Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Se

12.

Komm, und auf des Weines Strome
Lass mein Schiff von Stapel geh'n

Und in alt- und jungen Seelen
Lauten Jubelruf ersteh'n!

Wirf mich in ein Schiff, o Schenke,
Das mit Wein beladen man,

Denn es heisst ja: »Thue Gutes
Und in's Wasser wirf es dann.«1

Da ich von dem Gau der Schenke
Einen falschen Pfad betrat,

O so leite du mich wieder
Gnädig auf den wahren Pfad!

Bring' von jenem rosenfarb'nen
Moschuswein ein Gläschen voll,

Und in's Herz des Rosenwassers
Wirf die Funken: »Neid und Groll!«

 Bin ich auch gar wüst und trunken,
Könntest du doch gnädig sein

Und mit einem Blick mein wüstes,
Mein verwirrtes Herz erfreu'n.

Wenn um Mitternacht dich lüstet
Nach der Sonne hellem Licht,

Zieh' der ros'gen Rebentochter
Ihren Schleier vom Gesicht!2

Übergib mich nicht der Erde,
Wenn ich einst gestorben bin,

Sondern trag' mich in die Schenke
Und zum Weinfass wirf mich hin!

Wenn, Hafis, des Himmels Härte
Dir zu viel zu dulden gab,

Sende auf den Diw der Leiden
Flammenhelle Pfeile ab!3
 

1 Hafis parodiert hier den bekannten Spruch: Thue Gutes und wirf es in's Meer; weiss es der Fisch nicht, so weiss es der Herr.

2 D.h. Giesse den Wein in's Glas.

3 Anspielung auf die Sage von den Flammen, die die Engel auf die Dämone vom Himmel schleuderten, als diese ihre Gespräche belauschen wollten.

 

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