradies
Und würz' die Düfte desselben.
Der Schönheit Schein,
Verhüllt das Licht des Verstandes,
O komm'! erleucht'
Damit die Fackel der Sonne.
Der Stern der Nacht
Der Trennung sendet nicht Strahlen.
Steig' auf das Dach,
Zünd' an die Leuchte des Mondes. 2
Es weichen dir
An Reiz die Schönen der Fluren,
Drum sprich mit Huld,
Jasminen, Pinien an.
Der Schenke spricht
Viel überflüssige Dinge,
Dich kümmr' es nicht,
Du füll' den Becher mit Wein an.
Uns ziemt es nicht,
Nach dem Genusse zu geizen,
Du weise uns
An zuckersüße Rubinen.
Du küß das Glas
Und giebs den Trunkenen über,
Mit diesem Wort
Durchwürz' den Duft des Verstandes.
Räth dir der Mönch
Nicht Liebesspiele zu spielen,
Reich' ihm das Glas,
Befeucht' damit sein Gehirne.
Mit deiner Huld,
Mit deiner lieblichen Tugend
Heb' wie die Kerz'
Empor das Haupt in Gesellschaft.
Die Kutte setzt
Mich in nicht kleine Verwirrung.
Mach' mich zum Mönch
Mit einem schmeichelnden Blicke. 3
Nachdem du viel
Mit Mondgesichtern geliebelt, 4
Präg' deinem Sinn
Hafisens Lieder mit Fleiß ein.
1 Unter der Aussicht werden
die Augen, unter dem Bogen die Brauen gemeint.
2 Weil
mir in der Trennungsnacht kein Stern funkelt, so komm du
auf die Terraße, und beleuchte die Nacht mit deinem
Mondgesichte.
3 Meine
Kutte setzt mich in große Verlegenheit, weil ich nichts
weniger als den wahren Geist des Mönchthums besitze. Nur
deine Blicke können mir Muth und Kraft zur nöthigen
Selbstverleugnung einflößen.
4 Isch
und ischk sind die Ergießungen sinnlicher und
leidenschaftlicher Liebe, beide verschieden von ischret
der eigentlichen Wollust, und muhabbet der
reineren schon mehr an die edeln Gefühle der
Freundschaft gränzenden Liebe.
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