Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Waw

7.

Der Rosenbaum der Wonne blühet:
Wo ist der Rosige, der Schenke?

Des Frühlings laue Lüfte wehen:
Wo ist der Wein, dies Kraftgetränke?

An eine Rosenwange mahnet
Zwar jedes Röschen auf den Auen:

Doch, wo sind Ohren dies zu hören,
Und wo sind Augen dies zu schauen?

Es mangelt dem Gelag der Wonne
Der Zibet der den Wunsch durchdüfte:

Wo ist des Freundes Moschuslocke?
O sagt es mir, Ihr Morgenlüfte!

Der Rose Prahlerei mit Schönheit
Soll mich in Zukunft nicht mehr drillen:

In's Herzensblut taucht' ich die Hände:
Wo ist das Bild1, um Gotteswillen!

Die Morgenkerze hat - verblendet -
Mit deiner Wange Reiz geprahlet:

Der Feind verlängerte die Zunge:
Wo ist der Dolch der glänzend strahlet?2

Er sprach: »Du scheinest kein Verlangen
Nach meiner Lippe Kuss zu hegen.«

Mich hat die Lust darnach getödtet:
Wo ist die Wahl und das Vermögen?

Hafis steht in der Kunst des Wortes
Als Hüter bei dem Weisheitshorte:

Doch, durch die nied're Zeit gekränket,
Wo fände wer noch Lust zum Worte?
 

1 D.i. Der Geliebte.

2 Unter dem Feinde ist die Kerze, unter der Zunge der Docht und unter dem Dolche die Lichtscheere zu verstehen.

 

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