Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ha

II. (2)

Wenn du für Recht hältst zu vergießen,
Das Blut des Liebenden,
So halt' auch ich's für recht und billig,
Gerade so wie es dir däucht.

Wer deinen Locken Schwärze schenkte,
Hat eingesetzt die Nacht; 1
Den Tag hat aufgekläret,
Wer deinem Antlitz Weiße gab.

Von meiner Augen Thränen fließt
Ein bittrer Quell zusammen,
Kein Schiffer steuert durch die Mitte
Von diesem Fluthenmeer sein Schiff.

Des Lebens Quell sind deine Lippen.
Sie geben Geisteskraft,
Deßwegen hat mein Körper
Den geistigen Geschmack des Weins. 2

Noch Niemand ist den krausen Locken
Von deinem Moschushaar,
Noch Niemand dem Geschooße
Der Brauen, und des Aug's entflohn.

Bescheidenheit, und Scham, und Reue
Verlange nicht von mir,
Wer heischet gute Werke,
Von Trunkenen und von Liebenden?

Kein Kuß von deinen Purpurlippen
Ward mir durch tausend List.
Es hat mit tausend Bitten
Mein Herz nicht seinem Wunsch erreicht,

Was ist das Glas, das sich auf deine
Gesundheit immer leeret?
Wir Andern trinken immer,
Und sind hierin den Gläsern gleich. 3

Es wird der Wunsch für dich das stete
Gebet Hafisens seyn,
So lang' sich an einander
Die Tage und die Nächte reih'n.

1 Er hat die Nacht eingesetzt, ein Ausdruck des Korans von Gott dem Herrn.

2 Der übertragene Begriff von Geist ist im Arabischen derselbe wie im Deutschen; die beiden Worte aber, mit denen hier im Originale gespielet wird, sind Ruh der Geist und Rah der Wein, die dann noch mit dem Körper, und dem Wasser des Lebens in Kontrast gesetzt sind.

3 Ein arabischer Vers, entweder Hafisens eigene Erfindung, oder aus einem bekannten arabischen Gedichte entlehnt. Sudi bemerkt, daß sich derselbe nicht in dem persischen Diwanne, wohl aber in den Comentaren finde, und daß er denselben deßhalb, ungeachtet seines geringen Werthes, aufgenommen habe.



zurück