Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Lam

7.

Beim Zauber deines Aug's,
Du Püppchen, das entzückt,

Beim Räthsel deines Flaum's,
Du Wunder, das beglückt;1

Bei deinem süssen Mund,
Du meines Lebens Quell,

Bei deinem Schmelz und Duft,
Du Frühling schön und hell;

Beim Staube deiner Bahn,
Der Hoffnung Schattendach,

Bei deiner Füsse Staub,
Beneidet selbst vom Bach;

Beim anmuthvollen Gang,
Der Repphuhnsschritten gleicht,

Beim Blicke, dem der Blick
Selbst der Gaselle weicht;

 Bei deines Odems Hauch,
Beim süssen Morgenduft,

Bei deiner Locke Weh'n,
Bei kühler Abendluft;

Bei jenem Onix2, der
Mein Augensiegel heisst,

Bei jener Perle, die
Dein Redekästchen weist;3

Bei jenem Wangenblatt,
Des Geistes Rosenbeet,

Und jenes Blickes Flur
Wo sich mein Wahn ergeht

Schwört dir Hafis, er wird,
Willst du Gehör ihm leih'n,

Dir nicht nur Hab' und Gut,
Nein, selbst das Leben weih'n.
 

1 Wörtlich: Du Wunder von kaiserlicher, d.i. glücklicher Vorbedeutung (Fal). Fal heisst die Befragung der Zukunft, indem mit einem Griffel, Zahnstocher oder dergleichen in irgend ein Buch, gewöhnlich in den Koran hineingestochen und der Inhalt der getroffenen Stelle gleichsam als Antwort des Schicksales hingenommen wird. Die Verse des Korans heissen aber Wunder, Ajet, gleichsam geschriebene Wunder, und der Sinn dieser Stelle wird noch deutlicher, wenn man weiss dass Chatt sowohl Flaum als Schrift bedeute, und dass der junge Flaum häufig einer feinen Schrift verglichen wird.

2 D.i. Der blutigen Thräne.

3 D.i. Dem Zahne den dein Mund, das Schmuckkästchen der Rede, weist.

 

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