Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Ssad

1.

Aus den Banden deiner Locken
Rettet sich kein Menschensohn,

Und du tödtest die Verliebten,
Dem Vergeltungsrecht zum Hohn.

Tritt nicht erst der Herzverbrannte
In des Nichtseins Wüstenei'n,

Wird im Heiligthum der Seele
Er kein Auserwählter sein.

Deiner Wimper scharfem Pfeile
Hielte ein Rustem1 nicht Stand,

Und dem Pförtner deiner Braue:2
Reichte ein Wakkas das Pfand.3

In die Mitte, gleich der Kerze,
Stellt' ich treu die Seele hin,

Opferte den eig'nen Körper

Dir mit wahrhaft reinem Sinn.

Hat dich nicht, dem Falter ähnlich,
Erst verbrannt die Leidenschaft,

Wirst du nicht Befreiung finden
Von dem Gram den Liebe schafft.

Einen Brand hast du geschleudert
In des Herzens Falter mir,

Der ich ohnehin schon schwirre,
Aufgeregt von Lust nach dir.

Gleich der Alchymie verwandelt
Mir in Gold der Liebesschmerz

Den aus Staub geformten Körper,
Ist er gleich nur schlechtes Erz.

Fasst den Werth der selt'nen Perle
Jemals wohl des Pöbels Sinn?

Gib, Hafis, dein Prachtgeschmeide
Nur an edle Männer hin.
 

1 Rustem, der berühmte Held aus Firdussi's Schahname.

2 Der Dichter nennt die Brauen Pförtner, die das gleichsam das Haus des Auges bewachen.

3 D.h. Wakkas selbst, der berühmteste Bogenschütze seiner Zeit und ein Jünger und Gefährte des Propheten, würde den Pfeilen weichen müssen, die der Pförtner deiner Brauen entsendet. Die Brauen stehen hier für Augen.

 

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