Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Elif

14.

Gnade ist es, birgst vor Bettlern
Dein Gesicht du nicht,

Dass nach Herzenslust mein Auge
Schaue dein Gesicht.

Gleich Harut1 heisst mich die Liebe
Weinen stets und fleh'n:

Hätte doch mein Auge nimmer
Dein Gesicht geseh'n!

Fiel Harut in deines Kinnes
Brunnen je hinab,

Wenn er dem Marut nicht Kunde
Deiner Schönheit gab?2

Holde Peri!3 auf der Wiese
Hebt sich Rosenduft,

Während der berauschte Sprosser
»Sah'st Marut du?« ruft.

 Fern von dir hat, o mein Götze,
Qualen zu besteh'n

Mein Hafis; o lass ihn gnädig
Dein Gesicht doch seh'n!
 

1 Harut und sein Gefährte Marut sind zwei Zauberengel, die auf die Erde gesandt, um die Menschentöchter zu verführen, zur Strafe ihrer Missethaten endlich in einem tiefen Brunnen bei Babel aufgehangen wurden.

2 Er fiel nämlich, aus Strafe für das Verlautbaren des Geheimnisses deiner Schönheit, in den Brunnen deines Kinnes, d.h. er machte dadaurch auch den Marut in dich verliebt, und wurde nun selbst um so verliebter, wofür er bestraft wurde.

3 Die Peris sind die schönen und wohlthätigen Wesen der alten persischen Mythologie; eine Art guter Feen. - Dieses Ghasel wird von Sudi dem Kammmacher Hafis aus Tebris zugeschrieben und soll nur durch die Verwechslung der Namen in den Divan des schirasischen Hafis gekommen sein.

 

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