Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Nun

1.

Der gekrönte Fürst der Rosen
Ist am Wiesenrand erschienen;

Herr, er möge Segen bringen
Den Zipressen und Jasminen!1

Schön ist und so ganz am Platze
Dieses König's Thronbesteigen;

Jeder wird sich wieder setzen
Auf die Stelle die ihm eigen.

Gib dem Siegel Dschem's die Kunde
Von dem freudenvollen Ende:

Denn es band der Namen grösster
Ahriman's verruchte Hände.2

Dieses Haus soll ewig blühen,
Denn vom Staube seiner Pforte

Trägt die Düfte des Erbarmers
Jemen's Wind an alle Orte!3

Was der Sohn Peschenk's geleistet.
Wie sein Schwert die Welt bezwungen.

Hat in den gesell'gen Kreisen
Manches Königsbuch besungen.4

Deinen Sattel hat des Himmels
Schlägelschimmel selbst getragen;5

Auf den Rennplatz kamst du, Reiter,
Sollst nun kühn den Ball auch schlagen!

In des Reiches breitem Strome
In dein Schwert ein fliessend Wasser:6

Pflanze dr'um den Baum des Rechtes
Und entwurzle seine Hasser!

Künftig wird man nicht mehr staunen,
Wenn, bei'm Wohlduft deiner Milde,

Moschusduft Iredsch7 durchwehet,
Wie nur sonst Choten's Gefilde.

Deiner freundlichen Geberde
 Harrt der stille Klausner bange:

Nimm die Mütze von dem Haupte
Und entschlei're deine Wange!

Den Verstand zog ich zu Rathe,
Der »Hafis trink' Wein!« mir sagte;

Schenke, gib mir Wein! Vertrauen
Heischet der um Rath Befragte.8

Ost! Ersuche doch den Schenken
An des Atabeg's Gelage,

Dass er jenes gold'nen Bechers
Bodensatz mir nicht versage.
 

1 Dies Ghasel dichtete Hafis, als Schiras wieder in den Besitz Schah Manssur's zurückkehrte, den die Turkomanen daraus vertrieben hatten. Unter dem Fürsten der Rosen ist Schah Manssur, und unter den Zipressen und Jasminen sind die Grossen des Reiches verstanden.

2 D.h. Bedeute dem Siegel Dschem's, welches ein und dasselbe ist mit dem bereits erwähnten Siegel Salomon's, wie freudig die Wirkung sei, die es am Ende hervorgebracht, dass nämlich Schah Manssur, der geistige Besitzer jenes Siegels, die Turkomanen durch dasselbe wieder aus Schiras vertrieben, wie Salomon einst Ahriman, den Herrn der Diwe, d.i. Dämonen, vertrieben, der sich dieses Siegels (auf welchem der Name Gottes eingegraben war) und mittelst desselben der Herrschaft bemächtigt hatte.

3 Eine Anspielung auf die folgende Stelle aus dem Hadissi Scherif, d.i. der mündlichen Überlieferung des Propheten: Es weht die Luft des Erbarmers von Jemen her, d.h. von Arabien, dem Vaterlande Mohammed's, geht die wahre Religion aus. Da Schah Manssur ein sehr gelehrter Theologe war, so sieht Hafis in seinem Hause den Ort, von dem jene Luft des Erbarmers ausgeht.

4 Königsbuch, Schahname, heisst hier so viel als Geschichtsbuch. Peschenk's Sohn ist der in Firdusi's Schahname so gerühmte König Efrasiab aus der Dynastie der Pischdadier und Fürst der jenseits des Oxus gelegenen Länder; er besiegte den Perserkönig Menutscheher und entriss ihm sein Reich. - Hafis eifert hier den König Manssur zu ähnlichen Thaten an.

5 D.h. Der Himmel, das Schicksal selbst ist dir unterthänig. - Schlägelschimmel, Chinki tschewkiani, heisst jenes Pferd, dessen man sich bei dem bekannten Spiele mit dem Schlägel und Ball, einer Art Maillespiel, bedient, und wozu nur Pferde aus Ägypten, Syrien und Bagdad vorzugsweise tauglich befunden werden. Der Himmel, das Schicksal wird hier einem solchen Schlägelschimmel verglichen, weil er die Menschen, wie der Schlägel den Ball, zu verfolgen und zu schlagen pflegt.

6 Der Glanz des Schwerts wird hier einem Wasser verglichen (an dessen Ufer der König den Baum des Rechtes pflanzen soll).

7 Iredsch, der Name einer Steppe zwischen Schiras und Lar.

8 Ein aus der mündlichen Überlieferung des Propheten gezogener, zum Sprichwort gewordener arabischer Satz.

 

zurück