Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Waw

3.

Du dessen Reizen sich die Sonne
Als Spiegelhälterin verdingt,

Vor dessen Maal der schwarze Moschus
Das Rauchgefäss im Kreise schwingt!

Ich wusch den Hofraum meines Auges:
Doch hat's mir Nutzen wohl gewährt?

Des Heeres deiner Wahngebilde
Ist so ein Winkel ja nicht werth.1

Und jener schwarze Punkt im Auge,
Des Lichtes Ausfluss, ist wohl nur

Ein Widerschein von deinem Maale
In meines Sehvermögens Flur.

Um vor dem Schicksal zu erscheinen
Glückwünschend, wie ich's sonst wohl that,

Fehlt leider noch die frohe Kunde
Dass deiner Liebe Fest genaht;2

Und um den Himmel selbst als Sclaven
Mit einem Ring im Ohr zu schau'n,

Fehlt leider noch das holde Winken
Von deinen neumondgleichen Brau'n.3

O Schönheitssonne! Du beherrschest
Der Anmuth und der Gnade Höh'n;

Herr, bis zum Auferstehungstage
Verspäte sich dein Untergeh'n!

Wie lebst du, armes Herz, gefangen
In Seinem krausen Lockenhaar?

Denn mir, mir stellte deine Lage
Der Ostwind gar verworren dar.

Ein hold'res Bild als deine Züge
Liess jener Künstler nie uns schau'n,

Der das Thugra dir ausgefertigt
Der moschusgleichen Augenbrau'n.4

Schon heben sich der Rose Düfte:
So tritt denn freundlich bei mir ein,

Du dessen Wange, Glück verheissend,
Mein Frühling ist, mein Blumenhain!

Worüber soll ich Klage führen
Tret' ich vor den Gebieter hin?

Erklär' ich ihm die eig'ne Ohnmacht,
Wie, oder deinen harten Sinn?

Hafis, es war der Liebe Schlinge,
In die schon mancher Staarkopf ging:

Lass falschen Wahn dich nicht bethören:
Ist deine Kraft doch zu gering.
 

1 D.h. Ich weinte, doch umsonst; denn ich fühlte, der Winkel des Hofraumes meines Auges sei es nicht werth, das Heer der Bilder in sich aufzunehmen, die ich mir von dir vor die Blicke bringe.

2 D.h. Damit ich mir zu meinem eigenen Schicksale Glück wünsche, wie man sich gegenseitig am Bairamsfeste beglückwünscht, fehlt leider noch der Umstand, dass das Fest deiner Liebe noch nicht angebrochen ist.

3 D.h.Und damit der Himmel selbst mein Sclave werde (das Tragen des Ringes im Ohre ist das Zeichen der Leibeigenschaft), fehlt leider noch der beglückende Umstand des freundlichen Winkens deiner Brauen. Letzteres ist eine Anspielung auf das Erblicken des Neumonds (dem hier die Brauen verglichen werden) nach dem Fastenmonde Ramasan und den dadurch bedingten Beginn des Bairamfestes. Der Himmel mit dem Sclavenringe im Ohr ist der mit dem Bairams-Neumonde prangende Himmel.

4 D.h. Gott schuf nie ein schöneres Geschöpf als dich. - Gott wird hier dem Thugrakiesch, d.i. dem Staatssecretär für den Namenszug des Monarchen, und die Augenbrauen werden diesem verschlungenen Namenszuge, Thugra, verglichen, der obenan vor jeden kaiserlichen Befehl gesetzt wird; wobei noch zu bemerken, dass das Wort mathbu, hold, auch aufgedrückt, und das Wort missal, gleich, ähnlich, auch kaiserlicher Befehl bedeute.

 

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