Moganniname
Das Buch des Sängers
Sänger mit dem
hohen Tone
Spiele mir die Kaiserweise,
Sende neuen Ton den Trunknen,
Ton für abgeschiedne Freunde.
Sänger spiele frohe Weisen,
Fange Lieder an zu singen.
Sieh' mich drückt der Gram zu Boden,
Heb' mich auf von diesem Platze.
Bring' ein Bild mir von dem Vorhang
Sieh' was sagt der Vorhanghalter, 1
Hebe hoch empor die Stimme,
Daß Naitis selber tanze. 2
Rühr' die Trommel, schlag' die Pauke,
Gieb den Freunden süße Töne,
Daß die Wesen sich vertiefen,
In Betrachtung wie im Rausche.
Sänger, schlage mir die Orgel,
Raub' dem Herz die Weltgedanken,
Ruhe kommt vielleicht der Seele,
Wenn sie nicht mit Gram befleckt ist.
Komm', wir haben keine Fehde,
Schlag' die Duffe, statt der Cyther, 3
Wenn der Wein dir schaden könnte,
Nützet dir der Duffe Lärmen.
Sänger komm' und schlag' die Laute,
Und beginne neue Weisen.
Heile mich mit einem Tone,
Hundertfach zerstück' das Herz mir.
Sey so gnädig, durch die Flöte
Feuer in das Herz zu werfen,
Ausser mir bringst du mich selber,
Und zerstörst die Beut' des Grames.
Sänger! sage mir wo bist du,
Spiel mir eine neue Weise,
Wenn die Welt einst leer geworden,
Ist der Bettler mehr als König.
Sänger! sing', heb' auf die Leyer!
Mittellosen gieb ein Mittel.
Zeig' nach Irak mir die Straße, 4
In dem Auge strömt der Sindus. 5
Sänger! hör' und schlicht' Geschäfte
Nach dem Rath, den ich dir gebe,
Wenn der Gram mich überziehet,
Komm' mit Lauten, Duff' und Flöten.
Sänger! du bist mein Vertrauter,
Spiel' von Zeit zu Zeit die Flöte.
Gieb den Wein, und hast du Kummer,
Blas' in's Rohr, die Welt ist Lufthauch.
Spiel' das Barbiton, o Sänger!
Schenke füll' mit Wein die Kanne,
Laß uns mit einander schwärmen,
Mit einander wieder ruhen.
Sänger! sing' von meinen Liedern
Eines zu dem Ton der Cyther.
Daß ich in Betrachtung sinke,
Sinnberaubt und nacket tanze.
Heimliches wird kund durch Trunkne,
Die Geheimniß' nicht bewahren.
Traurig bin ich, spiel' zwey Saiten,
Spiel' auf einer, spiel' auf dreyen.
Sänger! spiel' die neuen Lieder,
Sprich zu den Gasellen singend.
Heitre auf den Geist der Großen
Mit Parwis und mit Barbuden. 6
Wieder Unruh weckt das Schicksal
Ich und Rausch und Schelmenaugen!
Diese blut'gen Schlachtenfelder
Trink' mit Blut der Flasch' des Schenken.
Wundern muß des Schicksals Lauf mich,
Weiß nicht, wer in Staub soll beißen!
Weltbetrug ist ohne Kunde,
Sieh' was wird! die Welt ist schwanger.
Hüt' dich vor der Welt, o hüt' dich!
Niemand bleibt am Brückenkopfe.
Diese Welt ist eine Einkehr,
Wo Efrasiab einst thronte. 7
Eine Wüste, wo die Heere
Turs und Salems Blut vergoßen. 8
Wo ist Piran? Er der Feldherr?
Wo ist Schida Dolche zückend? 9
Ihre Dome sind verschwunden,
Niemand weiß um ihre Gräber.
Einen macht das Loos zum Schreiber,
Andern giebt es einen Degen. 10
1 Der Vorhanghalter, welcher den Vorhang
oder die Tapete des Eintritts hält, (auf persisch Perdedar, auf
arabisch Hadschib) begleitet eines der ersten Hofämter, das bey
uns dem des Obersten Kämmerer entspricht.
2 Nahid, woraus die Griechen
AnaitiV
gemacht, ist eigentlich die Diana Lucifera, die Götinn des
Morgensterns und der Liebe, welche zu Babilon unter dem Namen
kallish
der Schönsten verehrt ward. Hier steht Nahid für Sohre
oder Venus, welche die Leyer schlägt zum Reigen der Sterne.
3 Duff die belannte Halbtrommel,
verderbt Aduffe.
4 Iraki ist eine berühmte
Tonweise, auf die hier angespielt wird. Hafis redet den Sänger an, ihm
die Straße nach Isfahan, der Hauptstadt Iraks, zu zeigen.
5 Den dort vorbeifließenden Fluß
Sinderud oder Lebensfluß findet er von selbst in den Thränen des
Augs.
6 Barbüd, der Kammersänger
Chosrus Perwis und nach der orientalischen Sage der Erfinder des
Barbiton, das ihm vielmehr seinem Namen geliehen.
7 Efrasiab eindurch das Schahname
und andere alte persische Geschichten berühmter Fürst von Turan der
Erbfeind Irans, d.i. des alten Persiens. Die Beherrscher Turans waren
Dränger, gewaltige Eroberer und furchtbare Dynasten, deren Nachfolger
noch heute mit ihren Namen
turannoi
Tyrannen benennet werden.
8 Tur, Solem und Iredsch,
die drey Söhne Feriduns, eines der ältesten Universalmonarchen
Asiens, dessen Theilung seiner Länder unter diesen drey Söhnen viele
blutige Kriege veranlaßte.
9 Piran der Feldherr, und
Schida ein Sohn Efrasiabs.
10 Das Loos hat verschiedentlich die
Nahrungszweige und Erwerbsquellen unter die Menschen vertheilt, den
einen macht es zum Schreiber, den andern zum Soldaten, und (wie Sudi
größerer Deutlichkeit willen hinzusetzt), den einen zum Schneider, den
andern zum Schuster, den einen zum Koch, den andern zum Bäcker.
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