Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Nun

25.

Bedachschan ist's, wo aus Steinen
Der Rubin zum Vorschein kömmt,

Wie der Rokna, gleich dem Zucker,
Einem engen Sack entströmt,1

In Schiras tritt allenthalben
Schelmisch, hold und wunderlieb

Aus dem Thore jedes Hauses
Ein gar schöner Herzensdieb.

Aus des Richters und des Mufti's,
Aus des Scheïch's und Vogtes Haus

Kommen unverfälschte Weine,
Rosenroth gefärbt, heraus.

Wenn Begeist'rung auf der Kanzel
Sich mit Gleissnerei verband,

Kömmt das Kräutchen Beng2 zum Vorschein
An des Pred'gers Mützenrand.

 In der Gärten inner'm Raume
Tönet durch des Sängers Sang

Früh und spät des Sprossers Klage
Zu der Harfe sanftem Klang;

Und, in einer Stadt wie diese,
Tritt Hafis aus seinem Haus,

Traurend ob des Freundes Trennung,
Ach, und herzbeengt, heraus!
 

1 Bedachschan in Chorassan ist der sogenannten Ballassrubine wegen berühmt, die in den dortigen Gebirgen und Felsen gefunden werden; sie heissen Bedachschi, was von italienischen Reisenden in Balascio oder Balasso verstümmelt wurde, woher das französische rubis balais; der ergiebigste Fundort derselben ist der Ort Tenk, unweit Bedachschan. Tenk heisst aber auch nicht nur die enge Schlucht, in welcher der Fluss Rokna (abgekürzt von dem bereits wiederholt vorgekommenen Roknabad) entspringt, sondern auch ein enger Sack, ein Ballen, in welchem der Zucker verführt zu werden pflegt. Daher lässt es der Dichter unentschieden ob er sagen wollte das süsse Wasser des Rokna entspringe der Schlucht Tenk oder einem Zuckersacke oder Ballen.

2 Benk, auf arabisch Haschisch, das bekannte berauschende Kraut, das in der Geschichte der Assassinen eine so grosse Role spielt.

 

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