Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Kief

1.

Du, auf dessen Salz1 der Lippe
Rechte hat mein wundes Herz;

Achte sie! Ich ziehe weiter:
Gott bewahre dich vor Schmerz!

Jenes reine Wesen bist du
Das in heil'ger Geisterwelt

Engel im Gebete preisen
Das dein stetes Lob enthält.

Zweifelst du an meiner Treue,
Unterzieh' der Probe mich:

Auf des Goldes Werth verstehet
Niemand wie der Prüfstein sich.

»Mich berauschen will ich - sprachst du -
Geben dann zwei Küsse dir.«

Mancher Tag verstrich, doch gabst du
Weder zwei noch einen mir.

Lass die lächelnde Pistazie2
Zucker streuen rings umher,

Dass das Volk an deinem Munde
Keinen Zweifel hege mehr.3

Kühn will ich das Rad4 zertrümmern,
Dreht's nicht mir nach Wunsche sich:

Lass' ich doch vom Himmelsrade
Nimmer unterdrücken mich.

Weil du, Neider, Ihm verwehrest
Zu Hafisen hinzugeh'n,

O so bleibe du doch mind'stens
Ein paar Schritte von Ihm steh'n!
 

1 D.h. Da deine Lippe mein Herz verwundete, so hat dieses das heilige Recht des Salzes (sales et lepores) auf dieselbe, um dadurch geheilt zu werden; ein Recht, so heilig wie das des Salzes, das zwei Freunde zusammen genossen.

2 D.i. Den Mund.

3 D.h. Damit man mit Gewissheit wisse, du habest einen Mund, woran man, wegen seiner Kleinheit, hätte zweifeln können.

4 D.i. Das Himmelsrad, das Firmament.

 

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