Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Waw

9.

Sprich vom Freunde mir, o Bote,
Der nur wahre Kunde bringt;

Von der Rose sprich dem Sprosser
Der so schöne Lieder singt!

Sorge nicht; in das Geheimniss
Bin ich ja schon eingeweiht:

D'rum mit dem vertrauten Freunde
Sprich ein Wort der Traulichkeit!

Lies die Briefe jenes Reichen
Diesem armen Manne vor,

Und von jenem hohen Kaiser
Sprich zu dieses Bettlers Ohr!

Als Er aus dem Lockennetze
Herzen streute auf die Bahn,

Sprich wie's meinem armen Fremdling1
In der Luft ergangen dann?2

 Führt an jenes Thor des Glückes
Wieder einst die Strasse dich,

So bezeig' erst deine Ehrfurcht,
Bringe Wünsche dar und sprich:

»Gleich sind Arme sich und Reiche
Wandelnd auf der Liebe Bahn:

Sprich darum, o Schönheitskaiser,
Immerhin den Bettler an.«

Jedem, der als Augenschminke
Seines Freundes Thürstaub preist,

Sage: »Sprich denn diese Worte
Offen mir in's Aug' und dreist!«

Und dem Ssofi, der die Thore
Zu den Schenken mir verschliesst,

Sage: »Sprich von solchen Dingen
Wenn mein Wirth zugegen ist.«

Jener Wein, der in dem Kruge
Jetzt des Ssofi Herz bestrickt,

 Schenke, sprich, wann kömmt die Stunde
Wo er durch die Gläser blickt?

Als Er in Verwirrung brachte
Jenes moschusduft'ge Haar,

Ostwind, sprich was mich betreffend
Damals Seine Absicht war?3

Gestern weinte, als ich klagte,
Auch der Vogel auf der Flur;

Ostwind, sprich was vorgefallen?
Endlich weisst ja du es nur.

Die Erzählung weiser Männer
Ist es, die die Seele nährt:

Geh' und frag' und, wiederkehrend,
Sprich von dem was sie gelehrt.

Wäre ich auch noch so böse,
Schilt mich desshalb nicht zu hart:

Sprich von eines Bettlers Sünde
Nachsichtsvoll, nach Königsart!

 Gibt, Hafis, man dir Erlaubniss
Ihm zu nah'n, so trinke Wein,

Und zum Trug sprich Gott zu Liebe:
»Nichts mehr haben wir gemein!«
 

1 D.i. Meinem Herzen.

2 Da Hawa nicht nur Luft, sondern auch Liebe, Leidenschaft bedeutet, so kann dieser Satz auch heissen: Wie es meinem Herzen durch die Liebe erging, was es nämlich litt, als es aus dem Lockennetze des Geliebten herabfiel.

3 Ob der Geliebte mich nämlich auch, gleich seinem Haare, verwirrt machen wollte?

 

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