Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Elif

3.

Schenke, gib durch's Licht des Weines
Meinem Glase hellen Glanz!

Sänger, singe! Meinem Wunsche
Fügt sich ja die Erde ganz.

Im Pocal sah ich des Freundes
Holden Wangenwiderschein:

O Unkundiger der Wonne,
Die da liegt in meinem Wein!1

Liebesspielen schlanker Schönen
Lässt man nur so lange Raum,

Als sich nicht, wie Pinien schaukelnd,
Reget mein Zipressenbaum.

Dessen Herz durch Liebe lebet,
Wird den Todten nie gesellt:

Meine ew'ge Dauer stehet
Desshalb in dem Buch der Welt.

Kömmt der jüngste Tag, befürcht' ich,
Werd' im Preis nicht höher sein

Das erlaubte Brod des Scheïches,2
Als mein unerlaubter Wein.

Holder Wind, ziehst du vorüber
An der Freunde Rosenflur,

O so bring' von mir dem Liebling
Meine besten Grüsse nur;

Frage Ihn, warum er meiner
So mit Vorsatz nicht gedenkt?

Kömmt doch wohl von selbst die Stunde.
Die mich in's Vergessen senkt.

Meines holden Lieblings Auge
Hat den Rausch für schön erkannt:3

Darum gab man auch dem Rausche
Meine Zügel in die Hand.

Lass, Hafis, das Körnchen fallen,
Das dir an dem Auge hängt

Und vielleicht in meinem Netze
Des Genusses Vogel fängt.

Jenes grüne Meer des Himmels
Und sein Schiff, der neue Mond,

In Kawam's, des Pilgers4, Gnaden
Sind zu tauchen sie gewohnt.
 

1 Das Wort des Originals: Mudam heisst Wein, der immerwährend und zu allen Stunden genossen wird, im Gegensatze des Ssabuh, und des Ghabuk, wovon jener vorzugsweise des Morgens, dieser des Abends getrunken wird. - Wenn vom Weine die Rede ist, so wird darunter immer nur der rothe verstanden.

2 Scheich heisst ein Vorsteher eines Derwischklosters, ein Prediger, ein Greis.

3 Weil es selbst trunken ist. - Die Orientalen nennen glänzende, feurige Augen trunkene.

4 Kawam, dessen ganzer Name Kawam eddin Hassan lautet, und der, wie alle diejenigen, welche die Pilgerreise nach Mekka unternommen haben, den Beinamen Hadschi, der Pilger, führte, war 10 Jahre hindurch Wesir des Ilchaniden Sultan Hassan und dessen Sohnes Sultan Scheich Oweis; er stiftete eine Schule, an welcher Hafis lehrte, schrieb Randglossen zur Koranexegese Kaschaf des grossen arabischen Philologen Samachschari und zum encyklopädischen Werke: Miftahul-ulum, d.i. Schlüssel der Wissenschaften des Sakkai. Er war ein sehr wohlthätiger Mann, besonders gegen unseren Dichter, der seinen Tod in einem Chronodistichon beklagte. Es gab noch einen früheren Wesir dieses Namens, der insgemein Kawami Ekber, d.i. der grösste Kawam genannt wird.

 

 

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